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Kindergesundheit

Impressum

Verlag:

Chefredakteurin: Marie-Luise Lewicki (v.i.S.d.P.)

ISBN: 978-3-652-00254-7

Gesund werden, gesund bleiben

Allergie: Auf Angriff gepolt

Augen: Auge zu und durch

Bauch: Die Luft muss raus

Bewegungsapparat: So früh schon Hüftprobleme?

Bewegungsapparat: Klumpfuß: Das hilft Kindern wirklich

Darm: Stress mit dem Stuhlgang

Erste Hilfe: Erste Hilfe von A-Z

Haut: Die richtige Babypflege

Haut: Weg mit dem Blutschwamm!

Haut: Gneis und Milchschorf – ein Problem?

Homöopathie: Die homöopathische Kinderapotheke

Infekte: Kleiner Hustenführer

Infekte: Mandeln: Wenn es eng wird im Hals

Infekte: Fieber – mehr Freund als Feind

Jungen-Probleme: Unten rum alles okay?

Ohren: Ganz schön empfindlich

Ohren: Anlegen bitte!

Schmerzen: Muss denn das so wehtun?

Zähne: Alles übers Zahnen

Kritisch unter der Lupe

Antibiotika: Antibiotikum – geben oder nicht?

Ergotherapie: Basteln auf Rezept?

Gesunde Entwicklung: Was, deins läuft doch nicht?

Impfen: Müssen diese Impfungen wirklich alle sein?

Jungen: Kleine Eroberer, ganz zart

KISS-Syndrom: Schief, nicht krank

Pucken: Sensibelchen auf Tuchfühlung

Schmerzempfinden: Von Indianern und Krokodilstränen

Vorsorge: Weg mit den alten U’s!

Kindergesundheit kompakt

Babyhaut: Sind die Pickelchen ein Problem?

Dreck: Vom Sand in den Mund

Erkältung: 3 Wunderwickel

Flüssigkeitsbedarf: Weisheiten übers Trinken

Heuschnupfen: 3-Stufen-Plan bei Pollenalarm

Höhe: Mit dem Baby in die Berge?

Klinikaufenthalt: Das erste Mal im Krankenhaus

Medizin: Wie kommen die Tropfen ins Kind?

Ungeziefer: Eklige Mitbringsel

Unverträglichkeit: Häufiger Durchfall: Zöliakie?

Verdauung: Kleine Speikunde

Vitamin D: Medizin aus der Sonne

Quellen und wissenschaftliche Berater sind in den Artikeln zitiert.

Darüberhinaus danken wir für ihre fachliche Beratung: Dr. J. Berrang, Schmerzspezialist am Westfälischen Kinderzentrum, Dortmund; Dr. Hendrik Crasemann, Kinder- und Jugendarzt, Bremen; Dr. Mira Dorcsi-Ulrich, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, Homöopathie, München; Dr. Oliver Eberhardt, Orthopädische Klinik Olgahospital im Klinikum Stuttgart; Dr. Jacqueline Esch, Kinderzahnärztin in München und im Vorstand des Bundesverbandes der Kinderzahnärzte; Christa Gabel, Krankenschwester, Still-, Laktations- und Trageberaterin, Landshut; Ellen Grünberg, Deutscher Hebammenverband; Vivian Weigert, Autorin; Dr. Ernst Höfling, Augenarzt, Ottobrunn; Kerstin Jüchtern-Scharringhausen, Orthoptistin; Dr. Hermann Josef Kahl, Kinder- und Jugendarzt, Düsseldorf; Dr. Karl Kugler, Kinder- und Jugendarzt, München; Torsten Liem, Osteopath, Hamburg; Dr. Stephan Heinrich Nolte, Kinder- und Jugendarzt, Marburg; Dr. Wolfgang Remus, Orthopäde, München; Dr. Herbert Renz-Polster, Kinderarzt und Dozent am Mannheimer Institut für Public Health; Dr. S. Stehr-Zirngibl, Leiterin der Schmerzambulanz am St.-Josef-Hospital, Bochum; Professor Dr. Thomas Wirth, Orthopädische Klinik Olgahospital, Klinikum Stuttgart; Dr. Margret Ziegler, Münchner Kinderzentrum, Sprechstunde für Schreibabys

