Susan Elizabeth Phillips

Träum weiter, Liebling

Roman

Ins Deutsche übertragen
von Gertrud Wittich

Danksagung

Mein herzlichster Dank für ihre Hilfe bei der Entstehung dieses Romans geht an: Dr. Margaret Watson, Tierärztin und Schriftstellerin, die ich immer wieder mit meinen Fragen von ihrer Arbeit ablenken durfte; Jimmie Morel (a. k. a. Lindsay Longford) und Jill Barnett für ihre konstruktive und durchdachte Kritik; John Roscich, der meinen Helden einmal mehr mit seinem juristischen Rat zur Seite stand (schick denen die Rechnung, nicht mir). Ein großes Dankeschön an alle Mitarbeiter von Avon Books, ganz besonders an Carrie Ferron, für ihre wertvolle Unterstützung. Ich bin stolz darauf, zur Verlagsfamilie von Avon Books zu gehören.

Autorin

Susan Elizabeth Phillips’ Romane werden von den Lesern heiß geliebt und immer wieder preisgekrönt. Sie erreichten auf Anhieb die Bestsellerlisten von New York Times, Publishers Weekly und USA Today. Bisher wurden sie in fünfzehn Sprachen übersetzt – Tendenz steigend!

Susan Elizabeth Phillips lebt mit ihrem Mann und zwei Söhnen in der Nähe von Chicago.

Epilog

»Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Irgendwie kann ich mich einfach nicht entscheiden.« Die Lippe zwischen den Zähnen, so gab Rachel das perfekte Bild eines unentschlossenen, weiblichen Wesens ab, wenn da nicht der unmerkliche, diabolische Schimmer in ihren Augen gewesen wäre. »Du hattest recht, Ethan. Ich hätte auf dich hören sollen. Es sieht viel besser aus, wenn das Sofa am Fenster steht.«

Ethan wechselte einen nicht mehr ganz so geduldigen Blick mit seinem ältesten Bruder. »Komm, schieben wir das Ding wieder zum Fenster zurück, Cal.«

Gabe sah amüsiert von der Wohnzimmertür aus zu, wie seine beiden Brüder die schwere Couch ächzend quer durch den Raum zum Vorderfenster des Häuschens zurückschoben. Er liebte es, zuzusehen, wie Rachel seine Brüder traktierte. Sie ließ Ethan Besorgungen machen und Tüten schleppen, und wenn Cal zu Besuch war, entwickelte sie einen unerklärlichen Drang, all die neuerworbenen Möbel umzustellen.

Den größten Groll hatte sie auf Cal, also bekam er das meiste ab, auch wenn er nicht so oft da war. Vergangenen Herbst hatte sie ihn so lange geärgert, bis er sich bereit erklärte, Chips männliches Herzeigeobjekt in der Schule zu spielen, und sie ließ ihn Tonnen von Autogrammen für jedes Kind, das ihr unter die Finger kam, schreiben. Sie liebte es noch immer, Geld zu sparen, also hatte sie ihn breitgeklopft, Chip und den anderen Kindern, die sie und Gabe noch bekommen sollten, sowie Ethans und Kristys Kindern und ihr selbst, kostenlose ärztliche Behandlung zukommen zu lassen, was sie betraf, natürlich vorausgesetzt, daß sie sich dabei nicht ausziehen mußte. Cal hatte tatsächlich den Nerv gehabt, sich mit ihr über den letzten Punkt zu streiten.

Egal, was Rachel auch von seinen Brüdern verlangte, Gabe stellte sich dumm, als wüßte er nicht, was vorging. Es trieb sie fast in den Wahnsinn, aber sie beschwerten sich nie, denn beide plagten noch immer heftige Schuldgefühle, weil sie sich Rachel gegenüber so gemein verhalten hatten. Als Buße taten sie also, was sie wollte, und sie belohnte sie damit, daß sie noch mehr verlangte.

