Cover

Zé do Rock
Ufo in der küche

ein autobiografischer seiens-fikschen

Edition diá

Über dieses Buch

Der held Pé du Jazz wird von ufos in ein planeten jenseits des uns bekannten universums entfürt, und als er wider zurük kommt, shreiben wir das jar 2019, sein doppelgänger hat den berümten literaturkritiker Marshel Rauch-Rampenliczki entfürt und sitzt in Stammheim. Natürlich shreibt man im jar 2019 wunschdeutsch, ein basisdemokratishes deutsh, das der autor anhand der stimmen von 8000 zushauern in seinen lesungen ermittelt hat.

»Zé do Rock schreibt so anarchisch und grotesk und unrein und vital, wie halt die Welt heute ist.« (Süddeutsche Zeitung)

Der Autor

Zé do Rock is vor verdammt langer zeit in Brasilien geboren, hat nix studiert aber 14630 tage geleebt, 1357 litter alkohol gesoffen, 940 stunden flöte und 648 stunden fussbal gespilt, 200.000 kilometer in 1457 autos, flugzeugen, schiffen, zügen, oxenkarren und traktoren geträmpt, 111 länder und 16 gefängnisse besucht, sich 8 mal verlibt, 3 bücha geshriben, ein film gedreet, eine kunstsprache erfunden, ein vereinfachtes deutsh kreirt und er lebt noch heut, meist in München.

Inhalt

vorwort

der wändekreis des crêpes

100 jahre einsamkeit

kriech um frieden

der spion der aus der kälte kam

di unerträgliche shwirigkeit one bein

bei geshlossenen türen

Deutshland ein wintermärshchen

mutter kurage und ire kinder

mach bett

dreigroshen-opa

nachricht von einer entfürung

häppi end

sad end

sprachliches nachwort

dank

Impressum

vorwort

Im juni 1995 is mein erstes buch »fom winde ferfeelt« erschienen. Ein schönes buch, mit eim guten umschlag, und buchstaben, buchstaben bis wo das auge reicht. Um genauer zu sein: es waren 109.621 wörter. Für 32 mark. Macht 3425 wörter für jede bezahlte mark. Ein guter preis für so viele wörter, so viele geschichten. Es war eine autobiografie und handelte von problemen mit sprachen, räubern, polizei und fraun.

Dieses neue buch is auch autobiografisch. Ich bin bestimmt der einzige brasilianer in ganz München, der mit 40 seine autobiografie geschrieben hat und mit 41 schon wieder eine.

Es is auf ultradeutsch geschrieben, jedenfalls am anfang. Das projekt ultradeutsch (ultradoitsh) sieht 2 rechtschreib-vereinfachungen pro jahr von 1995 bis 2012 vor, und da dieses buch im jahr 1998 erscheinen wird bzw. erschienen is, gibt es 8 änderungen, die meistens was mit der abschaffung von zeichensetzungsregeln zu tun ham. Später im buch schreib ich auf wunschdeutsch, das is aber eine andre geschichte, und der leser wird dann wissen warum. Keine sorge. Die leute, die sich dafür interessieren, können im sprachlichen nachwort die (faszinierenden) details erfahren.

Da ich dauernd mit dem/der leser/in rede, hab ich ein wort aus meim unseriösen ultradoitsh (ultradoitsh-U) übernommen, und nenn ihn/sie lesi, ein wort, das sowohl für die leserin wie für den leser anwendbar is (also für de lesa und für de leso).

Und noch was: wenn du mich irgendwo erwähnst, sprich bitte mein namen nich Tsee do Rock, Tsee de Rock oder CD-ROM aus. Sprich ihn so aus, als würdest du Sä du Rock lesen, dann stimmt s wieder. Viele wollen wissen, was das heisst, jetz sag ich s ein für alle mal, es heisst Sepp-vom-Rock, Rocksepp, also auf gut deutsch Schlagerheini, Schlagerhansl. Es is ein name, der in Brasilien nich besonders gut ankommt. Im süden. Wegen dem norden. Es is ein typischer nord-spitzname. Man hat da vorurteile. Es is so als würd man Honecker mit vornamen, von Sachsen mit nachnamen heissen und in Westdeutschland erfolg haben wollen.

Jetz hab ich alles verraten, vielleicht war das nich gut. Wenn wir uns mal sehn sollten und du mich sprechen möchtest, wirst du nich wissen, was du fragen sollst. Vielleicht schade.

