Über die Autorin

Stefanie Schütte ist seit über 15 Jahren Modekorrespondentin bei der Deutschen Presse-Agentur (dpa) und berichtet regelmäßig von den Laufstegen der internationalen Modeszene sowie über aktuelle Modetrends. Im Verlag C.H.Beck sind von ihr erschienen: Magisch angezogen. Mode, Medien, Markenwelten (mit Susanne Becker, 1999) und Die großen Modedesignerinnen. Von Coco Chanel bis Miuccia Prada (22007).

Dank

an Hendrik Ballhausen, Andrea Barthélemy, Martin Bialecki, Nadja Greven, F. C. Gundlach, Rolf Hunsinger, Elisabeth und Michael Illies, Alfons Kaiser, Jürgen Müller, Alexa Osmers, Martin Veit, Andrea Wolf, women5 und Alix Stödter für Bilder oder hilfreiche Anregungen, Zuhören, Mitdiskutieren und die eine oder andere Frage. Besonderer Dank an Stefanie Hölscher, Alexandra Schumacher und Beate Sander vom C.H.Beck-Verlag für die kompetente und hilfreiche Unterstützung. Ein Extra-Dank an meine Familie – meinen Mann Henning Schneider und meine Kinder Sophie und Julius für ihre Liebe, Geduld, das Mitdenken und Ertragen meiner manchmal ziemlich schlechten Laune beim Endspurt (Sophie, du hast prima für ein paar Fragen recherchiert!).

Anmerkungen

  1 Vgl. Georg Simmel: «Die Mode», in: Silvia Bovenschen (Hrsg.): «Die Listen der Mode», Frankfurt/M. 1986, S. 179–207.

  2 Pierre Bourdieu: «Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft», Frankfurt/M. 1982.

  3 Jeroen van Rooijen: Carla, Grace oder Kate? Stil-Ikonen und was Frauen von ihnen lernen können, Zürich 2009, S. 16.

  4 Max von Boehm: Die Mode. Eine Kulturgeschichte vom Mittelalter bis zum Barock, bearbeitet von Ingrid Loschek, München, 5. aktualisierte Auflage, 1996, S. 324.

  5 Vgl. René König: Menschheit auf dem Laufsteg, Frankfurt/M. 1988, S. 12ff.

  6 Vgl. Wolfgang König: Geschichte der Konsumgesellschaft, Stuttgart2000.

  7 Die Antwort auf diese Frage bezieht sich auf die Damenmode. Wenn man auf die Herren schaut, so stellt man zunächst fest, dass sich die Kleidungsgewohnheiten eher durch die Verbreitung der Blue Jeans geändert haben als durch die Kreationen eines einzelnen Modeschöpfers. Schließlich waren die Männer sowohl zu Beginn als auch am Ende des Jahrhunderts meistens Anzugträger. Betrachtet man aber den Herrenanzug als entscheidendes Kleidungsstück zur Beurteilung des wichtigsten Herrenmodendesigners selbst, wird man am Ende wohl Giorgio Armani aufgrund seiner Dekonstruktion des Anzugs den modeschöpferischen Lorbeerkranz aufsetzen.

  8 Vgl. Anne Hollander: Anzug und Eros. Eine Geschichte der modernen Kleidung, Berlin 1995, S. 72ff.

  9 Charles Baudelaire: Journaux intimes, in: ders.: Œuvres complètes, Paris 1980, S. 386–439, Zitat auf S. 408.

10 Ders.: Le Peintre da la vie moderne, in: Œuvres complètes, S. 790–815, Ausführungen zum Dandy auf S. 806ff.

11 Vgl. Colin McDowell: Youth Revolution, in: Fashion Today, London 2000, S. 44–74.

12 Im Original: The Devil Wears Prada, New York 2003.

13 Zitiert aus: Norberto Angeletti, Alberto Oliva: Vogue. Die illustrierte Geschichte des berühmtesten Modemagazins der Welt, München 2007, S. 15.

14 Vgl. etwa Franz Robert Jauß’ Unterscheidung zwischen Epochenschwelle und Epochenbewusstsein sowie geschlossenem Erfahrungsraum und offenem Erwartungshorizont, die seinen Studien zum ästhetischen Epochenwandel der ästhetischen Moderne zugrunde liegt (Frankfurt/M. 1989).

