Claus Leggewie ist Professor für Politikwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Leiter des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen. Bei C.H.Beck ist von ihm lieferbar: Die Globalisierung und ihre Gegner (2003) und Moscheen in Deutschland (2009, zus. mit Bärbel Beinhauer-Köhler).
Anne Lang ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen.
Besonderen Dank schulden wir Marcel Siepmann, Johanna Hoppen, Lina Klymenko und Eva Schwab für umfangreiche Recherchen und die Durchsicht des Manuskripts; für wichtige Anregungen danken wir Felix Münch und Matthias Wettlaufer. Anne Lang hat die wesentlichen Recherchen und Ausformulierungen zu den Abschnitten über das Projekt Haus der Europäischen Geschichte und den Holodomor geleistet, das gesamte Manuskript ist von ihr mitgestaltet worden.
1 Dazu Remi Brague, Europa, eine exzentrische Identität, Frankfurt am Main 1993; Wolfgang Schmale, Geschichte und Zukunft der Europäischen Identität, Stuttgart 2008; Bo Strath (Hg.), Europe and the Other and Europe as the Other, Brüssel 2000 und Julian Nida-Rümelin/Werner Weidenfeld (Hg.), Europäische Identität: Voraussetzungen und Strategien, Baden-Baden 2007 sowie Jan-Werner-Müller, Verfassungspatriotismus, Berlin 2010. Vgl. Thomas Meyer, Die Identität Europas. Der EU eine Seele?, Frankfurt am Main 2004. Sozialwissenschaftliche Beiträge zu einer neuartigen Europawissenschaft sind: Gunnar Folke Schuppert u.a. (Hg.) Europawissenschaft, Baden-Baden 2005; Maurizio Bach, Europa ohne Gesellschaft. Politische Soziologie der Europäischen Integration, Wiesbaden 2008; Monika Eigmüller/Steffen Mau (Hg.), Gesellschaftstheorie und Europapolitik, Wiesbaden 2010.
2 Das deutsche Wort «geteilt» umfasst die im Englischen unterschiedenen Begriffe «shared» und «divided».
3 Vgl. Jorge Semprún, Niemand wird mehr sagen können: «Ja so war es», 14. April 2005, zit. nach ZEIT-Online, Kultur, No. 16, http://www.zeit.de/2005/16/BefreiungBuchenw_
4 Siehe dazu Dieter Grimm, Der Mangel an europäischer Demokratie, in: Der Spiegel, 43/1992, S. 57–58 und ders., Does Europe Need a Constitution?, in: European Law Journal 1 (1995), S. 282–303; dagegen Jürgen Habermas, Remarks on Dieter Grimm’s ‹Does Europe Need a Constitution?›, in: ebda., S. 303–307 und Joseph Weiler, Does Europe Need a Consitution? Reflections on Demos, Telos and the German Maastricht Decision, in: ebda., S. 219–258. Ähnlich Hagen Schulze, Staat und Nation in der europäischen Geschichte, München 2004, S. 318ff. Vgl. aus soziologischer Sicht Klaus Eder, Integration durch Kultur? Das Paradox der Suche nach einer europäischen Identität, in: Reinhold Viehoff/Rien T. Segers (Hg.), Kultur – Identität – Europa, Frankfurt am Main 1999, S. 147–179.
5 Solche Auffassungen durchziehen die politische Publizistik beispielsweise in England und Polen, exemplarisch dazu eine ältere Publikation von Tony Judt, Große Illusion Europa. Herausforderungen und Gefahren einer Idee, München/Wien 1996.
6 S. dazu aber vor allem S. 63ff., vgl. auch Stefan Troebst, «1945» als europäischer Erinnerungsort?, in: Katrin Hammerstein u.a. (Hg.), Aufarbeitung der Diktatur – Diktat der Aufarbeitung? Normierungsprozesse beim Umgang mit diktatorischer Vergangenheit, Göttingen 2009, S. 195–204.
7 Dazu Mark Mazower, Dark Continent: Europe’s Twentieth Century, New York 1998 und Tony Judt, Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart, Frankfurt am Main 2009, außerdem verweisen wir auf Alexander Kluges Roman Schlachtbeschreibung, Olten/Freiburg 1964. Abgedruckt auch in: ders., Chronik der Gefühle, Bd. 1: Basisgeschichten, Frankfurt am Main 2000, S. 509–793.
8 Dazu jetzt Christian Meier, Das Gebot zu vergessen und die Unabweisbarkeit des Erinnerns: Vom öffentlichen Umgang mit schlimmer Vergangenheit, Berlin 2010.
9 Zum Begriff vgl. den Überblick des International Center for Transitional Justice: http://www.ictj.org/en/tj/, ferner Naomi Roht-Arriaza/Javier Mariezcurrena (Hg.) Transitional Justice in the Twenty-First Century: Beyond Truth versus Justice, Cambridge/Mass. 2006; Susanne Buckley-Zistel, Transitional Justice, Berlin 2007; Martha Minow, Between Vengeance and Forgiveness. Facing History after Genocide and Mass Violence, Boston 1998.
10 Präsentation auf der Konferenz European Identity and the Politics towards the Repressive Past in Madrid, Mai 2010, vgl. auch Stathis N. Kalyvas/Ian Shapiro/Tarek Massoud (Hg.), Order, Conflict, Violence, New York 2008.
11 Alle Friedensverträge nach Kriegen und Bürgerkriegen haben bis ins 20. Jahrhundert hinein entsprechende Klauseln enthalten. Meier (Anm. 8) hat am Vorbild der antiken Amnestiepraxis das Vergessen plausibel und zugleich am Exempel von Auschwitz die Unabweisbarkeit der Erinnerung deutlich gemacht. Das Problem liegt jeweils in der transitiven Form: Erinnern und Vergessen sind spontane Vorgänge des Gedächtnisses; erst andere erinnern oder sie vergessen lassen, bewirkt die Aporien und Verstörungen, die Meier in einem fast lakonischen Durchgang von der ganz alten bis zur jüngsten Geschichte darlegt. Vgl. auch Harald Welzer/Hans J. Markowitsch (Hg.), Warum Menschen sich erinnern können. Fortschritte in der interdisziplinären Gedächtnisforschung, Stuttgart 2006.
12 Vgl. Die Zeit, 15. Mai 2010 und El País, 15. Mai 2010.
13 Wir verwenden das Konzept des europäischen Bürgerkriegs weder wie der rechtsgeneigte Ernst Nolte (Der europäische Bürgerkrieg 1917–1945. Nationalsozialismus und Bolschewismus, 4. Aufl., Frankfurt am Main 1989) noch wie der linksgeneigte Enzo Traverso (Im Bann der Gewalt. Der europäische Bürgerkrieg 1914–1945, München 2008), sondern im Sinne eines europäischen Kommunikationsraumes für die nationale Grenzen überschreitenden Konfliktarenen.