Genug meditiert. Nix wie weg hier.

der wändekreis des crêpes

Neulich wollt ich mal gescheit lüften, mach das fenster auf und ein flaches weisses ding fliegt rein. Eine fliegende untertasse schwebt über dem kühlschrank und landet. Normalerweise dacht ich es wär nur so ein ausdruck, fliegende untertasse. Aber das ding schaut wirklich genauso aus wie eine untertasse, hat die gleiche grösse und fliegt. Nich einmal metallisch sieht es aus, sondern wie aus porzellan. Bevor ich mich wundern kann, kullern 5 oder 6 bunte kügelchen aus dem ufo und ich hör eine fraunstimme. Sie spricht brasilianisch:

»Guten tag, Pé. Wir sind von eim planeten jenseits des dir bekannten universums und wir brauchen dich für etliche experimente. Du musst dir keine sorgen machen, wir werden dich bald zurück bringen.«

Erst mal sag ich nix, das is bei mir noch nie vorgekommen. Aber die reden mit mir, ich muss irgendwas dazu sagen.

»Was für experimente?«

»Wir machen verhaltensexperimente mit mehreren lebewesen im universum, die wir dir schlecht erklären können. Sie sind jenseits deines vorstellungsvermögens.«

»Und wie wollt ihr mich mitnehmen? Euer transporter is ein bissi klein für mich, oder?«

»Das is kein problem für uns. Wir reduzieren dich etwas, nur für die reise, versteht sich.«

»Und was is wenn ich nich mitkommen will?«

»Deine reise hängt nich von deiner entscheidung ab.«

Was passiert wenn ich weg renn? Versuchen kann man s immer, aber ich merk schon das ich mich gar nich bewegen kann. Ich bin wie festgenagelt.

»Für wie lange braucht ihr mich?«

»Für einige monate.«

»Kann ich noch ein paar sachen mitnehmen?«

»Was brauchst du?«

»Ja was weiss ich, ein paar frische hemden und unterhosen, mein computer, mein walkman …«

»Das wirst du alles nich brauchen. Entschuldigung, wir müssen jetz fliegen.«

»Moment!«

Ich will noch protestieren, irgendwie zeit gewinnen, es hilft nix, in der nächsten sekunde befind ich mich in ihrem fahrzeug, eim grossen saal, wo leuchtende farben nich nur an den wänden sondern auch in der luft schweben. Die kugel-E.T.s sind auch da, sie sind nich grösser als draussen. In der mitte is eine grosse kugel wo sie ein- und austauchen. Sie stellen sich vor, indem sie einzeln besonders leuchten, jede hat eine andre farbe und ein namen, und ihre namen sind ganz gewöhnlich, wie Elisabeth und Robert. Ich hätt ihnen die hände geschüttelt, aber sie ham keine hände, und jetz wird mir klar das ich auch keine hab, ich hab überhaupt kein körper, das is wie im traum.

»Was habt ihr mit meim körper gemacht? Ihr habt gesagt, ihr wolltet ihn reduzieren, nich eliminieren!«

Die orangefarbene meint:

»Das is nur für die reise so. Du bist sozusagen digitalisiert, dein körper kriegst du bei deiner ankunft wieder.«

»Aber wenn ich kein gesicht hab, hab ich keine augen, wie kann ich euch sehn und hören?«

Jetz leuchtet der grüne:

»Man braucht keine augen, um zu sehn. Und keine ohren, um zu hören.«

»Das klingt schon fast biblisch.«

Die blaue:

»Ja.«

Ja, sagt sie. Is das eine antwort? Der grüne wieder:

»Vielleicht möchtest du kurz hinter dich schaun, wir verlassen bald dein planeten.«

Hinter mir is ein fenster, ein altmodisches fenster, bei dem man den unteren teil nach oben heben und sich dann rauslehnen kann. Würd ich tun wenn ich ober- und unterkörper hätte. Kaum hab ich das gedacht, schon is das fenster offen und ich lehn mich tatsächlich raus. Eine frische brise weht, es is abends, wir fliegen rasch nach oben, obwohl ich nich den eindruck hab, das wir nach oben fliegen. Es is so als würd ich von eim fenster auf die grossleinwand eines kinos blicken, wo sich die landschaft immer mehr entfernt. Ja, da is das 60er-Stadion, die Isar, ein paar sekunden später is alles nur noch land von weitem. Die ham ja wirklich ein turboding, jetz is schon ganz Europa zu erkennen, gleich Afrika, die Erde, keine minute später is die Erde verschwunden und die dunkelheit hat uns. Ja, dunkel is es. Wirklich pechduster, trotz der unglaublichen menge sterne. Und still is es, die untertasse gibt kein mucks von sich. Ich dreh mich wieder um, die kugeln fliegen umeinander.

