Buch
Die Physikerin Dr. Jane Darlington, Mitte dreißig, hatte nie viel Glück mit den Männern. Doch auf ein Baby will sie keinesfalls verzichten! Und da sie selbst wegen ihres enormen IQ immer gehänselt wurde, sucht sie für ihr Kind einen Vater von eher schlichtem Gemüt. Als sie mit der Sportskanone Cal Bonner bekanntgemacht wird, scheint der passende Kandidat gefunden. Zu spät jedoch bemerkt die junge Mutter in spe, dass ihr gutaussehender »Samenspender« auch über einen klugen Kopf verfügt …
Autorin
Susan Elizabeth Phillips ist eine der meistgelesenen Autorinnen der Welt. Ihre Romane erobern jedes Mal auf Anhieb die Bestsellerlisten in Deutschland, England und den USA. Die Autorin hat zwei erwachsene Söhne und lebt mit ihrem Mann in der Nähe von Chicago.
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Susan Elizabeth Phillips
Bleib nicht zum Frühstück
Roman
Deutsch von Uta Hege

Die Originalausgabe erschien 1997 unter dem Titel »Nobody’s Baby But Mine« bei Avon Books, New York.
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Copyright der Originalausgabe © 1997 by Susan Elizabeth Phillips
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 1998
by Blanvalet Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
Redaktion: Barbara Gernet
Umschlaggestaltung und -motiv: www.buerosued.de
LH ∙ Herstellung: DM
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN: 978-3-641-10753-6
V010
www.blanvalet.de
am Abend, bevor unser jüngster Sohn ins College abreiste, saß ich am Fuß der Treppe, sah mir seine dort aufgestapelten Habseligkeiten an und weinte mir die Augen aus dem Kopf. Ich war noch nicht bereit dazu, diesen Teil meines Lebens als beendet anzusehen. Während ich die Jahre zurückspulte, erinnerte ich mich daran, welche Sehnsucht mich als junge Frau nach diesem Baby erfüllt hatte. Im selben Moment kam mir die Idee zu Bleib nicht zum Frühstück!
Suchen Sie sich eine gemütliche Ecke, ein lauschiges Plätzchen, und kommen Sie mit mir auf eine ganz besondere Reise, auf der es weder an Liebe noch an Leidenschaft mangeln wird. Begegnen Sie einer liebenswerten Frau, die in mancherlei Hinsicht äußerst clever, in anderer Hinsicht jedoch ebenso schwer von Begriff ist wie wir alle, und treffen Sie außerdem auf ein Ehepaar, das beinahe aus den Augen verloren hätte, wie wichtig man füreinander ist.
Bleib nicht zum Frühstück! ist ein prickelnder, doch zugleich auch zärtlicher und lustiger Roman, bei dessen Lektüre man hier und da vielleicht sogar genüsslich eine Träne vergießt. Kuscheln Sie sich also in Ihren Lieblingssessel und tauchen Sie ein in die Geschicke dieser bisweilen nervtötenden, keineswegs zueinander passenden, aber mehr als liebenswerten Menschen.
Viel Spaß beim Lesen,
Ihre Susan Elizabeth Phillips
Für meine Mutter
Dass ich euch richtig verstehe«, sagte Jodie Pulanski. »Als Geburtstagsgeschenk für Cal Bonner habt ihr also eine Frau geplant.«
Die drei Linienspieler, die den Novemberabend am hintersten Tisch in Zebras Bar, der im DuPage County gelegenen Lieblingskneipe der Footballspieler der Chicago Stars, verbrachten, nickten, und Junior Duncan bedeutete der Serviererin, dass eine weitere Runde willkommen sei. »Er wird sechsunddreißig. Also soll er etwas ganz Besonderes bekommen.«
»Schwachsinn«, befand Jodie. Jeder, der auch nur die geringste Ahnung von Football hatte, wusste, dass sich Cal Bonner, der brillante Quarterback der Stars, seit Beginn der Saison aufbrausend, jähzornig und im Allgemeinen einfach unerträglich aufführte. Bonner, der wegen seiner Vorliebe für explosive Pässe der »Bomber« hieß, war der höchstrangige Quarterback der AFC, der American Football Conference – und eine Legende.
Jodie kreuzte ihre Arme über dem figurbetonten weißen Pullunder, der Teil ihrer Arbeitsgarderobe war. Weder ihr noch einem der drei Männer kam der moralische Aspekt oder gar die politische Korrektheit ihrer Unterhaltung in den Sinn. Schließlich ging es um ein Mitglied der NFL, der National Football League. »Ihr meint also, wenn ihr ihm eine Frau besorgt, setzt er euch nicht mehr so unter Druck«, stellte sie sachlich fest.