Erst heute früh hatte Gabe sie gefragt, wie lange sie glaubte, damit noch durchzukommen, und sie hatte gemeint, vielleicht noch sechs Monate rausholen zu können, aber das bezweifelte er. Ihr fehlte der Killerinstinkt, und seine Brüder konnten richtige Charmebolzen sein, wenn sie nur wollten. Seit geraumer Zeit schon tat sie es eher aus Lust an der Neckerei, als aus einem wirklichen Bedürfnis nach Rache.

Cal schob sein Ende der Couch an die gewünschte Stelle und warf Gabe einen irritierten Blick zu. »Sag noch mal, Rach, wieso kann dir dein Faulpelz von Ehemann nicht beim Möbelumstellen helfen?«

Rachel bückte sich, um Snoozer, ihre getigerte Katze, zu streicheln. »Also Cal, du weißt doch, daß Gabe Rückenprobleme hat. Ich halt’s einfach für unklug, irgendwelche Risiken einzugehen.«

Cal brummte etwas, das wie: »Der kann mich mal mit seinen Rückenproblemen«, klang.

Rachel tat, als hätte sie nichts gehört, während Gabe versuchte, seiner geliebten Gattin beizustehen, indem er ein Gesicht zog, als hätte er tatsächlich Rückenprobleme.

Während er so im Türrahmen lehnte, kam ihm der Gedanke, daß er nach fast einem Jahr Ehe noch nicht annähernd genug davon hatte, sie anzusehen. Zum heutigen Grillfest hatte sie maßgeschneiderte Shorts und eine seidene Umstandsbluse angezogen, beides in demselben Blau wie die Hyazinthen, die in diesem Frühling vor dem Haus blühten. Ein Paar winziger Diamantohrringe blitzte zwischen ihren rotbraunen Locken hervor, die jetzt zwar ein wenig kürzer, aber immer noch ein bißchen unordentlich waren, so wie er es liebte. Er hatte ihr größere Diamantohrringe gekauft, sie auf ihr Geheiß jedoch in kleinere umtauschen lassen, die, wie sie sagte, viel besser zu ihr paßten.

Was ihm an ihrer heutigen Erscheinung jedoch am meisten gefiel – und nicht nur heute, sondern auch an den meisten anderen Tagen –, waren ihre Schuhe, ein zierliches Paar silberner Sandalen mit einem kleinen Keilabsatz. Er liebte diese Sandalen. Nun, er liebte alle Schuhe, die er für sie kaufte.

»Cal, dieser Sessel da … Es ist mir wirklich unangenehm, dich darum zu bitten, aber könntest du ihn vielleicht zum Kamin hinrücken?«

»Aber gern.« Gabe konnte Cal fast mit den Zähnen knirschen hören, während er den Sessel durch den Raum schleifte.

»Perfekt.« Rachel strahlte ihn an.

Ein hoffnungsvoller Ausdruck trat auf Cals Gesicht. »Wirklich?«

»Nein, du hast recht. Es ist überhaupt nicht perfekt. Vielleicht lieber beim Sofa?«

In diesem Moment ging die Hintertür knallend auf, und Jane rannte an ihnen vorbei zum Badezimmer. Cal warf einen Blick auf seine Armbanduhr und seufzte. »Pünktlich wie der Postbote.«

»Drei schwangere Frauen und nur ein Badezimmer.« Ethan schüttelte den Kopf. »Keine besonders hübsche Vorstellung. Ich hoffe, ihr habt den Anbau bald fertig, Gabe.«

»Sollte noch vor dem Winter soweit sein.«

Im Gegensatz zu allen anderen hatten sich seine Eltern auf den ersten Blick in Rachel verliebt, und seine Mutter hatte ihnen das Häuschen als Hochzeitsgeschenk überschrieben. Sie hätten sich ohne weiteres ein luxuriöseres Zuhause leisten können, doch beide liebten es, auf dem Heartache Mountain zu leben, und kamen überhaupt nicht auf den Gedanken, woanders hinzuziehen. Was sie jedoch brauchten, war mehr Platz, weshalb ein luftiger, zweistöckiger Anbau an der Rückseite errichtet wurde, der dem rustikalen Stil des alten Häuschens entsprach und ihnen den nötigen Raum verschaffte.

