Der im Jahr 2648 auf der Erde materialisierte Kontinent entpuppt sich als das Weltenfragment Pthor. Es ist das Erbe einer uralten Kultur, das von unbekannten Mächten als schreckliche Waffe missbraucht wird. Auch die Heimat der Menschheit droht dem Vernichtungspotential Ptohrs und seiner Bewohner zum Opfer zu fallen.
Nur der unsterbliche Arkonide Atlan und sein Begleiter Razamon haben eine Chance, das Schlimmste zu verhindern. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach den Herrschern des Weltenfragments – und auf die Spur eines Rätsels von kosmischen Ausmaßen ...
Nr. 350
Wanderer durch die Dimensionen
Lebo Axton auf der Suche
von H. G. Francis
Pthor, das Stück von Atlantis, dessen zum Angriff bereitstehende Horden Terra überfallen sollten, hat sich dank Atlans Eingreifen wieder in die unbekannten Dimensionen zurückgezogen, aus denen der Kontinent des Schreckens urplötzlich materialisiert war.
Atlan und Razamon, die die Bedrohung von Terra nahmen, gelang es allerdings nicht, Pthor vor dem Start zu verlassen. Der ungebetene Besucher ging wieder auf eine Reise, von der niemand ahnt, wo sie eines Tages enden soll.
Doch nicht für lange! Denn der überraschende Zusammenstoß im Nichts führte dazu, dass der »Dimensionsfahrstuhl« Pthor sich nicht länger im Hyperraum halten konnte, sondern zur Rückkehr in das normale Raum-Zeit-Kontinuum gezwungen wurde.
Und so geschieht es, dass Pthor auf dem Planeten der Brangeln niedergeht, nachdem der Kontinent eine Bahn der Vernichtung über die »Ebene der Krieger« gezogen hat.
Natürlich ist dieses Ereignis nicht unbemerkt geblieben. Sperco, der Tyrann der Galaxis Wolcion, schickt seine Diener aus, die die Fremden ausschalten sollen. Darauf widmet sich Atlan sofort dem Gegner. Um ihn näher kennen zu lernen und seine Möglichkeiten auszuloten, hat sich der Arkonide zu den Spercoiden begeben. Während nun Atlan im All und auf fremden Welten seine gefährlichen Abenteuer besteht, ist nicht nur der seltsame Kundschafter mit seiner noch seltsameren, exotischen Begleiterin auf der Suche nach Atlan befindlich, sondern auch USO-Spezialist Sinclair Marout Kennon, der zuletzt als Lebo Axton eine wichtige Rolle im Kampf gegen Orbanaschol spielte.
Nach dem Sturz des Usurpators wird Axton-Kennon zum WANDERER DURCH DIE DIMENSIONEN ...
Sinclair M. Kennon alias Lebo Axton – Der Terraner wird zum Dimensionswanderer.
Greasy – Ein telepathischer Symbiont.
Sünthey, Orro und Peytkyr – Planetarier mit seltsamen Tabus.
Tirque – Ein Kämpfer für Anstand und Ordnung.
Er konnte nicht erkennen, ob er in den Bereich stabilisierter Energie zurückgekehrt war, oder ob er sich einem Trugbild hingab, das er selbst produzierte.
Er befand sich auf einer grünen Ebene, die sich zum Horizont hin auf einer Seite birnenförmig verjüngte. Der Himmel glänzte in einem milchig dunstigen Weiß, ohne dass eine Lichtquelle zu sehen war. Es schien, als sei er in ein Gewölbe eingetreten, das von einem perlmuttartigen Material überzogen war.
Überall erhoben sich kristalline Strukturen der verschiedensten Formen. Einige stiegen schlank bis zu zwanzig Metern hoch auf, andere schmiegten sich flach an den Boden und streckten bizarre Finger nach allen Seiten hin aus. Andere wiederum blähten sich zu Kugeln mit filigranartiger Oberfläche auf oder bildeten Formen, die ihn an Lebewesen erinnerten, denen er vor langer Zeit begegnet war.
Er atmete tief durch und fuhr sich mit den Händen über die Augen. Die Luft war warm und sauerstoffreich. Von irgendwoher kam ein stetes Rauschen. Es ließ die Gedanken an große Maschinen in ihm aufkommen. Die Ebene vibrierte leicht, so als werde sie von einer unbekannten Kraft erschüttert.
Er blickte an sich herab.
An den Füßen trug er mattglänzende Schuhe. Er hatte nicht erwartet, sie zu sehen, da sie aus einer Zeit stammten, die er schon fast vergessen hatte.
Er ging einige Schritte weiter. Dabei wurde er sich der Unzulänglichkeiten seines Körpers bewusst. Doch das störte ihn nicht. Er öffnete den Mund zu einem triumphierenden Schrei.
Es war gelungen!
Die Kristalle in seiner Umgebung verfärbten sich, als er schrie. Sahen sie erst weiß aus, so wurden sie jetzt dunkler und rot. Doch diese Verfärbung zeigte sich nur vorübergehend. Sie verschwand schon nach einigen Sekunden wieder.
Sinclair Marout Kennon fühlte sich schwach. Die Schwerkraft in dieser seltsamen Welt, in der er sich befand, schien höher als gewohnt zu sein. Er konnte das nur schlecht beurteilen, weil er keine Vergleiche hatte, aber es war für ihn bedeutend angenehmer und bequemer, an eine erhöhte Gravitation zu denken als daran, dass sein Körper zu schwach war, sich selbst zu tragen.
Er drehte sich langsam um sich selbst und blickte in die Ebene hinaus. Wohin er sich aber auch wandte, überall sah er nur Kristalle verschiedener Größe.
»Kelly«, schrie er mit heiserer Fistelstimme. »Verdammter Versager, wo bist du?«
Niemand antwortete ihm.
Sinclair Marout Kennon stieß mit dem Fuß gegen einen der Kristalle.
»Gentleman Kelly«, sagte er und bemühte sich um einen freundlichen Ton. »Würdest du die Liebenswürdigkeit haben, zu mir zu kommen? Sicherlich willst du meine freundschaftlichen Gefühle zu dir nicht verletzen.«
Auch jetzt blieb die erhoffte Antwort aus.
Doch weit von ihm entfernt zeigte sich eine Bewegung.
Deutlich erkannte er, dass sich ihm etwas näherte. Es bewegte sich auf und ab, wurde dabei manchmal etwas schmaler, um sich anschließend wieder zu verbreitern. Es schien zu pulsieren.
Wenige Sekunden später schon wurde Kennon sich darüber klar, dass er sich geirrt hatte. Es war nicht Kelly. Das Geschöpf, das da auf ihn zu kam, erinnerte ihn an ein Pferd, das sich im Galopp immer wieder nach vorn streckte.
Seine Hände glitten zu den Hüften. Sie legten sich an seinen Gürtel, stießen jedoch nicht, wie erhofft, auf die Kolben von Energiestrahlern. Kennon fuhr sich mit den Händen über die tonnenförmig aufgewölbte Brust, aber auch hier fand er keine versteckten Waffen. Wehrlos war er allem ausgesetzt, was ihm begegnete.
Er konnte nur warten und hoffen, dass er alles überstand. Früher oder später würde er Waffen finden, mit denen er sich verteidigen konnte. Davon war er überzeugt.
Aber war dies überhaupt die Wirklichkeit? Oder träumte er?