15 Vgl. New York Law Journal, 29.3.2002.

16 Eric Wilson: The Lamb On The Runway, in: The New York Times, 11.8.2005, S. G1f.

17 Valerie Steele: Fetisch. Mode, Sex und Macht, Reinbek bei Hamburg 1996, S. 97.

18 Vgl. zu Champagne als erstem «Coiffeur» der Geschichte und seiner Rolle in der Pariser Damenwelt: Joan DeJean: The Essence of Style. How the French Invented High Fashion, Fine Food, Chic Cafés, Style, Sophistication and Glamour, New York 2005, S. 11ff.

19 Alfons Kaiser: Du bist, was Du trägst. Die Krawatte, abgedruckt in: Alfons Kaiser/Susanne Kusicke: Poncho, Parka, Pradatäschchen, München 2006, S. 38–42.

20 Vgl. hierzu FAZ, 16.8.2010, S. 15.

21 Barbara Vinken: Mode nach der Mode. Kleid und Geist am Ende des 20. Jahrhunderts, Frankfurt/M. 1993, S. 19. Vinken sieht allerdings den Beginn dieser «modischen Geschlechtertrennung» schon im 18. Jahrhundert.

22 Dieses Szenario eines sich unmodisch verhaltenden Menschen, der letztlich doch der Mode auf den Leim gehen muss, hat Silvia Bovenschen entwickelt (Silvia Bovenschen: Über die Listen der Mode, in: Bovenschen, S. 10–30).

23 Michelle Lee: Fashion Victim: Our Love-Hate Relationship with Dressing, Shopping, and the Cost of Style, New York 2003.

Literatur- und Bildverzeichnis

Norberto Angeletti, Alberto Oliva (Hrsg.): Vogue. Die illustrierte Geschichte des berühmtesten Modemagazins der Welt, München 2007.

Charles Baudelaire: Œuvres complètes, Paris 1980.

Max von Boehm: Die Mode, bearbeitet von Ingrid Loschek, München (5. aktualisierte Auflage) 1996.

Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt am Main 1982.

Silvia Bovenschen (Hrsg.): Die Listen der Mode, Frankfurt am Main 1986.

Nina Garcia: The Little Black Book of Style, New York 2007.

Anne Hollander: Anzug und Eros. Eine Geschichte der modernen Kleidung, Berlin 1995.

Franz Robert Jauß: Studien zum Epochenwandel der ästhetischen Moderne, Frankfurt am Main 1989.

Joan DeJean: The Essence of Style. How the French Invented High Fashion, Fine Food, Chic Cafés, Style, Sophistication and Glamour, New York 2005.

Alfons Kaiser/Susanne Kusicke: Poncho, Parka, Pradatäschchen, München 2006.

Ian Kelly: Bean Brummell. The Ultimate Dandy, London 2005.

René König: Menschheit auf dem Laufsteg, Frankfurt am Main 1988.

Wolfgang König: Geschichte der Konsumgesellschaft, Stuttgart 2000.

Michelle Lee: Fashion Victim: Our Love-Hate Relationship with Dressing, Shopping, and the Cost of Style, New York 2003.

Ingrid Loschek: Modedesigner. Ein Lexikon von Armani bis Yamamoto, München 1998.

Axel Madsen: Chanel. Die Geschichte einer emanzipierten Frau, München (2. Auflage) 2001.

Colin McDowell: Fashion Today, London 2000.

Elena Esposito: Die Verbindlichkeit der Vorübergehenden: Paradoxien der Mode, Frankfurt am Main 2004.

Jerry Oppenheimer: Front Row. Anna Wintour. The Cool Life and Hot Times of Vogue’s Editor in Chief, New York 2005.

Jeroen van Rooijen: Carla, Grace oder Kate? Stil-Ikonen und was Frauen von ihnen lernen können, Zürich 2009.

Alice Rawsthorn: Yves Saint Laurent. Die Biographie, Reinbek bei Hamburg 2000.

Thomas Rusche: Kleines SØR-Brevier der Kleidungskultur. Der Ratgeber für den Herrn, Münster/Hamburg/London (4. vollständig überarbeitete und ergänzte Auflage) 1998.