Trotz des Durcheinanders wegen der Bauarbeiten hatte Rachel unbedingt dieses Grillfest zur Feier von Gabes formaler Adoption von Chip geben wollen. Für alle war das eine Riesensache, außer für Chip und Gabe. Die beiden hatten einander schon in der Nacht, in der Rachel im Gefängnis saß, adoptiert.

»Wenigstens muß sich diesmal nur eine von den dreien übergeben«, sagte Ethan. »Wißt ihr noch, als wir an Weihnachten alle hier waren, und Rachel und Kristy einander die Türklinke in die Hand gaben?«

Cal erschauderte. »Das wird wohl keiner von uns so schnell vergessen.«

Um der Baustelle auszuweichen, hatten sie den Picknicktisch in der Nähe von Rachels Gemüsegarten aufgestellt, und jetzt rief Kristy durchs Seitenfenster herein: »Rachel, du mußt mal schnell rauskommen und dir Rosies neuesten Trick ansehen.«

»Komme sofort.« Sie klopfte Cal auf den Rücken. »Wir können ja später weitermachen.«

Die Katze im Schlepptau, watschelte Rachel zur Tür. Sie straffte die Schultern und schob den Bauch nach vorn. Gabe durchfuhr eine Welle primitiven männlichen Stolzes bei dem Gedanken, daß er ihr das gemacht hatte. Das Baby war in etwa einem Monat fällig, und alle erwarteten es ungeduldig.

Kaum war Rachel außer Sicht, sackten Cal und Ethan auf die Couch, die sie zuvor an vier verschiedene Stellen geschoben hatten. Gabe hatte Erbarmen und brachte jedem ein Bier. Dann ließ er sich auf dem Sessel nieder, den er, wie er befürchtete, wieder an seinen alten Platz würde zurückschieben müssen, sobald seine Brüder weg waren, und hob seine eigene Bierflasche. »Auf die drei glücklichsten Mannsbilder auf Erden.«

Seine Brüder lächelten, und eine Weile saßen sie einfach nur da, nippten an ihrem Bier und dachten daran, wie glücklich sie es tatsächlich getroffen hatten. Cal hatte sein erstes Jahr auf der UNC hinter sich, und er und Jane genossen ihr Leben in Chapel Hill. Der Architekt war mit den Umbauplänen für das Mausoleum fertig, das danach eine schöne Villa und ihr Zuhause sein würde, wenn Cal seinen Doktor gemacht hatte und in die Praxis seines Vaters einstieg.

Ethan schien endlich Frieden mit seiner Rolle als Pastor gefunden zu haben, obwohl er sich schwer über die Parade von Pfarrsekretärinnen beklagte, die er seit Kristys Fortgang hatte ertragen müssen, doch sie weigerte sich standhaft, ihren Posten als Vorschulerzieherin aufzugeben und zu ihm zurückzukommen. Und was Rachel betraf …

Chip sauste, gefolgt von Sammy, seinem einjährigen schwarzen Labrador, ins Haus. Der Hund sprang zu Gabe, während Chip zu Cal eilte. »Rosie ist ’ne richtige Plage.«

»Was hat sie jetzt schon wieder angestellt, Kumpel?« Cal drückte Gabes Sohn kurz an sich. Aus einem der hinteren Zimmer hörte man das Laufrad im Hamsterkäfig quietschen.

»Sie hat meine Burg kaputtgemacht, kaum daß sie fertig war.«

»Das mußt du dir nicht bieten lassen«, sagte Cal. »Sag einfach nein zu ihr. Oder bau deine Burg da, wo sie nicht hin kann.«

Chip betrachtete ihn vorwurfsvoll. »Sie wollte bloß helfen. Es war nich’ absichtlich.«

Cal verdrehte die Augen. »Wir beide müssen uns dieser Tage mal über den Umgang mit Frauen unterhalten, Kumpel.«

Chip schlenderte zu Gabe hinüber und kletterte auf seinen Schoß, wo er es sich bequem machte. Mit sechs Jahren schoß er allmählich ganz schön in die Höhe, und bald würden seine Füße bis auf den Boden reichen, doch er saß noch immer gern auf Gabes Schoß. Chips geliebter Labrador ließ sich auf Gabes Füßen nieder. »Weißt du, was ich glaube, Dad?«