Willie Jarrell senkte den Blick seiner von dichten Wimpern umgebenen braunen Augen auf sein Bier. »Der Mistkerl hat uns in letzter Zeit das Leben zur Hölle gemacht. Niemand hält es mehr in seiner Nähe aus.«
Junior schüttelte den Kopf. »Gestern hat er Germaine Clark einen Anfänger geschimpft. Germaine!«
Jodie zog eine ihrer Brauen hoch, die dank freigebig aufgetragener Kosmetik um mehrere Schattierungen dunkler als ihre messingfarbenen Haare waren. Germaine Clark galt durch und durch als Profi und als einer der gefährlichsten Abwehrspieler in der NFL. »Soweit ich weiß, hat der Bomber bereits mehr Frauen, als er bewältigen kann.«
Junior nickte. »Allerdings schläft er offenbar mit keiner von ihnen.«
»Was?«
»Es stimmt«, meldete sich Chris Plummer, der linke Stürmer, zu Wort. »Aber das wissen wir selbst erst seit kurzer Zeit. Seine Freundinnen haben sich mit unseren Frauen unterhalten, und es scheint, dass Cal sie nur zum Angeben benutzt.«
Willie Jarrell hob den Kopf. »Vielleicht würde er von ihnen ja eher angetörnt, wenn er warten würde, bis sie ihren Windeln entwachsen sind.«
Junior nahm diese Bemerkung durchaus ernst. »So etwas darfst du nicht sagen, Willie. Du weißt, dass Cal mit keinem Mädchen etwas anfängt, das unter zwanzig ist.«
Cal Bonner mochte älter werden, aber die Frauen in seinem Leben blieben jung. Niemand hatte ihn je mit einem Mädchen über zweiundzwanzig ausgehen sehen.
»Soweit wir wissen«, sagte Willie, »hat der Bomber seit dem Ende seiner Beziehung zu Kelly mit keiner Frau mehr geschlafen, und das war im Februar. Wenn ihr mich fragt, ist das einfach nicht normal.«
Kelly Berkley war Cals wunderschöne einundzwanzigjährige ständige Begleiterin gewesen, bis sie es satthatte, auf einen Ehering zu warten, der wohl niemals käme; daher lief sie mit dem dreiundzwanzigjährigen Gitarristen einer Heavy Metal Band auf und davon. Seither hatte Cal Bonner seine gesamte Energie in das Gewinnen der Footballspiele, in den allwöchentlichen Wechsel seiner Freundinnen und in das Tyrannisieren seiner Teamkollegen gesteckt.
Jodie Pulanski war das Lieblingsgroupie der Stars, und wiewohl noch deutlich unter dreiundzwanzig, kam keiner der Männer auf die Idee, sie Cal Bonner als Präsent zum Geburtstag anzubieten. Es war eine allgemein bekannte Tatsache, dass er sie bereits mindestens ein Dutzend Male zurückgewiesen hatte. Weshalb der Bomber zuoberst auf der Liste von Jodies persönlichen Feinden stand, obgleich sie sonst um jeden Preis auf eine Vergrößerung ihrer Sammlung blau-goldener Stars-Trikots in ihrem Schlafzimmerschrank – eins von jedem Spieler, mit dem sie sich amüsiert hatte – versessen war.
»Was wir brauchen, ist jemand, der ihn nicht an Kelly erinnert«, meinte Chris.
»Das bedeutet, dass sie wirklich Klasse haben muss«, fügte Willie erläuternd hinzu. »Außerdem sollte sie vielleicht ein bisschen älter sein. Wir denken, es täte dem Bomber gut, wenn er es mal mit einer Frau so um die fünfundzwanzig probieren würde.«
»Mit so was wie Würde!« Junior nippte gedankenverloren an seinem Bier. »Eine Frau, die gesellschaftsfähig ist.«
Jodie war nicht gerade für ihren Grips bekannt, aber selbst sie erkannte, dass diese Ansprüche gewisse Probleme aufwarfen. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass allzu viele Frauen davon träumen, das Geburtstagsgeschenk eines wildfremden Mannes zu sein. Auch nicht, wenn dieser Mann Cal Bonner heißt.«
»Ja, das haben wir uns auch gedacht. Wahrscheinlich bleibt uns nichts anderes übrig, als uns nach einer geeigneten Mieze umzusehen.«
»Nach einer mit Stil«, fügte Willie hastig hinzu, da Cal, wie jeder wusste, kein Freund von käuflicher Liebe war.
Junior starrte trübsinnig in sein Bier. »Aber wir haben bisher absolut keine passende gefunden.«
Jodie kannte ein paar nette Girls, aber keine von ihnen entsprach ihren Vorstellungen von einer Klassefrau. Ebenso wenig wie die Mädchen, mit denen sie durch die Gegend zog. Ihre Freundinnen waren eine Gruppe vergnügungssüchtiger, partybegeisterter Mädchen, die nichts anderes taten, als mit so vielen professionellen Sportlern zu schlafen wie irgend möglich. »Und was wollt ihr von mir?«
»Wir wollen, dass du deine Connections benutzt und jemanden findest, der unseren Vorstellungen entspricht«, erklärte Junior. »Bis zu seinem Geburtstag haben wir noch zehn Tage Zeit, also eilt es einigermaßen.«
»Und was springt für mich dabei heraus?«
Da ihre Sammlung bereits die Trikots dieser drei Helden umfasste, warf diese Frage gewisse Komplikationen auf. Chris sah sie vorsichtig an: »Bist du vielleicht an irgendeiner bestimmten Nummer als Andenken interessiert?«
»Außer der achtzehn«, warf Willie eilig ein, da achtzehn die Nummer des Bombers war.