14 Vgl. Christoph Cornelißen/Lutz Klinkhammer/Wolfgang Schwentker (Hg.), Erinnerungskulturen. Deutschland, Italien und Japan im Vergleich seit 1945, Frankfurt am Main 2003 und Troebst (Anm. 6).
15 Vgl. dazu jetzt Timothy Garton Ash, Jahrhundertwende. Weltpolitische Betrachtungen 2001–2010, München 2010. Vgl. auch Stefan Troebst (Hg.), Postdiktatorische Geschichtskulturen im Süden und Osten Europas. Bestandsaufnahme und Forschungsperspektiven, Göttingen 2010.
16 Mit 553 Ja-, 44 Nein-Stimmen und 33 Enthaltungen nahm das Europäische Parlament am 2. April 2009 eine Entschließung «zum Gewissen Europas und zum Totalitarismus» an (http://uese.eu/upld/atc/uese_60.pdf). Der 23. August soll gesamteuropäischer Gedenktag werden. Damit bekunden die Abgeordneten ihren «Respekt für sämtliche Opfer totalitärer und undemokratischer Regime in Europa und bezeugen ihre Hochachtung denjenigen, die gegen Tyrannei und Unterdrückung gekämpft haben». Ziel sei, zu einer gemeinsamen Sicht der Geschichte zu gelangen. Gefordert wird auch die Errichtung einer «gesamteuropäischen Gedenkstätte für die Opfer aller totalitären Regime», die Einrichtung eines Dokumentationszentrums, die Öffnung aller Archive und die Intensivierung der Bildungsanstrengungen in Schulen. Dazu die kritische Stellungnahme von Yehuda Bauer, Memo to the ITF on Comparisons between Nazi Germany and the Soviet regime, o.O, Ms. 2009 (abrufbar unter www.erinnern.at). Der Antrag ist auch unter deutschen Gedenkstätten-Experten umstritten. Zum Hintergrund vgl. das Themenheft Osteuropa «Der Hitler-Stalin-Pakt. Der Krieg und die europäische Erinnerung», Jg. 59, 7-8/2009 und den jüngsten EU-Report (Anm. 324).
17 Ein prominenter Vertreter dieser These ist Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt in seinen publizistischen Beiträgen, etwa in einem ARD-Auftritt am 1. 8. 2010.
18 Erste Versionen dieses Abschnitts hat der Verfasser als Projektleiter im SFB Erinnerungskulturen an der Justus-Liebig-Universität Gießen entwickelt, die in den Zeitschriften Eurozine, Blätter für deutsche und internationale Politik und in Social Research veröffentlicht und an verschiedenen Stellen vorgetragen wurden, vgl. auch Manfred Gieger/Ulrike Gutzmann/Dirk Schlinkert (Hg.), Die Zukunft der Erinnerung. Eine Wolfsburger Tagung, Wolfsburg 2008. Wir danken allen Kollegen und Kolleginnen für ihre Anregungen, insbesondere Stefan Troebst, Siobhan Kattago, Heidemarie Uhl und Wolfgang Schmale für konstruktive Kritik in: Christoph Bieber/Benjamin Drechsel/Anne Lang (Hg.), Kultur im Konflikt. Claus Leggewie revisited, Biefeld 2010, S. 29–64.
19 Im christlichen Kalender liegt der Tag jeweils im April/Mai.
20 Als erste europäische Länder führten Großbritannien und Italien den Gedenktag ein, die Bundesrepublik Deutschland folgte 1996. Öffentliche Gebäude werden auf Halbmast beflaggt, es finden Trauerfeierstunden, Lesungen, Gottesdienste und Bildungsveranstaltungen statt. 2010 sprach Israels Staatspräsident Shimon Peres im Deutschen Bundestag, vgl. www.bundestag.de/kulturundgeschichte/geschichte/gastredner/peres/rede.html. Zur Internationalisierung durch die Vereinten Nationen seit 2005 www.un.org/holocaustremembrance/emainpage.shtml, und www.ushmm.org/museum/exhibit/focus/auschwitz/.
21 Harald Schmid, Europäisierung des Auschwitzgedenkens? Zum Aufstieg des 27. Januar 1945 als «Holocaustgedenktag» in Europa, in: Jan Eckel/Claudia Moisel (Hg.), Universalisierung des Holocaust? Erinnerungskultur und Geschichtspolitik in internationaler Perspektive, Göttingen 2008, S. 174–202.
22 Timothy Garton Ash, Mesomnesie. Plädoyer für ein mittleres Erinnern, in: Transit Winter 2001/2002, S. 32–48, hier S. 33.
23 Bei einem Pogrom im Juli 1946 wurden 42 jüdische Holocaust-Überlebende vom Mob getötet und weitere 80 verletzt, vgl. dazu Jan T. Gross, Fear: Anti-Semitism in Poland After Auschwitz, New York 2006 und FAZ, 10. 6. 2010.
24 Exemplarisch zeigt dies die hitzige Debatte um das Buch von Jan Gross, Nachbarn. Der Mord an den Juden von Jedwabne, München 2001.
25 Harald Welzer (Hg.), Der Krieg der Erinnerung: Holocaust, Kollaboration und Widerstand im europäischen Gedächtnis, Frankfurt am Main 2007; Johannes Hürter/Jürgen Zarusky (Hg.), Besatzung, Kollaboration, Holocaust: neue Studien zur Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden, München 2008 (Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Bd. 97).
26 http://www.bundestag.de/presse/pressemitteilungen/2010/pm_1001227.html.
27 Vgl. die tageszeitung, 25. 5. 2010. Es versteht sich von selbst, dass der Hinweis auf Kollaboration nicht zur Exkulpation der deutschen Verbrechen dienen darf.
28 Nach dem klassischen Zitat von Theodor W. Adorno, Erziehung nach Auschwitz, in: Stichworte. Kritische Modelle 2, Frankfurt am Main 1969, S. 85–101, hier S. 85.
29 Der deutsche UNIFIL-Flottenverband übernahm die Überwachung der libanesischen Seegrenzen.
30 Prononciert dazu Alfred Grosser, Von Auschwitz nach Jerusalem, Reinbek b. Hamburg 2009.
31 Wir verweisen hier auf die regelmäßigen Erhebungen des Zentrums für Antisemitismusforschung/Berlin und von Wilhelm Heitmeyer (Hg.), Deutsche Zustände, Frankfurt am Main 2002ff.
32 Vgl. Doron Rabinovici/Ulrich Speck/Natan Sznaider (Hg.), Neuer Antisemitismus? – Eine globale Debatte, Frankfurt am Main 2004.
33 Vgl. John Mearsheimer/Stephen Walt, The Israel Lobby, in: London Review of Books, 28/2006., 6, S. 3–12, ferner Tony Judt, Israel: The Alternative, in: New York Review of Books 60/2003 S. 16.