Gabe gab dem Jungen einen flüchtigen Kuß auf die Haare. »Was denn, Sohn?«

Chip gab einen resignierten Seufzer von sich. »Ich glaub, wenn ich und Rosie groß sind, werden wir wahrscheinlich heiraten, so wie du und Mom.«

Die Männer lachten nicht über die Ankündigung. Sie hatten gelernt, das geheimnisvolle Band zwischen den beiden Kindern zu respektieren, auch wenn sie es nicht ganz verstanden.

»Manchmal muß ein Mann eben tun, was ein Mann tun muß«, bemerkte Cal.

Chip nickte. »Dasselbe hab ich auch gedacht.«

Da mußten sie doch lachen.

Ein lauter Rosie-Heuler drang vom Garten herein. Sammy hob den Kopf, und Chip seufzte. »Ich geh besser. Sie hat Grandma und Grandpa um den kleinen Finger gewickelt.«

Die Männer warteten, bis Chip und sein Hund verschwunden waren, dann grinsten sie einander an. Cal schüttelte den Kopf. »Also der Junge ist mir unheimlich. Ein sechsjähriger Dreißigjähriger.«

Ethan lächelte. »Ich hoffe bloß, die drei neuen werden halb so großartig, wie diese zwei.«

Gabe blickte zum hinteren Fenster hinaus. Shadow, ein Colliemischling, den er vor ein paar Monaten adoptiert hatte, kauerte geduldig am Boden und ließ Rosie auf sich rumklettern. Chip ging zu seinen Eltern. Sein Grandpa Bonner befühlte seinen Bizeps, und seine Grandma streckte die Hand aus und strich ihm über den Kopf.

Er war froh, daß seine Eltern wieder aus Südamerika zurück waren, nicht nur um seinetwillen, sondern vor allem wegen Chip. Die Bonners hatten seinen Sohn in ihr Herz geschlossen, ebenso wie dessen Mama. Chip hatte jetzt auch Freunde, und er machte sich großartig in der Vorschule. Gabe war schrecklich stolz auf ihn.

Jane, die zwar gesund, aber noch ein wenig grün aussah, tauchte wieder aus dem Bad auf. Tasha, eine ältere Katze, die Gabe aus dem Tierheim gerettet hatte, schlich hinter ihr her. Jane näherte sich dem Ende ihres zweiten Schwangerschaftsmonats und war überglücklich, wenn sie sich nicht gerade übergab.

Cal wollte schon aufstehen, aber sie winkte ab. »Es geht mir gut. Leiste ruhig deinen Brüdern Gesellschaft.«

Sie lächelten einander an, und Cal tätschelte ihr Hinterteil.

Gabe überlegte, wie gern er das auch machte. Nicht Janes Hinterteil zu tätscheln, natürlich, sondern Rachels. Das Hinterteil einer Frau zu tätscheln, wann immer man wollte, war einer der Vorteile, wenn man verheiratet war. Bloß sagte einem das niemand.

»Ich hab gestern mit Carol Dennis gesprochen«, meldete sich Ethan zu Wort.

Gabe und Cal tauschten vielsagende Blicke. Die Erinnerung an den Tag, an dem Bobby Dennis das Leben ihrer beiden Kinder aufs Spiel gesetzt hatte, war etwas, das sie nie vergessen würden. Ethan und Kristy ebensowenig. Sie machten sich noch immer Vorwürfe, weil sie die Kinder im Auto sitzen lassen hatten, obwohl ihnen niemand die Schuld gab.

Bobby hatte sechs Monate gebraucht, um sich von dem Unfall zu erholen, der sich jedoch als Glück im Unglück herausstellte. Der Junge war nämlich seitdem clean und trocken, und er und Carol besuchten den so dringend benötigten Therapeuten.

