Nr. 637
Geschöpfe des Nichts
Aufstand gegen die Schattenwesen
von Peter Terrid
Die Verwirklichung von Atlans Ziel, in den Sektor Varnhagher-Ghynnst zu gelangen, um dort den Auftrag der Kosmokraten zu erfüllen, scheint außerhalb der Möglichkeit des Arkoniden zu liegen. Denn beim entscheidenden Kampf gegen Hidden-X wurde Atlan die Grundlage zur Erfüllung seines Auftrags entzogen: das Wissen um die Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst.
Doch Atlan gibt nicht auf! Im Bewusstsein, sich die verlorenen Koordinaten wieder besorgen zu müssen, folgt der Arkonide einer Spur, die in die Galaxis Xiinx-Markant führt, wo die SOL in erbitterte Kämpfe verwickelt wird. Schließlich, gegen Ende des Jahres 3807 Terrazeit, muss die SOL den Sturz ins Nichts wagen, und sie gelangt dabei nach Bars-2-Bars, der aus zwei ineinander verschmolzenen Galaxien bestehenden Sterneninsel.
Die Verhältnisse dort sind mehr als verwirrend, wie die Solaner bald erkennen müssen. Doch sie tun ihr Bestes, die Verhältnisse zu ordnen, indem sie die Völker der künstlich geschaffenen Doppelgalaxis, die einander erbittert bekämpfen, zum Frieden zu bewegen versuchen.
Anti-ES ist natürlich über die jüngsten Aktivitäten der Solaner in Bars-2-Bars informiert. Die in der Namenlosen Zone festgehaltene Superintelligenz beschließt daher Gegenmaßnahmen. Sie zieht ihre Fäden und lenkt die GESCHÖPFE DES NICHTS ...
Kerness Mylotta – Ein unentdeckter Agent von Anti-ES.
Atlan – Der Arkonide geht ein unglaubliches Wagnis ein.
Breckcrown Hayes – Seine SOL soll in eine Falle geführt werden.
Bjo Breiskoll – Der Mutant startet eine Befreiungsaktion.
Ferner Proch und Gendra – Zwei junge Merbell-Yaner.
Der Mann heißt Kerness Mylotta. Er steht vor einem Spiegel, irgendwo an Bord des Riesenschiffs SOL. Er sieht sich an.
Er ist hochgewachsen, nur eine Handbreit fehlt an vollen zwei Metern. Der Körper ist kräftig, fast bullig, die Haut auffallend weiß; schwarz hingegen die Kleidung, schwarz auch das Tuch, das seine Haare und die Stirn bedeckt.
Das hellhäutige Gesicht wirkt kantig. Die Augen unter dichten schwarzen Brauen sind grau, die Backenknochen treten leicht hervor. Er trägt einen kurzen, gepflegt wirkenden Bart, auch diese Haare sind schwarz.
Er steht mitten im sechsten Lebensjahrzehnt. Sein Arbeitsbereich ist das SPARTAC-Energieteleskop der SOL. Kerness Mylotta versteht seine Arbeit, er ist seit kurzem Chef dieser Abteilung, ein hochbegabter Junggeselle mit einer besonderen Sensibilität für Hyperenergieanteile. Nicht zuletzt dieser Sensibilität verdankt er seinen Aufstieg zum Abteilungschef.
Er gilt als Einzelgänger. Solaner, die ihn zum ersten Mal sehen, halten ihn für mürrisch, unfreundlich, verschlossen, geradezu unheimlich. Sein Aussehen täuscht über die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft hinweg, wer ihn kennt, schätzt ihn.
Kerness Mylotta greift sich an die Stirn, zieht das Kopftuch herab. Aufmerksam betrachtet er sich.
Das kleinere Geheimnis wird sichtbar, das dritte Auge. Dunkel sitzt es auf der weißen Stirn. Es scheint größer geworden zu sein, die Farbe beginnt ins Bläuliche abzuweichen, sie zeigt erste Ansätze von Transparenz. Die Ursache für diese Wandlung kennt Kerness Mylotta nicht.
Hat es etwas mit dem zweiten Geheimnis zu tun?
Er ist nicht mehr Herr seines Willens. Eine fremde, unheimliche Macht hat ihn übernommen, nutzt ihn als Werkzeug für Pläne, die bei jedem Abscheu erregen, der sie kennt.