Kennon versuchte, sich auf diese Frage zu konzentrieren, aber es gelang ihm nicht. Der Boden dröhnte unter seinen Füßen, und das rotschimmernde Geschöpf kam ihm immer näher. Gleichzeitig vernahm er ein schrilles Sirren. Es war unangenehm und ließ ihn frösteln.
Inzwischen war nicht mehr zu übersehen, dass eine außerordentliche Ähnlichkeit zwischen einem terranischen Pferd und dem Geschöpf bestand, das nun nur noch etwa dreihundert Meter von ihm entfernt war. Es stürmte auf ihn zu, als habe es die Absicht, ihn zu überrennen. Unwillkürlich blickte Kennon sich nach einem Kristall um, der ihm einen ausreichenden Schutz gewährte. Dann eilte er keuchend zu einem Gebilde, das etwa fünfzehn Meter hoch aufstieg. Er kletterte daran in die Höhe, wobei er darauf achtete, dass er sich an den überaus scharfen Kanten und Vorsprüngen nicht die Finger zerschnitt.
Als er die Spitze erreicht hatte, merkte er erst, wie stark der Kristall unter seinem Gewicht schwankte. So erschien es ihm fast wie ein Wunder, dass er nicht zersplitterte.
Das Kristallpferd jagte dicht unter ihm vorbei. Es hatte allerlei bizarre Auswüchse an den Seiten und auf dem Rücken. Diese machten deutlich, dass dieses Wesen im Grunde genommen doch nichts mit einem terranischen Pferd gemein hatte. Der Kopf war nicht länglich und schmal, sondern dreieckig wie der eines Insekts. Glatte und sanft geschwungene Formen gab es an dem Wesen nicht. Es schien aus Tausenden von Einzelkristallen zusammengesetzt zu sein, die nicht recht zueinander passten. So gewann Kennon den Eindruck, das Wesen müsse sich unter der geringen Belastung wieder in einzelne Kristalle auflösen.
Doch daran dachte er nur flüchtig.
Das sirrende Geräusch war unerträglich laut geworden. Es wurde wieder etwas leiser, als das Wesen an ihm vorbeigerannt war. Doch dann warf sich das pferdeähnliche Geschöpf zur Seite und kehrte zu ihm zurück. Dieses Mal stürmte es nicht an ihm vorbei, sondern lief im Kreis zu ihm herum.
Staunend beobachtete er es. Er glaubte, im glitzernden Innern dieses Vierbeiners etwas pulsieren zu sehen, so als ob da ein Herz sei.
Das Sirren wurde wieder lauter und zugleich schriller.
»Verschwinde«, brüllte Kennon.
Das Kristallpferd reagierte nicht. Es galoppierte unaufhörlich um ihn herum. Dabei wurde das Sirren mit jeder Umrundung unerträglicher.
Schließlich presste Kennon seine Hände an die Ohren.
»Aufhören«, schrie er mit heiserer Stimme. »Ich ertrage das nicht.«
Das Pferd rannte weiter.
Ein Stern schien vor den Augen Kennons zu explodieren. Ihm war, als stürze er in eine Lichtkaskade. Die Erinnerung an ein weit zurückliegendes Ereignis überfiel ihn mit elementarer Wucht. Er wollte sich ihr entziehen, aber er konnte es nicht.
... konnte ich nur hoffen, dass Ronald Tekener, mein Freund Tek, Mittel und Wege fand, sich von mir in glaubwürdiger Form zu distanzieren.
Ein Medorobot des Raumschiffs verabreichte mir eine kreislaufstabilisierende Injektion. Ich hatte dieses Boot nur einmal inspiziert. Dann hatte ich es jahrelang nicht mehr betreten, um auf keinen Fall eine Entdeckung zu riskieren.
Die Korpuskulartriebwerke liefen automatisch an. Der Robotpilot war für den Fluchtfall programmiert. Wenn jemals ein USO-Spezialist über die Transmitterverbindung ankam, dann war ein sofortiger Notarzt unerlässlich notwendig.
Der Notfall war eingetreten.
Ich war über die Transmitterverbindung in die geheim angelegte Station gekommen. Die Flucht war unabdingbar.
Transmitter erzeugten Hyperwellenschocks, die sehr leicht eingepeilt werden konnten. Ich befand mich in einer trügerischen Sicherheit.
Wäre ich auf einem anderen Weg zu diesem Raumschiff gekommen, hätte ich mich für lange Zeit darin verbergen und den günstigen Augenblick für einen Start abwarten können.
Das war nun nicht mehr möglich.
Die Einpeilung der Schockkurve musste zur Zeit laufen.
Ich schleppte mich in die Zentrale. Dort legte mir ein Roboter einen Raumanzug an. Notstarts von Lepso waren und blieben gefährlich, denn im freien Raum standen die schnellen Überwachungskreuzer des SWD. Den Sperrriegel musste ich erst einmal durchbrechen.
Das Rumoren der Triebwerke steigerte sich zu einem dumpfen Donner. Die Space-Jet löste sich vom Grund des Ozeans und stieg langsam in die Höhe. Als die ersten Lichtstrahlen das trübe Wasser durchdrangen, lag ich festgeschnallt im Kontursessel hinter der Zentralkontrolle. Es ging mir allmählich besser.
Die Jet stieß aus dem Wasser hervor und nahm augenblicklich mit hohen Schubwerten Fahrt auf.
Die Atmosphäre des Planeten Lepso wurde aufgerissen. Die Jet raste mit der hundertfachen Mündungsgeschwindigkeit einer altertümlichen Schiffsgranate davon. Wilde Luftturbulenzen entstanden. In ihnen vergingen vier anfliegende SWD-Gleiter. Sie wurden von den ins Vakuum der Flugbahn einbrechenden Orkanböen erfasst, mitgerissen und zu Boden geschmettert.
Ich bemerkte nichts mehr von den Explosionen. Mein kleines Schiff flog mit unverantwortlich hoher Fahrt in den freien Raum hinaus. Lepso wurde zur Halbkugel, anschließend zur Kugel.
Das Eintauchmanöver in den Linearraum würde den Kalupschen Kompensationskonverter bis zur Maximalleistung belasten. Es sollte bei viel zu geringer Anlauffahrt erfolgen, um die Jet möglichst schnell in den sicheren Schutz der Linearzone zu bringen.
Als die Jet soeben eine Geschwindigkeit von siebentausend Kilometern pro Sekunde erreicht hatte, eröffneten zwei schnelle Wachkreuzer des SWD das Feuer aus ihren schweren Thermokanonen.
Ich fühlte noch einen harten Einschlag und die sengende Hitze, die plötzlich nach meinem Raumanzug fasste.
Glut! Sonnenhelle Glut verbrannte meinen Körper. Ich tauchte in eine Sonne, in der es nichts gab als vernichtende Hitze. Ich wollte schreien, aber ich konnte nicht, denn meine Lippen, meine Zunge, Luftröhre und Lunge verwandelten sich in schwärzliche Asche ...
Kennon spürte einen heftigen Schmerz an der Schulter. Er fuhr wie aus einem Traum auf.
Er hing zwei Meter unter der höchsten Spitze des Kristalls zwischen zwei Kristallarmen. Unter ihm gähnte ein Abgrund von fast dreizehn Metern Tiefe. Unwillkürlich klammerte er sich an die Kristalle. Dabei merkte er, dass ihm einige Spitzen in die Schulter gedrungen waren. Er zog seine Schulter zurück und schrie gequält auf.
