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Dalton Trumbo

Und Johnny zog in den Krieg

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1. Auflage, August 2008

© 2008 ONKEL & ONKEL, Berlin
Alle Rechte vorbehalten.

Lektorat: Volker Oppmann
Korrektorat: Christel Dobenecker

Gestaltung: Alexander Rübsam
Gesetzt aus der Custodia

eISBN 978-3-943945-03-4

www.onkelundonkel.com

BUCH I

DER TOTE

KAPITEL 1

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Er wünschte das Telefon würde aufhören zu klingeln. Es war schlimm genug dass er sich so schlecht fühlte und nun auch noch das Telefon das die ganze Nacht klingelte. Mann war ihm übel. Und zwar nicht von dem sauren französischen Wein. So viel konnte kein Mensch davon bei sich behalten dass er einen dermaßen dicken Kopf kriegte. Sein Magen drehte sich um und um und um. Schöner Mist dass niemand ans Telefon ging. Hörte sich an als würde es in einem eine Million Meilen großen Raum klingeln. Sein Kopf war ebenfalls eine Million Meilen groß. Zur Hölle mit dem Telefon.

Dieses verdammte Klingeln kam anscheinend vom anderen Ende der Welt. Bis dorthin würde er jahrelang unterwegs sein. Drring drring drring die ganze Nacht. Vielleicht brauchte jemand dringend etwas. Wenn nachts das Telefon klingelt ist es etwas Wichtiges. Man sollte meinen dass sich jemand darum kümmert. Wie konnten sie nur erwarten dass er ranging? Er war müde und er hatte einen mordsmäßig dicken Schädel. Man hätte ihm ein ganzes Telefon ins Ohr stecken können und er hätte es nicht mal gespürt. Er musste Dynamit getrunken haben.

Wieso ging bloß niemand an das gottverdammte Telefon?

»He Joe. Vortreten!«

Obwohl er sich so grauenhaft fühlte war er bekloppt genug sich durch den Nacht-Verladeraum zum Telefon zu schleppen. Kaum zu glauben dass bei dem Lärm jemand ein so leises Geräusch wie ein Telefonklingeln hören konnte. Doch das hatte er. Er hatte es trotz des Klick-klick-klick der Packmaschine gehört und trotz des Ratterns der Förderbänder und des Heulens der Rotationsöfen oben und des Rumpelns der stählernen Lieferboxen die an ihren Platz gewuchtet wurden und trotz des Stotterns der warmlaufenden Motoren in der Garage die gegen die morgendlichen Arbeitsgeräusche anlärmten und trotz des Quietschens der Sackkarren die geölt werden mussten warum zum Teufel ölte die keiner?

Er ging den Mittelgang zwischen den Stahlbehältern entlang die gerade mit Brot befüllt wurden. Er umkurvte die überall herumliegenden Rollplatten und Kisten und zerbeulten Kartons und verkrüppelten Brotlaibe. Die Jungs schauten ihn an. Er erinnerte sich an ihre Gesichter die auf dem Weg zum Telefon an ihm vorbeiglitten. Dutch und Little Dutch und Whitey der ein paar Kugeln ins Rückgrat abgekriegt hatte und Pablo und Rudy und all die Jungs. Sie musterten ihn neugierig als er an ihnen vorbeiging. Vielleicht kam das weil ihm so mulmig zumute war und man ihm das anmerkte. Dann war er beim Telefon.

»Hallo.«

»Hallo mein Junge. Komm sofort nach Hause.«

»Ist gut Mutter ich bin gleich da.«

Er ging in das Büro mit der breiten Glasfront von dem aus Jody Simmons der Nachtschichtleiter seine Männer stets im Blick behielt.

»Jody ich muss nach Hause. Mein Vater ist gerade gestorben.«

»Gestorben? Mensch Junge das tut mir leid. Klar geh nur. Rudy. He Rudy. Schnapp dir einen Lieferwagen und fahr Joe nach Hause. Sein Alter – sein Vater ist gerade gestorben. Schon gut Junge fahr ruhig heim. Ich lass einen von den Jungs für dich stempeln. Das ist echt hart. Ab nach Hause mit dir.«

Rudy gab Gas. Es regnete draußen denn es war Dezember und Los Angeles kurz vor Weihnachten. Die Reifen zischten auf dem nassen Asphalt. Es war die leiseste Nacht die er je erlebt hatte. Man hörte nur das Zischen der Reifen und das Scheppern des Ford das zwischen den verlassenen Gebäuden durch die leere Straße hallte. Rudy drückte ordentlich auf die Tube. Irgendwo in der Karosserie des Wagens klapperte etwas im immer gleichen Rhythmus egal wie schnell sie fuhren. Rudy sprach kein Wort. Er fuhr einfach. Weit raus auf der Figueroa an großen alten und dann an kleineren Häusern vorbei und dann noch weiter bis zum südlichen Ende. Rudy hielt an.