»Und bei euch gibt s fraun- und männerkugeln?«

Die türkis-kugel:

»Natürlich nich. Wir vermehren uns seit jahrmillionen nich mehr, und früher ham wir s auch nich so getrieben wir ihr. Du weisst, die evolution kann sehr verschiedene wege gehn … wir ham uns nur namen und geschlecht gegeben damit wir für dich leichter erfassbar sind.«

»Und wie heisst ihr wirklich?«

»Wir heissen nich. Wir kommunizieren nich per schallwellen, wir sind telepathen, also ham wir keine wörter und keine namen, sondern nur konzepte.«

»Und wie habt ihr brasilianisch gelernt?«

»Wie gesagt, wir bedienen uns aus deim gedächtnis.«

»Sauber. Wie viel intelligenter seid ihr denn als wir?«

»Wie meinst du das?«

»Ich mein, sagen wir mal, IQ-mässig. Was habt ihr für ein IQ im schnitt?«

»Das is natürlich schwer zu vergleichen. Ihr macht auch keine IQ-tests mit flöhen.«

»Ihr wollt mir sagen, das ihr zu den menschen steht wie der mensch zum floh?«

»So in etwa.«

»Dafür, das ihr so intelligent seid, klingt ihr ziemlich normal.«

»Der floh sieht auch keine unterschiede in der intelligenz zwischen ihm und dem menschen.«

»Der floh sieht überhaupt keine unterschiede.«

»Eben.«

Draussen brennen die sterne …

»Wie weit is es bis zu eurem planet?«

Die orange-kugel is am ball.

»Ungefähr 10 hoch 23 lichtjahre, aber in einer andren ebene.«

»Was heisst andre ebene?«

»Das licht von eurer sonne kann gar nich zu uns kommen, das universum hat viele ebenen.«

»Aha. Ja. Wie heisst du schon wieder?«

»Elisabeth.«

Diese Elisabeth hat die schönste farbe.

»Das klingt sehr weit … wie schnell fliegen wir denn?«

»Mit lichtgeschwindigkeit.«

»Das muss aber dann verdammt lange dauern! 10 hoch 23 lichtjahre!«

»Keine sorge. Wir nehmen eine abkürzung. Ausserdem fliegen wir zwar 300.000 kilometer pro sekunde, aber wir ham eine extrem expandierte sekunde. Unsere reise dauert nich lang.«

»Und lacht ihr auch auf eurem planeten?«

»Ja, so einmal pro woche.«

»Ich hoff ich stör euren wochen-lachrhythmus nich, wenn ich ein witz erzähl, aber wenn wir schon von expandierten sekunden sprechen, der jude fragt Gott: ›Sag mal, lieber Gott, is es wahr, das für dich eine million jahre eine sekunde bedeuten?‹ Gott sagt mit seiner ganz tiefen stimme: ›Jaaaaahhhh.‹ Der jude fragt weiter: ›Und is es auch wahr, das für dich eine million mark wie ein pfennig is?‹ Wieder kommt die tiefe stimme: ›Jaaahhhhh.‹ ›Und noch eine frage, Gott, die letzte für heute: Könntest du mir vielleicht ein pfennig geben?‹ – ›Jaaaahhhh, Jakob, aber du musst eine sekunde warten.‹«

Alle kugeln leuchten gleichzeitig, es wird ganz laut.

»Ha hahhhhhhhaaaaaaaaahaaahhhhhhhh ha!«

»… eigentlich versteh ich das nich. Ihr sagt, ihr seid telepathen aber redet die ganze zeit mit mir. Wieso telepathieren wir nich einfach?«

»Das tun wir doch. Wir reden nich, das is nur dein eindruck. In dieser untertasse is es mäusestill.«

»Ja aber wenn wir nur telepathieren, wieso habt ihr erst am ende von meim witz gelacht? Ich mein, wenn ihr meine gedanken lesen könnt, hättet ihr den ganzen witz in meim kopf gelesen, da hättet ihr doch nich am ende sondern am anfang vom witz lachen müssen.«

Ha, nich schlecht für ein floh, gell.

»Rein fysikalisch ham wir die möglichkeit, alle deine gedanken zu lesen, aber wir tun uns das nich gegenseitig an und tun es genauso wenig mit andren wesen. Das is nach unserem moralischen kodex unanständig. Unsere kommunikation läuft nach dem freigabe-prinzip, das heisst, wir hören, oder besser gesagt, verstehn nur das, was du freigibst, also was du sagen möchtest.«

»Moment mal, ihr habt mich digitalisiert, und ihr habt meine sprache aus meim gedächtnis gelernt, da müsst ihr den witz schon ›gesehn‹ ham.«

»Stimmt. Wir kennen den witz.«

»Warum habt ihr denn erst nach dem witzende gelacht?«

»Aus höflichkeit. Wir wollen das du dich bei uns gut fühlst.«

»Ah. Klein und höflich wie die japaner. Aber ihr kennt meine ganze geschichte, alle meine gedanken, is das für euch nich unanständig?«