Jodie tat so, als denke sie nach. Statt dem Bomber eine Dame zu beschaffen, ginge sie natürlich lieber selbst mit ihm ins Bett; aber es gab tatsächlich noch eine Alternative von Interesse für sie. »Allerdings. Wenn ich ein passendes Geburtstagsgeschenk auftreibe, gehört mir dafür die Nummer zwölf.«
Die Männer stöhnten auf. »Scheiße, Jodie, Kevin Tucker macht sowieso schon mit viel zu vielen Frauen rum.«
»Das ist euer Problem.«
Tucker war der Ersatz-Quarterback der Stars. Jung, aggressiv und in höchstem Maße talentiert, sollte er die Nachfolge für die Startposition antreten, wenn Cal aufgrund seines Alters oder infolge einer Verletzung für den Job nicht mehr in Frage käme. Auch wenn die beiden Männer in der Öffentlichkeit höflich miteinander umgingen, waren sie doch erbitterte Konkurrenten, und aufgrund dieses Hasses erschien Kevin Tucker Jodie umso begehrenswerter.
Widerstrebend erklärten sich Willie und Junior bereit, dafür zu sorgen, dass Tucker seinen Teil der Abmachung erfüllte, wenn sie tatsächlich ein geeignetes Geburtstagsgeschenk auftrieb.
Zwei neue Kunden betraten das Lokal, und da Jodie die Empfangsdame von dieser Bar war, stand sie auf und wandte sich den beiden zu. Auf dem Weg zur Tür ging sie im Geiste die Liste ihrer weiblichen Bekannten durch, doch keine von ihnen kam in Frage für den Job. Sie hatte eine Menge Freundinnen, aber nicht eine einzige von ihnen konnte man auch nur ansatzweise als Klassefrau bezeichnen.
Zwei Tage später grübelte Jodie immer noch über diese Frage nach, während sie mit einem dicken Kopf in die Küche des Hauses ihrer Eltern in Glen Ellyn, Illinois, trottete, in das sie bis zur Begleichung der Schulden ihrer Visa Card übergangsweise wieder eingezogen war. Dieser Samstagvormittag gefiel ihr: Ihre Eltern unternahmen einen Wochenendausflug, und sie brauchte erfreulicherweise erst um fünf zu arbeiten, da sie infolge der wilden Party vom Vorabend an einem grauenhaften Kater litt.
Sie öffnete die Schranktür und entdeckte nichts außer einer Dose koffeinfreien Kaffees. Verdammt. Draußen hatte ein widerlicher Schneeregen eingesetzt, und ihr Schädel dröhnte so furchtbar, dass Autofahren unmöglich war – aber wenn sie nicht im Laufe des Tages ihre Ration Koffein bekam, wäre ihre Laune sicher zum Absturz verurteilt.
Alles lief verkehrt. Heute Nachmittag spielten die Stars in Buffalo, sodass nach dem Match mit keinem der Spieler im Zebra zu rechnen war. Und wenn sie sie endlich wiedersähe, wie sollte sie ihnen ihre erfolglose Suche nach einem Geburtstagsgeschenk beibringen? Einer der Gründe, weshalb die Stars sie so umwarben, lag in der hohen Anzahl ihrer zur Verfügung stehenden Freundinnen.
Sie blickte aus dem Küchenfenster und sah Licht im Hause der alten Jungfer. Alte Jungfer lautete Jodies Spitzname für die Nachbarin ihrer Eltern, Dr. Jane Darlington. Sie war keine Ärztin, sondern eine Dr. rer. nat., und Jodies Mom schwärmte ständig davon, was für ein wunderbarer Mensch sie sei, weil sie den Pulanskis, seit sie vor ein paar Jahren hierhergezogen waren, stets durch die manchmal notwendige Annahme ihrer Post und mit anderen Nettigkeiten behilflich war. Vielleicht half sie ihr ja jetzt auch mit ein wenig Kaffee aus?
Sie schminkte sich provisorisch, schlüpfte, ohne sich die Mühe zu machen, Unterwäsche anzuziehen, in ein Paar enger schwarzer Jeans, Willie Jarrells Trikot und ihre warmen Boots; dann machte sie sich, mit einer Tupperdose bewaffnet, auf den Weg.
Trotz des Schneeregens hatte sie keine Jacke angezogen, und bis Dr. Jane endlich an die Haustür kam, zitterte sie wie Espenlaub. »Hallo!«
Dr. Jane stand hinter der Tür und starrte sie durch eine altjüngferliche, überdimensionale, schildpattgerahmte Brille an.
»Ich bin Jodie, die Tochter der Pulanskis. Von nebenan.«
Immer noch machte diese Schachtel die Tür nicht auf.
»Hören Sie, hier draußen ist es verdammt kalt. Könnte ich vielleicht kurz reinkommen?«
Endlich öffnete die alte Jungfer ihr. »Tut mir leid. Ich habe Sie nicht erkannt.«
Jodie betrat das Haus, und bereits nach zwei Sekunden hatte sie erfasst, weshalb Dr. Jane sie so zögerlich hereingelassen hatte. Irgendwie schwamm es hinter ihren Brillengläsern, und ihre Nase glänzte leuchtend rot. Wenn Jodie nicht infolge ihres Katers einem Trugschluss aufsaß, dann hatte sich Dr. Jane gerade die kurzsichtigen Augen aus dem Kopf geheult.