Es war still geworden.
Etwa fünfzig Meter von ihm entfernt stand das Kristallpferd. Es schimmerte und glänzte, als ob es von innen heraus beleuchtet würde.
»Verfluchtes Biest«, sagte der Verwachsene. »Wenn ich eine Waffe hätte, würde ich dich über den Haufen schießen.«
Er presste die Lippen zusammen. Seine Augen tränten. Das linke Lid zuckte. Er fragte sich, ob er sich mit einem lebenden Wesen auseinandersetzen musste, oder ob er es mit einem Roboter zu tun hatte.
Der Gedanke an Roboter ließ ihn aufstöhnen.
Das Kristallpferd warf die Vorderbeine hoch und schnellte sich nach vorn. Die Hufe hämmerten auf den Boden, und wieder ertönte ein schrilles Sirren, das lauter und lauter wurde, je schneller das Pferd lief. Es stürmte in weitem Bogen um Sinclair Marout Kennon herum.
Dieser blickte es hasserfüllt an. Je länger er es beobachtete, desto mehr vertiefte sich der Gedanke in ihm, dass er es mit einem Roboter zu tun hatte.
Die Bilder verwischten sich vor seinen Augen. Kennon presste die Hände gegen die Ohren. Er senkte den Kopf und drückte das Kinn gegen die Brust. Das Geräusch verursachte körperliche Schmerzen. Er glaubte, von ihnen zerrissen zu werden, und dann schien es, als wollte ihn seine Erinnerung von den Schmerzen erlösen.
Aber es war nicht so.
*
... ich litt. Ich litt trotz der schmerzstillenden Injektionen, obwohl der Roboter es für richtig gehalten hatte, eine Hauptstrang-Blockade im einmündenden Nervensystem zum Hirn anzulegen.
Die medizinische Literatur wies aus, dass ein Mensch auch dann noch Schmerzen empfinden konnte, wenn der verletzte Körper zum Zentralnervensystem abgetrennt war. Gegen die so genannten Phantomschmerzen hatte auch die genialische Medizin der Aras noch keine dauerhaft wirkenden Medikamente entwickelt.
Die Space-Jet war von dem Strahlschuss eines Lepso-Wachkreuzers gestreift worden. Die thermischen Energien waren jedoch teilweise bis in die Hauptleitzentrale der Jet durchgeschlagen. Sie hatten mich erfasst und Verbrennungen verursacht, an denen ein Mensch des einundzwanzigsten Jahrhunderts unweigerlich gestorben wäre.
Hätte ich vor dem überstürzten Start nicht einen Raumanzug mit hochwertigen Isolationsschichten angelegt und den Druckhelm geschlossen, wäre ich augenblicklich zu Asche verbrannt worden. So aber hatte die Montur den größten Teil der Thermischen Energien aufgefangen. Sie hatte den sofortigen Tod verhindert, dafür aber sekundäre Verletzungen hervorgerufen, die das Sterben verlängerten.
Die Kunstfaserstruktur des Raumanzugs war völlig verschmort. Sogar der Helm war geschmolzen. Sein verflüssigtes Material hatte mein Gesicht zerstört und mir das Augenlicht geraubt. Die Leichtstahlverschlüsse des Halsstücks, die zahlreichen Schnallen und Magnethalterungen waren ebenfalls zerschmolzen und hatten Kontakt mit dem organischen Gewebe gefunden.
Meine Lungen und das Herz hatten ihren Dienst aufgegeben. Unter diesen Umständen war dem Roboter nichts anderes übriggeblieben, als sämtliche Organe von den Nervenverbindungen zum Gehirn abzutrennen und das Gehirn an ein Lebenserhaltungssystem anzuschließen.
Ich hatte alle Phasen der unzureichenden medizinischen Behandlung bewusst erlebte. Schmerzwelle auf Schmerzwelle hatte mein Gehirn überflutet.
Ich bestand nur noch aus einem lebenden Gehirn. Das war es, was ich versuchte, mir klarzumachen.
Hatte ich je mehr besessen? Mein Körper war mir immer ein Hindernis gewesen, schwach und anfällig für jede Krankheit, unförmig und hässlich.
Ich dachte an die vertrauliche Akte, die in Quinto-Center, dem Hauptquartier der USO, lag. Das Dokument war mehr als 340 Jahre alt und beschrieb eine Persönlichkeit, die nicht mehr zu den Daten passte, die aber dennoch nicht völlig überwunden war. Sie schilderte mit schmerzhafter Deutlichkeit vor allem die ganzen Unzulänglichkeiten meines Körpers, auf den ich nun wohl oder übel verzichten musste:
»Fachgebiet Kosmokriminalistik. Spezialist I. Klasse, unbeschränkte Vollmachten.
Beschreibung der Person: Größe: 1,52 Meter; physisch schwach wie ein zehnjähriges Kind. Verwachsen. Vorgewölbte Trommelbrust. Riesenschädel mit Kindergesicht, wasserblaue, vorquellende Augen, gelichtetes, strohgelbes Haar. Abstehende Ohren zu groß selbst für überentwickelten Schädel. Nach vorn gewölbte Stirn. Zucken des linken Augenlids bei Nervosität.
Spitzes Kinn, abstoßender Gesamteindruck. Fußgröße im Verhältnis zum Körper anomal mit Nummer 46. Ungeschickter Gang. Füße schleifen nach. Atembeschwerden bei ... Belastungen.
Qualifikation nur deshalb, weil geniales Gehirn mit überragender Kombinationsfähigkeit.
Studium: Anthropologie. Sonderfach: GALAKTISCHE ALTVÖLKER.
Spezialistenausbildung unter Umgehung der üblichen Trainingsmethoden auf rein geistiger Ebene.
Sonderbemerkung: Zu allen vorhandenen psychischen und neurotischen Komplexen, die nur teilweise erfolgreich behandelt werden konnten, kommt noch ein Problem geschlechtlicher Natur. Es wird vermutet, dass eine nicht feststellbare Mutation vorliegt. Unbekannte Hormondrüsen wurden innerhalb des Gehirns entdeckt, jedoch nicht ausreichend identifiziert.«
Nicht in der Akte stand, dass sich aus diesen Drüsen gewisse parapsychische Fähigkeiten entwickelt hatten. Aber das konnte niemand in Quinto-Center wissen.
Nein, ich trauerte dem verlorenen Körper nicht nach. Aber mich selbst, mein Gehirn, wollte ich erhalten.
So kämpfte ich mit ganzer Kraft gegen den Wahnsinn an, der mich übermannen wollte. Ich wollte, und ich musste die Krise durchstehen. Ich hätte keinerlei Zeitgefühl mehr, während der Roboter mich nach Tahun flog. Ich wusste jedoch, dass der Flug irgendwann ein Ende haben würde, und dass die Mediziner auf Tahun alles tun würden, um mein Gehirn zu retten ...
*
Es war ruhig geworden. Er sah sich um. Das Kristallpferd stand etwa dreißig Meter von ihm entfernt zwischen drei kugelfömigen Kristallen, die fast so hoch waren wie es selbst. Die Kugeln bildeten ein gleichschenkliges Dreieck, und es schien, als sei das Pferd darin gefangen.
Sinclair Marout Kennon war sich darüber klar, dass er eine Lösung finden musste. Er konnte nicht auf dem Kristallbaum bleiben und darauf warten, dass sich die Situation von selbst entschärfte.
