WORTLAUT 09. Gold Der FM4 Literaturwettbewerb. Die besten Texte. Herausgegeben von Zita Bereuter & Markus Zachbauer

Herausgegeben von
Zita Bereuter & Markus Zachbauer

Mit einem Vorwort von
Klaus Nüchtern




WORTLAUT 09.
GOLD


Der FM4 Literaturwettbewerb.
Die besten Texte.

© LUFTSCHACHT – Wien 2009

www.luftschacht.com

Einzelrechte © jeweils bei den Autorinnen und Autoren

Herausgegeben von Zita Bereuter und Markus Zachbauer

Umschlaggrafik: Anna Dworak

Druck und Herstellung: CPI Moravia

Satz: Walter Fabian Schmid

Die Wahl der angewendeten Rechtschreibung obliegt

dem/der jeweiligen Autor/in. Layout- und Formatvorgaben

der einzelnen Texte wurden in der Regel beibehalten.

ISBN: 978-3-902373-84-7

Digitale Ausgabe realisiert in Kooperation mit SONY AUSTRIA

Inhalt

"gold" - Zita Bereuter, Markus Zachbauer

Ist doch super gelaufen - Klaus Nüchtern

Goldhuhn - Martin Fritz

golden shower - Gregor Locher

Aurum metallicum ... - Cornelia Travnicek

Goldrichtig - Sandra Buchgraber

Grabgraffiti - Johanna Eigner

Harte Schnitte - Kilian Jung

Reden ist Silber - Anna-Elisabeth Mayer

Living and Sterbing and nothing much in between - Stefan Sonntagbauer

Glänzende Aussichten - Isabella Straub

Kavkas Butterbrote - Anna Weidenholzer

Bildnachweise

„gold“

Sie könne „eine gewisse FM4-Wortlaut-Obsession nicht mehr abstreiten“, schreibt eine der Gewinnerinnen, Cornelia Travnicek, in ihrer Biographie. Eine Obsession, die sie seit mehreren Jahren ausgezeichnete Kurzgeschichten für Wortlaut verfassen lässt. Eine Obsession, die wir weniger als Zwang denn als intensiv betriebene Leidenschaft verstehen wollen und die damit unsere Vorstellungen von Wortlaut bestens erfüllt.

Wir wissen, dass viele unserer Hörerinnen und Hörer gerne und auch gut schreiben. Damit deren Texte nicht in irgendwelchen Schreibtischläden, Tagebüchern oder Festplatten einsam verloren gehen, wollen wir sie einer interessierten Öffentlichkeit näherbringen. Also haben wir 2002 erstmals zu Wortlaut, dem FM4 Literaturwettbewerb, eingeladen. Gefragt sind seither jährlich Kurzgeschichten zu einem vorgegebenen Thema. 2009 war das „gold“.

Gleich vorweg: es ist nicht alles “gold“, was glänzt. Und umgekehrt muss nicht alles glänzen, was mit „gold“ zu tun hat.

Ob in Shanghai, im Waldviertel oder in einer runtergekommenen Westernstadt – manchmal sind Entscheidungen goldrichtig, manchmal bestimmen Zweifel die Handlung, manchmal scheint es nur einen Ausweg zu geben. Hier macht man sich Gedanken, warum Eier besser Goldhuhn als Goldhendl heißen sollen, dort hinterfragt die „Bügel-Schlampe“ ihr Verhalten. In anderen Geschichten kommt Liebe vor, ist aber meist un-glücklich – sei es in den besten Freund oder in eine verkrachte Schauspielerin. Und immer wieder Konfrontationen mit dem Tod – der Bruder stirbt an Krebs, der Großvater erhängt sich. Beliebter Handlungsort scheint der Friedhof zu sein – sei es, um dort Tomaten zu pflanzen oder Grabsteine zu vergolden. Und dann hätten wir noch einen „golden shower“ und einen Pornodreh im Angebot.

