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Nr. 440

 

Der Schwarzschock

 

Das Böse im Land der Magier

 

von Marianne Sydow

 

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Nachdem der Dimensionsfahrstuhl Atlantis-Pthor im Randgebiet der Schwarzen Galaxis zum Stillstand gekommen war, hatte Atlan, wie erinnerlich, die Flucht nach vorn ergriffen. Zusammen mit Thalia, der Odinstochter, flog er ins Marantroner-Revier, das von Chirmor Flog, einem Neffen des Dunklen Oheims, beherrscht wurde.

Dort, von Planet zu Planet eilend und die Geheimnisse der Schwarzen Galaxis ausspähend, bestanden Atlan und seine Gefährtin so manche tödliche Gefahr gemeinsam – bis der Planet Dykoor zu Thalias Grab wurde.

Nun, nach einer wahrhaft kosmisch anmutenden Odyssee, ist der Arkonide zusammen mit seinen Freunden Razamon und Axton/Kennon wieder nach Pthor zurückgekehrt.

Die drei Männer sind Gefangene von Duuhl Larx, dem Herrscher des Rghul-Reviers, dessen Truppen, vom Land der Magier abgesehen, ganz Pthor besetzt halten.

Auf Geheiß des Duuhl Larx dringt Atlan nun in die Barriere von Oth ein. Er soll die Magier dazu bewegen, ihren Widerstand gegen die Invasoren aufzugeben.

Niemand ahnt, dass im Land der Magier inzwischen das Böse regiert. Schuld daran ist DER SCHWARZSCHOCK ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Chirmor Flog – Er bringt das Böse ins Land der Magier.

Copasallior, Koratzo, Glyndiszorn, Islar und Parlzassel – Die einzigen Magier, die immun gegen den Schwarzschock sind.

Kolphyr, Koy und Fenrir – Gäste innerhalb der Großen Barriere von Oth.

1.

 

Eine bleigraue Dämmerung lag über Pthor und verschluckte alle Farben. Das Land nördlich der Barriere von Oth wirkte in dieser Beleuchtung leblos und kalt. Noch vor kurzem hatte es hier sanfte Hügel gegeben, die mit blühenden Büschen und kurzem Gras bewachsen waren. Dazwischen erhoben sich kleine Wälder, deren Bäume alt und knorrig waren. Wild hatte man um so häufiger gefunden, je näher man den mächtigen Bergriesen von Oth kam.

Seit dem Angriff der Scuddamoren war von all dem nur noch Asche geblieben, die der Wind über den verbrannten Boden trieb und in den tiefen Kratern und Furchen, die die Strahlen der Energiegeschütze hinterlassen hatten, zu kleinen Bergen häufte. Am Fuß der Barriere, direkt am Rand des magischen Schutzschirms, glich das Land einem frisch umgegrabenem Feld, das von einem Riesen angelegt worden war.

In einem der zahllosen Krater erschienen wie aus dem Nichts drei Gestalten. Sie passten in dieses furchterregende Bild der Zerstörung, denn die eine erwies sich bei näherem Hinsehen als der Torso eines monströsen Wesens, das von einem rechteckigen Gerüst umgeben und gestützt wurde, während die beiden anderen sich als düstere ovale Schemen zeigten. Einer der Schemen eilte die steile Wand des Kraters hinauf, wobei Geröll und Sand unter ihm wegrutschten. Die beiden Zurückbleibenden waren gezwungen, dieser Miniaturlawine auszuweichen. Dabei zeigte sich, dass der Torso in der seltsamen Prothese nicht nur hilflos aussah, sondern es auch war. Mit seinen vielen verschiedenen Gehwerkzeugen versuchte er unbeholfen einen Schritt zu machen, gab es dann aber auf und sah apathisch zu, wie die Steine um seine künstlichen Füße rollten.

Der Schemen auf dem Kraterrand sah sich anscheinend die Umgebung an, denn er drehte und wandte sich unruhig nach allen Seiten. Und plötzlich erlosch das dunkle Glimmen, und darunter kam ein Mensch zum Vorschein, ein Mann, blond, mit blauen Augen, hochgewachsen und schlank, nach terranischem Maßstab um die fünfundzwanzig Jahre alt. Er drehte sich um, winkte dem zweiten Schemen und dem Torso zu und schien etwas hinunterzurufen, denn er bewegte die Lippen. Aber man hätte selbst dann keinen Ton gehört, wäre es in diesem Augenblick möglich gewesen, ihm ein Mikrophon vor den Mund zu halten.