Er stellte fest, dass er abermals ein Stückchen gefallen war und sich erneut Verletzungen zugezogen hatte. Er blutete aus zwei Schnittwunden am Arm.
Der Verwachsene stieg vorsichtig am Kristallbaum herab, wobei er das pferdeähnliche Wesen beobachtete. Es rührte sich nicht, doch schien es ihn ebenfalls ständig im Auge zu behalten.
Kennon fühlte, wie die Schwerkraft der Welt, auf der er sich befand, an ihm zerrte. Seine schwächlichen Muskeln schmerzten. Sie schienen sich gegen jede Belastung zu sträuben, aber er zwang sich dazu, die Füße auf tiefere Kristalle zu setzen und sich mit den Händen zu halten.
Die Versuchung, einfach auf der Stelle zu harren und den Kopf an den Kristallstamm zu lehnen, war unmenschlich groß. Doch er erlag ihr nicht. Er dachte daran, was hinter ihm lag und mit welcher Kraft er darum gekämpft hatte, wieder körperlich zu werden.
Er lebte in dem hässlichen und unzulänglichen Körper, der in der Akte des Jahres 2844 in Quinto-Center beschrieben wurde. Und er war froh, dass er darin lebte.
Als er den Boden endlich erreicht hatte, atmete er auf.
Das Kristallpferd warf den Kopf nach oben, als habe es jetzt erst gemerkt, dass sich etwas geändert hatte. Die faustgroßen Augen leuchteten in einem geheimnisvollen Licht. Aus dem Stand heraussprang das pferdeähnliche Wesen über die Kugelkristalle hinweg. Es warf den Kopf hin und her und schnaubte vernehmlich. Dann trabte es auf Kennon zu.
Dieser bückte sich und nahm einen Stein auf, der auf dem Boden lag. Es war der einzige Stein weit und breit, und es schien, als habe eine gütige Hand ihn direkt an diese Stelle gelegt, um dem Verwachsenen eine Waffe zu geben.
Das Kristallpferd brach zur Seite aus und stürmte los. Es jagte in einem Kreis um den Terraner herum. Stemmte die Hufe nach vier Umrundungen plötzlich in den Sand, warf sich herum und galoppierte auf Kennon zu.
Darauf hatte dieser gewartet. Er hob die Hand mit dem Stein und blickte dem Pferd entgegen. Sinclair Marout Kennon zweifelte nicht daran, dass es ihn überrennen und mit den Hufen zerstampfen würde. Er schleuderte den Stein auf das Kristallwesen. Deutlich hörte er, wie der Stein gegen die Brust des Pferdes prallte. Dann ertönte abermals das schrille Sirren. Dieses Mal war es jedoch so laut, dass der Verwachsene schmerzgepeinigt aufschrie und zusammenbrach.
Während er stürzte, hatte er den Eindruck, dass sich das Kristallpferd in Milliarden von Einzelkristallen auflöste. Dieses Bild nahm er mit hinüber in einen Zustand, der einer Bewusstlosigkeit ähnelte.
Ich kam aus dem Ferntransmitter des USO-Hauptquartiers. Ich trug die dunkle Uniform der USO und keinerlei Rangabzeichen. Mein Gesicht war herb und wirkte hart, aber ungemein männlich.
Als ich auf das Laufband zur inneren Kugelzentrale sprang, stieß ich gegen einen Ertruser. Der Umweltangepasste war über 2,50 m groß und hatte eine Schulterbreite von nicht weniger als 2,20 m. Da er über 16 Zentner wog, hätte ich eigentlich von ihm wie ein Gummiball abprallen und vom Laufband fliegen müssen.
Das war jedoch nicht der Fall.
Der Umweltangepasste wurde zur Seite geschleudert und wäre fast vom Laufband gestürzt, wenn ich nicht in letzter Sekunde zugegriffen hätte. Ich zog ihn zurück und stellte ihn wieder auf die Beine. Er wurde blass.
»Verzeihen Sie«, bat ich. »Ich war unachtsam. Das passiert mir noch häufig. Verstehen Sie?«
»Ich verstehe überhaupt nichts«, antwortete der Ertruser stammelnd. »Mann, wer sind Sie?«
Ich antwortete nicht. Amüsiert lächelnd eilte ich weiter. Wenig später betrat ich das Büro Atlans. Ronald Tekener blickte mir aufmerksam entgegen. Ich trat auf ihn zu.
Tek stand auf.
»Major Sinclair Marout Kennon meldet sich zum Dienst zurück«, sagte ich.
Ich streckte die Hand aus. Ich wusste, dass sie sich warm und weich anfühlte. Mit einem Steuerimpuls des extrapyramidalen Hirnsektors lenkte ich die Hand. Die dem Gehirn angeschlossenen, künstlich gezüchteten Balpirol-Halbleiter wandelten den Sinnesbefehl in Stromimpulse um, die an den Halbleiterenden wiederum in chemische Reaktionen umgesetzt wurden. Diese wiederum wurden von der Steuerautomatik in die ausgereifte mechanische Konstruktion meiner Hand übertragen.
Tek sank ächzend in die Knie. Ich blickte ihn erschrocken an.
»Vorsicht, Kennon«, rief Atlan. »Sie haben Ihr Training noch nicht abgeschlossen. Sie zerquetschen ihm die Hand.«
Ich erteilte meiner Vollprothese einen Befehl. Die künstliche Hand löste sich von der Hand meines Freundes. Ich sah, wie die Hand sich öffnete. Mein Robotkörper trat gehorsam zurück.
Tek nahm Platz. Er massierte sich seine Hand.
»Ken – das ist ja kaum zu glauben«, sagte er. »Du siehst großartig aus. Bist du in Ordnung?«
»So gut wie nie zuvor, Junge«, antwortete ich wahrheitsgemäß. »Dieser Dr. Tycho Braynzer ist ein Hexenmeister. Ich beherrsche die Prothese vollendeter als meinen früheren Körper. Als ich hörte, dass du zurückgekommen bist, konnte mich nichts mehr halten. Tek – ich nehme den stärksten Ertruser auf den Arm. Ich besitze eine Sprungweite von 28,6 Metern unter der Belastung von einem Gravo und laufe unbegrenzt 105 Kilometer in der Stunde. Mein Körper besteht aus einem nahezu unzerstörbaren Atronital-Compositum, und ich selbst bin in einer Stahlhülle verankert, die die fünffache Dicke der Körperbleche besitzt. Meine Körperverkleidung besteht aus zellstabilisiertem Biomolplast mit einem künstlichen Nervensystem, das jedoch zur Vermeidung von Schmerzen aller Art eine Sensibilitätsschaltung besitzt. Für mich selbst brauche ich lediglich eine winzige Kreislaufpumpe mit angeschlossenem Blutplasmareiniger. Alles andere besorgt eine Mikro-Kraftstation.«
Tekener war wie betäubt. Es war ihm anzusehen.
»Ich habe noch eine Bitte«, sagte ich.
»Wir hören«, erwiderte Atlan.
»Bitte, Sir. Nennen Sie mich niemals einen Roboter. Ich bin ein Mensch mit einer Vollprothese. Kein Roboter.«
»Natürlich, Major«, antwortete der Arkonide.
*
Ihre Augen waren blau, und sie schienen grundlos zu sein. Sie blickte mich an, als suche sie irgend etwas in mir.