Gesund werden, gesund bleiben

ALLERGIE

Auf Angriff gepolt

Viele Kinder kommen heute mit einer allergischen Veranlagung zur Welt. Das lässt sich nicht ändern, muss aber auch kein schlimmes Schicksal bedeuten. Denn Eltern können eine Menge tun, damit ihr Kind gesund bleibt. Und betroffenen Kindern helfen, gut mit ihrer Allergie zu leben

Triefende Kindernasen, tränende Augen, juckende, wund gekratzte Haut oder Atemnot – das ist nichts, was man sich für sein Kind wünscht. Doch jedes fünfte Kind hat inzwischen eine Allergie, mitunter auch mehrere. Darüber hinaus sind über 40 Prozent der Drei- bis 17-Jährigen gegenüber mindestens einem Allergen sensibilisiert, zeigen aber (noch) keine auffälligen allergischen Symptome.

Warum das Immunsystem verrückt spielt und sich gegen so harmlose Stoffe wie Birkenpollen, Eiweiß oder Katzenhaare wehrt, ist immer noch ein Rätsel. Offensichtlich spielen dabei mehrere Faktoren eine Rolle:

Die Gene. Leidet Vater oder Mutter unter einer Allergie, wird auch das Kind mit einer Wahrscheinlichkeit von 30 Prozent Allergiker. Haben Vater und Mutter beide allergische Erkrankungen, steigt das Risiko auf 60 Prozent. Allerdings: Längst nicht jedes Kind mit Veranlagung zur Allergie entwickelt eine.

Die Umweltbedingungen. Man weiß, dass Kinder, die früh in Kinderkrippen kommen oder viele Geschwister haben, seltener Allergien ausbilden, ebenso Kinder, die auf einem Bauernhof groß werden. Das Immunsystem hat offenbar so viel zu tun, dass es gar nicht dazu kommt, sich zu „langweilen“ und gegen Harmloses wie Wiesengras oder Haselnuss zu rebellieren.

Der Lebensstil. Eine Untersuchung an Erstklässlern ergab: Kinder, die unter guten äußeren Bedingungen bei gut verdienenden Eltern aufwachsen, haben eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit, Neurodermitis zu entwickeln, als Kinder, die in eher ärmeren Migrantenfamilien groß werden.

Die Seele. Einige Studien haben gezeigt, dass belastende Lebenssituationen bei Kindern zu stärkeren allergischen Reaktionen führen können. Ob schulischer Leistungsdruck darunterfällt, wurde noch nicht untersucht. „Ist aber anzunehmen“, sagt Uwe Gieler von der Uniklinik für Psychosomatik und Psychotherapie in Gießen. „In Stress-Situationen schüttet der Körper Neuropeptide aus, die durch die Nervenbahnen zu den Organen gelangen und dort Entzündungen verstärken.“

Und jetzt? Um Allergien vorzubeugen, sollte man Tabakrauch meiden, sonst kann man wenig tun: Maßnahmen wie langes Stillen, keine Kuhmilch im ersten Lebensjahr oder Parkett im Kinderzimmer haben sich als unwirksam oder sogar kontraproduktiv erwiesen (siehe unten: „Mythen“). Die moderne Strategie für Risikokinder lautet: Konfrontation ist besser als Meidung.

Ist die Allergie dagegen ausgebrochen, muss das Allergen gemieden werden. Wichtig dabei: die Diagnose. „Dazu gehört nicht nur ein Hauttest, sondern auch ein Bluttest und eine ausführliche Anamnese. Gefolgt von einer individuellen Beratung“, sagt Sonja Lämmel vom Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB). Sie rät dringend, sich von einem Allergologen oder Kinderarzt mit dem Zusatz „Allergologie“ betreuen zu lassen.

Um die Symptome von Heuschnupfen, Asthma oder Neurodermitis in den Griff zu bekommen, hält die Schulmedizin heute viele gut verträgliche Medikamente bereit, wie Antihistaminika und bronchienerweiternde Sprays.

Für schweres Asthma steht mit dem sogenannten Anti-IgE eine relativ neue Behandlungsmethode (für Kinder ab sechs Jahre) zur Verfügung. Auch Kortison hat inzwischen seinen Schrecken verloren (siehe „Mythen“). Dazu gibt es bei Neurodermitis inzwischen eine Alternative mit den Wirkstoffen Pimecrolimus und Tacrolimus, den sogenannten Immunmodulatoren.

