Nr. 450
Die negativen Magier
Der Kampf um die Herrschaft
von Marianne Sydow
Atlantis-Pthor, der Dimensionsfahrstuhl, ist wieder einmal mit unbekanntem Ziel unterwegs. Das Unheil, das Pthor vormals über unzählige Zivilisationen auf den verschiedensten Planeten gebracht hatte, scheint nun, seit dem Erreichen der Schwarzen Galaxis, auf den fliegenden Kontinent selbst zurückzuschlagen.
Jedenfalls hatten die Pthorer in jüngster Zeit schwere Prüfungen über sich ergehen lassen müssen, denn ihre Heimat wurde das Ziel mehrerer Invasionen – zuletzt der des Duuhl Larx.
Auch wenn die Truppen, die Duuhl Larx bei seinem überstürzten Abzug hatte zurücklassen müssen, längst keine Gefahr mehr darstellen, kommt Pthor gegenwärtig nicht zur Ruhe.
Schuld daran ist Chirmor Flog, der seinerzeit mit dem Schwarzschock das Böse in die Große Barriere von Oth brachte. Und dieses Böse wirkt weiter fort und führt nun dazu, dass die Bewohner der Barriere, die Magier, nun über die Grenzen ihres Landes ausgreifen und Herrschaftsansprüche auf das restliche Pthor anmelden.
Auch andere Faktoren spielen in dem nun ausbrechenden Kampf um den Besitz der FESTUNG noch eine gewichtige Rolle, doch tonangebend sind DIE NEGATIVEN MAGIER ...
Copasallior und Koratzo – Zwei Magier im Kampf um die Macht auf Pthor.
Chirmor Flog – Der Neffe verschafft sich neue Diener.
Kolphyr und Koy – Der Bera und der Trommler im Bann Chirmor Flogs.
Balduur, Sigurd und Heimdall – Die Odinssöhne als Marionetten Koratzos.
Die Landschaft zu beiden Seiten der Straße der Mächtigen sah wüst und leer aus im grauen Licht. Von weit her kam ein Rauschen, wie von einem Wasserfall. Koy leckte sich die trockenen Lippen und verfluchte im Stillen den Neffen, der ihm wie ein schwerer Sack auf den Armen hing. Das Geräusch machte ihn durstig, aber er wusste, dass sie weit von der nächsten Quelle entfernt waren.
Pthor war wieder einmal unterwegs. Der Dimensionsfahrstuhl hatte das Rghul-Revier verlassen und trieb einem unbekannten Ziel entgegen. Das Rauschen kam aus dem Wölbmantel.
Der Trommler drehte sich um. Er stellte fest, dass er den anderen weit voraus war. Ärgerlich bettete er den Neffen auf einen kargen Grasflecken und wartete.
Schon bald hörte er die Stimme Sator Synks, der seine Heldentaten erzählte und damit vor Leenia zu glänzen versuchte. Kolphyr stapfte schweigend hinter dem seltsamen Paar her. Neben ihm lief Fenrir, der Wolf, und in einigem Abstand folgten die Robot-Guerillas.
Als die Gruppe heran war, bückte sich Kolphyr stumm und hob den Neffen auf.
»Du hast ihn lange genug getragen«, protestierte Koy. »Synk ist an der Reihe.«
»Glaubst du etwa, ich werde wirklich freiwillig dieses Ungeheuer durch die Gegend schleppen?«, erkundigte Sator Synk sich empört.
»Oh ja«, sagte Koy grimmig. »Du wirst! Oder willst du dich davor drücken?«
»Ich werde die nächste Strecke übernehmen«, bot Leenia an, in dem Bestreben, den Frieden in der kleinen Gruppe zu erhalten.
»Das kommt gar nicht in Frage!«, knurrte Synk. »Eins, komm her!«
Einer der Roboter schwebte herbei.
»Womit kann ich dienen, mein Herr?«, fragte Eins vorsichtig.
»Lass das affige Getue«, empfahl Synk mürrisch. »Schnapp dir den Neffen und schwebe mit ihm vor uns her.«
Eins streckte metallene Tentakel aus und traf Anstalten, Chirmor Flog aus Kolphyrs Armen zu holen.