Die alte Jungfer war relativ groß, vielleicht einen Meter fünfundsiebzig, und Jodie musste zu ihr aufblicken, als sie ihr ihr Bettelgefäß entgegenhielt. »Könnten Sie mir vielleicht ein paar Löffel Kaffee leihen? Wir haben nur noch koffeinfreien im Haus, aber der reicht mir heute Morgen nicht.«
Zögernd nahm ihr Dr. Jane die Dose aus der Hand. Da sie Jodie nicht gerade als geizig bekannt war, bedeutete ihre Reaktion wahrscheinlich Ärger über diese Störung. »Ja, ich – mmh – ich hole Ihnen welchen.« Offensichtlich in der Erwartung, dass die unerwünschte Besucherin im Flur warten würde, zog sie los; aber bis zum Beginn der Spielvorschau hatte Jodie nichts zu tun, deshalb konnte sie ebenso gut ihrer Nachbarin folgen und sich deren Behausung einmal ansehen.
Sie durchquerten ein Wohnzimmer, das auf den ersten Blick recht langweilig erschien: weiße Wände, bequeme Möbel und jede Menge trostlos wirkender Bücher im Regal. Jodie wollte gerade weitergehen, als ihr Blick auf die gerahmten Poster an den Wänden fiel. Sie schienen alle von derselben Person, einer Frau namens Georgia O’Keeffe, zu sein, und auch wenn Jodie zugegebenermaßen eine schmutzige Phantasie besaß, konnte dies nicht allein eine Erklärung dafür sein, dass sie in all diesen Blumen weibliche Geschlechtsorgane sah.
Unter den Blütenblättern kamen feuchte, verborgene, dunkle Höhlen zum Vorschein. Eins der Gemälde zeigte – Himmel! – eine Venusmuschel, in deren Innerstem eine kleine, feuchte Perle angedeutet war, und selbst der argloseste Mensch hätte da sicher zweimal hingeschaut. Sie fragte sich, ob die alte Jungfer vielleicht eine Lesbe war. Weshalb sollte sie sonst Gefallen daran finden, sich jedes Mal, wenn sie ihr Wohnzimmer betrat, blumige Muschis anzusehen?
Jodie wanderte weiter in die lavendelfarben gestrichene Küche, vor deren Fenstern sich hübsche, ebenfalls blumenverzierte Vorhänge rüschten. Allerdings waren diese Blumen im Gegensatz zu denen auf den Postern im Wohnzimmer normal. Alles in der Küche wirkte fröhlich und aufgeräumt, abgesehen von ihrer Besitzerin, die Jodie würdevoller als der liebe Gott erschien.
In der maßgeschneiderten Hose mit den ordentlichen braun-schwarzen Karos und dem weichen, weizenfarbenen Pullover, der bestimmt Kaschmirqualität besaß, kam ihr Dr. Jane wie eine dieser adretten, langweiligen, mit Vorliebe Tweed tragenden Pomeranzen vor. Trotz ihrer Größe wies sie allerdings feine Knochen, wohlgeformte Beine und eine schlanke Taille auf. Abgesehen von den fehlenden Möpsen hatte sie eine geradezu beneidenswerte Figur.
In ihrem kinnlangen hellblonden Haar schimmerten flachs-, platin- und goldfarbene Strähnen, die es unmöglich aus der Tube gab. Allerdings hatte sie es zu einer dieser konservativen Frisuren arrangiert, in der sich Jodie noch nicht einmal tot hätte sehen lassen – es war lose aus der Stirn gekämmt und wurde von einem schmalen, braunen Samtreif gehalten – der Inbegriff des Grauens.
Jodie wandte leicht den Kopf, um sie noch besser betrachten zu können. Schade, dass sie diese riesige spießige Brille trug, denn das Grün ihrer Augen fiel wirklich positiv auf. Auch Stirn und Nase hatten eine schöne Form. Ihr Mund war mit seiner dünnen Oberlippe und der vollen Unterlippe zumindest interessant und ihre Haut einfach toll. Leider machte sie nichts aus sich. Jodie hätte viel mehr Make-up aktiviert. Alles in allem war die alte Jungfer selbst mit den rotgeränderten Augen eine gutaussehende, wenn auch einschüchternde Person.
Sie drückte den Deckel auf die Tupperdose und hielt sie Jodie hin, die, gerade als sie sie nehmen wollte, das zerknüllte Geschenkpapier und den kleinen Stapel Präsente auf dem Küchentisch liegen sah.
»Ist heute ein besonderer Tag?«
»Nicht der Rede wert. Ich habe Geburtstag, sonst nichts.« Ihre Stimme klang gleichzeitig weich und heiser, und zum ersten Mal fielen Jodie die in ihrer Hand zerknüllten Taschentücher auf.
»Nein, wirklich? Gratuliere.«
»Vielen Dank.«
Ohne darauf zu achten, dass Dr. Jane ihr immer noch die Tupperdose entgegenhielt, trat Jodie an den Tisch und sah sich die Geschenke an: eine armselige kleine Schachtel mit schlichtem, weißem Briefpapier, eine elektrische Zahnbürste, ein Kugelschreiber und ein Geschenkgutschein für Jiffy Lube. Einfach jämmerlich. Nicht ein einziges heißes Kleidungsstück war dabei.
»Was für eine Pleite!«
Zu ihrer Überraschung lachte Dr. Jane tatsächlich leise auf. »Da haben Sie wohl recht. Meine Freundin Caroline findet immer das perfekte Geschenk, aber sie ist im Augenblick zu archäologischen Ausgrabungen in Äthiopien unterwegs.« Und dann rann zu allem Überfluss eine weitere Träne unter den Brillengläsern der alten Jungfer hervor und kullerte ihr über die Wangen.