Die einzige Behandlung, die nicht nur die Symptome behandelt, sondern bei der Ursache ansetzt, ist Hyposensibilisierung oder Spezifische Immuntherapie (SIT). Sie ist vor allem bei Heuschnupfen, allergischem Asthma und Insektengift-Allergie effektiv. Die Forschung bringt hier stetig Neues. Bald soll die „Impfung“ sogar bei Erdnuss-Allergikern möglich sein.

Auch Naturheilverfahren erzielen gute Erfolge. Pestwurz oder Quitte und Zitrone bei Asthma und Heuschnupfen – Roman Huber, Leiter des „Uni-Zentrums Naturheilkunde“ an der Universität Freiburg, weiß: „Es gibt Alternativen zur Schulmedizin. Allerdings: Bei schwereren Formen von Asthma kommt man zumeist nicht ohne sie aus.“ Und die Homöopathie? Hier ist die Studienlage uneinheitlich. Huber: „Bei Allergien gibt es allgemein einen starken Placebo-Effekt. Wenn Eltern an eine Therapie glauben, spüren das die Kinder. Und da die Psyche einen außerordentlichen Einfluss auf Krankheiten hat, bessern sich die Beschwerden – zumindest kurzfristig.“

Überhaupt, die Psyche: Unisono überzeugt sind Experten von Entspannungstechniken. Entsprechende Übungen sind Teil der unbedingt empfehlenswerten Schulungen bei Asthma und Neurodermitis, die fast alle von der Kasse übernommen werden. „Auch das Vorbild der Eltern ist wichtig. Wenn Mutter und Vater sich zu Hause genervt und gestresst zeigen, kann sich das auf die Kinder übertragen“, sagt der Psychosomatiker Uwe Gieler. Das heißt nicht, dass zu Hause Konflikte unterdrückt werden sollten. Aber ein ruhiger, vernünftiger Umgang damit ist für Allergiekinder besonders nötig.

Uwe Gieler wünscht sich, dass Eltern insgesamt gelassener werden. „Wenn Eltern alle Infos über die Erkrankung aufsaugen und immer besorgt um das Kind herum sind, erhöht das die Ängste und den Stress des Kindes. Das Beste für ein Allergiekind ist, möglichst normal aufzuwachsen.“

Allergie-Mythen und ihre Wahrheit

Es gibt viele Gerüchte rund um Allergien. Halbwahrheiten, die früher stimmten, heute aber überholt sind, und Aussagen, die schlichtweg falsch sind. Wir räumen mal ein bisschen auf

1. Hyposensibilisierung (SIT) ist nichts für Kinder

Stimmt nicht. Heute weiß man: Je früher mit Spezifischer Immuntherapie (SIT) begonnen wird, umso besser hilft sie. Die Entwicklung von Heuschnupfen zu Asthma – der sogenannte Etagenwechsel – kann mit einer Hyposensibilisierungs-Behandlung oftmals verhindert werden. Zugelassen ist SIT ab fünf Jahre – bei Insektengiftallergie auch schon früher.

2. Kortison hat starke Nebenwirkungen

Stimmt nicht. Die modernen Kortisonpräparate wirken lokal und sind mild dosiert. Nur bei einer zu langen Anwendung starker Kortisoncremes kann es zu einer Hautverdünnung kommen. Professor Ulrich Wahn, langjähriger Leiter der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Immunologie und Pneumologie an der Berliner Charité: „Ich kann den Müttern guten Gewissens sagen: Das moderne Kortison hat keine Nebenwirkungen.“ Wegen seiner stark antientzündlichen und antiallergischen Wirkung ist und bleibt Kortison immer noch ein wichtiger Bestandteil in der Allergietherapie.

3. Impfen kann Allergien auslösen

Stimmt nicht. Es gibt keine ernst zu nehmende Studie, die beweist, dass Schutzimpfungen und Allergien etwas miteinander zu tun haben. Das zeigt schon der deutsch-deutsche Vergleich. In der ehemaligen DDR lag die Impfrate höher als im Westen, aber es gab dort deutlich weniger Allergiker. Auch die Sorge vor anderen Substanzen, die im Impfstoff enthalten sind, zum Beispiel Konservierungsmittel, ist unbegründet. Nur nachgewiesen schwere Hühnereiweißallergiker müssen aufpassen: Manche Impfstoffe enthalten Ei-Bestandteile.