Ich ahnte, was es war. Und ich erzitterte innerlich.
Meine Augen bestanden aus einem kunstvollen Linsensystem siganesischer Mikrofertigung. Sie wurden mechanisch-energetisch gesteuert, waren infrarotempfindlich, nachtsichtig und in der Brennweite verstellbar vom Weitwinkel bis hin zur extremen Teleoptik.
Erkannte sie, dass in ihnen kein Leben, keine Wärme war?
Sie war schön und anziehend. Sie hatte ein ovales, ausdrucksvolles Gesicht. Die dunklen Locken fielen ihr tief in die Stirn.
»Warum sagst du nichts?«, fragte sie.
Ich hatte das Bedürfnis, sie in die Arme zu nehmen. Ich wusste, dass sie nur darauf wartete, doch mein Körper antwortete nicht auf die Signale, die sie mir bewusst und unbewusst gab. Ich besaß zwar noch das Hypophysensystem im Gehirn, das die hormonalen Befehle gab, aber meinem künstlichen Körper fehlten die entsprechenden Empfänger, die darauf reagieren konnten.
Sie strich mir mit den Fingerspitzen über die Wangen.
Ich spürte nichts. Dabei brachte mich die Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Geborgenheit fast um. Wie gern hätte ich das Mädchen an mich gerissen, nur um die Wärme ihres Körpers zu fühlen. Aber ich wusste, dass es sinnlos war, so etwas zu tun.
Ich stand auf und schüttelte den Kopf.
»Zur Sache«, sagte ich. »Persönliche Dinge müssen zurückstehen. Wir haben Wichtigeres zu tun.«
»Was könnte wichtiger sein?«, fragte sie verständnislos. »Vielleicht sind wir in einer Stunde schon tot. Wenn sie angreifen, haben wir keine Chance mehr.«
Ich ging zum Fenster und blickte hinaus. Durch die Panzerplastscheibe wirkte das Trümmergelände draußen leicht verzerrt. Irgendwo lauerten jene, die uns töten wollten.
»Sinclair«, sagte sie. »Bitte, komm zu mir.«
»Du darfst nicht gleich aufgeben«, erwiderte ich. »Noch haben wir nicht verloren.«
Sie kam zu mir.
»Vielleicht«, sagte sie. »Aber einen Kuss könntest du mir immerhin geben. Für den Fall, dass die anderen angreifen, nehme ich wenigstens das Gefühl mit hinüber, dass der Mann, den ich liebe, mich nicht hat abblitzen lassen.«
Ich drehte mich um. Wie gern hätte ich ihre Wünsche erfüllt. Sie schmiegte sich an mich, und ich küsste sie.
»Schade«, sagte sie traurig. »Du bist kalt wie ein Roboter.«
Ich explodierte.
Alles, was sich im Lauf der vielen Jahre in mir aufgestaut hatte, brach heraus. Ich hämmerte mit beiden Fäusten gegen die Panzerplastscheibe und zertrümmerte sie. Die Splitter wirbelten nach draußen davon.
»Ich bin kein Roboter«, brüllte ich. »Ich bin ein Mensch!«
Ich sah zwei Dinge gleichzeitig.
Die Belagerer sprangen aus ihren Verstecken auf und flüchteten in panischer Angst durch die Ruinen. Sie würden nicht mehr angreifen. Meine Demonstration hatte sie gründlich abgeschreckt.
Und ich sah, dass das Mädchen entsetzt zurückfuhr.
»Mein Gott«, sagte sie stammelnd. »Ich habe mich in einen Roboter verliebt.«
Ich stürzte aus dem Haus. Wie von Sinnen rannte ich zu einer Ruine, die etwa zweihundert Meter von mir entfernt war. Meine Faustschläge trafen das Gemäuer. Ich wünschte, rasende Schmerzen zu spüren. Aber ich fühlte keinen körperlichen Schmerz. Nur meine Seele brannte.
Ich fühlte quälende Stiche in der Gegend, in der vormals mein Herz gewesen war, als ich noch in einem organisch gewachsenen Körper gelebt hatte. Phantomschmerzen narrten mich. Das war alles.
Stöhnend sank ich auf die Knie und presste die Fäuste vor die Linsen. Ich hörte, dass sich das Mädchen mir näherte. Unmittelbar hinter mir blieb sie stehen.
»Der Kerl, der dich geschaffen hat, sollte erschossen werden«, sagte sie zornig. »Es ist eine bodenlose Gemeinheit, einen Roboter so zu bauen, dass sich eine Frau in ihn verlieben kann.«
Sie stieß mich verächtlich mit dem Fuß an.
»Steh auf. Bring mich zur Jet. Ich habe keine Lust, länger als unbedingt notwendig auf diesem Planeten mit dir zusammenzubleiben.«
Nie zuvor in meinem Leben war ich mehr gedemütigt worden.
*
Sinclair Marout Kennons Blicke klärten sich. Er stand vor einem Haufen schimmernder Kristalle, die noch kurz zuvor das pferdeähnliche Geschöpft gebildet hatten. Die Gefahr war beseitigt.
Unwillkürlich fragte Kennon sich, was geschehen wäre, wenn das Kristallpferd ihn überrannt hätte. Wäre er dann in jenen schwer begreifbaren Zwischenraum zurückgekehrt, aus dem er gekommen war? Hätte das Suchen erneut begonnen?
Er drängte die Fragen zurück, weil er sich damit nicht aufhalten wollte. Jetzt wollte er jede Minute seines Lebens auf dieser Welt bewusst auskosten.
Wiederum versuchte er zu erkennen, wo er sich überhaupt befand. Aber auch jetzt fand er nicht mehr heraus. Abgesehen davon, dass das Kristallpferd nicht mehr existierte, hatte sich nichts geändert. Sogar jenes nervtötende Sirren war noch da, wenngleich es nicht mehr so laut und quälend war wie zuvor.
Neugierig näherte sich Kennon dem Kristallhaufen. Er wollte wissen, weshalb das Pferd sich scheinbar so sinnlos aufgelöst hatte.
Seine Hände senkten sich in den Kristallhaufen, als dieser plötzlich auseinanderfloss. Kennon wollte sich zurückziehen, doch er konnte nicht. Die Kristalle schienen sich um seine Hände zu ballen und ihn mitzuziehen. So sehr er sich auch bemühte, er konnte sie nicht abschütteln.
Er blickte auf und stellte fest, dass die Kristalle sich zu einem amorphen Wesen umgebildet hatten, das mit fließenden Bewegungen über die Ebene glitt. Dabei entwickelte es eine beachtliche Geschwindigkeit, so dass der Terraner eigentlich den Windzug hätte spüren müssen. Das war jedoch nicht der Fall.
Als Kennon merkte, dass ihm nichts weiter geschah, und dass sein Leben vorläufig nicht bedroht war, beruhigte er sich. Es gelang ihm, sich etwas aufzurichten. Er wollte herausfinden, wohin die Kristalle ihn entführten, um sich rechtzeitig auf das einzustellen, was auf ihn zukam. Bevor er jedoch soweit war, öffnete sich plötzlich vor ihm ein Loch im Boden. Es hatte einen Durchmesser von etwa zehn Metern. Die Kristalle flossen hinein.