Dr. Jane tat, als wäre nichts geschehen, aber die Geschenke waren wirklich jämmerlich, und unwillkürlich wallte in Jodie Mitleid auf. »Also bitte, so schlimm ist es nun auch wieder nicht. Wenigstens brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, dass irgendwas nicht passt oder so.«
»Tut mir leid. Ich sollte nicht …« Dr. Jane presste die Lippen zusammen, aber trotzdem brach sich unter dem Rand ihrer Brille eine weitere Flut Bahn.
»Schon gut. Setzen Sie sich. Ich koche uns erst mal einen Kaffee.« Jodie drückte Dr. Jane auf einen der Küchenstühle und trug die Tupperdose hinüber zur Anrichte, auf der die Kaffeemaschine stand. Gerade als sie sich nach den Filtertüten erkundigen wollte, sah sie, dass Dr. Janes Stirn von tiefen Falten durchzogen war und dass sie, um sich zu beruhigen, Atemübungen machte; also öffnete sie einfach eine Reihe von Schranktüren, bis das Gesuchte auftauchte.
»Und, wie alt sind Sie geworden, wenn ich fragen darf?«
»Vierunddreißig.«
Jodie war ehrlich überrascht. Sie hätte Dr. Jane auf höchstens Ende Zwanzig geschätzt. »Oje, dann liegt das Ganze wohl total daneben.«
»Tut mir leid, dass ich mich so gehen lasse.« Sie betupfte ihre Nase mit einem Taschentuch. »Normalerweise bin ich weniger emotional.«
Ein paar vergossene Tränen bedeuteten nach Jodies Meinung noch lange nicht, dass sich ein Mensch gehen ließ; aber für eine derart zugeknöpfte Person wie Dr. Jane waren sie wahrscheinlich bereits ein ernst zu nehmendes Anzeichen von Hysterie. »Wie gesagt, kein Problem. Haben Sie zufällig irgendwo ein paar Doughnuts oder so?«
»Im Kühlschrank müssten noch ein paar Vollkornmuffins sein.«
Jodie verzog das Gesicht und kehrte an den Tisch zurück. Er war klein und rund, mit einer Glasplatte, und die Metallstühle sahen aus, als gehörten sie eher in den Garten. Sie nahm Dr. Jane gegenüber Platz.
»Von wem haben Sie die Geschenke?«
Die Dame setzte eines jener Lächeln auf, das den Wunsch nach etwas mehr Distanz verriet. »Von meinen Kollegen.«
»Sie meinen, von den Leuten, mit denen Sie arbeiten?«
»Genau. Von meinen Kollegen bei Newberry und einem meiner Freunde beim Preeze-Labor.«
Vom Preeze-Labor hatte Jodie noch nie zuvor gehört, aber Newberry war eins der nobelsten Colleges der Vereinigten Staaten – zum unbändigen Stolz der Einwohner des DuPage County.
»Aha. Unterrichten Sie nicht Naturwissenschaften oder so?«
»Ich bin Physikerin und unterrichte die höheren Semester in relativistischer Quantenfeldtheorie. Außerdem erforsche ich im Preeze-Labor zusammen mit anderen Physikern Quarks.«
»Ohne Scheiß! Dann müssen Sie ja auf der Highschool ein echtes Ass gewesen sein.«
»Ich habe nicht allzu viel Zeit auf der Highschool verbracht, weil ich mit vierzehn aufs College gegangen bin.« Wieder rollte ein Bächlein über ihr Gesicht, doch zugleich setzte sie sich, wenn es überhaupt möglich war, noch aufrechter hin als vorher.
»Mit vierzehn? Das ist ja wohl ein Witz.«
»Als ich einundzwanzig wurde, hatte ich bereits meinen Doktor.« Jetzt brach sich ihr Elend endgültig Bahn, sodass sie die Ellbogen auf die Tischplatte stützte, die Hände zu Fäusten ballte und den Kopf sinken ließ. Ihre Schultern bebten, aber sie gab nicht das leiseste Geräusch von sich, und der Anblick dieser sich beinahe auflösenden Wissenschaftlerin war derart ergreifend, dass Jodie abermals ehrliches Mitgefühl empfand. Zugleich allerdings war ihre Neugierde geweckt.
»Haben Sie vielleicht Ärger mit Ihrem Freund?«
Dr. Jane schüttelte den Kopf. »Ich habe keinen Freund mehr seit Dr. Craig Elkhart. Wir waren sechs Jahre zusammen.«
Also konnte sie doch nicht lesbisch sein. »Das ist eine lange Zeit.« Trotz der tränennassen Wangen reckte die Professorin mit einem Mal trotzig das Kinn. »Er hat gerade eine zwanzigjährige Datenverarbeiterin namens Pamela geehelicht. Als er mich verließ, sagte er: ›Tut mir leid, Jane, aber du machst mich einfach nicht mehr an.‹«
Angesichts von Dr. Janes so zugeknöpfter Persönlichkeit hatte Jodie ein gewisses Verständnis für seine Sicht; aber so etwas zu sagen, fand sie trotzdem ziemlich mies. »Männer sind Arschlöcher.«
»Aber das ist nicht einmal das Schlimmste.« Sie faltete ihre Hände und legte sie auf den Tisch. »Das Schlimmste ist, dass wir sechs Jahre zusammen waren und er mir gar nicht fehlt.«
»Warum sind Sie dann so fertig?« Der Kaffee war durchgelaufen, und sie stand auf und schenkte ihnen beiden ein.