Soviel zu den ausgewählten Kurzgeschichten. Würden wir auch nur stichwortartig die restlichen rund 900 Texte erfassen wollen, die in diesem Jahr einlangten, würde dies den vorgesehenen Rahmen für dieses Vorwort mehr als sprengen.

Stattdessen möchten wir uns bei allen Autorinnen und Autoren für ihre Einsendungen recht herzlich bedanken, ebenso bei der Vorjury (FM4 RedakteurInnen Martina Bauer, Claudia Czesch, Elisabeth Gollackner, Andreas Gstettner, Johanna Jaufer, Mari Lang, Maria Motter, Martin Pieper, Pia Reiser, Markus Zachbauer sowie Jürgen Lagger vom Luftschacht Verlag), die nach stundenlangem Lesen und vielen Diskussionen zwanzig Texte an die Hauptjury weiterreichte.

Diese, bestehend aus Olga Flor (Autorin), Susanne Krause (Gewinnerin Wortlaut 2008), Klaus Nüchtern (Kolumnist, stv. Chefredakteur „Falter“), Tilman Rammstedt (Autor, Bachmannpreisträger 2008) und Christiane Rösinger (Musikerin, Autorin), hat sich nach einer strengen Jurysitzung auf die nun vorliegenden zehn Texte geeinigt.

Vielen Dank an dieser Stelle auch an die Hauptjury und letztlich auch an Sie als Leserinnen und Leser. Sie schließen mit Ihrem Interesse den Kreis von Wortlaut.

Lang lebe die „gewisse FM4-Wortlaut-Obsession“.

Zita Bereuter, Markus Zachbauer

September 2009

Ist doch super gelaufen

Jurys sind besser als ihr Ruf. Und selbst wenn sie sich irren – und wie sollten sie nicht?! – sind sie immer noch besser als jene, die es dann im Nachhinein immer schon besser gewusst haben und sich billig darüber ereifern, dass der berühmte Dichter Soundso vor 25 Jahren den renommierten Soundso-Preis dem zweitklassigen Schreiber Soundso überlassen musste, von dem man seither ja bekanntlich nicht mehr viel gehört habe. Es ist weder besonders mutig, mit den Wölfen zu heulen, noch an sich schon nobel gegen den Strom zu schwimmen, und diejenigen, die immer bescheidwissen, was gerade angesagt ist, sind ebenso unleidliche Zeitgenossen wie jene, die glauben, die veröffentlichte Meinung ständig durch Bekanntgabe ihrer gerade gültigen Überschätzungs-Charts zurechtrücken zu müssen – obgleich ich schon auch anmerken muss, dass mir das Gewese, das um die Romane von Herrn und Frau Soundso veranstaltet wird, stark übertrieben scheint …

Wie auch immer. Mir waren Juroren und Kritiker, die dem Selbstverständnis nach als Schleusenwarte der Literaturgeschichte fungieren, immer schon unsympathisch. Haltlose Begeisterung ist gewiss die falsche Alternative, aber das schöne Bonmot des Schweizer Germanisten Emil Staiger, demzufolge es darum ginge, zu begreifen, was uns ergreift, gefällt mir noch immer gut. Im Normalfall läuft es doch so: Man ist von etwas angetan und versucht dann zu erklären, warum. Man mag dann – in selbstgefälliger Milde gegenüber der eigenen Enthusiasmiertheit – zu hermeneutischen Hochleistungen angestachelt werden, die der vorliegende Text eigentlich nicht verdient hat und aus einer Mücke einen Elefanten machen, wohingegen man mit Kanonen auf Spatzen zu schießen beginnt, wenn andere das gleiche Recht für sich reklamieren; aber genau aus diesen Gründen sind Jurys ja auch meist mit mehr als zwei Personen besetzt.