»Danke Rudy. Ich sag Bescheid wenn alles erledigt ist. In ein paar Tagen bin ich wieder bei der Arbeit.«

»Klar Joe. Ist schon gut. Das ist ganz schön hart. Tut mir leid gute Nacht.«

Die Reifen des Ford suchten Halt. Dann röhrte der Motor auf und der Wagen schlingerte die Straße entlang. Wasser blubberte im Rinnstein. Der Regen prasselte gleichmäßig nieder. Er blieb noch einen Moment stehen um einmal durchzuatmen. Dann ging er zur Wohnung.

Die Wohnung lag an einer Gasse über einer Garage hinter einem zweistöckigen Haus. Um dort hinzukommen ging er durch eine schmale Einfahrt zwischen zwei eng zusammenstehenden Häusern. Es war schwarz zwischen den Häusern. Regen von den beiden Dächern traf sich hier und spritzte mit einem seltsam nassen Hall wie Wasser das in eine Zisterne gegossen wird in große Pfützen hinab. Seine Schuhe schmatzten im Wasser beim Gehen.

Als er zwischen den beiden Häusern hervortrat sah er Licht über der Garage. Er machte die Tür auf. Ein heißer Luftzug wehte über ihn hinweg. Es war heiße Luft mit dem Duft nach Seife und dem parfümierten Franzbranntwein womit sein Vater gebadet und eingerieben wurde und nach dem Puder mit dem er hinterher eingepudert wurde damit er sich nicht wundlag. Es war sehr still. Er ging auf Zehenspitzen nach oben. Seine nassen Schuhe schmatzten immer noch ein bisschen.

Im Wohnzimmer lag sein Vater tot mit einem Laken über dem Gesicht. Er war schon lange krank gewesen und sie hatten ihn ins Wohnzimmer gelegt weil es in der verglasten Veranda die das Schlafzimmer für seinen Vater und seine Mutter und seine Schwestern war zu sehr zog.

Er ging zu seiner Mutter hinüber und berührte sie an der Schulter. Sie weinte nicht allzu sehr.

»Hast du jemanden herbestellt?«

»Ja die müssen jeden Moment kommen. Ich wollte nur dass du zuerst hier bist.«

Seine kleinere Schwester schlief noch auf der verglasten Veranda aber seine ältere Schwester erst dreizehn hockte in ihrem Bademantel zusammengekauert in einer Ecke und versuchte sich zu beruhigen und schluchzte dabei leise. Er blickte zu ihr hinüber. Sie weinte wie eine Frau. Ihm war bislang gar nicht klar gewesen dass sie praktisch erwachsen war. Sie war die ganze Zeit erwachsen geworden und er hatte es erst jetzt gemerkt da sie weinte weil ihr Vater tot war.

Es klopfte unten an die Tür.

»Das sind sie. Lass uns in die Küche gehen. Das ist besser.«

Es war nicht ganz einfach seine Schwester in die Küche zu bekommen aber dann kam sie einigermaßen ruhig mit. Es war als könnte sie nicht gehen. Ihr Gesicht war leer. Ihre Augen waren weit aufgerissen und sie japste mehr als dass sie weinte. Seine Mutter setzte sich auf einen Hocker in der Küche und nahm seine Schwester in den Arm. Dann ging er ans obere Ende der Treppe und rief leise nach unten.

»Kommen Sie rein.«

Zwei Männer mit blitzsauberem Kragen öffneten unten die Tür und kamen die Treppe hinauf. Sie trugen einen langen Weidenkorb. Er trat rasch ins Wohnzimmer und zog das Laken beiseite um einen Blick auf seinen Vater zu werfen bevor sie oben ankamen.

Er blickte in ein müdes Gesicht das nur einundfünfzig Jahre alt war. Er blickte es an und dachte Dad ich fühle mich viel älter als du. Du hast mir leid getan Dad. Du hast es nicht leicht gehabt und du hättest es nie leicht gehabt und es ist ebenso gut dass du tot bist. Heutzutage muss man schneller und härter sein als du es warst Dad. Gute Nacht und träum schön. Ich werd dich nicht vergessen und heute tust du mir nicht mehr so leid wie gestern. Ich hab dich geliebt Dad gute Nacht.