»Es liegt nicht an Craig. Ich bin einfach … ach, im Grunde ist es nichts. Warum lasse ich mich nur so gehen? Es passt so wenig zu mir.«
»Sie sind vierunddreißig Jahre alt und irgendjemand hat Ihnen einen Gutschein für Jiffy Lube zum Geburtstag geschenkt. Da ist es ja wohl normal, dass einen so was fertigmacht.«
Dr. Jane erschauerte. »In diesem Haus bin ich aufgewachsen, wussten Sie das? Nach Dads Tod wollte ich es verkaufen, aber ich habe es bisher einfach nicht geschafft.« Ihre Stimme bekam einen wehmütigen Klang, als hätte sie vergessen, dass Jodie ihr gegenübersaß. »Damals habe ich gerade ultrarelativistische Schwerionenkollisionen erforscht, und der Verkauf hätte mich zu sehr abgelenkt. Meine Arbeit stand für mich immer im Mittelpunkt. Bis ich dreißig war, hat mir das genügt. Aber seither jagt ein Geburtstag den anderen.«
»Und schließlich haben Sie festgestellt, dass dieses Physikzeugs, wenn man nachts im Bett liegt, einen nicht besonders erregt. Habe ich recht?«
Dr. Jane fuhr zusammen, als hätte sie ganz vergessen, dass sie nicht alleine war. »Das ist es nicht nur. Offen gestanden finde ich, dass Sex heutzutage eine viel zu große Bedeutung beigemessen wird.« Unbehaglich blickte sie auf ihre gefalteten Hände. »Es ist mehr ein Gefühl der Verbundenheit mit einem Menschen, das mir fehlt.«
»Ich halte es für eine ziemlich große Verbundenheit, wenn man zusammen mit jemandem die Matratze brennen lässt.«
»Tja, vorausgesetzt, dass man sie zum Brennen bringt. Persönlich …« Sie schnäuzte sich, stand auf und schob das Taschentuch in ihre Hose, wo es nur eine kleine Beule verursachte. »Wenn ich von Verbundenheit rede, dann meine ich etwas Dauerhafteres als Sex.«
»Etwa irgendwas Religiöses?«
»Nicht unbedingt, obgleich mir Religion durchaus wichtig ist. Ich meine eine Familie. Kinder. Solche Dinge.« Sie straffte die Schultern und sah Jodie mit einem entschuldigenden Lächeln an. »Aber jetzt habe ich mich mehr als genug im Selbstmitleid geaalt und Sie mit meinen Problemen belästigt. Ich fürchte, heute ist Besuch halt ungünstig …«
»Jetzt hab ich es! Sie wünschen sich ein Kind!«
Dr. Jane schob die Hand in die Hosentasche und zog abermals das Taschentuch heraus. Ihre Unterlippe zitterte, und ihr Gesicht war eine einzige große Knitterfalte, als sie sich wieder auf ihren Stuhl sinken ließ. »Craig hat mir gestern erzählt, dass Pamela schwanger ist. Es ist keine … ich bin nicht eifersüchtig auf sie. Ehrlich gesagt interessiert er mich einfach nicht mehr genug, als dass ich mich zu Eifersucht aufraffen könnte. Im Grunde hätte ich ihn sowieso nicht heiraten wollen. Das war nie meine Absicht. Aber …« Ihre Stimme wurde leiser. »Nur …«
»Nur hätten Sie selbst gern ein Kind!«
Heftig nickte sie mit dem Kopf. »Ich sehne mich schon so lange nach einem Baby. Jetzt bin ich vierunddreißig und meine biologische Uhr läuft allmählich ab.«
Jodie warf einen Blick auf die Küchenuhr. Sie interessierte sich durchaus für Dr. Janes Geschichte, aber in diesem Augenblick fing die Sportschau an. »Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich Ihren Fernseher anstelle, während wir uns weiter unterhalten?«
Dr. Jane wirkte so verwirrt, als wüsste sie nicht genau, was ein Fernseher war, doch dann nickte sie. »Das geht schon in Ordnung.«
»Prima.« Jodie nahm ihren Becher, marschierte ins Wohnzimmer, setzte sich auf die Couch und fischte die Fernbedienung unter einem Stapel von Fachzeitschriften hervor. Da im Augenblick noch eine Bierwerbung lief, drückte sie die Stumm-Taste.
»Sie wünschen sich ernsthaft ein Baby? Obwohl Sie alleinstehend sind?«
Dr. Jane setzte sich in den rüschengesäumten Polstersessel direkt unter dem Venusmuschelbild. Sie presste die Beine zusammen und stellte die Füße nebeneinander, sodass es zu einer Berührung ihrer beiden Knöchel kam. Sie hatte wunderbare Fesseln, stellte Jodie fest, schlank und wohlgeformt.