Ich habe die Vergabe des öffentlichsten Literaturpreises des deutschen Sprachraums (wo nicht der Welt), des Ingeborg-Bachmann-Preises, über Jahrzehnte verfolgt: zunächst als Literaturinteressierter, dann als Literaturkritiker, schließlich saß ich fünf Jahre lang selbst in der Jury. Ich war mit den Entscheidungen nicht immer einverstanden, aber ich hatte auch kaum je das Gefühl, eine kollektive Urteilslähmung hätte von der gesamten Jury Besitz ergriffen. Selbst wenn einer/eine der von mir eingeladenen Teilnehmer einseitig und ungerecht beurteilt wurde, fand jemand kluge und richtige Worte des Lobs.

Noch viel weniger als ich die gebetsmühlenartig wiederkehrende Frage nach der Güte eines „Jahrgangs“ im Falle des Wettlesens am Wörthersee beantworten konnte, kann ich das im Falle des Wortlaut-Wettbewerbs tun. Dass Dutzende Schriftstellerkarrieren hier ihren Anfang genommen haben werden, ist wohl nicht zu erwarten. Aber schon der Umstand, dass – wie ich höre – bestimmte Namen in den Endausscheidungen immer wieder auftauchen, lässt die Mutmaßung zu, dass es den wechselnden Jurys gelingt, zum Schreiben zu ermutigen und dass die jeweiligen Urteile auch nicht zufällig und willkürlich zustande kommen – die Texte liegen den Jurorinnen und Juroren ja in anonymisierter Form vor. Die Diskussion in der Jury war anregend und jedenfalls für mich ausgesprochen zufriedenstellend: In dem einen oder anderen Fall wurde ich eines Besseren belehrt und musste mein Urteil nach der Erstlektüre revidieren; aber im wichtigsten Fall durfte ich Recht behalten: Mein Favorit hat sich durchgesetzt. Dazu gratuliere ich dem Preisträger, aber auch uns, der Jury. Ist doch super gelaufen!

Klaus Nüchtern

September 2009

Klaus Nüchtern ist Kulturredakteur der Wiener Stadtzeitung Falter. Fünf Jahre lang war er Mitglied der Jury des Ingeborg-Bachmann-Preises. 2009 wurde er mit dem Preis für Publizistik der Stadt Wien ausgezeichnet. Zuletzt erschien sein Kolumnen-Band Ok ist eh ok.

Martin Fritz

Goldhuhn

*1982, lebt im Internet und in Innsbruck und studiert Vergleichende Literaturwissenschaft. Schreibt privat am liebsten Kurzbios von sich selbst (sehr schön, aber leider von jemand anders: „If you want to know all about me just look at the surface: of my books, LPs and movies, and there I am. There‘s nothing behind it.“), wenn er nicht gerade myspace- taugliche Fotos von sich raussucht. Hört sich in seiner Freizeit gerne DJ Patex’ Coverversion des Songs I Wish I Was Him an. Findet neben Videos von Kätzchen, die Schönberg am Klavier spielen, auch Niklas Luhmann eigentlich ganz gut, wenngleich es gar nicht stimmt, dass 87% seiner Äußerungen die Idee eines riesigen Luhmann-Online-Archivs behandeln. Teil der 1. Innsbrucker Lesebühne „Text ohne Reiter“. Ansonsten das Übliche: Will genauso sein wie seine Vorbilder, aber vollkommen eigenständig, Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und Anthologien etc. Auch eine Art „Nein“ zu sagen, ohne sich umzubringen. http://assotsiationsklimbim.twoday.net