»Geh weg!«, rief der Neffe wütend. »Kolphyr, sage diesem Ding, dass es verschwinden soll!«
»Du hast es gehört«, wandte der Bera sich an den Roboter. »Lass ihn in Ruhe, Eins, er will nichts mit dir zu tun haben.«
Aber Eins reagierte nicht. Für ihn galt allein Sator Synks Befehl. Er nahm den Neffen an sich und schwebte zu Synk hinüber.
»Fünf Meter Abstand«, befahl der Orxeyaner.
Chirmor Flog stieß eine Verwünschung hervor.
»Das wirst du bereuen, Synk!«, schrie er mit überschnappender Stimme.
»Eins – zehn Meter Abstand!«, befahl Synk kalt. »Wenn er noch ein Wort sagt, verdoppelst du die Entfernung!«
Synk sah sich beifallheischend um, aber die anderen starrten mit betretenen Gesichtern den Roboter an.
»Was ist mit euch los?«, fragte Sator Synk aufgebracht. »Seht ihr nicht, dass ich dieses Problem endlich gelöst habe? Eins ist stark genug, um den Neffen notfalls bis zur Küste der Stille und wieder zurück zu tragen. Was steht ihr herum und starrt mich an? Warum freut ihr euch nicht?«
»Dem Neffen gefällt es nicht«, bemerkte Koy.
»Gefällt es nicht«, äffte Synk wütend nach. »Was kümmert es euch, ob der Bursche damit einverstanden ist, von einer Maschine getragen zu werden! Merkt ihr nicht, wie Chirmor Flog euch tyrannisiert?«
»Du siehst das falsch«, sagte Leenia beschwichtigend. »Chirmor Flog ist völlig hilflos. Er kann sich nicht aus eigener Kraft fortbewegen. Wir können ihn doch nicht im Stich lassen.«
»Fängst du auch schon damit an?«, fragte Synk verblüfft. »Ich möchte wissen, wie Flog es geschafft hat, euch die Köpfe zu verdrehen! Wir lassen ihn ja nicht im Stich, Leenia. Im Gegenteil: Bei Eins ist er völlig sicher aufgehoben.«
»Eins ist eine Maschine!«, sagte Kolphyr. »Chirmor Flog braucht die Nähe eines lebenden Wesens.«
»Ach, und darum hat er den Scuddamoren wohl auch befohlen, die Hälfte der Einwohnerschaft von Pthor zu verschleppen, wie?«
»Du übertreibst«, warf Koy ein. »So viele waren es nicht.«
»Es waren auf jeden Fall zu viele!«, schrie Synk außer sich vor Zorn. »Beim Geist der FESTUNG, habt ihr vergessen, wer Chirmor Flog ist?«
»Nein«, murmelte Kolphyr widerstrebend. »Natürlich nicht. Aber das ändert nichts daran, dass er jetzt hilflos ist.«
»Von wegen hilflos«, knurrte Sator Synk.
»Helft mir!«, schrie Chirmor Flog. »Das Ding bringt mich um!«
Eins entfernte sich samt seiner unheimlichen Last um weitere zehn Meter von der Gruppe.
»Du musst ihn zurückrufen!«, sagte Koy.
»Ich muss gar nichts«, fauchte Synk giftig.
Der Trommler antwortete nicht, aber der Orxeyaner sah voller Entsetzen, dass Koys Broins zu schwingen begannen.
»Das wagst du nicht!«, stieß er hervor.
Koy antwortete nicht. Synk hörte ein Klopfen, ganz leise nur, als könne er sein Herz schlagen hören. Aber das Klopfen wurde allmählich lauter, und er wusste, was das bedeutete. Die hörnerartigen Auswüchse auf der Stirn des Trommlers schlugen gegeneinander, und wenn er noch länger wartete, würde sein Körper unter der Wucht dieser Impulse zerspringen.
»Eins!«, schrie er verzweifelt. »Komm sofort zurück und gib den Neffen ab!«
Zuerst schien es, als hätte der Roboter ihn nicht gehört. Endlich tat Eins, wie ihm geheißen. Das Trommeln hörte auf.
Synk wischte sich den Schweiß von der Stirn und starrte Koy an.
»Hat er dir das befohlen?«, fragte er und deutete auf Chirmor Flog.
»Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst!«, antwortete der Trommler kalt.