Gabe befürchtete, daß die Beziehung zwischen den beiden immer schwierig bleiben würde, aber laut Ethan redeten sie nun zumindest wieder miteinander. Bobby hatte darüber hinaus aufgehört, Rachel die Schuld an seinen Problemen zu geben, was gut war, denn wenn Gabe auch nur den leisesten Verdacht gehabt hätte, daß der Junge noch eine Bedrohung für sie darstellte, hätte er ihn sofort aus der Stadt jagen lassen, Therapie hin oder her.

»Carol sagte, Bobby hat vor, im August aufs College zu gehen. Er hat die Highschool tatsächlich noch mit einigermaßen anständigen Noten abgeschlossen.«

Cal schüttelte den Kopf. »Ich versteh noch immer nicht, wie Rachel ihn die ganze Zeit in dem Krankenhaus besuchen konnte. Diese Frau hat mehr Herz als Verstand. Du weißt doch, was die Leute über sie sagen, oder? Daß, wenn Rachel ihn nicht besucht hätte, er –«

Gabe stöhnte. »Sag’s bloß nicht.«

»Ah, dabei fällt mir was ein.« Ethan blickte durchs Fenster zu Kristy hinüber, die Rosies Händchen an ihren Bauch hielt, damit sie fühlen konnte, wie sich das Baby bewegte. Er lächelte und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Thema zu. »Du mußt mir mit Rachel helfen. Brenda Meers will sich einfach nicht von ihrer Lungenentzündung erholen, und ich möchte, daß Rachel sie besucht.«

»Da wären wir also wieder.« Cal streckte amüsiert die Beine aus.

Gabe dachte, daß er und Ethan sich über dieses Thema verständigt hätten, und warf seinem Bruder einen ungehaltenen Blick zu. »Eth, ich hab dir doch schon das letzte Mal gesagt, daß ich mich da nicht reinziehen lassen. Du bist Rachels Pastor. Du mußt schon selbst mit ihr reden.«

Die Männer nippten an ihrem Bier und dachten daran, wie schwierig das werden könnte.

»Wie lange, glaubst du, wird sie sich noch dagegen sträuben?« erkundigte sich Cal schließlich.

»Ich würde ihr noch weitere vierzig Jahre geben«, entgegnete Gabe.

Ehtan hielt die Hand hoch. »Ich bin doch hier nicht der Bösewicht. Ich weiß nicht, ob sie die Leute heilen kann oder nicht, aber es ist nun mal Tatsache, daß es vielen von ihnen besser geht, wenn sie kurz bei ihnen saß.«

Den verletzten Tieren ging es ebenfalls besser. Gabe fand immer wieder Vorwände, ihr seine Schützlinge kurz anzuvertrauen. Er wußte nicht, wie es geschah. Er wußte nur, daß sie rascher gesund wurden, wenn Rachel sie anfaßte.

»Eine Wunderheilerin wider Willen.« Da Cal nicht derjenige war, der sich mit Rachel auseinandersetzen mußte, klang er amüsiert. »Niemand in der Stadt hat mehr ein böses Wort seit Emilys wundersamer Heilung geäußert. Und als sich Bobby Dennis dann noch von seiner Wirbelsäulenverletzung erholte, obwohl die Ärzte meinten, er würde für immer gelähmt bleiben…«

»Die Leute lieben sie«, bemerkte Ethan. »Das Ganze ist schon ironisch. G. Dwayne hat allen weisgemacht, er könnte Wunder wirken, aber er konnt’s nicht. Rachel besteht darauf, daß sie’s nicht kann, und kann es.«

»Das wissen wir nicht mit Sicherheit«, meinte Gabe. »Es könnte alles Zufall sein. Tu einfach, was du immer getan hast, Eth. Sag Rachel, daß Brenda krank ist und ein wenig Aufmunterung gebrauchen könnte. Solange du kein Wort über Wunderheilungen verlierst, wird sie dich bestimmt nicht abweisen.«

»Wird sie nicht langsam mißtrauisch wegen all dieser Krankenbesuche, die ich ihr aufdränge?«

»Sie ist so mit Chip beschäftigt und mit der Hausrenovierung, dem neuen Baby, ihren Uni-Kursen und den Plänen für den Erlös aus dem Verkauf von G. Dwaynes Diamanten, daß sie überhaupt keine Zeit hat, mißtrauisch zu werden.« Und sie war mit ihm beschäftigt, doch das erwähnte Gabe seinen Brüdern gegenüber nicht, weil er nicht prahlen wollte. Nicht, daß Cal und Ethan nicht selbst genug Grund zum Prahlen gehabt hätten.