34 Vgl. die Erhebungen und Berichte der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) in Wien (1997ff.), die 2007 durch die Errichtung einer EU-Agentur für Grundrechte ersetzt worden ist.
35 Zum Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1994 vgl. Az. 1 BvR 23/94, veröffentlicht in: BVerfGE 90, 241; zur EU-Richtlinie von 2008, dort auch die Fassungen der verschiedenen Lesungen.
36 Zur strafrechtlichen Ahndung der Holocaustleugnung allgemein vgl. Horst Meier, Das Strafrecht gegen die «Auschwitzlüge», in Merkur 48 (1994), 549, S. 1128–1132 und ders., Rechtskolumne. Holocaustgedenken und Staatsräson, in: Merkur 59 (2005), 280, S. 1167–1172. Zur Frage des Einschlusses der Leugnung sowjetkommunistischer Verbrechen vgl. MEP’s: ban hammer, sickle and swastika, in: Baltic Times, 3–9, März 2005, S. 1. Eine übersichtliche Synopse mit Quellenangaben zu den Originaldokumenten unter http://de.wikipedia.org/wiki/Gesetze_gegen_Holocaustleugnung.
37 Vgl. Rat der Europäischen Union, Justiz und Inneres, Beschluss vom 19./20. April 2007, unter https://www.consilium.europa.eu/uedocs/NewsWord/de/jha/93799.doc.
38 Dazu jetzt: Bettina Greiner, Verdrängter Terror. Geschichte und Wahrnehmung sowjetischer Speziallager in Deutschland, Hamburg 2010.
39 Die Thematik wird angeschnitten bei Stefan Troebst, Jalta versus Stalingrad, GULag versus Holocaust. Konfligierende Erinnerungskulturen im größeren Europa, in: Bernd Faulenbauch/Franz-Joseph Jelich (Hg.), «Transformationen» der Erinnerungskulturen in Europa nach 1989, Essen 2006, S. 23–49. Vgl. auch Naimark 2010 (Anm. 52) und Snyder (Anm. 134).
40 Daniel Levy/Natan Sznaider, Erinnerung im globalen Zeitalter: der Holocaust, Frankfurt am Main 2007; Natan Sznaider, Gedächtnisraum Europa. Die Visionen des europäischen Kosmopolitismus. Eine jüdische Perspektive, Bielefeld 2008; anders: Dan Diner, Gegenläufige Gedächtnisse. Über Geltung und Wirkung des Holocaust, Göttingen 2007 und ders., Zeitenschwelle. Gegenwartsfragen an die Geschichte, München 2010.
41 Vgl. Wolfgang Schmale, «Osteuropa»: Zwischen Ende und Neudefinition?, in: José M. Faraldo u.a. (Hg.): Europa im Ostblock. Vorstellungen und Diskurse (1945–1991), Köln u.a. 2008, S. 23–35.
42 Vgl. Stefan Troebst, Postkommunistische Erinnerungskulturen im östlichen Europa. Bestandsaufnahme, Kategorisierung, Periodisierung, Wroclaw 2005.
43 Lev Gudkov, Die Fesseln des Sieges. Russlands Identität aus der Erinnerung an den Krieg, in: Osteuropa 55 (2005), 4–6, S. 56–73. Am 20. April 2009 wurde in der Duma ein Gesetzentwurf «Zur Verhinderung der Rehabilitierung des Nationalsozialismus, der nationalsozialistischen Verbrecher und ihrer Handlanger in den neuen unabhängigen Staaten auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR» eingebracht, der drastische Sanktionen gegen Individuen, Organisationen und Staaten vorsieht, die des ominösen Strafbestands der «Rehabilitierung» für schuldig befunden werden. Am 20. Mai 2009 ordnete Präsident Medvedev per Dekret die Bildung einer entsprechenden «Kommission beim Präsidenten der Russländischen Föderation zur Verhinderung von Versuchen der Geschichtsfälschung zum Nachteil der Interessen Russlands» an.
44 Das neokommunistische Revival, das derzeit von postkommunistischen Intellektuellen wie Slavoj Žižek, Antonio Negri oder Alain Badiou veranstaltet wird, wirkt auch in dieser Geschichtsblindheit bizarr, vgl. Micha Brumlik, Neoleninismus in der Postdemokratie, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, H. 8 (2010), S. 105–16.
45 Vgl. etwa die frühen Arbeiten von Götz Aly/Susanne Heim/Miroslav Karny (Hg.), Sozialpolitik und Judenvernichtung. Gibt es eine Ökonomie der Endlösung? Berlin 1987 und Naimark (Anm. 52).
46 Norman Naimark, Flammender Hass. Ethnische Säuberungen im 20. Jahrhundert, München 2004, definiert sie als europäisches Phänomen des 20. Jahrhunderts am Beispiel des Armenier-Genozids, des Holocaust, der sowjetischen Deportationen im Kaukasus, der Vertreibung der Deutschen nach 1945 und dem Krieg im früheren Jugoslawien. Im Anschluss daran definiert Holm Sundhaussen in dem grundlegenden Werk von Detlef Brandes/Holm Sundhaussen/Stefan Troebst (Hg.), Lexikon der Vertreibungen. Deportation, Zwangsaussiedlung und ethnische Säuberung im Europa des 20. Jahrhunderts, Wien 2010, S. 231 ethnische Säuberungen als «die von einem modernen Staat oder Para-Staat und seinen Akteuren initiierten und ausgeführten, ermunterten oder geduldeten Maßnahmen, die darauf abzielen, eine aufgrund ihrer Ethnizität als ‹fremd›, ‹bedrohlich›, oft auch als ‹minderwertig› stigmatisierte Bevölkerungsgruppe von einem bestimmten Territorium zu entfernen, einschließlich all dessen, was an ihre bisherige Präsenz erinnern könnte».
47 Das Europäische Netzwerk wurde 1999 als deutsch-polnische Initiative und Gegenentwurf zum «Zentrum gegen Vertreibungen» des Bundes der Vertriebenen ins Leben gerufen, vgl. dazu Stefan Troebst (Hg.), Vertreibungsdiskurs und Europäische Erinnerungskultur. Deutsch-polnische Initiativen zur Institutionalisierung. Eine Dokumentation, Osnabrück 2006. Vgl. auch Dieter Bingen/Włodzimierz Borodziej/Stefan Troebst (Hg.) Vertreibungen europäisch erinnern? Historische Erfahrungen, Wiesbaden 2003.
48 Umfassend dokumentiert bei Zeitgeschichte-online, Thema: Die Erinnerung an Flucht und Vertreibung, Januar 2004, http://www.zeitgeschichteonline.de/site/40208192/default.aspx, dort auch eine Bibliographie. Vgl. www.z-g-v.de und die Ausstellung Erzwungene Wege. Flucht und Vertreibung im Europa des 20. Jahrhunderts, Berlin – Wiesbaden 2006.