Der Terraner warf sich mit ganzer Kraft zurück. Er versuchte, sich vor dem Sturz in die unbekannte Tiefe zu retten. Doch das gelang ihm nicht. Die Kristalle rissen ihn mit. Er rutschte über die Kante hinweg und in das Loch hinein. Er fiel in die Tiefe, und es wurde dunkel um ihn.
Er schlug mit den Armen und Beinen um sich, weil er hoffte, irgendwo Halt zu finden. Er fürchtete, irgendwo hart aufzuschlagen und zerschmettert zu werden.
Dann aber spürte er, dass sein Sturz sich nicht beschleunigte, so wie es eigentlich hätte sein müssen, sondern mehr einem kontrollierten Schweben glich.
Er riss die Augen weit auf.
Waren die Kristalle kalt? Strahlten sie überhaupt keine Wärme aus? Er erinnerte sich noch gut an seine Zeit auf Arkon, als sich nach und nach eine gewisse Nachtsichtigkeit bei ihm eingestellt hatte. Mit ihrer Hilfe hatte er viele Nachteile ausgleichen können, die er durch seinen schwächlichen Körper gehabt hatte.
Wo war diese Fähigkeit? Hatte er sie verloren? Oder war er nur vorübergehend nicht in der Lage, die entsprechenden Hirnpartien zu aktivieren?
Es wurde ein wenig heller um ihn herum. Er sah Milliarden von winzigen Kristallen, die zusammen mit ihm in die Tiefe schwebten und in einen See von merkwürdiger Konsistenz glitten. Er stürzte in diesen See, ohne einen Aufprall zu fühlen, und er versank in ihm. Heftig mit den Armen rudernd, wollte er sich wieder nach oben arbeiten, doch auch das gelang ihm nicht. Er sank tiefer und tiefer. Verzweifelt presste er sich den Kragen seiner Jacke vor den Mund, um zu verhindern, dass die Kristalle in seine Atemwege gerieten.
Kennon sank bis auf den Grund des Sees. Sanft berührten seine Füße den Boden. Er fühlte sich fest an. Unwillkürlich ließ sich der Terraner bis auf die Knie herab. Er stützte sich mit einer Hand auf dem Boden ab und sah sich um.
Er konnte nur wenig erkennen. Um ihn herum schwebten Kristalle herunter, flossen zu den Seiten weg und stiegen an den Seiten wieder hoch. Er selbst verspürte einen gewissen Sog, dem er jedoch leicht widerstand.
Jetzt atmete er viel leichter und unbeschwerter als vorher. Die Kristalle wichen von selbst vor ihm zurück, so dass er nicht mehr zu befürchten brauchte, dass sie ihm in Mund und Nase gerieten.
Wo befand er sich?
Diese Welt gab ihm immer wieder neue Rätsel auf.
Plötzlich öffnete sich einige Meter von ihm entfernt der Kristallvorhang, der ihn umgab. Ein unförmiger Klumpen, der ihm bis fast an die Hüften reichte, schoss auf ihn zu. Er sprang zur Seite und entging ihm. Der Klumpen rollte an ihm vorbei, während sich von allen Seiten Kristalle auf ihn stürzten, so dass sie ihn schließlich vollkommen bedeckten.
Kennon beobachtete ihn und sah, dass er weiterrollte. Es schien, als würde er hinter dem Kristallvorhang verschwinden. Dann aber bemerkte der Terraner, dass sich irgendwo etwas öffnete. Für einen kurzen Moment leuchtete etwas rötlich zu ihm herein. Der von Kristallen bedeckte Klumpen verschwand.
Kennon rieb sich die Augen.
Träumte er? Bildete er sich nur ein, dass er materialisiert war, während er tatsächlich dem Verflüchtigungseffekt unterlag, vor dem er sich so gefürchtet hatte?
War dies eine der vielen Wirklichkeiten, die es im Universum gab?
Er glaubte, ein Geräusch zu hören, das sich von dem feinen Sirren und Klirren der Kristalle unterschied. Vorsichtig tastete er sich voran.
Vor ihm lag eine Höhle. Es schien als prallten die Kristalle von einem unsichtbaren Vorhang ab, der sich davor erhob. Kennon glaubte, dass er in der Höhle sicherer war. Er schob sich tastend weiter. Seine ausgestreckten Hände stießen durch den unsichtbaren Vorhang, während sich unzählige Nadeln in seine Haut zu bohren schienen. Kennon glaubte, winzige blaue Flammen an seinen Fingerspitzen zu sehen, als ob sie von elektrischen Entladungen überzogen würden.
Dann war er durch das unsichtbare Hindernis hindurch. Die Kristalle lagen hinter ihm. Er sah sie nicht mehr.
Die Höhle war ungefähr zehn Meter tief und ebenso hoch. An der hinteren Wand kauerten seltsame Geschöpfe auf dem Boden. Sie sahen aus wie Ballen zusammengeknäulter und mit Blut gefüllter Adern. Kennon glaubte, sehen zu können, wie das Blut in diesen Adern pulsierte, merkte aber dann, dass er sich getäuscht hatte.
In instinktiver Furcht wich er vor den Wesen zurück. Er spürte, dass die meisten von ihnen schliefen. Vier oder fünf blickten mit weit geöffneten, grün funkelnden Augen ins Leere. Sie schienen ihn nicht zu bemerken.
Er hob die rechte Hand.
»Hallo«, sagte er unsicher. »Kann mir einer von euch sagen, wo ich hier eigentlich bin?«
»Hallo«, wisperte eine körperlose Stimme in ihm. »Wer bist du?«
Der Terraner zuckte zusammen. Er hatte nicht ernsthaft mit einer Antwort gerechnet.
»Man nennt mich Sinclair Marout Kennon«, antwortete er.
»Oder auch Krüppel«, fügte die körperlose Stimme hinzu. »Einfach nur Krüppel.«
Kennon trat unwillkürlich auf die seltsamen Wesen zu. Sie waren klein. Keines von ihnen war höher als etwa zwanzig Zentimeter.
»Es ist ziemlich unfreundlich von euch, mich Krüppel zu nennen«, entgegnete er laut. »Ich habe euch auch nicht beschimpft.«
»Ich habe nur das aus dir entnommen, was du als deine eigenen Gedanken empfindest«, antwortete die Stimme. »Du siehst in dir selbst einen Krüppel, aber du bist nicht traurig darüber. Du bist froh, diesen Körper zu haben. Oder irre ich mich?«
Sinclair Marout Kennon setzte sich auf den Boden und kreuzte die Beine unter dem Körper.
»Ich verstehe«, versetzte er. »Du hast also in meinen Gedanken spioniert. Nun, das macht mir eigentlich nichts aus. Ich bin nur überrascht, dass du meine Gedanken belauschen kannst. Vor ziemlich langer Zeit hat man mich mit paraenergetischen Schockwellen mentalstabilisiert. Das bedeutet, dass man mich weder hypnotisieren, suggestiv beeinflussen oder telepathisch aushorchen kann.«
»Sollte man meinen«, erwiderte das fremdartige Wesen spöttisch. »Was du da von dir gegeben hast, gilt nicht für mich.«
Kennon erschrak.
Mehr denn je zuvor zweifelte er daran, dass er sich in einer realen Welt befand. Er konnte nicht mehr im Infrarotbereich sehen, und ein parapsychisch begabtes Wesen hatte ihn telepathisch ausgelotet, obwohl er mentalstabilisiert war.
So etwas konnte in dem Kontinuum, das seiner Existenzebene entsprach, nicht passieren.