Stefanie Schütte: Die großen Modedesignerinnen. Von Coco Chanel bis Miuccia Prada, München (2. aktualisierte Auflage) 2007.

Valerie Steele: Fetisch. Mode, Sex und Macht, Reinbek bei Hamburg 1996.

Dies:: Women of Fashion. Twentieth-Century Designers, New York 1991.

Barbara Vinken: Mode nach der Mode. Kleid und Geist am Ende des 20. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 1993.

Lauren Weisberger: The Devil Wears Prada, New York 2003.

Trinny Woodall & Susannah Constantine: What your clothes say about you. How to look different, act different and feel different, London 2006.

Bildnachweis

S. 17: © Hendrik Ballhausen; S. 21/Vignette: Illustration © 2004 Joel Stewart. From Tales of Hans Christian Andersen translated by Naomi Lewis & illustrated by Joel Stewart. Published in the German language by Patmos Verlagshaus. Reproduced by permission of Walker Books Ltd, London SE11 5HJ; S. 24: © Getty Images/Masaaki Toyoura; S. 29: © Getty Images/FPG; S. 30: © Getty Images; S. 39/Vignette: © Getty Images/Hulton Archive/Stringer; S. 41: © ullstein-bild/Roger Viollet/Mariano Fortuny; S. 47: Getty Images/Richard McCaffrey; S. 55/Vignette: © Hendrik Ballhausen; S. 58: © Getty Images/Paul Hawthorne; S. 62: © WireImage/Steve Granitz; S. 66: © Annebicque Bernard/Corbis Sygma; S. 72: WireImage, Foto: Tony Barson; S. 74: © WireImage/Nick Harvey; S. 76: © Time & Life Pictures/Paul Schultzer; S. 78: © Getty Images; S. 80/Vignette: © Time&Life Pictures/Getty Images; S. 82: © Getty Images; S. 88: © Uman. Aufgenommen im Uman Concept Room, Mailand; S. 94: © Getty Images/Bloomberg; S. 97: © Martin Veit; S. 99/Vignette: © ullstein-bild/united archives; S. 104: WireImage/Foto: Ron Galella; S. 112: WireImage/John Shearer; S. 116/Vignette: © FREITAG lab.ag/FREITAG F95 Horst Image Bild (aus der nicht mehr verfügbaren FREITAG «Derrick» Linie, FREITAG DERRICK MANCIPATION; S. 118: Sinopix/laif, Foto: Richard Jones; S. 124: © hessnatur; S. 128/Vignette: © Fotograf F.C. Gundlach: «Vor den Cheopspyramiden», Karin Mossberg und Micky Zenati für Radium Op Art-Fashion, Badekappen mit weißen Blenden, Gizeh, Ägypten 1966; S. 136/Vignette: © WireImage/James Devaney; S. 141: © Hendrik Ballhausen

Zum Buch

Was sind die fünf größten Modesünden? – Gibt es Klassiker, die jeder im Schrank haben sollte? – Was trägt man zu Abendeinladungen?

Jeder, der schon einmal ratlos vor dem Kleiderschrank stand, findet nun endlich Antworten auf ganz alltägliche Kleidungsfragen. Darüber hinaus führt die Modejournalistin Stefanie Schütte kenntnisreich in die Modegeschichte sowie die aktuelle «Fashion World» ein: Man erfährt, seit wann Männer Hosen tragen, wer den Minirock erfand und ob der Papst einen eigenen Modedesigner hat. Außerdem wird man mit wichtigen Modedesignern vertraut gemacht, etwa wenn es darum geht, ob Coco Chanel bedeutender für die Mode des 20. Jahrhunderts war als Yves Saint Laurent oder was Prada zum Synonym für modische Klasse gemacht hat. Das Buch bietet eine amüsante und informative Einführung in die Welt der Mode, Fashion und Haute Couture.

 

 

 

    Erstmal ganz grundsätzlich

1. Wozu Mode? Ob wir uns nun aus Schamhaftigkeit kleiden, wie die Genesis es beschreibt, oder nach Schutz vor Wind und Wetter, Eis oder Sonne suchen, das ist an dieser Stelle unerheblich. Seit Menschengedenken gibt es Kleidung, doch warum gibt es den Wunsch, diese in einer über den puren Zweck hinausgehenden Art zu gestalten und dann auch noch in regelmäßigen Abständen zu verändern? Was leistet also Mode?