49 Vgl. die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen Erika Steinbach zum 60. Jahrestag der Heimatvertriebenen-Charta im Interview mit dem Deutschlandfunk, www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1241102/ vom 5. 8. 2010.
50 Deutsche Ausgabe: Histoire/Geschichte – Europa und die Welt seit 1945, Leipzig 2006 (Gymnasiale Oberstufe/(11.–13. Klasse); französische Ausgabe: Histoire/Geschichte – L’Europe et le monde depuis 1945, Paris 2006 (Classe de terminale/BAC). Vgl. jetzt aber die Empfehlungen des deutsch-polnischen Steuerungs- und Expertenrats «Schulbuch Geschichte. Ein deutsch-polnisches Projekt» vom 1. Dezember 2010, http://www.gei.de/fileadmin/bilder/pdf/Projekte/Schulbuch%20Geschichte.%20Ein%20deutsch-polnisches%20Projekt-Empfehlungen.pdf. Zur Deutsch-Tschechischen und Deutsch-Slowakischen Historikerkommission vgl. http:www.dt-ds-historikerkommission.de.
51 Vgl. aber Stefan Troebst, Europäisierung der Vertreibungserinnerung? Eine deutsch-polnische Chronique scandaleuse 2002–2007, in: Martin Aust/Krzysztof Ruchniewicz/Stefan Troebst (Hg.), Verflochtene Erinnerungen. Polen und seine Nachbarn im 19. und 20. Jahrhundert. Köln, Weimar, Wien 2009, S. 245–274.
52 Vgl. William A. Schabas, Der Genozid im Völkerrecht, Hamburg 2003 und Frank Selbmann, Der Tatbestand des Genozids im Völkerstrafrecht, Leipzig 2003, ferner Boris Barth, Genozid. Völkermord im 20. Jahrhundert. Geschichte, Theorien, Kontroversen, München 2006 und Mihran Dabag/Kristin Platt, Genozid und Moderne, Opladen 1998 sowie Jacques Sémelin, Säubern und Vernichten. Die Politik der Massaker und Völkermorde, Hamburg 2007 und Yves Ternon, Der verbrecherische Staat. Völkermord im 20. Jahrhundert, Hamburg 1996, zuletzt aber auch Norman Naimark, Stalin’s Genocides, Princeton 2010.
53 Vgl. Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP (Drucksache 15/5689), 15. 6. 2005; Protokoll der Bundestagsdebatte, Tagesordnungspunkt 6, 21. 4. 2005, Drucksache 15/4933 sowie Aschot Manutscharjan, Eine äußerst sperrige Last der Erinnerung, in: Das Parlament 16, 18. 4. 2005; genauer S. 114ff.
54 Dokumentiert in: Claus Leggewie (Hg.), Die Türkei und Europa. Die Positionen, Frankfurt am Main 2004.
55 Das Wort setzt sich aus den zwei ukrainischen Wörtern «Holod» (Hunger) und «Mor» (Tod, Seuche) zusammen. «Holodomor» (russ. Golodomor) heißt wörtlich «Hungertod», mit Holocaust besteht kein etymologischer Zusammenhang.
56 Sylvia Paletschek, Der Weihnachtsfrieden 1914 und der Erste Weltkrieg als neuer (west)europäischer Erinnerungsort. Epilog, in: Barbara Korte/Sylvia Paletschek/Wolfgang Hochbruck (Hg.), Der Erste Weltkrieg in der populären Erinnerungskultur, Essen 2008, S. 213–219, hier S. 216.
57 Vgl. exemplarisch Małgorzata Ruchniewicz/Krzysztof Ruchniewicz: Katyn 1940, in: Gerd R. Ueberschär (Hg.), Orte des Grauens. Verbrechen im Zweiten Weltkrieg, Darmstadt 2003; George Sanford, The Katyn Massacre and Polish-Soviet Relations, 1941–43, in: Journal of Contemporary History 41 (2006), S. 95–111 und Victor Zaslavsky, Klassensäuberung. Das Massaker von Katyn, Berlin 2007.
58 Benjamin Drechsel, The Berlin Wall from a visual perspective: comments on the construction of a political media icon, in: Visual Communication 1 (2010), S. 3–24.
59 Vgl. das in die französische Nationalversammlung eingebrachte Gesetz vom 23. Mai 2005. http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Frankreich/kolonialismus.html; genauer S. 153ff.
60 Überblick bei Andreas Eckert, Der Kolonialismus im europäischen Gedächtnis, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 1–2/2008, S. 31–38.
61 So die These von Rosa Amelia Plumelle-Uribe, Weiße Barbarei. Vom Kolonialrassismus zur Rassenpolitik der Nazis, Zürich 2004.
62 Nadja Vuckovic, Qui demande des réparations et pour quels crimes?, in: Marc Ferro (Hg.), Le livre noir du colonialisme, Paris 2003, S. 1023–1056.
63 Die deutsche Kolonialpolitik steht hier trotz ihrer Besonderheiten exemplarisch für die Politik anderer europäischer Staaten. Vgl. zum Überblick: Sebastian Conrad, Deutsche Kolonialgeschichte, München 2008 und Winfried Speitkamp, Deutsche Kolonialgeschichte, Stuttgart 2005 sowie Birthe Kundrus (Hg.), Phantasiereiche. Zur Kulturgeschichte des deutschen Kolonialismus, Frankfurt am Main 2003.
64 Zit. nach Horst Drechsler, Südwestafrika unter deutscher Kolonialherrschaft. Der Kampf der Herero und Nama gegen den deutschen Imperialismus (1884–1915), 2. Aufl., Berlin 1984, S. 156; vgl. auch den berüchtigten Aufruf an das Volk der Herero in Michael Behnen (Hg.), Quellen zur deutschen Außenpolitik im Zeitalter des Imperialismus 1890–1911, Darmstadt 1977, S. 291ff. Dominik J. Schaller: «Ich glaube, dass die Nation als solche vernichtet werden muss»: Kolonialkrieg und Völkermord in «Deutsch-Südwestafrika» 1904–1907, in: Journal of Genocide Research 6:3; Jürgen Zimmerer/Joachim Zeller (Hg.), Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. Der Kolonialkrieg (1904–1908) in Namibia und seine Folgen, Berlin 2003 sowie Jürgen Zimmerer, Deutsche Herrschaft über Afrikaner. Staatlicher Machtanspruch und Wirklichkeit im kolonialen Namibia, Hamburg 2001.
65 Jürgen Zimmerer, Entschädigung für Herero und Nama, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 6/2005, S. 658–660.
66 die tageszeitung, 12. 7. 2010.