Anstelle des zweiten Schemens erschien ebenfalls ein Mann, aber ihn hätte niemand für einen Menschen gehalten. Aus den Falten seines wallenden, düsteren Gewands ragten nämlich sechs Arme, und in seinem Kopf saßen Augen, die riesengroß waren und aussahen, als hätte man sie aus gebrochenem Basalt geformt.

»Komm herunter, Koratzo!«, rief der Sechsarmige dem Mann oben auf dem Kraterrand zu. »Aber mach nicht so viel Staub wie beim Aufstieg.«

Der Torso sagte nichts und rührte sich auch nicht.

Koratzo, der Stimmenmagier, stieg vorsichtig in den Krater hinab. Vor dem entstellten Fremden blieb er stehen.

»Bald sind wir am Ziel«, sagte er sanft. »Sobald wir uns unter dem Schirm befinden, wirst du dich besser fühlen, Chirmor Flog.«

Dem Neffen des Dunklen Oheims, der teilnahmslos in seiner vielgliedrigen Prothese hing, war nicht anzusehen, ob dieses Versprechen ihn in irgendeiner Weise beeindruckte. Seine riesigen Augen waren starr und blicklos. Längst war Chirmor Flog nicht mehr fähig, seine jeweils drei Pupillen pro Auge auf ein gemeinsames Ziel zu richten. Am linken hatte sich die rot-runde selbständig gemacht und starrte zum Himmel hinauf, der grau und leer war. Auf dem rechten Auge war es die gelb-dreieckige Pupille, die aus dem Rahmen tanzte und beharrlich dahin starrte, wo die Nase des Neffen sich hätte befinden müssen, wäre ihm von der Natur eine solche zugedacht gewesen. Die schwarz-viereckigen Pupillen beider Augen schienen Koratzo anzusehen, aber als der Stimmenmagier weiterging, reagierten sie nicht einmal mit einem kurzen Zucken auf diese Bewegung in nächster Nähe.

»Du hättest ihm helfen sollen, Copasallior«, sagte Koratzo mit einem vorwurfsvollen Blick auf das Geröll, in dem die künstlichen Beine des Neffen steckten.

Der Sechsarmige lächelte verächtlich, deutete mit einem Finger auf Chirmor Flog und zog diesen mittels angewandter Magie aus dem Geröll. Der Neffe schien sich für den Bruchteil einer Sekunde aufzulösen, um gleich darauf einige Meter entfernt von neuem zu entstehen.

»Ich fürchte, wir begehen einen Fehler«, sagte Copasallior und senkte die Hand wieder. »Dieses Monstrum in die Barriere zu bringen, dürfte nicht ganz ungefährlich sein.«

»Er ist so gut wie tot«, gab Koratzo zu bedenken. »Wir Magier haben trotzdem die Möglichkeit, ihn noch zu heilen.«

»Wozu heilen?«, fragte der Weltenmagier sarkastisch. »Ich hätte eher Lust, dem natürlichen Vorgang ein wenig nachzuhelfen und ihn gleich jetzt ins Jenseits zu befördern.«

»Das wäre nicht im Sinn der positiven Magie.«

Copasallior starrte den Stimmenmagier an. Koratzo hielt den Blicken stand.

»Na gut«, sagte Copasallior schließlich. »Wir werden ihn heilen und ihn über die Schwarze Galaxis befragen. Wenn das erledigt ist, erlauben wir ihm, in die FESTUNG zurückzukehren – und zwar zu Fuß. Ich bin gespannt, wie weit er kommt, ehe ihm die Pthorer den Schädel einschlagen. Koratzo, ist dir klar, was dieses Monstrum darstellt? Wie viel Blut an seinen Händen klebt? Ein Neffe des Dunklen Oheims, ein Herrscher über Hunderte von Welten, und keine einzige davon kann man als eine Stätte des Glücks bezeichnen! Dort draußen gibt es nichts als Elend und Unterdrückung. Sämtliche Völker des Marantroner-Reviers werden uns zujubeln, wenn wir ihnen diesen bestialischen Burschen vom Halse schaffen!«

»Und was käme danach?«, fragte Koratzo nüchtern.