Synk beherrschte sich nur mühsam. Seit er auf Koy, Kolphyr und Leenia getroffen war, die den Neffen aus der Barriere von Oth mitgebracht hatten, spürte er, dass etwas nicht stimmte. Anfangs hatte die Freude über das Wiedersehen mit Leenia dieses Gefühl verdeckt, aber allmählich wurde ihm klar, dass auch diese rätselhafte Frau sich verändert hatte. Er sah sich unwillkürlich nach Fenrir um. Der Wolf stand in einiger Entfernung auf der Straße der Mächtigen. Seine Mähne war gesträubt, und er hielt den Kopf gesenkt.
»Was für ein kluges Tier«, sagte Synk zu sich selbst. »Fenrir spürt die Gefahr, aber alle anderen tappen dem Neffen einfach so in die Falle. Diese Dummköpfe! Ich hätte sie für klüger gehalten!«
Er stutzte, denn ihm wurde plötzlich bewusst, dass ja auch er selbst dem unheilvollen Einfluss des Neffen nicht erlag.
Misstrauisch sah er die anderen an, die sich gerade wieder in Bewegung setzten.
Sator Synk war nicht der Mann, der sein Licht unter den Scheffel stellte, aber wenigstens in seinen Gedanken gab er zu, dass zumindest Kolphyr und Leenia ihm in allen Punkten überlegen waren.
Dass Koy dem Neffen unterlag, war für Sator Synk noch verständlich. Dass aber selbst Leenia begann, sich diesem Ungeheuer unterzuordnen, das gab ihm zu denken.
Insgeheim war Synk felsenfest davon überzeugt, etwas Besonderes zu sein. Dennoch gestand er sich ein, dass es möglicherweise eine ganz einfache Erklärung für seine auffällige Widerstandskraft gab.
Koy und Kolphyr waren schon seit vielen Tagen in der Nähe des Neffen, und sie unterwarfen sich Chirmor Flog am stärksten. Leenia war später hinzugekommen, und bei ihr setzte der Prozess der Beeinflussung gerade ein. Er, Synk, war erst vor wenigen Stunden zu dieser Gruppe gestoßen.
Er erschrak, als ihm klar wurde, welche Folgerungen sich aus diesem Gedanken ergaben.
Er musste weg von diesem Monstrum. Abgesehen davon, dass der bloße Gedanke, von Flog beeinflusst zu werden, ihm Übelkeit bereitete, musste er auch an die Robot-Guerillas denken. Chirmor Flog würde ganz gewiss keine Rücksicht auf die Tatsache nehmen, dass die Wolterhavener Roboter an ihrer Existenz hingen. Zwar konnte auch der Neffe den Guerillas keine Befehle erteilen – aber er konnte Sator Synk dazu bringen, dass er nur noch das sagte, was dem Neffen genehm war.
»Diglfonk!«, sagte er. »Komm her!«
Der Roboter schwebte gehorsam heran.
»Gib deinen Freunden Bescheid«, raunte Synk. »Wir trennen uns von den anderen.«
Er wartete, bis die Robot-Guerillas sich in der gewohnten Formation um ihn postiert hatten.
»Nach Norden!«, sagte er dann. »Wir werden Donkmoon umgehen und uns in der Nähe der FESTUNG umsehen.«
Umgeben von seinen Robotern verließ er das graue Band der Straße.
»Sator!«, hörte er Leenias Stimme. »Wohin gehst du?«
Widerwillig drehte er sich um.
»Ich gehe fort«, sagte er trotzig.
Leenia eilte zu ihm.
»Aber warum?«, fragte sie verwundert. »Wir wollten doch gemeinsam zur FESTUNG gehen und dort mit den Odinssöhnen reden. Hast du das vergessen?«
»Nein«, erwiderte Synk brummig. »Aber solange ihr den da dabei habt, werdet ihr nichts für Pthor tun.«
Dabei deutete er auf den Neffen.
»Du irrst dich!«, behauptete Leenia. »Es hat sich durch Chirmor Flog nichts an unseren eigentlichen Zielen geändert. Warum bist du so ärgerlich? Nur weil wir uns um den Neffen kümmern?«
»Ich fürchte, es ist genau umgekehrt«, sagte Synk grimmig. »Der Neffe kümmert sich um euch. Ihr benehmt euch einfach anders, seit ihr ihn durch die Gegend schleppt.«
Leenia zuckte ratlos die Schultern.