Wieder wurde sie so steif, als hätte ihr jemand ein Brett ins Kreuz geschnallt. »Ich habe lange darüber nachgedacht. Heiraten kommt für mich nicht in Frage, dafür ist mir meine Arbeit zu wichtig – aber mehr als alles andere wünsche ich mir ein Kind. Und ich wäre sicher eine gute Mutter. Heute ist mir klargeworden, dass sich dieser Traum wohl nie erfüllen wird, und deshalb bin ich so deprimiert.«
»Ein paar alleinerziehende Mütter kenne ich auch. Das ist nicht gerade leicht. Aber Sie haben einen vernünftigen Job, also dürfte es für Sie weniger schwierig sein.«
»Die wirtschaftliche Seite fürchte ich nicht. Aber ich sehe einfach keine Möglichkeit, wie sich die Zeugung realisieren ließe.«
Jodie starrte sie mit großen Augen an. Für eine so intelligente Frau stellte sich die Gute einigermaßen dämlich an. »Sie meinen, Sie finden keinen Mann?«
Die Hausherrin nickte.
»Auf dem College hängen sicher jede Menge Kerle rum. Das ist doch das Wenigste. Laden Sie einen von denen ein, machen Sie Musik, servieren Sie ihm ein paar Biere und legen Sie ihn flach.«
»Oh, ich kann unmöglich jemanden nehmen, den ich kenne.«
»Dann reißen Sie einen Typen in einer Kneipe auf.«
»Das könnte ich nie. Ich muss sicher sein, dass er keine gesundheitlichen Probleme hat.« Ihre Stimme wurde leise. »Und außerdem wüsste ich sowieso nicht, wie ich einen Fremden auf mich aufmerksam machen soll.«
Das hinwiederum erschien Jodie eine Kleinigkeit, auf diesem Gebiet war sie zweifellos beschlagener als Dr. Jane. »Wie wäre es dann mit einer – na, Sie wissen schon – mit einer Samenbank?«
»Auf keinen Fall. Zu viele Samenspender studieren Medizin.«
»Na und?«
»Ich möchte keinen Intelligenzler als Vater für mein Kind.«
Jodie war so überrascht, dass sie vergaß, den Ton des Fernsehers wieder anzustellen, obwohl statt der Bierreklame inzwischen ein Interview mit dem Coach, also Trainer der Stars, Chester »Duke« Raskin, auf dem Bildschirm lief.
»Sie wollen einen dummen Erzeuger?«
Dr. Jane lächelte. »Ich weiß, dass das seltsam klingt – aber ein Kind hat es sehr schwer, wenn es klüger ist als alle anderen. Seine Intelligenz verurteilt es zum Außenseiter. Aus diesem Grund käme niemals der brillante Craig oder auch nur etwa ein durchschnittlicher Samenspender in Frage. Ich brauche einen Mann, der meine eigenen genetischen Veranlagungen ausgleicht. Aber die Männer, denen ich normalerweise begegne, sind immer zu schlau.«
Jodie kam zu dem Schluss, dass Dr. Jane tatsächlich mehr als nur ein bisschen verschroben sein musste. »Sie meinen, weil Sie so intelligent sind, brauchen Sie einen Idioten als Vater für Ihr Kind?«
»Genau – ich ertrage den Gedanken nicht, dass mein Kind dasselbe durchmachen muss wie ich in der Schulzeit. Und selbst heute noch. Nun, aber darum geht es nicht. Die Sache ist die: sosehr ich mir auch ein Kind wünsche, darf ich doch dabei nicht nur an mich denken.«
Plötzlich entdeckte Jodie auf dem Bildschirm ein neues Gesicht. »Oh, Himmel, einen Augenblick, das muss ich hören.« Sie schnappte sich die Fernbedienung und drückte auf den Lautstärkeregler.
Paul Fenneman, ein Sportreporter von Network, machte ein Interview mit Cal Bonner, und Jodie wusste, dass der Bomber Fenneman nicht ausstehen konnte. Der Reporter war berühmt für seine albernen Fragen, und der Bomber hatte Blödmännern gegenüber nur mäßige Geduld.
Das Interview fand auf dem Parkplatz des Star-Geländes statt, das am Rande von Naperville, der größten Stadt im DuPage County, lag. Fenneman sprach in die Kamera, und er schaute dabei so feierlich drein, als ginge es um ein internationales Gipfeltreffen. »Ich spreche mit Cal Bonner, dem besten Quarterback der Stars.«
Die Kamera richtete sich auf Cal, und Jodie schwitzte sowohl vor Lüsternheit als auch vor Hass. Verdammt, trotz seines beträchtlichen Alters war er wirklich heiß.
Er stand vor dieser riesigen Harley und trug Jeans mit einem engen schwarzen T-Shirt, das ein paar der besten Muskeln des Teams mehr als nur erahnen ließ. Einige der Typen waren so aufgepumpt, dass sie aussahen, als bestünde jeden Moment Explosionsgefahr, aber Cal war perfekt. Und auch sein kräftiger Hals machte ihn nicht gleich zu einem Stiernacken wie die meisten anderen. Sein braunes Haar war leicht gelockt, und er trug es aus praktischen Gründen kurz. So war der Bomber nun einmal. Er hatte keine Geduld für Sachen, die er als unwichtig erachtete.
Mit eins sechsundachtzig überragte er die meisten anderen Quarterbacks. Außerdem war er schnell, gewitzt und verfügte über die geradezu telepathische Fähigkeit, Taktiken der gegnerischen Verteidigung zu durchschauen, worüber nur die allerbesten Spieler verfügten. Er war eine fast ebensolche Legende wie der große Joe Montana, und die Tatsache, dass die Nummer achtzehn wohl niemals in Jodies Kleiderschrank hängen würde, verzieh sie ihm nie.