»Das weiß niemand«, sagte Copasallior fatalistisch. »Wahrscheinlich wird der Dunkle Oheim einen neuen Neffen schicken. Aber für kurze Zeit wird dieses Revier der Schwarzen Galaxis frei sein. Ist das in deinen Augen nichts wert?«

»Wir werden mehr erreichen als eine solche Galgenfrist. Chirmor Flog wird zu seinen Untertanen zurückkehren, und diese werden erkennen, dass er gar nicht so schlimm ist.«

»Du willst ihn bekehren?«

Copasallior hätte beinahe laut gelacht, und das hörte man seiner Stimme an. Koratzo nahm es gelassen hin.

»Nicht bekehren«, sagte er ernst. »Er ist uns etwas schuldig, wenn er erst wieder klar denken kann.«

»Oh ja«, murmelte Copasallior grimmig. »Und ich kann mir lebhaft vorstellen, wie er seine Schulden bezahlen wird: Mit einer ganzen Flotte von Organschiffen, die über Pthor herfallen und jedes einzelne Lebewesen davonschaffen, das man für die Ziele des Neffen verwenden kann. Sieh ihn dir an. Glaubst du wirklich, dass diese Kreatur fähig ist, Dankbarkeit zu empfinden?«

Koratzo blickte zu dem Neffen hinüber, von dessen eigenem Körper praktisch nur noch der Kopf und ein Gewirr von wurzelähnlichen Organsträngen übrig war. Diese Stränge verloren sich in dem Gestell, das dem Neffen den verlorengegangenen Körper ersetzte.

Stellte dieses Stützgerüst eine Kopie des früheren Chirmor Flog dar? Hatte er diese vielen Gliedmaßen wirklich besessen? Koratzo konnte sich ein Wesen, das von der Natur so ausgestattet war, beim besten Willen nicht vorstellen.

Aber die äußere Erscheinung des Neffen war nicht ausschlaggebend. Koratzo hatte in seinem nach Jahrtausenden zählenden Leben schon weitaus hässlichere Lebensformen zu Gesicht bekommen. Was ihn an Chirmor Flog störte, das war dessen deutlich spürbare Bösartigkeit.

»Er wird bezahlen«, sagte er leise. »Wenn er aus freiem Willen heraus nicht dazu bereit ist, werden wir ihn zwingen.«

»Wo bleibt deine Begeisterung für die positive Magie?«, fragte Copasallior spöttisch.

Der Stimmenmagier wandte sich abrupt ab. Ungeduldig blickte er in die Richtung, in der über dem Kraterrand ein Teil des magischen Schirmes zu sehen war, der die Große Barriere von Oth umschloss.

Warum schuf Glyndiszorn nicht etwas schneller den Durchgang zum Reich der Magier? Hatte er einen besonderen Grund, die beiden warten zu lassen?

Unwillkürlich wanderten seine Gedanken abermals zu Chirmor Flog hinüber, und wie immer zuckte er zurück, als er die ungeheuer starke Ballung negativer Kräfte berührte, die der Neffe in sich trug. Nie zuvor war er einem Wesen begegnet, das ausschließlich schlecht war. Chirmor Flog glich einem Gefäß, das bis obenhin mit Gift gefüllt war. Ein Tropfen reichte, und es lief über. Koratzo wagte es nicht, sich vorzustellen, was dann geschah.

Aber gerade in der Barriere von Oth konnte man am ehesten verhindern, dass Chirmor Flogs negative Kräfte wuchsen. Dort gab es keine negativen Kräfte mehr, denn auch der letzte Überlebende aus Jarsynthias Bande, der Rauchmagier Lunnater, hatte mittlerweile das Zeitliche gesegnet – er hatte seinem Leben mit eigener Hand ein Ende gesetzt.

Wenn Chirmor Flog irgendwo sicher untergebracht war, dann also in Oth, denn dort war er auch von den vielfältigen Einflüssen abgeschirmt, die das Leben in der Schwarzen Galaxis bestimmten.

Trotzdem machte Koratzo sich Sorgen. Nicht alle Magier waren nach der Verbannung Jarsynthias begeisterte Verfechter der positiven Magie geworden. Selbst Copasallior war oft genug bereit, Ausnahmen zu machen. Schon gab es hier und da in der Barriere Anzeichen dafür, dass die alten Eifersüchteleien neue Nahrung bekamen. Wenn jetzt dieser vor Bosheit geradezu triefende Neffe des Dunklen Oheims in die Berge gelangte, mochte wer weiß was geschehen.