67 EPD-Mitteilung, 6. 10. 2006.
68 Wegweisend war hier: Viola Georgi, Entliehene Erinnerung. Geschichtsbilder junger Migranten in Deutschland, Hamburg 2003, vgl. auch dies./Rainer Ohliger, Crossover Geschichte. Historisches Bewusstsein Jugendlicher in der Einwanderungsgesellschaft, Hamburg 2009.
69 Als bereits ergänzungsbedürftigen Überblick vgl. Daniele Albertazzi/Duncan McDowell (Hg.), Twenty-First Century Populism. The Spectre of Western European Democracy, Basingstoke 2008.
70 Zur Terminologie vgl. den guten Artikel in http://de.wikipedia.org/wiki/Roma.
71 Dazu Rüdiger Vossen, Zigeuner. Roma, Sinti, Gitanos, Gypsies. Zwischen Verfolgung und Romantisierung, Frankfurt am Main 1983.
72 Vgl. dazu Rombase, Online-Enzyklopädie der Universität Graz und David M. Crowe, A History of the Gypsies of Eastern Europe and Russia, New York 1996.
73 Gegründet 1982 mit Sitz in Heidelberg. Es muss daran erinnert werden, dass diese Initiative unter anderem darauf zurückzuführen ist, dass 1972 in Heidelberg der Sinto Anton Lehmann von einem Polizisten erschossen wurde und Bürgerrechtler wie der gegenwärtige Zentralrats-Vorsitzende Romani Rose sich seinerzeit erhoben. Weitere Interessenverbände sind die Rom und Cinti Union (Hamburg) und die Roma-Union-Frankfurt, die stärker die in den letzten Jahrzehnten in die Bundesrepublik eingewanderten Roma vertreten, ferner die Sinti Allianz Deutschland (Köln), die Roma Union Grenzland (Aachen), den Rom e. V. (Köln) und den Förderverein Roma (Frankfurt a. M.). Bürgerkriegsflüchtlinge vertritt das Centre of Integration, Affirmation and Emancipation of the Roma in Germany – Roma-Union e. V. (Essen).
74 Gazeta Wyborcza, 8. 5. 1999; zu dem ganzen Komplex jetzt Stefan Troebst (Hg.), Postdiktatorische Geschichtskulturen im Süden und Osten Europas. Bestandsaufnahme und Forschungsperspektiven, Göttingen 2010.
75 Zit. nach Die Welt, 7. 6. 2005.
76 Darunter verstehen wir eine Kombination aus Literaturrecherche, Lokaltermin und reflexiver Analyse, vgl. Ash (Anm. 16).
77 Pierre Nora (Hg.), Les lieux de mémoire, 7 Bde., Paris 1984–1992, vgl. auch ders., Zwischen Geschichte und Gedächtnis, Berlin 1990.
78 Nora 1990, S. 7, die folgenden Zitate ebda., S. 26 und 16.
79 Jens Kroh/Anne Lang, Erinnerungsorte, in: Christian Gudehus/Arianne Eichenberg/Harald Welzer (Hg.), Gedächtnis und Erinnerung. Ein interdisziplinäres Handbuch, Stuttgart 2010, S. 184–188.
80 Eine Alternative bietet die subnationale Ebene: Der Faktor räumliche Nähe ermöglicht Bürgerinnen und Bürgern eine im Vergleich zu Nation und Europa häufigere und intensivere Erfahrbarkeit von Erinnerungsorten; allerdings befinden sich auch örtliche, städtische und regionale Erinnerungsgemeinschaften durch geographische Mobilität und Arbeitsmigration in einem Zustand permanenter Fragilität. Vgl. Krohl/Lang (Anm. 79)
81 Nach Remi Bragues (Anm. 1) treffender Einschätzung, dass Europas Herkunft «exzentrisch» (nämlich im heutigen Vorderasien angesiedelt) sei und Europas Wirkung «exterritorial» auf den gesamten Westen und den Globus ausgestrahlt habe.
82 Étienne François, Europäische lieux de mémoire, in: Gunilla Budde u.a. (Hg.), Transnationale Geschichte. Themen, Tendenzen und Theorien, Göttingen 2006, S. 290–303, hier S. 302. Vgl. ferner Birgit Schwelling, Das Gedächtnis Europas. Eine Diagnose, in: Timm Beichelt (Hg.), Europa-Studien: Eine Einführung, Wiesbaden 2006, S. 81–94; Étienne François, Geteilte Erinnerungsorte, europäische Erinnerungsorte. in: Robert Born (Hg.), Visuelle Erinnerungskulturen und Geschichtskonstruktionen in Deutschland und Polen 1800 bis 1939, Warschau 2006, S. 15–31; Benoît Majerus/Sonja Kmec/Michel Margue/Pit Péporté (Hg.), Dépasser le cadre national des «Lieux de mémoire»/Nationale Erinnerungsorte hinterfragt, Brüssel 2009.
83 Levy/Sznaider (Anm. 40) sehen vor allem seine universelle und transnationale Dimension, so dass er kein genuin europäischer Erinnerungsort wäre. Vgl. auch Jens Kroh, Transnationale Erinnerung. Der Holocaust im Fokus geschichtspolitischer Initiativen. Frankfurt am Main 2008 und ders., Europäische Innenpolitik? Die Stockholmer «Holocaust-Konferenz» und die diplomatischen Maßnahmen der «EU der 14» gegen Österreich, in: Katrin Hammerstein/Ulrich Mählert/Julie Trappe/Edgar Wolfrum (Hg.), Aufarbeitung der Diktatur – Diktat der Aufarbeitung? Normierungsprozesse beim Umgang mit diktatorischer Vergangenheit, Heidelberg 2009, S. 204–214.
84 Das Dilemma eines europäischen Gedächtnisses, in: Zeitgeschichte online, Abschnitt 6, http://www.zeithistorische-forschungen.de/site/40208268/default.aspx.
85 Die theoretischen Prämissen dieser Hypothese sind konfliktsoziologischer Natur und können hier nicht genauer dargelegt werden. Vgl. dazu grundlegend Georg Simmel, Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung (zuerst 1908), Gesamtausgabe, Bd. 11, Frankfurt am Main 1992, darin das für den hier vertretenen Ansatz zentrale Kapitel: Der Streit, ferner den Exkurs über den Fremden. Vgl. auch Gerd Nollmann, Konflikte in Interaktion, Gruppe und Organisation. Zur Konfliktsoziologie der modernen Gesellschaft, Opladen 1997. Albert Hirschmans Konzept teilbarer Konflikte verfolgt auch Helmut Dubiel, Niemand ist frei von der Geschichte: Die nationalsozialistische Herrschaft in den Debatten des Deutschen Bundestages, München 1999.