Nachdem Cal die Reporterwanze Paul Fennegan mittels beißendem Hohn und Spott abgefertigt hatte, schaute er gelangweilt lächelnd in die Kamera.
»Wenn ich doch nur jemanden fände wie ihn«, flüsterte Dr. Jane. »Er wäre einfach perfekt.«
Jodie blickte sie an und merkte, dass sie wie gebannt auf den Bildschirm sah. »Wovon reden Sie?«
Dr. Jane winkte in Richtung des Fernsehers. »Von diesem Mann. Diesem Footballspieler. Er ist gesund, attraktiv und nicht besonders intelligent. Genau das, wonach ich suche.«
»Sie meinen den Bomber?«
»Heißt er so? Ich habe keine Ahnung von Football.«
»Das ist Cal Bonner. Er ist der erste Quarterback der Chicago Stars.«
»Ach ja. Irgendwann habe ich sein Bild schon einmal in der Zeitung gesehen. Warum kann ich nicht einem Mann wie ihm begegnen? Jemandem, der ein bisschen unterbelichtet ist …«
»Unterbelichtet?«
»Nicht besonders überragend … einfach etwas schwer von Begriff.«
»Schwer von Begriff? Der Bomber?« Jodie machte den Mund auf, um Dr. Jane zu erklären, dass der Bomber als der gerissenste, trickreichste, talentierteste – und ganz sicher hinterhältigste – verdammte Quarterback der gesamten NFL galt, als ihr plötzlich ein so verrückter Gedanke kam, dass sie ihn eigentlich gar nicht fassen konnte.
Sie versank tiefer zwischen den Sofakissen – verdammt –, griff nach der Fernbedienung und drückte die Stumm-Taste. »Ist das Ihr Ernst? Sie würden jemanden wie Cal Bonner nehmen als Vater für Ihr Kind?«
»Natürlich würde ich das – unter der Voraussetzung, dass ich vorher sein Gesundheitsattest einsehen könnte. Ein schlichter Mann wie er wäre perfekt: stark, ausdauernd, mit einem niedrigen IQ. Und sein gutes Aussehen halte ich für ein zusätzliches Plus.«
Jodies Gedanken rasten in drei Richtungen gleichzeitig. »Was wäre, wenn …« Sie versuchte, sich nicht von der Vorstellung ablenken zu lassen, dass in Kürze Kevin Tucker nackt vor ihr stehen würde, wenn ihr dieser Coup gelang. »Was wäre, wenn ich ein Treffen arrangiere?«
»Wovon sprechen Sie?«
»Sind Sie daran interessiert, Cal Bonner ins Bett zu bekommen?«
»Soll das ein Witz sein?«
Jodie schüttelte den Kopf.
»Aber ich kenne ihn doch gar nicht.«
»Das müssen Sie auch nicht.«
»Ich fürchte, ich verstehe Sie nicht ganz.«
Langsam erzählte Jodie ihr die Geschichte, wobei sie hier und da eine Kleinigkeit – wie zum Beispiel, was für ein Arschloch der Bomber war – beiseiteließ. Sie erklärte die Sache mit dem Geburtstagsgeschenk und dass die halbe Mannschaft auf der Suche nach einer nicht ganz jungen, eleganten Frau für ihren Kameraden war. Dann fügte sie hinzu, ihrer Meinung nach entspräche Dr. Jane – in der richtigen Aufmachung vielleicht – genau ihren Vorstellungen.
Dr. Jane wurde so bleich, dass sie aussah wie das kleine Mädchen in dem alten Vampirfilm mit Brad Pitt. »Wollen Sie damit etwa sagen, dass ich mich als Prostituierte ausgeben soll?«
»Als echte Klassefrau, denn der Bomber steht nicht auf Nutten.«
Sie erhob sich aus ihrem Sessel und stapfte nervös im Zimmer auf und ab. Jodie meinte, beinahe zu sehen, wie ihr verschrobenes Hirn ähnlich einem Taschenrechner Plus- und Minusknöpfe drückte, bis schließlich in ihren Augen ein leichter Hoffnungsschimmer aufzuflackern begann und sie matt gegen den Kaminsims sank.
»Sein medizinisches Attest …« Sie stieß einen tiefen, unglücklichen Seufzer aus. »Einen kurzen Augenblick lang habe ich tatsächlich gedacht, dass es vielleicht möglich wäre; aber ich muss unbedingt wissen, wie es um seine Gesundheit steht. Footballspieler lassen sich doch sicher Hormone spritzen oder so? Und was ist mit Geschlechtskrankheiten und Aids?«
»Der Bomber nimmt keine Drogen, und er hat auch nie besonders viel mit Frauen rumgemacht. Genau aus dem Grund haben sich die Jungs schließlich dieses Geschenk zu seinem Geburtstag überlegt. Im letzten Winter hat er sich von seiner alten Freundin getrennt und seitdem scheint er mit keiner Frau mehr zusammen gewesen zu sein.«
»Trotzdem müsste ich vorher sein Attest sehen.«
Jodie überlegte, dass Junior oder Willie bestimmt in der Lage wären, die Sekretärin dazu zu überreden, dass sie ihm die Karteikarte des Bombers für ein paar Minuten auslieh. »Dienstag, spätestens Mittwoch habe ich eine Kopie davon.«
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»In zehn Tagen hat er Geburtstag«, bemerkte Jodie. »Die einzige Frage, die sich noch stellt, ist die, ob Sie sich trauen oder nicht.«