Zum einen befriedigt sie den menschlichen Geltungs- sowie den damit verbundenen Nachahmungstrieb. Schon Georg Simmel beschrieb in seinem berühmten Aufsatz «Die Mode» am Anfang des 20. Jahrhunderts «Nachahmung», «individuelle Differenzierung» und das «Sich-Abheben von der Allgemeinheit» als Lebensbedingungen der Mode.[1] Der Soziologe Pierre Bourdieu sprach viele Jahrzehnte später in seinem Hauptwerk «Die feinen Unterschiede» in diesem Zusammenhang von «Distinktionsgewinn». Die Durchsetzung eines bestimmten Lebens- bzw. in diesem Sinne Kleidungsstils dient demnach als Mittel zum Erreichen gesellschaftlicher Positionen.[2] Folgt man beiden Theoretikern, muss der Mechanismus, der dabei zu dem für die Mode charakteristischen Wechsel führt, in etwa so funktionieren: Wir ziehen uns auf eine bestimmte Art und Weise an, um etwas darzustellen, eine bestimmte Rolle in der Gesellschaft zu spielen. Höchstwahrscheinlich ahmen wir dabei bewusst oder unbewusst schon das Kleidungsverhalten von jemandem nach, dessen Platz wir begehrenswert finden. Sofern wir Erfolg dabei haben, werden wir unsererseits wieder von jemandem imitiert, der die gleiche Rolle einnehmen möchte. Und so fort. Irgendwann ist eine bestimmte Anzahl von Leuten erreicht, die sich alle ähnlich kleiden. Damit wird der Geltungstrieb nicht mehr befriedigt und unser bisheriges Kleidungsverhalten nutzlos. Wenn sich alle so anziehen wie ich, kann ich nicht mehr herausstechen. Und schon muss ich mich anders kleiden – es ist das ewige Gesetz von Avantgarde und Mainstream, das hier greift. Sobald die Avantgarde vom Mainstream erfasst wird, muss sie sich neu orientieren, um wieder eine individuelle Anmutung zu erhalten. Somit geht das Ganze wieder von vorne los, ein ewiger Wechsel entsteht, eben Mode.

Eng verknüpft mit dem Geltungsbedürfnis ist eine andere Triebkraft der Mode: das Zugehörigkeitsgefühl zu einer bestimmten Gruppe, die sichtbare Eingliederung in eine soziale Hierarchie und das Zur-Schau-Stellen dieser Stellung bzw. dieses Status. «Kleider machen Leute» heißt es nicht umsonst. Rapper kleiden sich anders als Punks, Investment-Banker anders als Architekten, Models anders als Anwältinnen. Innerhalb der Gruppen ist dann je nach Status auch das Kleidungsverhalten wieder unterschiedlich. Greift der Vorstandsvorsitzende vielleicht bei Anzügen eher zu der teuren, exklusiven Marke Kiton, reist an die Savile Row nach London zu seinem Schneider oder lässt sich in der «Su Misura»-Linie von Zegna etwas individuell anpassen, so kauft der Teamleiter aus der gleichen Branche vielleicht eher bei «Boss» seine Zweiteiler ein. Und mit diesem Kleidungsverhalten (das natürlich auch vom Einkommen abhängig ist) werden deutliche Zeichen über die Position des Einzelnen nach außen gegeben. Auch hier führt die schnelle Veränderbarkeit der Welt zum Modewechsel. Als beispielsweise die «New Economy» aufkam und sich Banker und Anwälte plötzlich mit coolen Typen konfrontiert sahen, die in lockeren Klamotten zu Hause am Computer geniale Ideen entwickelt hatten und zu unglaublich viel Geld gekommen waren, änderte sich auch ihr Kleidungsverhalten. Wer hat schon Lust, im korrekten Dreiteiler und mit Krawatte einem schwerreichen Mandanten in Jeans und Turnschuhen gegenüberzusitzen? Der «Casual Friday» – die Gepflogenheit, am Freitag den Dresscode zu lockern – wurde fortan auf immer mehr Wochentage erweitert, und das bei den zuvor extrem konservativ gekleideten Beratern und Finanzleuten. Als die «New Economy»-Blase platzte und sich viele der hochfliegenden Ideen der äußerlich so «coolen» Typen als heiße Luft erwiesen, zogen die Kleidungsvorschriften prompt wieder an. Zwar gibt es den «Casual»-Look immer noch, doch in deutlich gemäßigter Form.