4. Mit Asthma geht kein Sport

Stimmt nicht. Sport führt bei Asthma sogar zu einer Verbesserung der Lungenfunktion. Besonders günstig ist Schwimmen – weil die Luft feucht und der Körper im Wasser viel leichter ist. Allerdings kann starke Chlorung die Bronchien reizen. Wichtig: Die Kinder sollten sich vor dem Sport ausreichend aufwärmen und nicht an ihre maximale Belastungsgrenze gehen. Das ist eigentlich kein Problem, wenn sie auf ihren Körper hören und rechtzeitig aufhören, auch wenn die anderen weitertrainieren. Tipp: In vielen Städten gibt es inzwischen Asthmasportgruppen für Kinder.

5. Bei Allergierisiko Parkett verlegen

Stimmt nicht. Wirklich staubfrei halten kann man glatte Böden nämlich nur, wenn man jeden Tag (nebel-) feucht wischt. Ein ordentlicher Aufwand! Selbst bei diagnostizierter Hausstaubmilben-Allergie ist Teppichboden laut Empfehlung des DAAB besser, wenn mit einem speziellen Feinstaubfilter (Hepa-Filter) gesaugt wird. Viel wichtiger als Parkett oder Laminat in der Wohnung sind Matratzen-Umhüllungen (Encasings) in den Betten und gutes Lüften.

6. Allergierisiko – im ersten Jahr auf Kuhmilch verzichten

Bitte nicht. Nahrungsmittel zu meiden hat nur Sinn, wenn ein Allergologe verlässlich eine Allergie diagnostiziert hat. Gerade kleine Kinder brauchen Milch als wichtige Kalziumquelle für ihr Knochenwachstum. Ziegen- oder Reismilch sind keine gleichwertigen Alternativen. Die Empfehlung bei Risikokindern lautet: ausschließliches Stillen bis zum vierten Monat. Ab dem fünften Monat soll man sie schrittweise an Beikost gewöhnen, denn Babys, die zu diesem Zeitpunkt mit anderen Lebensmitteln konfrontiert werden, sind besser geschützt als Kinder, die erst spät Breinahrung bekamen.

7. Trockene Haut braucht Fett

Stimmt nur bedingt. Grundsätzlich gilt: „Feucht“ auf feuchte (= nässende) Haut, „Fett“ auf trockene Haut. Wie viel Anteil Feuchtes oder Fettes der Haut guttut, muss man ausprobieren, sofern der Arzt nicht eine Mischung aus der Apotheke verschreibt. Leider steht selten auf der Verpackung, wie viel Fettgehalt eine Creme hat. Auf manchen Produkten finden sich Bezeichnungen wie Ö/W (= wenig Öl in viel Wasser; das sind Lotionen oder Cremes) oder W/Ö (= wenig Wasser in viel Öl; Salben). Wichtig: Auch die Jahreszeit hat einen Einfluss. Bei kalten Temperaturen unter 10 Grad braucht Haut eher fette Pflege, bei warmen Temperaturen sind feuch-tere, dünnflüssige Cremes oder Lotionen besser.

8. Im Winter gibt es keinen Heuschnupfen

Stimmt nicht. Die Pollenflugzeit dauert in den letzten Jahren aufgrund des milden Klimas länger und fängt früher wieder an. Je nach Witterung kann es sein, dass im November die letzten Gräser- und Brennnesselpollen fliegen und im Dezember schon erste Haselnusspollen unterwegs sind. Wohnen Sie auf dem Land? Dann sollten Sie eher am Abend lüften, in der Stadt eher morgens. Die Pollenkonzentration ist in ländlichen Gebieten nämlich in den Morgenstunden am höchsten, in der Stadt dagegen abends. Legen Sie Straßenkleidung außerhalb des Schlafzimmers ab, und waschen Sie eventuell die Haare vor dem Zubettgehen.

9. Antihistaminika machen müde

Stimmt nicht. Zwar hatte die erste Generation der Antihistaminika eine dämpfende Wirkung. Bei der zweiten Generation ist das nicht oder kaum noch der Fall. Den Wirkstoff gibt es mittlerweile als Brausetablette, Saft oder Tropfen bei Heuschnupfen. Oder für Neurodermitiker als Creme, Gel oder Salbe.