Goldhuhn

Eier vom Goldhuhn, das ist doch auch völliger Quatsch, denke ich, Goldhuhn, da denkt doch jeder eher an Huhn zum Aufessen als an Huhn zum Eier legen. Immerhin haben sie es nicht Eier vom Goldhendl genannt. Goldhendl sind nämlich Rubbellose. Das ist auch wieder mal was. Wer kauft denn so was? Wie muss man denn da bitte drauf sein, dass man in eine Trafik geht und sagt: Ja bitte, eine Schachtel Marlboro und dann noch ein Goldhendl dazu. Warum müssen die ihre Kunden überhaupt so demütigen damit, die einen derart bescheuerten Namen aussprechen zu lassen, nur um ein Rubbellos zu bekommen? Man muss sich das auch einmal vorstellen, wem fällt sowas überhaupt ein? Da sitzen die drei jungen Kreativen mit ihren asymmetrischen Haarschnitten in ihrer Werbeagentur und der Chef sagt: Kinder, Kinder, wir müssen jetzt endlich weiterkommen mit dem Auftrag für die Ösreichschen Lotterien, also, Brainstorming jetzt, wie heißt das neue Rubbellos? — Ja wie wäre es mit Malefizbaron. — Nee, das ist doch nichts, ey, Malefizbaron kann gar nichts. — Ja dann? — Warum nicht Jolly Joker? — Jetzt lasst doch mal den Quatsch, ernsthaft jetzt, Konzentration bitte, meine Herren, um 14:00 Uhr ist Abgabe. — Moment, jetzt hab ich‘s: Goldhendl. Wir nennen das Rubbellos Goldhendl. — Das ist der Burner. — Mensch, Alter, Goldhendl ist aber mal geil abgeliefert. Diesen ganzen Quatsch denke ich mir also aus, aber das alles hängt natürlich überhaupt nicht mit dem zusammen, worum es mir eigentlich geht, Rubbellose haben mit dem, wofür ich meine Goldeier brauche, doch eigentlich für sich genommen überhaupt nichts zu tun usw.

Eier vom Goldhuhn also, immerhin nicht Eier von der Goldhenne, Goldhenne ist nämlich ein Käfer, Goldlaufkäfer eigentlich, man sagt auch Goldschmied oder eben Goldhenne, habe ich alles auf Zufallsartikel in der Wikipedia gelesen. Gibt es aber sicher auch irgendwo, Eier von der Goldhenne, Eier vom Goldschmied, ist auch alles ganz egal. Eier vom Goldhuhn also um je 1,99 € ab zwei 6er-Packungen, eine 6er-Packung 2,59 €. Aber zwei 6er-Packungen brauche ich eigentlich gar nicht. Ich brauche doch nicht einmal eine ganze 6er-Packung. Goldhuhn ist immerhin Freiland, aber eigentlich ist alles hier Freiland. Freiland ist eh schon Standard, es geht nur noch darum, ob Bio-Freiland oder Normal-Freiland. Toni‘s Bio-Freilandeier wären Bio-Freiland, aber eben 2,99 € die 6er-Packung und keine Ermäßigung ab zwei Packungen. Gibt es dafür auch im 10er, kostet dann 3,25 €, das muss sich einer eigentlich ausrechnen können, was da jetzt pro Ei billiger ist, der normale Freilandscheiß im Mengenrabatt oder der Biofreilandscheiß im 10er. Es ist ja leider nicht so, dass Bio oder nicht in dem Fall egal ist, nur weil ich die Eier eh nicht essen will, es geht auch ums Prinzip und was das alles am Ende bewirkt und überhaupt, es ist auch nicht egal, welche Eier man kauft, wenn man sie gar nicht essen will, sondern für ganz etwas anderes kauft usw.

Dann stehe ich jedenfalls endlich vorne an einem dieser Wellenbrecher, wie man sie ja auch von Musikfestivals her kennt, der eigentlich so weit weg steht, dass man von da aus sicher nicht treffen kann oder zumindest nicht ich und also werde ich wohl über den Wellenbrecher drüberklettern und dann noch ein paar Schritte laufen müssen und dann erst werde ich in der passenden Position sein, um die blöden Goldhenderleier werfen zu können, was natürlich leider nicht so gut aussehen wird wie direkt vom Wellenbrecher aus, aber leider ist das jetzt nicht zu ändern und es geht jetzt ja auch nicht darum, wie es aussieht, wenngleich das eigentlich doch das Wichtigste ist und überhaupt ist es gar nicht gesagt, dass von der Entfernung aus die Handykameras der Leute hier noch ein Video machen können, auf dem man, oder sagt man: worauf man genug erkennt, dass man das auf YouTube stellen kann usw.