Es wäre allerdings ziemlich trist, wenn Distinktion, Darstellung des Status und Nachahmung die einzigen Triebkräfte der Mode wären. Schließlich macht Mode Spaß – zum einen befriedigt sie den Drang des Menschen, sich zu schmücken, zum anderen den, sein Dasein schöpferisch zu verändern. Das Schmücken des Körpers findet sich quer durch alle Kulturen und Zivilisationen, in Form von Körperbemalung, gewagten Haartrachten, Körperschmuck, aber auch Veränderungen des Körpers selbst wie die zu Scheiben gezogenen «Tellerlippen» äthiopischer und sudanesischer Stämme, die extremen Tailleneinschnürungen in westlichen Ländern im 18. und 19. Jahrhundert oder abgebundenen «Lotusfüße» in der chinesischen Tradition. Und natürlich gehört auch Kleidung dazu. Das Schmücken des Körpers kann zudem die sexuelle Anziehungskraft enorm steigern – banalstes Beispiel sind die High Heels bei Frauen, die jene in eine sexuell attraktive Position mit herausgeschobenem Po und Busen bringen. Die Erhöhung der Attraktivität auf das andere (oder auch das gleiche) Geschlecht ist möglicherweise sogar der stärkste und erkennbarste Effekt von Mode. Ich würde diesem noch ein weiteres Moment hinzufügen, welches ich für die eigentliche Triebkraft dieses immerwährenden Kleiderwechsels halte. Mit Mode versuchen wir, uns immer wieder selbst zu erneuern. Wir kaufen uns ein Kleid oder eine Hose, um ein anderes, uns verführerisch erscheinendes Bild von uns zu entwerfen. Und für kurze Zeit glauben wir auch an dieses Bild. Mode gleicht damit einer steten Verjüngung, sie hilft uns im Umgang mit unserer Conditio sine qua non, dem Älterwerden und der Gewissheit des Todes. Indem wir das neue Bild von uns ergreifen, lassen wir das vorherige zum alten Bild werden, wohl wissend, dass auch das Neue vergänglich ist und bald wieder ein Altes sein wird. Es ist ein fast spielerischer Umgang mit Sterblichkeit, den uns die Mode ermöglicht, und vielleicht zieht sie uns genau damit so unwiderstehlich an.

2. Was ist der Unterschied zwischen Stil und Mode? «Chanel ist keine Mode, Chanel ist ein Stil», hat Coco Chanel einmal ziemlich hochtrabend verkündet. Natürlich hatte die berühmteste Modeschöpferin des 20. Jahrhunderts damit recht, auch wenn Chanel-Entwürfe durchaus sehr modisch sein können. Für Stil bedarf es einer wiedererkennbaren Handschrift, bestimmter Eigenarten, die man einer ganz bestimmten Person oder einer ganz bestimmten Modemarke zuordnen kann. Und die sich so harmonisch zusammenfügen, dass ein stimmiger, eigenständiger, den Wechsel der modischen Trends überdauernder Gesamteindruck entsteht. Marken wie auch einzelne zu Stil-Ikonen gekürte Personen erreichen dies häufig mittels bestimmter wohlgewählter Key-Items, bestimmter Schlüsselelemente, die immer wieder auftauchen. Im Falle Chanel etwa der Tweed als Kostümstoff, die Kombination von Schwarz und Weiß oder Beige und Weiß, der flache, zweifarbige Ballerina-Schuh, die lange Perlenkette, der mädchenhafte Schnitt der Kleider sowie ein ganz leichter Hauch von Pariser Frivolität. Bei einer Stil-Ikone wie Audrey Hepburn wären Key-Items die schmal geschnittenen Pullover, die schmalen Sieben-Achtel-Hosen, flache Schuhe, Etui-Kleider, Kostüme mit kleinem Armloch und große Sonnenbrillen.