»Wir mussten das tun um mit dir kommunizieren zu können. Aber wir mischen uns nich ein in das was du jetz denkst.«

»Ach so. Wisst ihr denn alles, wirklich alles über mich?«

»Nein. Wir wissen so viel über dich wie du selber. Oder vielleicht etwas mehr.«

 

Die sind in ordnung, diese kugeln. Sie beantworten alle fragen und behandeln einen gut. Man fühlt sich wichtig. Klar, indiskret sind sie, aber wenn sie s für ihre wissenschaft brauchen, nich wahr. Draussen is nix mehr zu sehn, die sterne sind weg. Ich schau raus durch das offene altmodische fenster. Dann hör ich eine kugel hinter mir:

»Du kannst raus, wenn du willst.«

»Wieso?«

»Wir ham dich an einer leine. Einer energieleine.«

Wenn s so is. Und schon bin ich draussen. Ich seh nix mehr vom untertassensaal und bin von einer absolut schwarzen stille umhüllt, und nix is mit diesem absoluten vergleichbar, weil ich das absolute nich kannte. Vielleicht träum ich nur, kann durchaus sein, aber die realität hat mir noch nie so was absolutes angeboten. Das is hier der tanz des nichts, ich wusste nich, das man ohne körper tanzen kann, aber man kann, indeed … die plastische nulligkeit … Schöne wörter gibt s … Ich weiss gar nich ob das wort nulligkeit existiert, auf alle fälle existiert es in mir, innerhalb meines nichts. Allmählich entfernt sich mein menschenleben so weit wie ein fast vergessener traum. Wie lang ich da so bleib weiss ich nich. Vielleicht den bruchteil einer sekunde, vielleicht jahrhunderte. Ich bin ein auge inmitten dieser schwarzen stille, das weder denkt noch schläft. Und doch sie wacht, die stille.

 

Dann werd ich von den kugeln zurück gerufen.

»Frühstück!«

Ich hab weder bauch noch mund, also hab ich doch auch kein hunger.

»Frühstück?«

Jetz is der grüne kuglo dran.

»Das du kaffee willst, is uns klar. Aber was willst du essen? Müsli oder brot?«

»…?«

»War nur so ein scherz. Wir wissen das du scherze magst.«

»Verstehe. Ich möchte bitte crêpes, schön runde crêpes, mehrmals gewändet … ich bin etwas benebelt. Wieso seh ich keine sterne mehr draussen? Hier gibt s doch nich etwa wolken?«

»Wir befinden uns in so einer art immateriellem korridor. Aber auch wenn wir nich in eim immateriellen korridor wären, wär nix zu sehn. Wir sind zu weit weg von deim universum.«

»Aus meiner galaxie, meint ihr?«

»Nein, aus deim universum. Wir müssten ein gutes stück zurück fliegen um die ersten lichter von deim universum zu sehn. Das wären die lichter von eurem urknall. Und noch ein ganzes stück weiter zurück, um die ersten lichter von deiner sonne zu sehn, als sie entstanden is.«

Eigentlich interessiert mich das alles nich mehr so richtig. Ich hätt mehr lust, wieder in die stille dunkelheit da draussen einzutauchen. Aber im augenblik is draussen alles bunt geworden.

»Was is jetz da draussen?«

»Das is unser planet. Wir werden in kürze landen. Pleez fassen yor seet belt and dont smoke.«

Ja das is lustig, ich hab s gehört, wie er s geschrieben hat.

»Of cors i wont smoke, i dont hav siggerets and, wat is wors, i dont hav a mouth.«

Wir fliegen mit eim riesentempo durch rote wolken, riesige materieklumpen fetzen an uns vorbei, kollidieren manchmal mit andren materieklumpen, als würden sie sich hassen, und gewaltige explosionen entstehn. Manchmal trifft unsere untertasse direkt auf ein klumpen, dann fliegen wir da durch, als wären wir immaterialisiert. Alles sieht unnatürlich und wenig erdenmässig aus.

»Unser planet is ein bisschen wie euer Jupiter. Etwas kleiner, aber meist aus gasen geformt, mit eim flüssigen kern. Er is viel kälter als die Erde und die orkane sind gewaltiger als auf dem Jupiter.«

»Wie konnte eigentlich da leben entstehn? Auf dem Jupiter kann ja auch kein leben entstehn, oder? Wie viel grad habt ihr grad da unten?«

Ich würde mich an der backe kratzen, aber ich hab keine.