»Mörder!«
Kerness Mylotta zuckt zusammen. Er hat das Wort selbst ausgesprochen. Ihn schaudert vor seinem Spiegelbild. Er sieht sich selbst so, wie er auf andere mitunter wirkt – bedrohlich. Und er weiß, dass dieser Eindruck zum Teil richtig ist.
Kerness Mylotta starrt das Gesicht eines Mörders an, der Kerness Mylotta heißt.
Ist dieser Mylotta ein Mörder?
Das Opfer ist in Sichtweite. Ursula Grown ist tot. Es kann keinen Zweifel geben, Kerness Mylotta hat sie getötet.
Die Macht, die ihn beherrscht, fordert weitere Maßnahmen. Weitere Morde.
Kerness Mylotta, der Mann, der getötet hat, sucht in seinem Gesicht nach dem Kerness Mylotta, der zu einer solchen Tat niemals imstande wäre. Er findet ihn nicht.
Aber er weiß, dass dieser Mylotta vorhanden ist. Er spürt die Regungen tief in seinem Innern, wie zugedeckt von dem Willen, der nicht der seine ist.
In dem Gesicht zuckt kein Muskel. Der Kampf findet unter der Oberfläche statt.
Von einem unmittelbaren Einfluss der fremden, bedrohlichen Macht ist nichts zu spüren. Sie kann in diesem Augenblick ihre Wirkung nicht verstärken. Aber sie wird sich wieder melden.
Dann wird es zu spät sein für Kerness Mylotta. Der Mörder allein wird übrigbleiben.
Nur diese eine Chance hat Kerness Mylotta, ein paar Stunden vielleicht nur. Eine geringe Spanne Zeit, um einen versklavten Geist zu befreien, einen Willen, der schwächer ist als die Macht seines Bezwingers, ein Wille, der sich dennoch aufbäumt und wehrt.
Die Kiefermuskeln verkrampfen sich.
»Mörder!«
Kerness Mylotta schließt die Augen. Mit dem Rest freien Bewusstseins, das ihm geblieben ist, versucht er, den Kontakt zu seinem Willen wiederherzustellen.
Er hat gemordet. Er will es nicht wieder tun. Aber er weiß, dass er die weiteren Aufträge seines Bezwingers ausführen wird – so stark ist sein Widerstandswille nicht, dass er sich dagegen auflehnen könnte.
Ein Ausweg, eine Flucht zur Seite.
In der Nähe des SPARTAC-Energieteleskops gibt es einen Raum, angeschlossen an die Versorgungseinrichtungen der SOL. Vielleicht bietet ihm dieser Raum eine Möglichkeit. Er wird nicht genutzt, ist kaum jemandem bekannt. Kein Wunder, angesichts der Riesenhaftigkeit dieses Schiffes.
Kerness Mylotta nickt.
Er wird diese Wandlung des Planes durchsetzen können – gegen sich selbst. Gegen den Mörder Kerness Mylotta.
Er zieht das Kopftuch wieder über Stirn und Haare. Der dunkle Fleck auf seinem Gesicht ist nicht mehr erkennbar.
Aber er weiß, dass er vorhanden ist. Er muss mit ihm leben – wie mit dem Mörder Kerness Mylotta.
*
»Das alles klingt recht erfreulich«, sagte Breckcrown Hayes. Von wirklicher Zufriedenheit war in seiner Stimme allerdings nichts zu spüren; vielleicht war ein so vorwärtsdrängender Charakter wie dieser niemals völlig zufriedenzustellen.
Ich konnte ihm nur zustimmen. Die SOL stand wieder auf Anterf. Dort machte die Normalisierung der Verhältnisse gewaltige Fortschritte. Nachdem die Anterferranter einmal darangegangen waren, ihre Zivilisation wieder aufzurichten, begannen nun die einzelnen Rädchen wieder kräftig ineinanderzugreifen. Eines fügte sich zum anderen – dort wurde eine Fabrik für wichtige Ersatzteile wieder in Gang gesetzt. Das Unternehmen, das diese Ersatzteile brauchte, kam wieder in Gang und belieferte jene Anlagen, die die Rohstoffe für das Ersatzteilwerk lieferten. Zunächst knirschend und ächzend, dann immer schneller kam das gigantische Räderwerk einer hochtechnisierten Zivilisation wieder in Gang. Es gab genügend Lebensmittel und auch ein wenig Freizeit – Vergnügungsstätten erhielten ungeahnten Zulauf, konnten wieder Honorare und Gagen bezahlen und schufen so neue Konsumenten für die Waren, die von den Zuschauern erarbeitet wurden. Es konnte nicht mehr sehr lange dauern, bis Anterf wieder in Blüte stand.