86 Vgl. Dubiel 1999 (Anm. 85).
87 Eindrucksvoll und beispielgebend dazu Katarina Bader, Jureks Erben. Vom Weiterleben nach dem Überleben, Köln 2010.
88 Claus Leggewie/Erik Meyer, «Ein Ort, an den man gerne geht». Das Holocaust-Mahnmal und die deutsche Geschichtspolitik nach 1989, München 2005.
89 Hans-Peter Schwarz, Die neueste Zeitgeschichte. «Geschichte schreiben, während sie noch qualmt», in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 51 (2003), S. 5–28 (nach Barbara Tuchman).
90 Aljoscha ist ein Kosename von Aleksej. Er könnte eine Anlehnung an den tragischen Helden Aljoscha Skvortsov aus dem russischen Kriegsdrama der Tauwetterperiode «Ballada o soldate» (Die Ballade vom Soldaten, 1959) sein, der wegen seiner Tapferkeit im Krieg ausgezeichnet wurde, aber nie aus diesem zurückkehrte.
91 Als Überblick zu der Debatte zum 8/9. Mai 1945 siehe den Sammelband: Erinnerung und Geschichte. 60 Jahre nach dem 8. Mai, hg. von Rudolf von Thadden und Steffen Kaudelka, Göttingen 2006.
92 Zum estnischen Konflikt um den «Bronzenen Soldaten», die Vorgeschichte des «Kriegs der Denkmäler» in Estland und die darauf folgende internationale Auseinandersetzung vgl. Felix Münch, Diskriminierung durch Geschichte? Die Auseinandersetzung um den «Bronzenen Soldaten» im geschichtspolitischen Diskurs des postsowjetischen Estland, Marburg 2008.
93 Vgl. Siobhan Kattago, «War Memorials and the Politics of Memory: The Soviet War Memorial in Tallin» in: Constellations: An International Journal of Critical and Democratic Theory, März 2009, S. 149–165. Zur Bedeutung wirtschaftlicher Anpassung und ökonomischer Hinorientierung zur «westlichen» Marktwirtschaft der osteuropäischen Staaten nach 1989 vgl. vor allem: Harold James, Geschichte Europas im 20. Jahrhundert. Fall und Aufstieg 1914–2001, München 2004, S. 425ff.
94 «The first major step in relation to the removal of Soviet symbols was the reversion of thousands of street names to their original designations after they had been changed by the Soviets to reflect communist ideology. […] This process began already in 1989 in the second-largest university town of Tartu», Vello Pettai/Eva-Clarita Onken, Estonia, in: Totalitarian Crimes Project 2009, S. 36.
95 Vgl. zur Geschichte des russischen Umgangs mit dem Zusatzprotokoll: Tatjana Timofeeva, «Ob gut, ob schlecht, das ist Geschichte». Russlands Umgang mit dem Molotov-Ribbentrop-Pakt, in: Osteuropa, 59 (2009), 7–8, S. 257–271.
96 Vgl. Kattago 2009 (Anm. 93). Das gilt selbst für die Russen, die Opfer des Stalinschen Terrors geworden waren. «Am 9. Mai wird der Sieg des Imperiums gefeiert und das armselige und traurige Leben von Millionen aufgewertet. Diese Form der öffentlich inszenierten Erinnerung schafft Einigkeit, sie erfüllt bisweilen selbst die ehemaligen Häftlinge mit patriotischem Stolz auf das Geleistete. Die Opfer bekommen Anerkennung, die Herrscher können mit einem Identifikationssystem operieren, das Zustimmung nicht mehr mit nackter Gewalt erzwingen muss», beschreibt Jörg Baberowski den Erinnerungsdeal im postsowjetischen Russland (Politisches Feuilleton, DRadio Kultur, 9. 11. 2010), vgl. auch ders., Der Rote Terror. Die Geschichte des Stalinismus, dritte Auflage, Frankfurt am Main 2007.
97 Vgl. Münch 2008 (Anm. 92), S. 38f.
98 http://www.laender-analysen.de/russland/pdf/Russlandanalysen134.pdf. S. 4.
99 Vgl. www.aktuell.ru: Iwanow fordert Boykott estnischer Waren, 3. 4. 2007.
100 Vgl. Münch 2008 (Anm. 92), S. 48; 51.
101 http://www.laender-analysen.de/russland/pdf/Russlandanalysen196.pdf.
102 Vgl. Der Spiegel 26/2007, Interview mit Toomas Hendrik Ilves. Unter http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-52032633.html. Nach Kenntnisstand der AutorInnen ist allerdings bis heute nicht belegt, wer hinter diesen Angriffen stand und ob sie tatsächlich, wie teilweise behauptet, von offizieller russischer Seite koordiniert wurden.
103 Vgl. die tageszeitung, 26./27.4. 2008.
104 Vgl. Claus Leggewie, Ende und Anfang des Leids. Der 9. Mai: Europas gespaltene Erinnerung, in: Süddeutsche Zeitung, 7. Mai 2005.
105 Itar-Tass vom 27. 4. 2007, unter http://www.itar-tass.com/eng/level2.html?NewsID=11478851&PageNum=0.
106 Vgl. hierzu Sergej Slutsch, Macht und Terror in der Sowjetunion, in: Verbrechen erinnern. Die Auseinandersetzung mit Holocaust und Völkermord, Bonn 2005, S. 111–123.
107 Vgl. beispielsweise Johannes Voswinkel, Verirrter Patriotismus, Zeit online 9. 5. 2008.
108 Vgl. Sonja Zekri, Stolzer Blick nach Stalingrad. Der Sieg über Nazi-Deutschland prägt auch 65 Jahre danach noch das nationale Bewusstsein in Russland, in: Süddeutsche Zeitung, 8. Mai 2010, S. 10.
109 Vgl. Adam Krzeminski, Operation Versöhnung. Siebzig Jahre nach den Morden von Katyn bekennt sich Russland zu seiner Schuld. Warum liegt Putin plötzlich die Aussöhnung mit Polen am Herzen?, in: Die Zeit, 31. 3. 2010.
110 Vgl. Lev Gudkov, Die Fesseln des Sieges. Russlands Identität aus der Erinnerung an den Krieg, unter: http://www.eurozine.com/articles/articles_2005–05–03-gudkov-de.html; auch Sonja Zekri, Schön geredet. Eine Internetumfrage in Russland macht Stalin zum Volkshelden in: Süddeutsche Zeitung, 9. Juli 2008.
111 Vgl. Umfrage des Lavada-Zentrums: http://www.levada.ru/press/2009090404.html; für weitere Umfragen vgl. Russland-Analysen 196/2010 http://www.laender-analysen.de/russland/pdf/Russlandanalysen196.pdf.
112 http://www2.la.lv/lat/latvijas_avize/jaunakaja_numura/komentari.viedokli/?doc=71147; http://www2.la.lv/lat/latvijas_avize/jaunakaja_numura/komentari..viedokli/?doc=71446.