»Zwischen –50 und –100°. Er war schon wärmer, aber nie so warm wie die Erde. Lebensformen wie bei euch können nur bei erdähnlichen planeten entstehn, aber solche lebensformen sind nur eine von millionen möglichkeiten. Heutzutage nennt ihr auf der Erde lebewesen, was kohlenstoffverbindungen aufweist. Im universum gibt s aber viele lebewesen, die keine kohlenstoffverbindungen ham. Wart mal, wir werden gleich landen. Bist du bereit?«

»Ich hab gedacht kohlenstoff ham nur die afrikaner.«

100 jahre einsamkeit

Bereit für was, wollt ich noch fragen, aber ich bin schon draussen. Wenn man körperlos war und wieder ein körper kriegt, fällt man gleich um. Macht nix, der boden is sehr weich, irgendwie zähflüssig. Is das überhaupt mein körper? Ich weiss es nich so richtig, es is so wie wenn man jahrelang eine zahnlücke hatte und sie dann verliert weil der zahnarzt ein neuen zahn eingebaut hat. Da fragt er ob der zahn »sitzt«, und man weiss es nich. Irgendwie kann er gar nich richtig sitzen. Ausserdem is es schwierig, mich mit selbstbeobachtungen zu beschäftigen, wenn ich in eim brei sink. Ich steck in eim dunklen, rötlichen breimeer, ein sumpf ohne boden, gott sei dank genügen ein paar armbewegungen, das ich nich ganz versink. Was für ein scheissexperiment is denn das? Wo is denn das ufo hin?

Wenn du schon mal von ufos entführt worden bist und die ausserirdischen dich in eim völlig unbekannten schlammmeer auf eim planeten ausserhalb des dir bekannten universums abgesetzt ham, dann kennst du dieses gefühl von völliger verlassenheit. Wenn dir das noch nich passiert is, dann verpasst du auch nix.

Ich bin allein! Die sind einfach weg! Wie wollen sie mit mir experimente machen? Oder is das schon das experiment? Und was soll ich machen? Wo ich bin, is es nich gut und nich stabil. Also muss ich mich in eine bestimmte richtung bewegen, vielleicht hab ich glück und find die stadt wo die E.T.'s wohnen, oder wenigstens eine insel, wo ich festen boden unter den füssen hab. Ich wähl als richtung den vermeintlichen punkt, wo der sonnenaufgang stattgefunden hat.

Geh, geh, geh, geh durch den breiten see! Die sonne is klein, rötlich, und sie braucht ziemlich lang um ihre runde zu drehn. Da ich keine uhr hab, niemanden fragen kann und kirchtürme nich vorhanden sind, verlier ich völlig das zeitgefühl. Die temperatur is o.k. Sie ham gesagt, zwischen –50 und –100°. Kann nich stimmen. Und wenn, dann hab ich ein andren körper. Andrerseits, das müsst ich doch wissen. Weiss ich aber nich. Sicher, es is einiges passiert, ich war schon körperlos, und wenn man dann wieder ein körper bekommt, es könnt auch der körper von einer fetten ratte sein, fühlt man sich sofort daheim.

Als der durst, der hunger und meine verzweiflung gross werden und ich keine wahl mehr hab, entdeck ich, das der brei essbar is und auch den durst tilgt. Ich begeb mich auf eine gaumenerkundungsreise. Das breimeer is von der konsistenz her nich immer gleichmässig, manche stellen sind flüssiger, andre zähflüssiger und dazwischen findet man auch richtig harte brocken. Crunch. Die kann ich essen wie alles andre, meine zähne können sie zerkleinern. Meine hände sagen: hart! Mein mund sagt: weich! Schmecken tut s ein bissi wie morsche pilze. Manchmal wie eine brühe aus morschen pilzen. Der rachen stemmt sich ein bissi dagegen, er weiss wirklich nich ob er die dinger durchgehn lassen soll. Ich träum dauernd von eim besseren essen, gar nix luxuriöses, eher so richtung pizza mit allem und sardellen. Eine zigarette hätt ich auch gern, aber sie ham mir keine zeit gelassen, welche mitzunehmen.

Ja, das verlangt eine siesta. Oder nix siesta, ich möchte tausend stunden schlafen. Am ende siegt dann doch die müdigkeit. Ich versuch mich auf dem rücken liegend mit leichten handbewegungen über wasser, das heisst über brei zu halten. Armbewegungen. Vergiss nich die armbewegungen! … Ich glaub, ich muss mir keine gedanken machen, das ich irgendwo ankomm, es scheint auf diesem planeten nix zu geben ausser magma, und wenn es sonst noch was gibt, dann is es ziemlich gut versteckt.