Gewiss blieb viel zu tun übrig. Verheerend waren die Schäden in der Zeit des Schreckens gewesen. Bis all die kleinen und großen Narben verschwunden waren, würden vermutlich Jahrzehnte ins Land gehen – aber der Anfang war gemacht.
Indessen galt das nur für Anterf, und das erklärte wohl auch, warum Breckcrown Hayes nur zum Teil zufrieden war.
Besonders für uns war eine Menge zu tun übriggeblieben. Die Fragen und Rätsel, die wir noch zu lösen hatten, die Aufgaben, die vor uns lagen, waren mitnichten geringer an Zahl oder Gewicht geworden. Auf unseren Schultern, die mit eigenen Problemen schon genügend beladen waren, lastete nun auch noch die Verantwortung für zwei Galaxien – es war offenkundig, dass nicht nur die Anterferranter von uns die Lösung des Problems Bars-2-Bars erwarteten. In ihren Augen hatten wir schon Wunderdinge vollbracht, warum nicht auch das schier Unmögliche?
Breckcrown Hayes nippte an seinem superstarken Kaffee. Ich hatte Fruchtsaft vorgezogen.
»Was gibt SENECA bekannt?«, fragte Hayes.
Ich hatte die Ergebnisse im Kopf. Die Auswertung der gesammelten Daten war selbst für einen Hochleistungsrechner wie SENECA ein beachtliches Stück Arbeit gewesen, zumal SENECAS Hilfe auch andernorts dringend gebraucht wurde, denn immer wieder kamen die Anterferranter mit Problemen.
»SENECA vermutet, dass der Hauptnabel ...«
»... von dem wir noch nichts wissen«, ergänzte Hayes trocken.
»... die Hauptursache dafür ist, dass Bars und Farynt ineinander verkeilt sind. Sofern wir die Galaxien wieder voneinander trennen wollen ...«
»... wozu wir in der SOL technisch außerstande sind ...«
»... müssen wir den Hauptnabel finden und genauestens untersuchen.«
»Wenn das alles ist«, kommentierte Hayes bissig.
Der Interkom meldete sich. Auf dem Bildschirm erschien das Gesicht von Kerness Mylotta. Er schien erregt zu sein.
»Ich glaube, ich habe etwas entdeckt«, stieß er hervor.
»Komm zu uns und berichte ausführlich«, schlug Hayes vor. Mylotta nickte.
Dank der modernen Technik im Innern der SOL dauerte es nicht lange, bis Mylotta den Weg vom SPARTAC-Teleskop bis zur Klause des High Sideryt zurückgelegt hatte. Der hochgewachsene, bullige Mann ließ sich in einen der Sessel fallen.
»Ich habe etwas gespürt«, begann er ohne Umschweife. »Eine hyperenergetische Strahlung, sehr ähnlich den früheren Ausstrahlungen der Nabelstationen.«
Breckcrown Hayes wölbte die Stirn. Sein Gesicht zeigte Interesse.
»Und wo?«
»In einem Sonnensystem, das zur Farynt-Galaxis gehört. Es wird Trisker-System genannt. Von Anterf ist es ungefähr sechstausendzweihundert Lichtjahre entfernt.«
»Eine weitere Nabelstation«, sagte Breckcrown Hayes.
Mylotta schüttelte den Kopf. Er hatte eine schwarze Mütze aufgesetzt, die den oberen Teil seines Kopfes vollständig verhüllte.
»Wenn mich meine Sensibilität nicht täuscht, dann handelt es sich dabei nicht um eine gewöhnliche Nabelstation. Ich habe den Verdacht, dass wir im Trisker-System möglicherweise den Hauptnabel finden können.«
»Das wäre eine echte Entdeckung«, gab Hayes zu.
Ich sah ihn an.
»Wann fliegen wir los?«
Hayes lächelte mich an.