113 Vgl. Bernhard Giesen, (Anm. 94) Triumph und Trauma, Boulder 2004.
114 Vgl. Pettai/Onken 2009 (Anm. 94), S. 42
115 Zit. nach Felix Münch 2008 (Anm. 92), S. 62.
116 Vgl. Ene Kõresaar, Zwei Ausstellungen über den Zweiten Weltkrieg im Estnischen Museum für Geschichte (Tallinn): Notizen zur Dynamik der Erinnerungskultur, in: Olga Kurilo (Hg.), Der Zweite Weltkrieg im Museum: Kontinuität und Wandel, Berlin 2007, S. 83–102.
117 Ahonen verbrachte wegen «Antisowjetischer Propaganda» fünf Jahre in Arbeitslagern, gründete die Estnische Nationale Freiheitspartei und organisierte 1988 die erste Massendemonstration in der Geschichte des Landes. Selbst in den liberaleren Zeiten Ende der 1980er Jahre wurde er drangsaliert und verbrachte insgesamt zehn Jahre im Exil. http://www.zeit.de/2011/28/200128_estland.xml.
118 Carsten Brüggemann, «Wir brauchen viele Geschichten.» Estland und seine Geschichte auf dem Weg nach Europa?, in: Helmut Altrichter (Hg.), GegenErinnerung. Geschichte als politisches Argument, Oldenburg 2006, S. 27–50, hier S. 42–45.
119 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. Juli 2007
120 Vgl. Walter M. Iber/Peter Ruggenthaler, Drei Besatzungen unter zwei Diktaturen. Eine vorläufige Bilanz der Forschungsarbeiten der internationalen Historikerkommissionen in Lettland, Litauen und Estland, in: Herrmann Weber (Hg.), Jahrbuch für historische Kommunismusforschung, Berlin 2007, S. 276–296, hier, S. 280f.
121 Pille Petersoo, Reconsidering otherness: constructing Estonian identity, in: Nations and Nationalism 13/2007, S. 117–133.
122 Kattago 2009 (Anm. 93).
123 Carsten Brüggemann (Anm. 118), S. 48.
124 http://www.eurozine.com/articles/2007–05–10-zhurzhenkoen.html.
125 Zur generellen Problematik der Nichtbeachtung der osteuropäischen Geschichte in Westeuropa vgl. Hartmut Kaelble, Europäische Geschichte aus westeuropäischer Sicht?, in: Gunilla Budde/Oliver Janz/Sebastian Conrad (Hg.), Transnationale Geschichte. Themen, Tendenzen und Theorien, Göttingen 2006, S. 105–116 und Heinrich August Winkler, Erinnerungswelten im Widerstreit. Europas langer Weg zu einem gemeinsamen Bild vom Jahrhundert der Extreme, in: ders., Auf ewig in Hitlers Schatten? Über die Deutschen und ihre Geschichte, München 2007, S. 168–179.
126 Vgl. Hans-Ulrich Wehler (2008): Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Fünfter Band. Bundesrepublik und DDR 1949–1990, München, S. 279.
127 Tony Judt, Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart, Frankfurt am Main 2009, S. 956.
128 Ebda. S. 957.
129 Yosef Govrin (2003), Anti-Semitic Trends In Post-Communist Eastern European States – An Overview, http://www.jcpa.org/phas/phas-govrin-f03.htm.
130 Vgl. ebda.
131 Pettai/Onken 2009 (Anm. 94), S. 40.
132 Ebda.
133 Vgl. Franziska Jahn, Riga-Kaiserwald – Stammlager, in: Wolfgang Benz/Barbara Distel (Hg.), Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Bd. 8, München 2008, S. 17–65, hier S. 18.
134 Timothy Snyder, Bloodlands, Europe between Hitler and Stalin, New York 2010.
135 Vgl. Der Spiegel, 24. 3. 2004. Die Auseinandersetzung ist ausführlich dokumentiert in: Claus Leggewie, Totalitäre Erfahrung und europäische Erinnerung. Das Beispiel Lettland, SWR Abendstudio, 8. 5. 2007.
136 Interview in die tageszeitung, 6. Mai 2004 dort auch das folgende Zitat.
137 Sandra Kalniete, Mit Ballschuhen im sibirischen Schnee, München 2004 (zuerst Lettisch 2001).
138 Südddeutsche Zeitung, 2. 3. 2010. Zu Funktion und Aufbau des ICTY vgl. www.icty.org/ und Robert Heinsch, Die Weiterentwicklung des humanitären Völkerrechts durch die Strafgerichtshöfe für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda, Berlin 2007.
139 Vgl. Jean Burgess/Joshua Green, YouTube: Online Video and Participatory Culture, Oxford 2009. Zu den Potenzialen des Web 2.0 als erinnerungskulturellem Medium vgl. Erik Meyer (Hg.), Erinnerungskultur 2.0: Kommemorative Kommunikation in digitalen Medien, Frankfurt am Main 2009.
140 Zum gesamten Komplex nun Dunja Melcic (Hg.), Der Jugoslawien-Krieg: Handbuch zu Vorgeschichte, Verlauf und Konsequenzen, 2. Aufl., Wiesbaden 2007.
141 Zum Begriff s. Anm. 145. Die folgenden Daten entnehmen wir einem anderen Onlineauftritt dem Sarajewo-Artikel der Wikipedia.
142 Vgl. beispielsweise Die Welt, 23. 7. 2008, FAZ, 10. 7. 2010, Süddeutsche Zeitung, 25. 10. 2010.
143 ICTY Transcript Monday, 1 March 2010, S. 808. http://www.icty.org/x/cases/Karadžić/trans/en/100301IT.htm.
144 Ebda., S. 814f.
145 Art. Ethnische Säuberung in: Brandes, Detlef/Sundhaussen, Holm/Troebst, Stefan: Lexikon der Vertreibungen. Deportation, Zwangsaussiedlung und ethnische Säuberung im Europa des 20. Jahrhunderts, Wien 2010, S. 229ff.
146 Werner Sollors, Beyond Ethnicity. Consent and Descent in American Culture, New York/London 1986.
147 Zu verweisen ist hier auf die grundlegende Studie zur «paranoischen Vernunft» von Manfred Schneider, Das Attentat, Berlin 2010. Das Dispositiv des (individuellen) politischen Mordes ähnelt in vieler Hinsicht dem kollektiven «Vernunftwahn» der ethnischen Säuberung.
148 Vgl. die heute gespenstisch wirkenden Fotografien aus dieser Zeit in der Ausstellung von Milomir Kovačević, Katalog STRAŠNIZBORI 1990, Katalog, Sarajevo 2010.
149 Julija Bogoeva/Caroline Fetscher (Hg.), Srebrenica. Ein Prozess. Dokumente aus dem Verfahren gegen General Radislav Krstic vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag, Frankfurt am Main 2002.