So kann man nur sehr schlecht schlafen. Als ich aufwach, scheint die sonne. Ob es noch der gleiche tag is oder schon ein andrer, wen kümmert s? Ich will grade mit dem frühstücken anfangen, heute dicker brocken in dünner sosse, da seh ich so was wie eine atombombe. Ein meteorit schlägt ins magma ein. Eine gewaltige sache. Potenziert. Hoch n. Das magma spritzt kilometerhoch in die luft und grosse wellen entstehn. Das wird alles erschreckend, die wellen kommen wie hohe berge, in grosser eile, ich versuch mich auf der oberfläche zu halten, werd aber hineingesogen in den bauch des berges – und! – es is gar nich schlimm! Ich kann zwar nich atmen, dann atme ich eben nich! So einfach geht das. Ich bin schwerelos im dunkeln.

Die zeit vergeht, die bergenhorde hat sich beruhigt und die gegend is zurück in ihren sumpfigen schlaf. Draussen an der oberfläche is es nacht geworden, und der himmel leuchtet wie der weihnachtsbaum einer reichen familie.

Die tage sind lang, noch länger sind die nächte. Eine menge materieklumpen oder meteoriten flirren am himmel, es is ein schönes spektakel, aber ich bin nich so richtig in der laune, es zu geniessen. Was werden sich die leute auf der Erde denken? Wie werden es die fraun verkraften? Und Iquat, meine freundin? Hat sie die polizei schon benachrichtigt? Wie lang werden sich die leute gedanken um mich machen? Wird der verlag vielleicht mein verschwinden vermarkten? Bin ich berühmt genug, das man mein verschwinden überhaupt bemerkt? So viele leute verschwinden, werden die dauernd von ufos entführt? Ich mein, manchmal verschwinden die leute in diktaturen, aber oft passiert das auch in demokratien, wo man nich annimmt, das dort leute zu verschwinden pflegen. Vielleicht schwimmen, waten massenweise verschwundene leute auf diesem planeten, oder auf andren.

Während ich mich so über brei halt, muss ich an mein baby denken. So viel mühe, um das manuskript zum buch zu machen, so viel mühe für den versuch, das buch zum bestseller zu machen, und jetz kann ich nix dafür tun, ich bin von allem abgeschnitten. Hatt ich doch gedacht: wenn ich mal meine trampreise um die welt hinter mir hab, werd ich in Brasilien, wo ich geboren und aufgewachsen bin, reich und berühmt sein, ich werd alles haben, was ich mir immer gewünscht hab, also ein auto und ein CD-spieler. Und was is passiert? Ich bin in Deutschland gelandet und ärmer geworden als ich je zu trampzeiten war. Es reicht nich für ein CD-spieler, geschweige denn fürs auto. Zuerst musst ich so lange am buch schreiben, dann ein jahr lang ein verlag suchen, immer das manuskript in einer grossen kiste verschicken mit eim aperitif, martini, damit der lektor lust auf das buch kriegt, und selten war was im briefkasten, manchmal eine absage, immer ohne martini zurück, ein jahr lang sagte ich täglich mindestens einmal nach dem briefkastencheck scheisse!, und am ende fand ich doch noch ein verlag, endlich, das war vielleicht eine erleichterung, und dann stritt ich ein jahr lang mit dem lektor, weil er oft mein ultradoitsh nich so verstand, wie ich es wollte, und dann war das buch endlich da, ich hielt die ersten lesungen, und lebte teilweise sogar davon, wo ich doch immer als brasilianer die deutschen auslachte, weil sie zu lesungen gingen, manchmal sogar dafür bezahlten, wo sie doch das buch gleich hätten kaufen können. Dann kam eine überschwemmung mit positiven kritiken, die verkaufszahl stieg auf 600.000.000.000, das buch wurde in 7900 sprachen übersetzt, inklusive urdu, tagalog, tupi-guarani und eskimosprache (in dem fall ultra-eskimox), Steven Spielberg und Francis Ford Coppola meldeten sich kleinlaut bei mir für den kauf der filmrechte, usw.

Schön wär s. Nachdem ich eine halbe seite kritik in der ersten tageszeitung bekam, fühlte ich mich sehr berühmt. Leider wollte mich keiner auf der strasse erkennen. Manchmal starrte mich jemand in der u-bahn an, aber wahrscheinlich nur weil ich ihn auch anstarrte. Vielleicht weil er die zeitung las die heute mein buch besprochen hatte. Nich einmal diese leute erkannten mich. Wo blieben die autogrammjäger? Diese autogrammjäger machen einen fertig, ich weiss, aber dieser mangel an autogrammjägern macht mich noch fertiger.

Also ein VIP, very important person, wurde ich nich. Nich einmal ein IP, bestenfalls ein MOLIP (more or less important person), auf alle fälle doch mehr als ein einfacher P.