»Gar nicht«, sagte er trocken. »Ich habe keine Lust, die SOL ohne Not noch einmal in Gefahr zu bringen.«
»Aber ansehen werden wir uns dieses System doch wohl«, beharrte ich. Das Grinsen des High Sideryt wurde breiter.
»Ich wusste, dass es dich nicht halten würde, Atlan. Du kannst die FARTULOON nehmen, oder die CHYBRAIN, oder meinethalben auch beide Schiffe. Die SOL bleibt hier – die Erfahrungen im B-727/M-System reichen mir vorläufig.«
»Einverstanden«, sagte ich und sah Mylotta an. Der reagierte sofort so, wie man es von einem guten Wissenschaftler erwarten konnte.
»Ich möchte mitkommen«, sagte er.
Ich nickte. Mylotta mit seinem besonderen Spürsinn für hyperenergetische Vorgänge konnte uns vor Ort eine überaus wertvolle Hilfe sein. Dass Hayes nicht gewillt war, die SOL selbst für den Flug freizugeben, konnte ich gut verstehen. Einen Augenblick lang erwog ich den Gedanken, Hallam Blake einzuladen, dessen eigentümlicher Gefahreninstinkt uns aus mehr als einer Verlegenheit geholfen hatte. Mein fotografisches Gedächtnis erinnerte mich aber, dass Blakes Töchter zur Zeit an einer fiebrigen Erkrankung litten, gewiss nichts Ernstes, aber Grund genug für einen Mann wie Hallam Blake, alle anderen Aktivitäten zurückzustellen.
»Ich werde beide Schiffe nehmen, dann können wir das System rascher durchkämmen. Sobald ich etwas weiß, gebe ich dir Nachricht.«
»Ich packe rasch meine Sachen zusammen«, erklärte Mylotta und verabschiedete sich.
»Was hältst du von ihm?«, fragte Hayes. Ich zuckte mit den Schultern.
»Er sieht aus, als wäre er unleidlich, verhalten tut er sich ganz anders. Was kann man da schon sagen.«
»Trommle dein Team zusammen und mach dich auf die Reise«, meinte Hayes. »Je eher wir etwas erfahren, um so besser.«
Bjo Breiskoll war sofort einsatzbereit, Uster Brick musste ich in einem Sportstudio aufstöbern, wo er seine Kondition verbessern wollte. Auch die anderen Mitglieder des Teams waren rasch zur Stelle. Währenddessen wurden die beiden Schiffe startklar gemacht – der ehemalige Kreuzer MT-1, der jetzt CHYBRAIN hieß und die frühere Korvette MT-K-20, die wir FARTULOON getauft hatten. Die FARTULOON wurde von Bjo geflogen, während Uster Brick als Chefpilot der CHYBRAIN fungierte.
Über dem Landeplatz der SOL lag Nacht, als die beiden Schiffe in den Raum vorstießen.
Dies war eines jener Probleme, die sich mit noch so großem technischen Aufwand nicht lösen ließen – die unterschiedlichen Tageszeiten auf Planeten und an Bord von Schiffen. Es konnte sehr leicht geschehen, dass Besatzungen von Trampschiffen, die ihren Bordrhythmus beibehielten, wochenlang nur solche Raumhäfen anflogen, die auf der jeweiligen Nachtseite des Zielplaneten lagen. Nur bei riesigen Handelswelten – etwa dem früheren Handelszentrum Arkon II – war es möglich, so viele Raumhäfen anzulegen und freizuhalten, dass die Schiffe zu einer Ortszeit landen konnten, die ihrem gewohnten biologischen Rhythmus entsprach. Die anderen mussten zusehen, wie sie mit den Zeitunterschieden fertig wurden.
In ganz besonderem Maß galt das natürlich für die SOL, die durch den Weltraum vagabundierte und einen Planeten nach dem anderen anflog, wobei sich Breckcrown Hayes in den seltensten Fällen den Platz aussuchen konnte, an dem er die SOL landen ließ.
Während die beiden Schiffe beschleunigten, um die nötige Mindestfahrt für den Eintritt in den Linearraum zu gewinnen, zog ich mich in meine Kabine zurück. Es konnte nicht schaden, wenn ich mir ein paar Stunden Schlaf gönnte, bevor die nächsten Aufregungen begannen – denn daran, dass es am Zielort Aufregungen geben würde, zweifelte ich keinen Augenblick.