10. Allergien sind nicht heilbar

Stimmt leider noch. Aber auf dem Gebiet wird unter Hochdruck geforscht. Neue Impfstoffe mit weniger Nebenwirkungen stehen vor der Marktreife, in den nächsten Jahren wird das Angebot deutlich zunehmen.

Wichtige Adressen

www.aktionsplan-allergien.de Infoplattform des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit

www.daab.de Der Deutsche Allergie- und Asthmabund vermittelt Fachärzte, Ernährungsberater und hilft kompetent am Telefon

www.aak.de Elternselbsthilfe: Arbeitsgemeinschaft allergiekrankes Kind

www.pina-infoline.de Informationsnetzwerk zur Vorbeugung von Allergien

www.neurodermitisschulung.de

www.asthmaschulung.de

AUGEN

Auge zu und durch

Schielen ist das häufigste Augenproblem bei Kindern. Fast sieben Prozent müssen zeitweise ein Augenpflaster tragen – das führt bei Eltern zu vielen Fragen. Hier sind die AntwortenWächst sich Schielen aus?

Wächst sich Schielen aus?

Nur das sogenannte Babyschielen, das bei relativ vielen Kindern im ersten Lebensjahr gelegentlich auftritt und Ausdruck des noch unreifen Seh-Systems ist. Alle anderen Schielformen müssen behandelt werden, sonst schwindet sie Sehkraft des schwächeren Auges. Gleichzeitig gerät die Fähigkeit, umfassend dreidimensional zu sehen, in Gefahr.

Warum schielen manche ganz plötzlich?

Kinder, denen von heute auf morgen ein Auge wegrutscht, haben wahrscheinlich auch vorher schon leicht geschielt (=latentes Schielen). Nur hat es keiner gemerkt, weil das Gehirn das Schielen weitgehend ausgleichen konnte. Unter zusätzlicher Belastung allerdings schafft es das Gehirn manchmal nicht mehr, die Augen parallel zu halten: Das Kind fängt an zu schielen. Oft nur vorübergehend, wie z. B. bei Müdigkeit. Manchmal aber auch dauerhaft; nach einer Gehirnerschütterung beispielsweise.

Was passiert beim Schielen?

Normalerweise geschieht Folgendes: Die beiden sich parallel bewegenden Augen fixieren dieselbe Stelle und liefern davon je ein zweidimensionales Bild an das Gehirn. Dieses fügt die beiden Seh-Eindrücke zu einem dreidimensionalen Bild zusammen. Gucken die Augen nicht auf denselben Punkt, sondern in verschiedene Richtungen, entstehen Doppelbilder, mit denen das Gehirn nichts anfangen kann. Es klickt eines davon weg. Folge: Die Sehverarbeitung dieses Auges wird im Laufe der Zeit schwachsichtig. Nicht die Sehverarbeitung wird schwachsichtig, sondern das Auge.

Welche Ursache hat Schielen?

Der häufigste Grund, warum kleine Kinder schielen, ist das sogenannte angeborene Schielsyndrom, bei dem das Gehirn von Anfang an nicht in der Lage ist, die von beiden Augen produzierten Bilder gleichzeitig zu verarbeiten. Als Auslöser dafür kommt neben familiärer Veranlagung vor allem eine starke Weitsichtigkeit infrage. Außerdem können auch Augenerkrankungen, wie z. B. Linsentrübung, sowie Sauerstoffmangel bei der Geburt ein angeborenes Schielsyndrom verursachen.

Merkt man es immer, wenn ein Kind schielt?

Nein. Die Sehachsen können so minimal voneinander abweichen, dass auch den aufmerksamsten Müttern und Vätern nichts auffällt. Zum einen kommt das beim schon erwähnten latenten Schielen vor, bei dem das Gehirn einfach stärker ist als die Kraft der auseinanderstrebenden Augen und weiterhin 3-D-Bilder produziert. Zum anderen beim sogenannten Mikrostrabismus – einer heimtückischen Schielvariante, bei der die unauffällig wirkenden Augen verschiedene Bilder ans Gehirn schicken – mit dem gleichen Effekt wie beim offensichtlichen Schielen: Ein Auge wird ignoriert, sein Sehapparat beginnt zu kümmern, es wird mit der Zeit schwachsichtig.

Auf welche Warnsignale können Eltern achten?

