Sylvain Tesson
IN DEN WÄLDERN
SIBIRIENS
Tagebuch aus der
Einsamkeit
Aus dem Französischen
von Claudia Kalscheuer
Knaus
Sylvain Tesson
IN DEN WÄLDERN
SIBIRIENS
Tagebuch aus der
Einsamkeit
Aus dem Französischen
von Claudia Kalscheuer
Knaus
Für Arnaud Humann
Denn ich gehöre den Wäldern und der Einsamkeit.
Knut Hamsun, Pan
Die Freiheit gibt es immer. Man muss nur den Preis
für sie entrichten.
Henry de Montherlant, Tagebücher 193 0 –1944
Inhalt
Randnotiz
FEBRUAR · Der Wald
MÄRZ · Die Zeit
APRIL · Der See
MAI · Die Tiere
JUNI · Die Tränen
JULI · Der Frieden
Dank
Randnotiz
Ich hatte mir vorgenommen, vor meinem 40. Lebensjahr als Eremit in den Wäldern zu leben.
Ich zog für sechs Monate in eine sibirische Hütte am Ufer des Baikalsees, an der Spitze des Nördlichen Zedernkaps. Das nächste Dorf 120 Kilometer entfernt, keine Nachbarn, keine Zugangsstraßen, gelegentlich ein Besuch. Im Winter Temperaturen um die minus 30 Grad, im Sommer Bären an den Ufern. Kurz, das Paradies.
Ich nahm Bücher mit, Zigarren und Wodka. Alles Übrige – die Weite, die Stille und die Einsamkeit – war schon da.
In dieser Wildnis schuf ich mir ein schlichtes und schönes Leben, ich machte die Erfahrung eines aus einfachen Handlungen bestehenden Daseins. Im Angesicht von See und Wald betrachtete ich das Vorüberziehen der Tage. Ich hackte Holz, angelte mein Abendessen, las viel, wanderte durch die Berge und trank am Fenster Wodka. Die Blockhütte war ein idealer Beobachtungsposten, um noch die kleinste Bewegung der Natur zu erfassen.
Ich erlebte den Winter und den Frühling, das Glück, die Verzweiflung und am Ende den Frieden.
In der tiefsten Taiga verwandelte ich mich. Die Bewegungslosigkeit gab mir, was das Reisen mir nicht mehr verschaffen konnte. Der Geist des Ortes half mir, die Zeit zu zähmen. Meine Einsiedelei wurde zum Laboratorium dieser Wandlungen.
Jeden Tag verzeichnete ich meine Gedanken in einem Heft.
Dieses Tagebuch eines Einsiedlerlebens halten Sie in Händen.
S. T.
FEBRUAR · Der Wald