150 Vgl. die ausgezeichnete Studie von Sylvie Matton, Srebrenica. Un génocide annoncé, Paris 2005.
151 Bilder wie diese haben seinerzeit die Interventionsbereitschaft der westlichen Mächte erhöht, vgl. allgemein zum Thema Gerhard Paul, Bilder des Krieges – Kriege der Bilder: Die Visualisierung des Krieges in der Moderne, München 2004 und Susan Sontag, Die Leiden anderer betrachten, Frankfurt am Main 2005.
152 Sie kommt interessanterweise in diesem Fall aus dem linken, antifaschistischen oder «antideutschen» Lager.
153 Gegen die verbreitete Praxis der Schul-Apartheid, die zum Beispiel kroatische und bosniakische Schülerinnen und Schüler in getrennte Schulklassen unter einem Schuldach kanalisiert, wendet sich der Verein «Schüler helfen leben»; im März 2010 wurde der Film «Zwei Schulen unter einem Dach» in Sarajevo uraufgeführt.
154 Thomas Brey, Keine Aussöhnung in Ex-Jugoslawien. Führende Politiker tun alles, um die anderen Nationen zu dämonisieren – Kalter Friede auf dem Balkan, DPA, in: www.oberpfalznetz.de/zeitung/2199687-100-keine_aussoehnung_in_ex_jugoslawien,1,0.html.
155 Der Standard, 31. März 2010.
156 Eine kritische Bilanz zieht Simone Schuller, Versöhnung durch strafrechtliche Aufarbeitung? Die Verfolgung von Kriegsverbrechen in Bosnien und Herzegowina, Frankfurt am Main 2010, die vor allem moniert, dass die lokale Bevölkerung nicht in den Prozess der Transitional Justice einbezogen wird. Zu den Schwierigkeiten der Staatsbildung von außen vgl. Berit Bliesemann de Guevara/Florian P. Kühn, Illusion Statebuilding. Warum sich der westliche Staat so schwer exportieren lässt, Hamburg 2010, S. 76ff.
157 Laut Statistischem Bundesamt 2008 leben in Deutschland 223.056 kroatische Staatsangehörige, hinzu kommen 156.804 Staatsbürger von Bosnien und Herzegowina mit kroatischer Abstammung. Gemäß der kroatischen katholischen Mission leben in Deutschland ca. 305.000 katholische Kroaten. Der Kroatische Weltkongress in der Bundesrepublik Deutschland (KWKD) spricht von ca. 400.000 Kroaten. In Deutschland lebt die größte Zahl serbischer Auswanderer und deren Nachkommen weltweit, etwa 700.000, davon 200.000 aus dem Kosovo. Damit sind die Deutsch-Serben gleich nach den Deutsch-Türken die zweitgrößte nicht-deutschstämmige Bevölkerungsgruppe in der Bundesrepublik Deutschland.
158 Petar Dragišić, Ein Volk unterwegs. Migranten aus Serbien 1971–2002, in: Themenportal Europäische Geschichte (2010), http://www.europa.clio-online.de/2010/Article=447.
159 Die Welt im Balkanspiegel: Das Agieren der Großmächte, in: Melcic (Anm. 140), S. 164.
160 Dazu jetzt Lejla Starcevic-Srkalovic, The Democratization Process in Post-Dayton Bosnia and Herzegovina and the Role of the European Union, Baden-Baden 2010.
161 Art. 301 geht auf den seither schon mehrfach veränderten Art. 159 des türkischen StGB von 1936 zurück, dazu Silvia Tellenbach (Hg.), Das neue türkische Straf- und Strafprozessrecht, Berlin 2008.
162 Da das türkische Strafrecht in den 1920er Jahren wesentlich auf das italienische Strafgesetzbuch zurückgriff, handelt es sich hier um eine Übertragung des Begriffs vilipendio. Vilipendere heißt jemanden (öffentlich) beleidigen, verhöhnen oder verunglimpfen, hier: die (italienische bzw. türkische) Nation als Ganze.
163 nach: http://de.wikipedia.org/Artikel_301
164 Bis 2002 lautete Art. 159: «Wer das Türkentum, die Republik, die Große Nationalversammlung, die geistige Persönlichkeit der Regierung, die Ministerien, die Streit- und Sicherheitskräfte oder die geistige Persönlichkeit der Justiz öffentlich beleidigt und verhöhnt, wird zu Gefängnis von einem bis zu drei Jahren verurteilt. (…) Wird das Türkentum von einem Türken im Ausland verhöhnt, wird die zu verhängende Strafe um ein Drittel bis um die Hälfte erhöht.»
165 Wegen ihres Romans «Der Bastard von Istanbul» (dt. Frankfurt am Main 2007). Sie wurde im September 2006 freigesprochen, da nach Abs. 3 «Meinungsäußerungen, die mit der Absicht der Kritik erfolgt sind, … keine Straftat dar(stellen)».
166 Die kurdische Anwältin und Aktivistin wurde angeklagt wegen eines Artikels im Berliner Tagesspiegel vom 24. Juni 2006, in dem sie die Vormachtstellung der türkischen Armee kritisiert hatte; ihr ging es vor allem um die sexuelle Gewalt seitens staatlicher Sicherheitsorgane gegen kurdische Frauen.
167 Zutreffende Kritik an der unzureichenden Liberalisierung, die Meinungsfreiheit und Justizkontrolle einfügt, übt Bülent Algan, The Brand New Version of Article 301 of Turkish Penal Code and the Future of Freedom of Expression Cases in Turkey, in: German Law Journal, Bd. 9 (2008), 12, S. 2237–2251. Zu erwähnen ist, dass eine ganze Reihe anderer Artikel im türkischen Strafrecht (§ 216, 288 und 318) und vor allem die Anti-Terror-Gesetze die Meinungsfreiheit ebenfalls stark einschränken.
168 Die Historikerdebatte in der Türkei beleuchtet Hamit Bozarslan, Der Genozid an den Armeniern als Herausforderung: Erinnerung, nationale Identität und Geschichtsschreibung in der Türkei, in: Kirstin Buchinger/Claire Gantet/Jakob Vogel (Hg.), Europäische Erinnerungsräume, Frankfurt am Main 2009, S. 267–280, dort auch die türkischen Quellen.
169 Dazu jetzt Seyhan Bayraktar, Politik und Erinnerung. Der Diskurs über den Armeniermord in der Türkei zwischen Nationalismus und Europäisierung, Bielefeld 2010. Als nicht-türkische Autorität wird oft der Islamwissenschaftler Bernard Lewis zitiert, vgl. sein Buch The Emergence of Modern Turkey, 3. (veränderte) Auflage, New York 2002 und seinen Beitrag für Le Monde, 1. 1. 1994.
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