Bitte zum Augenarzt, wenn das Kind oft …

… ein Auge zukneift oder zuhält

… den Kopf schieflegt

… Dinge „mit der Nase“ betrachtet

… danebengreift

… stolpert

… über Kopfweh klagt

… tränende Augen hat

… auf Rote-Augen-Fotos eine hellere und eine dunklere Pupille hat

Gibt es eine gesetzliche Augenversorgung?

Die gibt es, aber leider erst im Rahmen der U7a, wenn die Kinder schon drei sind. Viel zu spät nach Meinung von Augenärzten und Orthoptistinnen. Wer auf Nummer sicher gehen will, lässt sein Kind schon um den ersten Geburtstag herum beim Augenarzt durchchecken (Kosten zwischen 28 und 45 Euro). Liegt Schielen in der Familie, bitte noch früher, mit etwa einem halben Jahr!

Was versteht man unter Winkelfehlsichtigkeit?

Das Wort fällt immer wieder, aber für die meisten Augenärzte und Orthoptisten existiert diese Form von Fehlsichtigkeit gar nicht. Ihre Verfechter bezeichnen als Winkelfehlsichtigkeit latentes Schielen, das sie mit einer ganz speziellen Messmethode feststellen und mit einer sogenannten Prismenbrille behandeln. Diese – häufig überflüssige – Brille nimmt dem Gehirn die Arbeit ab. Die Folge: Das Gehirn verlernt den Umgang mit latentem Schielen, sodass das Kind nun ohne Brille deutlich schielt. Mit anderen Worten: Die Augen bekommen eine Krücke, die sie nicht brauchen, ohne die sie aber nicht mehr auskommen, wenn sie sich daran gewöhnt haben. Im schlimmsten Fall beginnt das Kind schließlich so stark zu schielen, dass es operiert werden muss. Deshalb: Sollte Ihnen irgendjemand einreden wollen, dass Ihr Kind eine Prismenbrille braucht, bitte erst vom Augenarzt prüfen lassen!

Wie werden Schielkinder behandelt?

Am einfachsten läuft das bei weitsichtigen Schielkindern, die noch nicht schwachsichtig sind: Sie bekommen eine Brille, die die Weitsichtigkeit ausgleicht, hören auf zu schielen und gut. Weitsichtige Schieler, die gleichzeitig schwachsichtig sind, bekommen zusätzlich zur Brille eine sogenannte Okklusionstherapie, die man auch bei allen anderen Schielkindern anwendet: Das starke Auge wird regelmäßig abgeklebt, damit das schwache Auge gezwungen ist, zu gucken. Erste Erfolge stellen sich rasch ein, in Einzelfällen kann es aber Jahre dauern, bis beide Augen die gleiche Sehschärfe besitzen. 85 Prozent der Schielkinder erreichen dieses Ziel. Und bei den meisten der restlichen 15 Prozent wird das schwächere Auge zumindest so fit, dass es lesen kann. Als abgeschlossen gilt die Behandlung, wenn der kleine Patient auf beiden Augen 100 Prozent sieht. Mit oder ohne Brille.

Wann operieren?

Ziel von Schiel-OPs ist es, den Schielwinkel zu reduzieren, sprich: den Abstand der Sehachsen beider Augen. Der Chirurg öffnet dazu die Bindehaut des schielenden Auges und verkürzt oder versetzt die seitlichen Augenmuskeln. Im Idealfall bewegen sich die Augen danach völlig parallel, dreidimensionales Sehen wird möglich. Der Eingriff erfolgt in Vollnarkose, meist ambulant. Bester Zeitpunkt für die Operation: zwischen viertem und sechstem Lebensjahr. Dass in den meisten Fällen nicht schon in jüngerem Alter operiert wird, hat folgende Gründe:

erst das Abkleben, dann die OP! Doch leider beginnt die Abklebebehandlung oft relativ spät. Häufig wird der Schielwinkel mit der Zeit von selbst ein bisschen kleiner. Das will man abwarten. Auch bei Schielen durch Weitsichtigkeit wartet man meist ab, inwieweit sich die Augen durch die Brille von selbst parallel ausrichten. Besitzt das Gehirn gar nicht die Fähigkeit zum räumlichen Sehen, will man Kindern die Operation, die dann ja nur kosmetische Gründe hat, nicht zu früh zumuten.

Können sich schwachsichtige Augen grundsätzlich wieder erholen?