Der kontakt mit den medien brachte manche blüte zutage: da rief mich eine frau an, die bei eim fernsehsender arbeitete. Die vom fernsehn wollten mich interviewn. Sie zahlten dafür und ich hatte nix dagegen. Sie wollte ein paar daten von mir wissen, ich erklärte ihr in ganz gewöhnlichem deutsch worum es im buch ging und wozu ich es schrieb. Nach einer viertelstunde intensiven gespräches kam die frage: »Und sprechen Sie deutsch oder brauchen sie ein dolmetscher?«

Ich wollte den deutschen zeigen, das eine sprache vereinfacht werden kann, one das si an ausdruckskraft einbüsst. Manchmal hörte ich von freunden über dritte, die meinten, ja, der typ soll zu seinen bananen zurück kehren, er soll erst mal vor der eigenen haustür kehren! Das tat ich doch, ich mach auch den brasilianern vorschläge. Was ich nich versteh, is warum die leute sich so ärgern, wenn man vor ihrer haustür kehrt. Also wenn einer vor meiner haustür umsonst kehrt, bin ich ihm doch dankbar.

Das buch verkaufte sich nich schlecht, nur, ein grosser bestseller wurde es nich. Einerseits hatt ich das pech, das viele potenzielle kunden mein buch nich bestellten weil sie den titel nich buchstabieren konnten, andrerseits das glück, das mein buch zur gleichen zeit erschien, als die diskussion um die rechtschreibreform am heissesten war, so meldeten sich die medien oft bei mir. Als im september der bayerische kultusminister die endgültige besiegelung der rechtschreibreform blockierte und verschob, war ich heilfroh. Die diskussion konnte weiter gehn. Leider wurde sie im dezember doch von den ministerpräsidenten beschlossen. Die medien archivierten das thema, für mich war s vorbei. Ich nahm drei tabletten zyankali (von den ganz scharfen) und war nach wenigen minuten mausetot.

Ja, mausetot werd ich gleich sein, wenn ich hier nich weg komm! Der meteorit hat mich voll im visier, das zischen wird lauter zzzzzzzzzzzziiiiissssssscccccccch und für eine flucht is es zu spät. Der meteorit erwischt mich in der mitte, es gibt ein erdbeben, oder sagen wir mal ein schlammbeben, das ich nich mehr weiss wo vorn und hinten is. Wenn du schon mal zwischen zwei jumbo-jets warst, die frontal kollidiert sind, kennst du das gefühl. Der erste teil, der von mir aufwacht is mein rechter fuss, der sich auf die suche nach den übrigen teilen macht. Bald findet er mein rechten arm und schafft es, ihn aufzuwecken. Mein körper is zu eim wir geworden. Leider passen der rechte fuss und der rechte arm nich zusammen, beide suchen weiter. Mein zermatschter kopf wacht auf und muss sich erst mal die gewohnte form suchen, ich hoff ich mach alles richtig. Überall is magma eingedrungen. Ich muss den rest finden, wo sind die andren, ich brauch meine hände um etwas organisation in die sache zu bringen. Immerhin kann ich mit meim willen mein kopf allmählich wieder aufblasen. Die suche gestaltet sich wirklich schwierig weil ich nix sehn kann, wer weiss wie weit ich von der oberfläche bin. Ich find erst mal ein stück von meiner rechten lunge, ganz schön verkohlt das teil, ich glaub ich sollte doch weniger rauchen.

Es dauert ziemlich lange bis ich wieder alles zusammen hab. Ich weiss nich wo alles hingehört, aber jedes teil kennt sein platz und seine funktion. Man muss die natur schon bewundern. Oder in diesem fall die kugel-E.T.s, technologisch sind die wirklich spitze. Schwierig wird s mit dem linken fuss, der is spurlos verschwunden, wo sollen auch in diesem brei spuren bleiben, irgendwann find ich den rechten schuh, immerhin den passenden zum vorhandenen fuss. Mannomann, der linke fuss, ohne linken fuss geh ich hier nich weg. Ein paar winzige teile find ich auch nich mehr, nur der fuss, wo is der? Irgendwann muss ich ihn aufgeben. Ich muss später wieder kommen. Ich mach mich auf den weg zur oberfläche, da klafft ein kilometertiefer und -breiter krater der sich langsam schliesst.

Lange, ganz lange tage und nächte gehn vorbei, manchmal fällt ein meteorit, zweimal wieder auf mich. Beim dritten mal is die obere hälfte vom linken ohr weg.

Eines tages kommt dann doch noch die erlösung. Ich hab s nich mehr für möglich gehalten. Das ufo schwebt vor mir, die kugeln kommen raus. Ich lächel wie ein baby.