»Das ist nicht wahr«, sagte sie hilflos. »Wir wissen, welche Verbrechen Chirmor Flog begangen hat. Aber er ist trotz allem ein lebendes Wesen, und er ist ohne unsere Hilfe verloren.«
»Was macht das schon?«, fragte Synk verächtlich. »Er ist es nicht wert, dass ihr euch mit ihm abschleppt.«
»Wie kannst du nur so reden?«, fragte Leenia traurig. »Sollen wir uns den Gesetzen der Schwarzen Galaxis anpassen und genauso grausam und kalt handeln, wie Flog es getan hat?«
»Nein«, sagte Sator Synk betroffen.
Leenia lächelte erleichtert.
»Na also! Komm, die anderen warten auf uns.«
Ihr Lächeln hätte Synk fast überrumpelt. Schon tat er zögernd einen Schritt in die bisherige Marschrichtung, da hörte er die Stimme des Neffen.
»Warum geht es nicht weiter?«, fragte Chirmor Flog. »Was steht ihr hier herum? Wir vertrödeln unsere Zeit.«
Dieses Ungeheuer!, dachte Sator Synk.
»Nein!«, sagte er laut. »Ich ziehe mit meinen Robot-Guerillas alleine weiter.«
Er war fest entschlossen, sich nicht umstimmen zu lassen, nicht einmal von Leenia. Er sah, dass die rätselhafte Frau zögerte, sich dann zu den anderen umwandte und ratlos die Arme hob.
»Ich kann es nicht ändern«, sagte sie. »Ich werde ihn begleiten.«
Sator Synks Herz tat einen wilden Sprung. Leenia sah Kolphyr bittend an. Der Dimensionsforscher zuckte in menschlicher Manier die Schultern.
»Viel Glück!«, wünschte er Leenia und Sator Synk, dann wandte er sich ab und stapfte weiter die graue Straße entlang, die nach Osten führte.
»Was für ein Abschied!«, murmelte Synk sarkastisch. »Kannst du nichts für die beiden tun? Du bist dem Neffen doch haushoch überlegen mit all deinen Fähigkeiten.«
»Ich bin nicht mehr die Alte«, sagte Leenia bedrückt. »Komm, die Roboter sind zum Aufbruch bereit.«
Sator Synk schritt neben ihr in die Ebene von Kalmlech hinein, und mit jedem Meter, den er zurücklegte, wurde ihm deutlicher bewusst, dass er nun für mehrere Tage mit Leenia allein sein würde. Während der letzten Stunden hatte er fast so etwas wie Eifersucht dem Bera gegenüber entwickelt, weil auch der sich mit Leenia unterhalten wollte.
Sator Synk war so glücklich, dass er am liebsten laut gesungen hätte. Aber ausgerechnet jetzt wollte ihm kein Lied einfallen, dass zu seiner Situation passte.
Sator Synk hat Recht, dachte Kolphyr, während er den Neffen die Straße entlangtrug. Wir stehen unter Chirmor Flogs Einfluss. Ich kann zwar noch denken, was ich will, aber es fällt mir schwer, diese Gedanken auszusprechen. Wenn ich nur wüsste, wie wir den Neffen loswerden können! Ich bringe es einfach nicht fertig, ihn abzusetzen und davonzugehen.
Er sah auf das Wesen hinab, das in seinen Armen ruhte. Chirmor Flog starrte mit seinen seltsamen Augen auf die trostlose Landschaft. Um den winzigen Mund lag ein trotziger Zug.
Woran mochte der Neffe jetzt denken? War er wütend auf Synk und Leenia, die sich ihm entzogen hatten?
»Da vorne ist Schloss Komyr«, sagte Koy, der Trommler, plötzlich.
Kolphyr sah auf und erblickte einen wuchtigen Turm der aus dem grauen Dunst auftauchte.
»Dort hat Thalia gelebt und in ihrer Verkleidung als Honir über diesen Abschnitt der Straße der Mächtigen gewacht«, fuhr Koy leise fort. »Ich habe sie ein paar Mal von meiner Vegla aus gesehen, wenn ich im Auftrag der FESTUNG unterwegs war. Wenn wir nur auch ein Fahrzeug hätten!«
Kolphyr stellte fest, dass es dem Trommler genauso ging wie ihm: Er konnte darüber nachdenken, wie man sich möglichst schnell des Neffen entledigen könnte, aber es war ihm unmöglich, diese Gedanken in Worte zu kleiden.