Ja. Allerdings nur bis etwa zur Pubertät. Danach geht nichts mehr. Je früher die Behandlung der Amblyopie (= Schwachsichtigkeit) beginnt, desto größer die Chance, dass die Augen die volle Sehschärfe erlangen. Die beste und erfolgreichste Methode ist, wie erwähnt, die Okklusionsbehandlung, bei der das schwache Auge gezwungen wird, zu gucken und seine Sehkraft zu trainieren.

Tipps und Tricks für Schielpflaster

So richtig beliebt sind Schielpflaster bei keinem Kind. Wehrt sich eines ganz besonders dagegen, müssen sich Eltern etwas einfallen lassen:

Das Pflaster eventuell schon im Schlaf aufkleben, dann sitzt es beim Augenöffnen bereits an Ort und Stelle.

Das Kind beim Pflasterdesign entscheiden lassen. Neutrale Pflaster kann man selbst mit Stiften und Stickern verzieren, bunte Pflaster gibt es mit diversen Motiven – von Prinzessin bis Totenkopf.

Schielpflaster-Rituale festlegen. Etwa „immer nach dem Mittagsschlaf“ oder „sonntags nie“.

Auch Puppe bzw. Kuscheltier ein Augenpflaster verpassen oder sich selbst „zupflastern“.

In der schwierigen Anfangszeit, bist das pflasterlose Auge besser sehen kann, das Kind viel ablenken. Notfalls auch mit Gameboy- und Computerspielen sowie Fernsehen. Hauptsache, das Kind trainiert sein schwaches Auge.

Auch wenn es schwierig ist: Bitte nicht aufgeben! Zur Abklebebehandlung gibt es praktisch keine Alternativen. Denn auch mit lichtundurchlässigen bzw. vernebelten Kontaktlinsen freunden sich Kinder nur schwer an. Und abwechselnd ein Brillenglas mit Mattfolie bekleben oder die Augen gar mit Atropintropfen zu deaktivieren ist ebenfalls keine Lösung. Denn dabei fällt immer noch genug Licht ins starke Auge, um das schwache lahmzulegen.

BAUCH

Die Luft muss raus

Was wirklich gegen Bauchweh hilft: Wärme, Wärme, Wärme

Babys können einen Wärmeverlust noch nicht ausgleichen. Deshalb ist es gut, wenn Sie unter einer Wärmelampe wickeln und Anziehsachen vorher auf die Heizung legen. Halten Sie vor allem den Bauch warm. Gut sind Wolle-Seide-Hemdchen (gibt es im Babyladen) und Wollhöschen mit einem „Rollkragen“ dran, den man schön über den Bauch ziehen kann. Und: Tragen Sie Ihr Kind, sooft es geht. Sie sind immer noch der beste Wärmespender.

Kümmelzäpfchen

Sie können den Darm entspannen. Manche Heilpflanzen brauchen allerdings ein paar Tage, bis sie ihre Wirkung entfalten.

Ruhe

Ihr Baby schreit vor allem abends? Dann liegt das wahrscheinlich weniger an zu viel Luft im Bauch. Sondern eher an Reizüberflutung und Anspannung: Lärm auf der Straße, Autofahrten, unbekannte Gerüche, Gesichter und Stimmen können viele Babys nicht „verdauen“. Gönnen Sie Ihrem Baby in den ersten Monaten ein ruhiges, regelmäßiges Leben.

Milch wechseln – oder Wasser

Für Flaschenbabys, die stark unter Blähungen leiden, gibt es besondere Milchnahrungen. Fragen Sie Kinderarzt oder Hebamme, ob sie einen Wechsel empfehlen.

Anti-Kolik-Flaschen

Sie sind einen Versuch wert, wenn Sie ein Flaschenkind haben, das hektisch trinkt und dabei viel Luft schluckt. Anti-Kolik-Flaschen gibt es mit unterschiedlichen Patenten, die das Baby dazu bringen sollen, langsamer zu trinken.

Diät für Mama?

Dass stillende Mütter auf Zwiebeln und Hülsenfrüchte verzichten sollen, ist mittlerweile widerlegt. Essen Sie alles, was Ihnen guttut. Wenn bestimmte Gemüsearten aber bei Ihnen selbst für Verdauungsprobleme sorgen, sollten Sie sie lassen.