War er also nur einer Täuschung unterlegen? Träumte er? Bäumte sich sein Ich gegen das absolute Ende auf, während es sich verflüchtigte?
»Wer bist du?«, fragte er.
»Ich nenne mich Greasy, wenn es mir gefällt.«
»Und wie nennst du dich, wenn es dir nicht gefällt?«
»Es gefällt mir immer.«
»Aha«, machte Kennon verdutzt. »Du bist also Greasy. Kannst du mir sagen, wo ich bin?«
»Auf so dumme Fragen antworte ich nicht«, erklärte Greasy auf telepathischem Weg. »Jeder kann sehen, wo du bist. Direkt vor uns. Aber ich kann dir sagen, wer wir sind.«
»Nun gut«, erwiderte der Terraner belustigt. »Das ist ja auch etwas. Wer seid ihr also?«
»Wir sind welche, die mit anderen zusammenleben und nicht schlecht dabei fahren.«
Kennon lachte.
»Symbionten also«, stellte er fest.
»Richtig«, bestätigte Greasy, »aber es gefällt mir nicht, es so einfach zu sagen. Im Augenblick sind wir welche, die ihre Kräfte verloren haben und daher hierher geschickt worden sind, damit wir unsere Kräfte wieder aufbauen können.«
Überrascht blickte der Terraner sich um. Nichts hatte sich verändert. Hinter ihm schimmerte der Vorhang aus Kristallen, der in ständiger Bewegung war. Er selbst befand sich in der Höhle, deren Wandungen im Dunkel lagen, und die Symbionten kauerten auf der gleichen Stelle, schliefen oder starrten ins Leere. Wer von ihnen war Greasy?
»Ist das so wichtig?«, fragte Greasy.
»Eigentlich nicht«, gestand Kennon ein. »Ich hätte nur ganz gern gewusst, mit wem von euch ich mich unterhalte.«
Aus der Decke der Höhle senkte sich ein rüsselartiges Gebilde herab, stülpte sich über einen der Symbionten und saugte ihn laut schmatzend auf. Das Gebilde verschwand mit dem Symbionten in der Decke, während gleichzeitig ein dünner Faden einen anderen Symbionten herabführte. Dieser sah schlaff und blutleer aus. Der Faden, der an seinem Ende mit einem Saugfuß versehen war, setzte den Symbionten zwischen den anderen ab. Diese wichen zur Seite und nahmen ihn in ihrer Mitte auf. Er tauchte in dem Knäuel der seltsamen Wesen unter.
»Ist es so wichtig, mit wem von uns du redest?«, fragte Greasy. »Einer ist wie der andere. Einer allein kann nicht leben. Wir leben alle miteinander und voneinander.«
Im gleichen Moment erschien der Rüssel erneut, und der ganze Vorgang wiederholte sich.
»Also, schön«, sagte Kennon. »Es ist nicht wichtig, wer von euch Greasy ist. Ich möchte jedoch wissen, was das alles zu bedeuten hat.«
»So geht es ständig«, antwortete Greasy bereitwillig. »Das ist unser Leben.«
Der Terraner begriff. Unwillkürlich wich er zurück und versuchte, die Grotte zu verlassen. Doch das gelang ihm nicht. Er prallte mit dem Rücken gegen das unsichtbare Hindernis, das sich vor der Höhle erhob. Erschreckt fuhr er herum. Er stieß die Hände nach vorn. Sie konnten das Hindernis nicht durchbrechen.
Er war gefangen.
»Und jetzt?«, fragte er bestürzt. »Was wird mit mir?«
»Du wirst einer von uns«, erwiderte Greasy.
Kennon wurde übel.
»Ich würde aber ganz gern so bleiben, wie ich jetzt bin«, sagte er mühsam. »Lässt sich das einrichten?«
»Ich fürchte – oh ...« Greasy verstummte, als ein Rüssel von oben herabkam und ihn packte.
Kennon sah, dass das Wesen so etwas wie Ärmchen bildete, mit denen es ihm zuwinkte. Unwillkürlich streckte er die Hände aus, doch Greasy verschwand so schnell, dass er ihn nicht halten konnte. Ein anderer Symbiont kam herunter.
Und dann fühlte Kennon, das sich ihm etwas Feuchtes um den Nacken legte. Er schrie auf. Entsetzt versuchte er, sich aus dem Sauggriff zu befreien. Doch der Rüssel riss ihn mit unwiderstehlicher Gewalt hoch. Kennon schlug mit dem Kopf gegen die Decke. Irgend etwas legte sich um ihn und presste ihn zusammen. Ihm blieb die Luft weg, und seine Sinne umnebelten sich.
Er hatte das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren und ins Endlose zu stürzen.
Und wieder tauchten Bilder aus seiner Vergangenheit vor seinem geistigen Auge auf.
Das Horn ertönte. Sein schauriger Klang hallte durch das ganze Tal.
Ich richtete mich auf und ließ das Werkzeug fallen. Auch der Sensor, den ich an der Außenhaut der Space-Jet befestigen wollte, glitt mir aus den Händen.
Ich blickte zum Fluss hinüber. An seinem Ufer standen einige Männer und Frauen. Weitere Siedler rannten aus dem Dorf zum Fluss. Von dorther kam das Gebrüll eines Panzerhais. Das Tier hatte das Meer verlassen und war weit ins Landesinnere vorgestoßen. So etwas passierte äußerst selten. Die Bestie hatte, wie ich deutlich erkennen konnte, die Brücke gerammt und zum Einsturz gebracht. Das Notsignal sagte mir, dass sich einer der Siedler in höchster Gefahr befand.
Ich ließ alles stehen und liegen und raste durch das Kornfeld zum Dorf. Ich hoffte, dass ich endlich die Barriere des Schweigens durchbrechen konnte, hinter der sich die Siedler verschanzten. Ich brauchte dringend einige Auskünfte für meine Arbeit als Spezialist der USO.
Jetzt bot sich mir eine Chance. Ich nahm keine Rücksicht darauf, ob mich jemand sah oder nicht. Unter den gegebenen Umständen konnten ein paar Sekunden Zeitverlust schon entscheidend sein.
Vereinzelte Schüsse knallten. Ich wusste, dass sie wirkungslos bleiben würden. Die Hathor-Siedler lebten streng nach den Gesetzen ihrer Religion, die unter anderem auch den Gebrauch von Energiewaffen verbot. Keiner von ihnen würde einen modernen Blaster einsetzen, obwohl jeder von ihnen wusste, dass ihre altertümlichen Donnerbüchsen gegen einen Panzerhai nichts ausrichten konnten.
Ich dachte an Ronald Tekener, der an den abenteuerlichen Gewehren der Siedler seine helle Freude gehabt hätte, und ich nahm mir vor, ihm eine dieser Waffen mitzubringen, sofern das möglich war.
Ich jagte mit einer Geschwindigkeit von mehr als einhundert Kilometern in der Stunde durch das Dorf, wobei ich mühelos Männer und Frauen überholte, die ebenfalls zum Flussufer liefen. Die Brücke über den Seitenkanal war restlos verstopft. Ich wich ihr aus und sprang direkt neben ihr über den Kanal, der an dieser Stelle etwa fünfzehn Meter breit war. Ich hörte die überraschten Schreie der Siedler. Als ich das Wasser erreichte, sah ich, dass eine Katastrophe größten Ausmaßes über die Siedler gekommen war.