Rachel liebte die Wirtschaftskurse, die sie am hiesigen College besucht hatte, auch wenn sie so tat, als würde sie das Ganze bloß machen, weil Gabe ein so hoffnungsloser Fall war, was den Umgang mit Geld betraf. Wenn sie die Finanzen ihm überließe, meinte sie, dann würden sie bald im Armenhaus landen.

Bloß um sich ein wenig mit ihr zu streiten, hatte er sie darauf hingewiesen, daß sie sich keine Sorgen um das Armenhaus machen müßte, wenn sie ein wenig von G. Dwaynes Vermögen behalten würde, anstatt alles für ihr Lieblingsprojekt zu verschwenden, sobald die verbleibenden Schulden beglichen waren, aber sie hörte nicht auf ihn. Sie und Ethan arbeiteten zusammen an der Gründung einer landesweiten Stiftung, die alleinerziehenden Müttern helfen sollte, wieder auf die Füße zu kommen, indem eine anständige Tagesbetreuung für ihre Kinder zur Verfügung gestellt wurde, während die Mütter sich weiterbildeten oder eine neue Stelle antraten. Rachel hatte selbst die perfekte Karriere für sich gefunden.

Außerdem hatte sie der Gemeinde mit der Gründung eines Vereins, der das Pride of Carolina auf einer Non-profit-Basis leitete, einen großen Dienst erwiesen. Das Autokino war inzwischen zum beliebtesten Ausflugsziel an warmen Sommerabenden geworden.

»Es ist kaum zu glauben … Vor gut einem Jahr hat sie jeder in Salvation wie die Pest gehaßt. Und jetzt ist sie eine Lokalheldin.« In Cals Stimme lag eine Menge Stolz für einen Mann, der einst einer ihrer schlimmsten Verfolger gewesen war.

Mit Snoozer auf dem Arm tauchte Rachel hinter der Fliegengittertür auf. »Wir hier draußen kriegen langsam Hunger, Gabe. Wie wär’s, wenn du den Grill anwerfen würdest?«

Die Männer schlenderten gemächlich in den Garten hinaus, wo ihre Eltern mit Rosie zwischen sich auf einer alten Patchworkdecke saßen. Die Hunde lagen hechelnd in der Nähe. Ethan ging zu Kristy, und sie kuschelte sich an ihn. Cal schlang den Arm um Jane und täschelte ihren unruhigen Bauch.

Gabe stand einfach nur da und genoß den Anblick dieser geliebten Menschen. Rachel stellte einen Stapel Pappteller auf den Picknicktisch und blickte zu ihm herüber. Er lächelte sie an, und sie lächelte zurück, und ihre Gedanken verschmolzen zu einer perfekten Einheit.

Ich liebe dich, Gabe.

Ich liebe dich, Rachel.

Chip sprang auf ihn zu, und Gabe wußte, was er wollte. Er breitete die Arme aus.

Einen Moment später saß Chip auf seinen Schultern, die Hände um die Stirn seines Vaters gelegt, die Füße über seiner Brust baumelnd.

Rachel fing an zu weinen.

Das passierte ihr manchmal bei Familientreffen, wenn das Glück sie einfach überwältigte. Alle waren es gewöhnt. Sie zogen sie deswegen auf, und sie würden sie heute deswegen aufziehen. Bald… nach dem Essen vielleicht…

Aber im Moment war Cal damit beschäftigt, sich zu räuspern. Jane schniefte. Ethan hustete. Kristy wischte sich über die Augen. Seine Mutter reichte seinem Vater ein Taschentuch.

Gabe wollte das Herz überquellen vor Freude. Das Leben war schön auf ihrem Heartache Mountain.

Er bog den Kopf zurück und lachte lauthals.