Er spähte abermals zu dem Schirm hinauf. In der Dämmerung wirkte die äußere Wand des Großen Knotens wie die Oberfläche mancher Perlen: Man meinte, sich darin spiegeln und gleichzeitig hineinsehen zu können. In Wahrheit gelang weder das eine noch das andere. Aber gerade in diesem Augenblick ging ein farbiger Schauer über jene Stelle, die man vom Krater aus sehen konnte. Es waren unwirkliche, fremde Farben, die in der Sprache von Pthor keine Namen trugen.

»Es ist soweit!«, rief Koratzo dem Weltenmagier zu.

Copasallior, der auf der anderen Seite des Kraters stand und nach Kristallen suchte, versetzte sich über die kurze Strecke hinweg, ergriff Koratzos Hand und wollte eben nach Chirmor Flog fassen, als Koratzo sich völlig überraschend von ihm löste.

»Was ist mit dir los?«, fragte Copasallior unwillig. »Traust du mir plötzlich nicht mehr zu, dass ich dich bis zum Eingang schaffe?«

»Das ist es nicht«, versicherte Koratzo hastig. »Es geht um den Neffen, beziehungsweise um dieses Gerüst, in dem er hängt. Wir sollten es nicht mitnehmen. Der Neffe allein ist schlimm genug, aber das Gerüst ist ein Erzeugnis der Antimagie.«

»Seit wann hast ausgerechnet du etwas gegen Antimagie einzuwenden?«, erkundigte der Weltenmagier sich spöttisch. »Die Fertigkeiten, in denen sich Islar im Schutz der Tronx-Kette übt ...«

»Wir haben keine Zeit für solche Diskussionen«, schnitt Koratzo ihm drängend das Wort ab. »Schick dieses Ding zur FESTUNG zurück. Ich bitte dich darum.«

Copasallior betrachtete Koratzo prüfend.

»Wie du meinst«, murmelte er. »Wohin damit?«

»In die Nähe jener Stelle, an der wir ihn getroffen haben.«

Copasallior hob schweigend seine dürren Hände, und mittels seiner Transmitterfähigkeiten löste er den Neffen aus dem Gerüst heraus. Chirmor Flog sah ohne dieses Ding noch schlimmer aus, aber Copasallior ließ sich nicht beirren. Er griff mit seinen eigenartigen Sinnen nach der Prothese und schleuderte sie durch den Raum jenseits der Wirklichkeit zurück an jenen Ort, an dem sie Chirmor Flog entführt hatten.

»Zufrieden?«, fragte er den Stimmenmagier.

Koratzo nickte nur. Schweigend sah er auf Chirmor Flog hinab, der hilflos am Boden lag. Jetzt, ohne seinen umfangreichen Apparat, glich der Neffe einer seltsamen Pflanze: Er bestand nur aus einem Kopf, an dem ein Gewirr von schlaffen, wurzelähnlichen Strängen hing.

»Er hat nichts, was wir als Körper bezeichnen würden«, bemerkte Copasallior nüchtern. »Ich fürchte, deine Entscheidung bedeutet seinen Tod.«

»Er wurde von dem Gerät versorgt«, murmelte Koratzo bedrückt. »Wir werden etwas erschaffen, was dieses Gerüst ersetzt. Verstehst du denn nicht, Copasallior? Wir durften dieses Ding nicht in die Barriere bringen. Ich traue dem Dunklen Oheim alles zu. Vielleicht ist dies alles nur eine Falle, und in diesem antimagischen Apparat war eine Waffe versteckt. Von außen kann niemand den Schirm zerstören. Aber wenn es in der Nähe des Gnorden starke Erschütterungen gibt, kann dies das Ende bedeuten.«

»Da hast du Recht«, sagte Copasallior nachdenklich. »An eine solche List hatte ich nicht gedacht. Aber wenn nun der Neffe selbst die Waffe ist?«

Sie sahen sich betroffen an.