Magische Griffe

KOLIKTANZ

Vor und zurück, hin und her, rauf und runter – in alle Richtungen wiegen sich Mutter/Vater und Baby beim Koliktanz. Das Baby fühlt sich dabei wie im Mutterleib, wo es ja ebenfalls viel herumgeschaukelt wurde. Für seinen Gleichgewichtssinn war das eine fast permanente Stimulation. Der Tanz auf Mamas Arm macht nicht nur Spaß. Auch Bäuerchen können sich auf diese Weise leichter verflüchtigen als im Liegen.

RÜCKENMASSAGE

Zum Massieren setzt sich die Mutter auf eine Matte, ihr Rücken ist gegen die Wand gelehnt. Dann schiebt sie sich ein Stillkissen unter die Knie und legt ihr Kind auf eine Decke auf ihrem Schoß. So kann sie es entspannt massieren und ist ihm gleichzeitig ganz nah. Nun verreibt sie warmes Öl auf ihren Händen, fasst die Baby-Füßchen mit der einen Hand und streicht mit der anderen immer wieder vom Kopf Richtung Po. Über Reflexzonen stimuliert dies den Magen-Darm-Bereich des Babys.

BRENNNESSELGRIFF

Diese Massagetechnik hat nichts mit dem gleichnamigen unsanften Ärger-Spiel zu tun. Bei diesem Brennnesselgriff bewegen sich die Hände der Mutter mit sanftem Druck gegenläufig über den Babyrücken. Genau wie bei der Rückenmassage werden auch hierbei Reflexzonen aktiviert, die das Babybäuchlein beruhigen. Gleichzeitig fördert der Brennnesselgriff die Durchblutung und wärmt.

COLONGRIFF

Bevor man mit diesem Handgriff die Darmtätigkeit des Babys stimuliert, massiert man zunächst seinen ganzen Bauch. Vom Nabel ausgehend im Uhrzeigersinn und in immer größeren Kreisen. Dann greifen die Finger (bis auf den Daumen) wellenförmig in das untere Bäuchlein hinein. Erst die rechte Hand am rechten Unterbauch, dann die linke am linken Unterbauch. Gut, wenn der Handballen dabei vorsichtig auf dem Brustkorb ruht. Dass sich das Baby bei diesem Zaubergriff entspannt, merkt man, wenn es in der Windel knattert.

PUCKEN

Das gefällt den meisten Kindern. Beim Pucken wird das Baby mit seinem ganzen Körper inklusive Armen und Beinen in eine Decke eingeschlagen. Hebammen empfehlen die alte Wickeltechnik für nervöse, unruhige Babys mit Einschlafproblemen. Aber auch die meisten Bauchweh-Kinder genießen die Enge und Wärme. Das beruhigt und lindert Bauchgrummeln. Die einzelnen Schritte des Puckens werden auf www.eltern.de/pucken erklärt.

OHRMASSAGE

Auch bei der Ohrmassage geht es um Reflexe, die die Bauchorgane und ihre Durchblutung anregen. Mit etwas Fantasie erkennt man in der Form der Ohrmuschel das Ungeborene in der Gebärmutter – das Ohrläppchen entspricht dem Kopf, der äußere Ohrmuschelrand der Wirbelsäule, und der vordere Knorpelzapfen (der sogenannte Tragus) befindet sich etwa auf Höhe des Bauchs. Immer wieder greift die Mutter/der Vater mit dem Zeigefinger hinter den Tragus, drückt ihn etwas nach vorne und lässt ihn dann abrupt los. Die Kinder genießen das sanfte plopp, plopp, plopp…

FLIEGERGRIFF

Ein echter Klassiker! Warum das Bauchweh nachlässt, wenn man sich das Baby bäuchlings auf den Unterarm legt, ist nicht genau geklärt. Fest steht aber: Der sogenannte Fliegergriff hilft. Vor allem in Kombination mit dem Koliktanz.

PERLENMASSAGE

Und noch eine Variante von darmstimulierender Reflexzonenmassage: Wir stellen uns vor, die Fußsohlen des Babys seien mit lauter kleinen Perlen übersät. Dann massieren wir nacheinander beide Fußsohlen. Und zwar spiralförmig mit den Daumen – so, also ob wir jedes einzelne Perlchen erwischen wollten.

BEWEGUNGSAPPARAT

So früh schon Hüftprobleme?

Das gibt es gar nicht so selten: Neugeborene, die an der Hüfte behandelt werden müssen. Screening und moderne Therapien helfen, Spätfolgen zu verhindern