Der blonde Ricca, der als Inkarnation ihres gottähnlichen Religionsgründers unter ihnen lebte, hing an dem noch stehenden Mittelpfeiler der zusammengebrochenen Brücke. Ein riesiger Panzerhai schnellte sich wieder und wieder aus den reißenden Fluten empor und schnappte nach ihm. Sein mächtiger Körper prallte jedes Mal gegen den Pfeiler, so dass sich dieser mehr und mehr zur Seite neigte.
Die Männer und Frauen schossen aus allen verfügbaren Gewehren auf das Raubtier, aber alle Kugeln prallten von dem Panzer ab. Das Schicksal des Jungen schien besiegelt zu sein.
Ausgerechnet Ricca, der so wichtig war, wie sonst niemand im Dorf. Mit ihm hatte ich erste bescheidende Versuche einer Verständigung unternommen, war jedoch nicht weit gekommen.
Die Siedler schrien auf mich ein. Sie flehten mich an, Ricca zu retten, beschworen mich aber gleichzeitig auch, keine Energiestrahlwaffen einzusetzen. Sie wollten den Jungen eher opfern, als ihren Glaubensgrundsätzen untreu werden.
Für mich stand außer Frage, dass ich ihn retten musste. Ich konnte nicht zusehen, wie ein Junge von einem Hai zerfleischt wurde.
Ich hatte nur eine Möglichkeit.
Ich rannte durch das flache Wasser bis zu einem Felsen und schnellte mich von dort aus in die tiefe Mittelrinne des Flusses. Mühelos arbeitete ich mich auf den Hai zu. Dieser bemerkte mich augenblicklich und griff an. Ganz knapp nur entging ich den messerscharfen Zähnen.
Ich tauchte unter dem Raubfisch hinweg, der etwa zwanzig Meter lang war. Dann stieß ich ihm die gestreckte Hand zwischen die beiden Brustflossen. Meine Finger durchbrachen den überaus harten Panzer der Bestie und drangen bis zum pulsierenden Herzen des Fisches vor. Wie Messer fuhren sie durch den Muskel hindurch und zerfetzten ihn.
Dann riss ich den Arm zurück und stieß mich ab.
Der Hai schnellte sich in die Höhe, kippte zur Seite und trieb kraftlos zuckend ab. Ich arbeitete mich bis zu einer Felsklippe unter Ricca vor und streckte ihm einen Arm entgegen.
»Lass dich fallen«, rief ich ihm zu. »Ich fange dich auf.«
Ricca hatte Angst, doch ich redete ihm solange zu, bis er den Sprung endlich wagte. Sicher fing ich ihn auf und schwamm mit ihm ans Ufer zurück.
Die Dorfbewohner jubelten. Sie rissen mir den Jungen aus den Armen und streichelten ihn.
Ich setzte mich auf einen Stein in der Nähe und wartete. Eine Stunde verstrich, in der die Siedler schwatzend und lachend zusammenstanden. Keiner von ihnen dankte mir. Schließlich löste sich die Menschenmenge auf.
Ricca stand neben Porta.
Porta war vor einigen Jahren von einem Panzerhai angefallen und verstümmelt worden. Er war das hässlichste Geschöpf, das mir je begegnet war. Gegen ihn war ich geradezu eine Schönheit gewesen, als ich noch in einem organisch gewachsenen Körper gelebt hatte.
Ricca aber schmiegte sich an ihn. Er hatte überhaupt keine Angst vor ihm und fühlte sich auch nicht von ihm abgestoßen.
»Komm zu mir, Ricca«, bat ich freundlich und streckte die Arme aus.
Ricca aber erbleichte und wandte sich ab. Ich sah, dass er über die Brücke ins Dorf lief und zwischen den Hütten verschwand.
Porta kam zu mir.
»Du hast eine Hand, die härter zuschlägt als eine Gewehrkugel«, sagte er. »So etwas kann kein Mensch. Wer bist du?«
»Ich bin ein Terraner«, antwortete ich. »Ich bin ein Mensch, wie du auch.«
Er lächelte verächtlich und schnippte mit den Fingern. Dann ging er davon.
Ich beobachtete, dass zwei Männer und eine Frau ihn bei den Hütten empfingen. Sie plauderten lachend mit ihm.
Keiner von ihnen kam auf den Gedanken, dass er aufgrund seiner Verstümmelungen kein Mensch mehr sei. Mich dagegen sahen sie trotz meines perfekten Äußeren nicht als Menschen an. Ich hatte ihnen ein wenig zuviel von meinem Können verraten. Sie waren überzeugt, dass ich ein Roboter war.
Von nun an waren alle Versuche, mit ihnen zu reden, aussichtslos.
*
Kennon rutschte durch einen rot schimmernden Schlauch zuerst nach oben, dann zur Seite und schließlich nach unten. Er fühlte, dass die Wände des Schlauchs pulsierten und ihn dadurch weitertrieben.
»Das ist keine schlechte Überraschung, wie?«, wisperte es in ihm. Der Terraner brauchte einige Sekunden, bis er wieder Herr seiner selbst war.
»Wo bist du, Greasy?«, fragte er.
»Direkt hinter dir.«
»Und wohin geht es mit uns?«
»Du wirst es erleben.« Es war deutlich zu spüren, dass Greasy sich nicht die geringsten Sorgen machte.
Kein Wunder, dachte Kennon verzweifelt. Er ist hier zu Hause und erlebt so etwas ständig. Für mich sieht es ein wenig anders aus.
Ein stechender Geruch stieg ihm in die Nase. Der Schlauch weitete sich, und Kennon stürzte in eine Art Schüssel, in der es dampfte, brodelte und zischte. Ein rot leuchtendes Etwas über ihm spendete ein wenig Licht. Einzelheiten konnte der Terraner jedoch nicht erkennen.
Er fiel in einen Sumpf. Nur mit Mühe konnte er sich an der Oberfläche halten. Die Dämpfe stiegen ihm in Mund und Nase und riefen einen heftigen Hustenreiz hervor. Kennon würgte. Vor seinen Augen flimmerte es. Er zweifelte nicht daran, dass die Dämpfe giftig für ihn waren.
»Greasy«, rief er keuchend. »Das halte ich nicht aus. Die Dämpfe bringen mich um.«
Er schlug um sich, weil er zu versinken drohte. Schlamm spritzte auf und bedeckte sein Gesicht. Er brannte auf der Haut wie ätzende Säure.
Eine beängstigende Vision stieg vor Kennon auf. Er meinte, im Körperinnern eines monströsen Geschöpfes zu sein.
»Greasy«, brüllte er. »Du musst etwas für mich tun. Hilf mir. Dies hier überlebe ich nicht.«
»Du hast es also erkannt«, flüsterte es in ihm. »Nun, was stößt dich daran ab?«
Trotz der Dunkelheit sah er, dass sich ihm ein krakenähnliches Geschöpf näherte. Er warf sich zurück und versuchte zu fliehen. Die Tentakel streckten sich ihm entgegen und packten ihn. Sie schlangen sich ihm um den Hals und rissen ihn fort. Kennon fühlte, wie der Sumpf über seinem Kopf zusammenschlug.
Er presste die Lippen zusammen. Seine Finger gruben sich in die zähe Haut des Kraken. Verzweifelt suchte er nach einer schwachen Stelle. Das Tier warf sich heftig hin und her, als es die Berührung spürte.
»Greasy«, schrie es in ihm.