Ich verbrachte zehn Minuten mit einigen Entspannungsübungen, dann begann ich langsam einzudämmern.
Meine Augen waren bereits geschlossen. Dennoch glaubte ich, einen deutlichen Lichtschein wahrzunehmen. Ich ließ die Augen geschlossen. Vielleicht handelte es sich um eine jener Farbhalluzinationen, die bei intensiven Übungen des Autogenen Trainings auftreten können.
Das Licht blieb.
Allmählich gewann es an Gestalt. Eine Erinnerung zuckte durch mein Gedächtnis.
Chybrain.
Ich behielt den stark entspannten Zustand bei, schwebte zwischen Traum und Wachen. Das Phänomen blieb, verstärkte sich sogar.
Dann meldete sich eine wispernde Stimme in meinem Innern. Auch sie kam mir bekannt vor – sie klang wie die von Chybrain.
»Atlan, höre mich. Ihr schwebt in großer Gefahr. Und der Feind sitzt in euren eigenen Reihen. Höre, Atlan, und nimm die Warnung ernst. Hüte dich vor dem Verkappten, meide die Zwietracht. Der Feind ist mitten unter euch.«
Die Stimme wurde leiser und leiser, dann unhörbar. Das leuchtende Gebilde begann sich aufzulösen, und nach kurzer Zeit war es völlig verschwunden.
Ich spannte die Muskulatur an, um den Entspannungszustand zu beenden. Ich öffnete die Augen.
In meiner Kabine war nichts zu sehen. Sie lag im Dunkeln wie zuvor.
Hatte ich geträumt?
Nein, lautete der kurze Impuls des Extrahirns.
Ich runzelte die Stirn. Was hatte ich dann gesehen und gehört.
Nichts, gab das Extrahirn durch. Du kannst in den letzten Minuten nichts beobachtet haben. Geträumt hast du auch nicht, das wüsste ich.
Die Angelegenheit wurde abstrus. Eine Wahrnehmung, die dem Extrahirn verborgen geblieben war? Oder eine Fehlfunktion meines Normalbewusstseins? Beide Möglichkeiten bargen äußerst unerfreuliche Konsequenzen. Im einen Fall musste ich an der Zuverlässigkeit des Extrasinns zweifeln. Die andere Möglichkeit deutete an, dass ich allmählich den Verstand verlor, und auch das war nicht sehr angenehm.
Lösen konnte ich das Rätsel nicht. Vielleicht würde die Zeit einen Hinweis bringen.
In jedem Fall hatte ich mich durch mein Erlebnis an Chybrain sehr stark erinnert gefühlt. War es möglich, dass Chybrain beim Untergang von Hidden-X nicht umgekommen war? Völlig unmöglich war das nicht – in der letzten Zeit an Bord der SOL hatte ich genug erlebt und gesehen, was der Logik Hohn sprach, und aus der Vergangenheit wusste ich, dass Freunde und Gefährten von mir aus den schier unmöglichsten Zwangslagen heraus Auswege und Fluchtmöglichkeiten gefunden hatten. War ich selbst nicht einmal offiziell exekutiert worden, um die Laren zu täuschen?
Ich beschloss, meine seltsame Beobachtung für mich zu behalten. Möglich, dass ich halluziniert hatte; ich musste es nicht jedem auf die Nase binden.
Ich drehte mich um, schloss die Augen und war wenige Augenblicke später eingeschlafen.
Ächzend streifte sich Solania von Terra die Schuhe von den Füßen. Zwar brauchte man an Bord der SOL keine kilometerlangen Wanderungen zu absolvieren, dafür gab es Laufbänder und Antigravschächte, aber ab und zu kam es doch vor, dass einem Besatzungsmitglied die Füße schmerzten.
Solania, den meisten Solanern als Brooklyn bekannt, steckte die brennenden Füße in ein Gefäß mit heißem Wasser, in dem sie zuvor eine Brausetablette aufgelöst hatte.
Zu ihrem Image, sorgfältig von ihr gepflegt, gehörte es, da sie sich stets vornehm-liebenswürdig betrug. Bei jedem anderen hätte dieses Gehabe einer großen Dame sicherlich antiquiert, wenn nicht gar lächerlich gewirkt –