»Hallo. Wir sind fertig. Wir bringen dich zurück zur Erde.«

Und schon werd ich schwere- und körperlos in dieses ufo gebeamt, das von der grösse her nich besonders imponiert. Ich werd wieder die Erde sehn, ihre weissen wolken, ihre festen felsen, pizzas mit allem und sardellen, Iquat und meine freunde, vor allem Iquat und ihren lieblichen bauch, quelle so vieler wonnen … der rot-gelbe riesenplanet wird immer kleiner …

Die türkisfarbene Elisabeth, die ich schon damals sympathisch und von der farbe am besten fand (von der form her waren alle ja ziemlich rundlich), fragt mich:

»Wie geht s dir?«

Ich brauch ziemlich lang für die antwort. Ich denk an so vieles, und ich denk so langsam. Ich glaub auch nich, das sie s eilig hat. Ich muss mich an die neue realität gewöhnen. Wir fliegen mit grosser geschwindigkeit durch die galaxien und durch die verschiedenen universen. Das müssten die brasilianischen züge mal gesehn ham, die würden sich wundern. Ja, ich sollte vielleicht endlich di frage beantworten.

»Na ja, wie soll es mir schon gehn. Normal halt. Ich bin ja nich einmal müde, ohne körper kann man nich müde sein. Man kann sich nich hinlegen, man kann die augen nich zu machen.«

Eigentlich möcht ich sie beschimpfen, die ham mich ganz schön darben lassen, andrerseits fliegen sie mich zurück und ich möcht nich, das sie sich das anders überlegen. Sie könnten mich auf eim trostloseren planeten abladen, dann müsst ich schaun wie ich zurück komm.

»Wie könnt ihr nur auf so eim planeten leben?«

»Nach deinen massstäben leben wir eigentlich nich. Früher, vor vielen jahrmillionen, gab es sogar eine ›lebende‹ gesellschaft hier, aber der planet is zu kalt geworden und wir sind alle gestorben.«

»Ihr seid alle tot???«

»Ja, aber wie du siehst, existieren wir noch. Aber nich als kugeln, die du siehst, das ham wir uns nur einfallen lassen damit du von uns eine vorstellung bekommst. Wir sind reine energie-wesen.«

»Wie habt ihr denn früher gelebt? Ich hab so lange nach inseln gesucht, nach eim zivilisationszeichen, da war nix und wieder nix.«

»Wir ham nie städte gebaut. Wir waren eher so wie fische. Oder wie delfine, wale, so fällt dir der vergleich bestimmt leichter. Wir ham nie werkzeuge benützt.«

»Nur super-ufos die durch die galaxien flitzen …«

»Dieses ufo existiert nich. Das suggerieren wir dir nur.«

»Und die reise durch die galaxien? Is die auch nur suggeriert?«

»Nein. Du reist durch die galaxien.«

»Wie denn?«

»Wir schweben zur Erde und tragen dich in unserem schoss.«

»Ah.«

Is natürlich ein schmarrn was sie mir da erzählt. Aber ihre stimme is herrlich. Wenn sie tatsächlich tot sind, ham sie doch kein schoss.

»Könnt ihr gar kein ufo baun?«

»Doch. Aber wir brauchen es nich. Wieso nennst du so ein gefährt ein ufo? Es steht ja für Unidentifyd Flying Object, aber wenn du schon weisst was es is, dann hast du s identifiziert und eigentlich müsst es ab diesem punkt IFO heissen.«

»Stimmt. Mei. Sag mal, was habt ihr für experimente gemacht? Ich hab nix davon gemerkt.«

»Wir wollten wissen wie lang du brauchst um dich nach eim meteoritenschlag wieder zusammenzuflicken.«

»??? – das war doch nie und nimmer mein körper! Ich hätt das nie mit meim normalen körper überlebt!«

»Das is uns klar. Aber dein hirn war dasselbe.«

»Warum hat es dann so lang gedauert, bis ich vom ersten meteorit getroffen wurde? Warum habt ihr nich gleich ein paar meteoriten gegen mich geschleudert?«

»Um in deiner irdischen sprache zu sprechen: es war eine kostenfrage. Und wir ham s nich eilig.«

»? Und was is mit meim fuss passiert? Habt ihr den versteckt?«

»Nein. Du hast ihn nur nich mehr gefunden.«

»Also hab ich den test nich bestanden?«

»Es ging nich darum, ob du dein fuss findest oder nich.«

Ich wollte noch fragen, worum es denn sonst ging, aber draussen in der pechschwarzen nacht läuft ein gigantisches galaxien-spektakel.

»Wie viel sterne gibt s im all?«

»Viele.«

»Kannst du nich etwas genauer sein?«