Je eher sie den Neffen in die FESTUNG brachten, desto früher waren sie wieder frei. Chirmor Flog schien immer noch zu hoffen, dass er bei der FESTUNG ein Raumschiff fand, mit dem er ins Marantroner-Revier zurückkehren konnte. Leenia hatte zwar berichtet, dass kein Schiff zurückgeblieben war, aber der Neffe wollte sich offenbar selbst davon überzeugen, dass dies der Wahrheit entsprach. Sobald er in der FESTUNG war, würde es Kolphyr und dem Trommler möglich sein, sich aus seinem Einfluss zu lösen – wenigstens hoffte der Bera das.
»Wir werden im Schloss nachsehen«, beschloss Kolphyr und beobachtete dabei Chirmor Flog. »Thalias Windrose dürfte sich zwar in der FESTUNG befinden, aber vielleicht finden wir ein anderes Transportmittel.«
Chirmor Flog erhob keinen Protest. Kolphyr nahm dies als Zeichen dafür, dass der Neffe bereit war, seinen Begleitern – oder waren sie in seinen Augen bereits Untertanen? – eine Arbeitserleichterung zu gönnen.
Sie stießen auf einen schmalen, steinigen Weg, der von der Straße der Mächtigen zu einem See führte. Über eine Brücke konnte man in den Vorhof des Schlosses gelangen. Das Schloss selbst war ein gewaltiger Rundbau, an den sich nahe der Brücke der Turm anschloss.
Sie gingen schweigend den Weg entlang. Eine halbe Ewigkeit hindurch hatte Thalia hier gelebt, die unsterbliche Tochter Odins. Inzwischen hatten Koy und Kolphyr von Atlan erfahren, dass Thalia tot war, gestorben auf einem Planeten, der weit von Pthor entfernt war.
Am Ende der Brücke lagen ineinander verkeilte Baumstämme wirr übereinander. Es schien, als wären sie vom Wasser dorthin geschwemmt worden und wären an den Brückenpfeilern und den Mauerkanten des Rundbaus hängengeblieben. Zersplitterte Holzteile, aufgehäufte, welke Blätter und Grasbüschel verstärkten diesen Eindruck. Aber die große Flut, die durch den Zusammenprall mit La'Mghors Wasserballung entstanden war, lag so weit zurück, dass es fast unvorstellbar schien, dass man jetzt noch auf ihre Spuren stieß.
»Das sieht merkwürdig aus«, meinte Koy.
Sie waren wenige Schritte vor der Barrikade stehen geblieben und sahen sich misstrauisch um. Es war unmöglich, über die Baumstämme hinweg in den Schlosshof zu sehen.
»Ich weiß nicht, ob Thalia nach der Flut noch einmal in ihr Schloss gefahren ist«, bemerkte Kolphyr. »Es ist durchaus möglich, dass sie es nicht tat. Sie ist meistens in der Nähe von Atlan geblieben.«
»Aber die Scuddamoren und die Trugen ...«
»Sie kamen nicht zu Fuß«, unterbrach Kolphyr den Trommler. »Sie verfügten über Fahrzeuge, die mühelos über diesen Berg von Stämmen hinwegschwebten.«
»Da hast du auch wieder Recht«, murmelte Koy und trat näher an den Wall heran, um ihn zu untersuchen.
»Wozu die Umstände?«, meldete Chirmor Flog sich plötzlich zu Wort. »Du wirst die Stämme so weit zur Seite schieben, dass wir in den Schlosshof gelangen, Kolphyr.«
Dem Bera widerstrebte es, dem Neffen zu widersprechen. Dennoch raffte er sich dazu auf, es wenigstens zu versuchen.
»Wir dürfen kein unnötiges Risiko eingehen«, gab er vorsichtig zu bedenken. »Wir sind nur zu dritt, und du scheidest als Kämpfer aus. Wenn wir also in Gefahr kommen, müssen wir uns nicht nur unserer eigenen Haut wehren, sondern dich beschützen.«
Chirmor Flog antwortete nicht, aber auf seinem Gesicht stand deutlich zu lesen, was er von derlei Bedenken hielt. Manchmal schien es, als habe der Neffe seine Lage noch gar nicht klar erkannt.
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