Für jemanden mit Stil ist das größte Schimpfwort «Fashion Victim», für ein «Mode-Opfer» hingegen mag der Stil-Papst als Langweiler erscheinen. Gianni Versace, der zeitlebens vor modischen Übertreibungen keine Scheu hatte, spottete einst über den damaligen Hohepriester der Eleganz, Armani: «Seine Jacken sind beige, sein Haus ist beige, er selbst ist beige.» Und setzte dem italienischen Kollegen seinen knalligen, oft alle Stilregeln über den Haufen werfenden Mix entgegen. Stil steht für Konstanz, Mode für steten Wechsel. Und wenn beides übertrieben wird, kann Stil in Langeweile und Mode in Idiotie umkippen. Ideal wirkt eine Kombination aus beidem. «Stilvolle Eleganz ist nie nur zurückhaltend oder langweilig, sondern kunstvoll komponiert», schreibt der Schweizer Modekritiker Jeroen van Rooijen. «Auf der anderen Seite sind die verrücktesten Looks vom Laufsteg auf der Strasse manchmal nur noch lächerlich und peinlich. Es gibt also gute Gründe, sich mit der Tradition der Mode genauso zu befassen wie mit den wechselnden Winden des Zeitgeists».[3] Recht hat er.

3. Was bedeutet eigentlich «Haute Couture»? Gängigerweise übersetzt man den französischen Ausdruck «Haute Couture» mit «Hohe Schneiderkunst». In Frankreich verbindet sich damit eine feste Qualitätsbezeichnung, die gegenüber dem «Prêt-à-Porter», der Konfektionsmode, abgegrenzt wird. Paris firmiert bis heute als Hauptstadt der Haute Couture, die die Traditionen von Einzelanfertigung nach Maß und kunstvoller Handarbeit bewahrt. Zwar war der Modemacher Charles Frederick Worth (1826–1895), der als Begründer der Haute Couture gilt, ein gebürtiger Engländer, doch berühmt wurde er in Paris mit seinem 1858 eröffneten eigenen Modehaus in der Rue de la Paix. Er regte auch 1868 die Gründung der Pariser «Chambre Syndicale de la Haute Couture» an, die als Kammer bis heute die französischen Couturiers vereint.

Perfekte Schneiderkunst: Haute Couture von Dior für Herbst/Winter 2010/11

Ein Modehaus, das sich «Maison der Haute Couture» nennen darf, muss strenge, von der Kammer herausgegebene Vorgaben erfüllen. Demnach muss es neben dem Beherrschen des Schneiderhandwerks und der traditionellen Techniken mindestens 20 Angestellte haben, mindestens 25 Modelle pro Saison entwerfen und seit mindestens vier Jahren auf dem von der Kammer herausgegebenen Kalender der Couture-Schauen erscheinen. Denn auf diesem Kalender stehen auch die eingeladenen «Aspiranten» auf die Bezeichnung einer Maison de Haute Couture, auch sie müssen also pro Saison je eine Schau ihrer Modelle veranstalten. Jedes Jahr erstellt eine Kommission des französischen Ministère de l’Industrie eine Liste der Designer, die sich als Couturier bezeichnen dürfen. Allerdings: Diese Kommission hat anders als früher heute das Recht, auch Häuser, die die Kriterien nicht erfüllen, in den Stand einer Maison de Haute Couture zu erheben. Die Couture gilt als aussterbendes, nicht profitables Gewerbe, und daher will man aufstrebenden jüngeren Modemarken den Aufstieg erleichtern, sonst gäbe es bald überhaupt keine Haute Couture-Häuser mehr. Elf Häuser durften Anfang 2011 die Bezeichnung «Haute Couture» tragen: Adeline André, Anne Valérie Hash, Atelier Gustavolins, Chanel, Christian Dior, Christophe Josse, Franck Sorbier, Givenchy, Jean Paul Gaultier, Maurizio Galante und Stéphane Rolland. Vier weitere, nicht aus Frankreich stammende Häuser wurden von der Chambre als «korrespondierende Mitglieder» geführt: Elie Saab, Giorgio Armani, Maison Martin Margiela und Valentino. Neben diesen wurden zudem sieben Modemarken (z.B. Alexandre Vauthier oder Alexis Mabille) eingeladen, ihre Modelle im Rahmen der zweimal jährlich stattfindenden Schauen neben den offiziellen Couturiers zu zeigen. Anders als bei den ebenfalls zweimal jährlich stattfindenden Prêt-à-Porter-Schauen sitzen bei der Couture neben Journalisten und Prominenz wirklich die direkten Kundinnen im Publikum. Diese lassen sich dann in den Ateliers die Entwürfe anpassen. Weltweit wird die Zahl der echten Couture-Kundinnen auf wenige Hundert geschätzt. Firmen wie Chanel oder Dior verkaufen sowohl Prêt-à-Porter-Mode als auch Haute Couture.