»Es ist unmöglich«, meinte Koratzo schließlich. Er winkte zu dem seltsamen Wesen hinüber, das blicklos in die Gegend starrte. »Was sollte er uns schon anhaben können? Beeilen wir uns lieber. Die Zeit wird knapp.«

Es war eine Eigenart von Glyndiszorns Großem Knoten, dass er selbst für Copasallior, für den es sonst praktisch keine Hindernisse gab, undurchdringlich blieb. So war er gezwungen, zu Fuß hindurchzugehen, wie jeder andere Magier auch. Das war ein Punkt, über den der Sechsarmige sich jedes Mal von neuem ärgerte.

Er brachte Koratzo und den Neffen bis zu jener Stelle, an der der Tunnel begann.

»Was ist dir lieber?«, fragte der Stimmenmagier und deutete auf Chirmor Flog.

Copasallior bückte sich schweigend und hob den Kopf des Neffen an. Koratzo griff in das Gewirr der Körperstränge hinein, und so trugen sie Chirmor Flog, der innerhalb des Marantroner-Reviers die absolute Macht verkörperte, durch den Tunnel in die Barriere.

Noch war Leben in diesem Körper. Man fühlte es, ohne genaue Untersuchungen dazu anstellen zu müssen. Trotz der starken magischen Sperren, mit denen die Magier sich zum Schutz gegen Beeinflussung umgaben, drang etwas von der wilden, bösen Kraft, die den Neffen am Leben erhielt, zu ihnen durch. Einmal glaubte Koratzo sogar einen Gedanken des Neffen zu hören.

»Geh nach Pthor, und dir wird geholfen«, sagte eine verzerrte Stimme, und dieser Befehl war verbunden mit dem Bild eines kastenförmigen Apparats, der Achtpforg hieß.

Aber diese Vision verblasste, ehe Koratzo mehr herauszufinden vermochte.

»Träumst du von deiner Sprache des Friedens, Stimmenmagier?«, rief Copasallior ihm zu, und Koratzo erschrak, denn er war der Wand des Tunnels zu nahe gekommen. Zum Glück verhinderten die magischen Sperren, dass er sich verletzte. Aber ein Ausläufer des Neffen streifte die Wand und fiel ab.

»Wir haben es gleich geschafft«, murmelte Koratzo beruhigend, als er spürte, wie es in den schlaffen Strängen zuckte. »Es wird dir nichts geschehen.«

Von da an konzentrierte er sich ausschließlich auf den Weg, den er zu gehen hatte, und falls der Neffe weitere Eindrücke aus seiner Vergangenheit preisgab, so verpasste Koratzo sie – ein Umstand, den er noch bitter bereuen sollte.

Der Tunnel endete abrupt. Eben noch hatten sie sich zwischen den leuchtenden, wabernden Wänden befunden, und im nächsten Augenblick standen sie in taufeuchtem Gras. Erleichtert ließen sie Chirmor Flog zu Boden gleiten. Sie standen am Fuß des Gnorden, der sich fünftausend Meter hoch vor ihnen auftürmte. Weit oben, in der Nähe der Gipfelregion, lebte Glyndiszorn, der gerade jetzt den magischen Tunnel schloss. Das Luftschiff des Knotenmagiers, die ORSAPAYA, bildete das magische Zentrum des schützenden Schirmes. Zur Zeit war kein Magier so wertvoll wie Glyndiszorn, denn nur er beherrschte die schwere Kunst, mit Raum und Zeitverspannungen umzugehen. Es war daher für die beiden Magier selbstverständlich, dass sie Glyndiszorn nicht stören und schon gar nicht mit Chirmor Flog konfrontieren würden.

»Ich bringe ihn zur Tronx-Kette«, entschied Copasallior.

»Nimm mich mit«, bat Koratzo.

Copasallior nickte, und wieder taten sie gemeinsam den Schritt durch das Nichts.

»Warum hast du ihn nicht zu mir gebracht?«, fragte Koratzo überrascht, als sie in einem der engen Täler im östlichen Teil der Tronx-Kette herauskamen.

»Weil dieses Ding da gefährlich ist!«, sagte Copasallior grimmig. »Nimm ihn bei dir auf, wenn dir unbedingt danach ist. Ich möchte nur nicht derjenige sein, der ihn in deine Wohnhalle transportiert hat.«

Er hatte kaum ausgesprochen, da regte sich die schreckliche Kreatur im Gras. Die Magier starrten fassungslos den Torso an, der zuckte und sich wand, als spüre er schreckliche Schmerzen. Der winzige Mund Chirmor Flogs bewegte sich, als versuche der Neffe zu sprechen.