4. Und was ist «Prêt-à-Porter»? Ursprünglich bezeichnet das Prêt-à-Porter die Mode «von der Stange», die also in den Geschäften gleich in mehrfacher Ausführung und verschiedenen Größen hängt und «fertig zum Anziehen» ist – daher der Name «Prêt-à-Porter».

In den «Swinging Sixties», den 1960er-Jahren, startete das Prêt-à-Porter seinen Siegeszug von London aus. Junge Designer wie beispielsweise Mary Quant und Barbara Hulanicki wollten bezahlbare witzige Kreationen liefern, und zwar für junge Leute, nicht für etablierte ältere Damen, die extra nach Paris reisten, um sich ihre Kleidung in den Couture-Ateliers anfertigen zu lassen. Auch lehnten sie das Modediktat, das von den «Zaren» der Couture wie Dior oder Balenciaga ausging, ab. Sie trafen damit die Aufbruchsstimmung der Zeit und erreichten es bald, dass ihre Entwürfe nicht mehr nur noch in den eigenen kleinen Boutiquen zu kaufen waren, sondern weltweit vertrieben wurden. Heute machen die meisten Designer ausschließlich Prêt-à-Porter, während die Haute Couture nur noch von wenigen Häusern realisiert wird.

Auch bei den Schauen gibt es Unterschiede: Während bei den Prêt-à-Porter-Schauen vor allem die Einkäufer der großen Kaufhäuser und führenden Modeläden sowie Journalisten im Publikum sitzen, trifft man bei der Haute Couture auf die einzelnen Kundinnen der Häuser (s. Frage 3).

5. Warum sind Prêt-à-Porter-Kleider manchmal fast so teuer wie Couture? Das liegt schlichtweg daran, dass die Grenzen zwischen beiden Segmenten manchmal fließend sind. Auch das Prêt-à-Porter kann im oberen Preisbereich oft mit viel Handarbeit und großartiger Schneiderkunst aufwarten. In den USA wird daher inzwischen häufig mit der Bezeichnung «Couture» gearbeitet, die für Mode zwischen dem gängigen «Prêt-à-Porter» und der «Haute Couture» steht. Marken wie das Schweizer Luxuslabel Akris oder Armani Collezioni werden so von der weniger individuell gefertigten Konfektion abgesetzt. Zudem gibt es nur noch derart wenige echte Couture-Häuser, dass einige Top-Designermarken mittlerweile einfach ein eigenes oberes Segment entwickelt haben, das sogenannte Prêt-à-Porter de Luxe. Hier gibt es keine Kammer, die die Vorgaben überwacht. Es liegt ganz und gar im Ermessen des Hauses, wie es Luxus definiert. Auch hier werden dann Modelle mit sehr viel Handarbeit gefertigt, in besonders kostbaren Stoffen, mit aufwendigen Stickereien oder gar aufgestickten Edelsteinen und Ähnlichem. Doch kann ein Entwurf mehrfach herausgebracht werden, und man braucht auch keine besonderen Schauen, um diese vorzustellen.

6. Warum ist ein Prada-Kleid so viel teurer als ein ähnliches Modell von H&M? Prada ist eben eine wirkliche Designermarke, entworfen von einer berühmten Modemacherin mit einer ganz eigenen Handschrift. Miuccia Prada entwickelt jede Saison originäre Kollektionen, die dann im Rahmen von Schauen vorgestellt und durch das Modehaus selbst produziert werden. Natürlich hat auch H&M Designer, manchmal machen die Schweden sogar Schauen für ihre Kollektionen, und fertigen lassen sie auch selbst.