Sie kamen ins Zimmer. Er drehte sich um und ging in die Küche zu seiner Mutter und seiner Schwester. Die andere Schwester die erst sieben war schlief immer noch.

Aus dem Wohnzimmer kamen Geräusche. Die Schritte der Männer die auf Zehenspitzen um das Bett herumgingen. Ein leises Rascheln der Bettdecke die zurückgeschlagen wurde. Dann das Geräusch der Sprungfedern die sich nach acht Monaten Gebrauch wieder entspannten. Dann das Quietschen des Weidenkorbs der das Gewicht vom Bett aufnahm. Dann nach einem lautem Knarren von allen Teilen des Korbs das Schlurfen von Füßen die sich aus dem Wohnzimmer die Treppe hinunterbewegten. Er fragte sich ob sie den Korb waagerecht die Treppe hinuntertrugen oder ob der Kopf tiefer lag als die Füße oder ob es in irgendeiner Weise unbequem war. Sein Vater hätte den Korb ganz behutsam getragen.

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Als sich die Tür am Fuß der Treppe hinter ihnen schloss begann seine Mutter ein wenig zu zittern. Ihre Stimme drang wie trockene Luft aus ihr hervor.

»Das ist nicht Bill. Es sieht so aus aber das ist er nicht.«

Er tätschelte seiner Mutter die Schulter. Seine Schwester sackte wieder auf dem Boden in sich zusammen.

Das war alles.

Ja warum konnte das nicht alles sein? Wie oft musste er das denn alles noch mal durchleben? Es war aus und vorbei und warum konnte das verdammte Telefon nicht aufhören zu klingeln? Er war am Durchdrehen weil er einen Kater hatte einen schlimmen Kater und er hatte einen Albtraum. Gleich würde er aufwachen wenn es sein musste und ans Telefon gehen aber das sollte eigentlich jemand anders übernehmen wenn er auch nur ein bisschen Mitgefühl hatte denn er war müde und hatte die Schnauze voll.

Alles begann auf übelkeiterregende Weise zu verschwimmen. Es war so leise. Es war so verdammt still. Ein Katerkopfschmerz dröhnt und rumpelt und randaliert im Schädel. Aber das hier war kein Kater. Er war krank. Er war krank und er begann sich zu erinnern. Als erwache er aus einer Narkose. Aber man sollte meinen das Telefon würde irgendwann mal aufhören zu klingeln. Es konnte doch nicht ewig so weitergehen. Er konnte nicht wieder und wieder abheben und hören dass sein Vater tot war und dann durch die Regennacht nach Hause fahren. Er würde sich erkälten wenn er das noch oft machte. Außerdem konnte sein Vater nur einmal sterben.

Das Telefonklingeln war nur Teil eines Traums. Es hatte anders geklungen als jedes andere Telefonklingeln und jedes andere Geräusch weil es den Tod bedeutete. Schließlich war dieses Klingeln befremdlich war sehr befremdlich wie der alte Prof. Eldridge im Englischunterricht immer sagte. Und etwas Befremdliches vergisst man nicht aber es hat keinen Zweck zu viel daran zu denken. Dieses Klingeln und seine Botschaft und alles was damit zusammenhing lagen lange zurück und er hatte damit abgeschlossen.

Das Telefon klingelte schon wieder. Ganz weit entfernt hörte er es als dringe es in seinem Kopf durch einen Haufen Fensterläden. Es war als sei er festgebunden und könnte nicht rangehen und doch hatte er das Gefühl er müsste rangehen. Das Klingeln klang so einsam als würde Christus tief unten aus seinem Bewusstsein anrufen und auf eine Antwort warten. Doch es kam keine Verbindung zustande. Mit jedem Klingeln schien es einsamer zu werden. Mit jedem Klingeln wuchs seine Angst.

Er trieb wieder dahin. Er war verwundet. Er war schwer verwundet. Das Klingeln wurde leiser. Er träumte. Er träumte nicht. Er war wach obwohl er nichts sehen konnte. Er war wach obwohl er nichts hören konnte außer einem Telefon das in Wirklichkeit gar nicht klingelte. Er hatte furchtbare Angst.

Er erinnerte sich wie er als kleiner Junge Die letzten Tage von Pompeji gelesen hatte und mitten in der Nacht vor Grauen weinend aufgewacht war. Sein Gesicht war ins Kissen gepresst und er glaubte dass der Gipfel eines der Berge bei ihm zu Hause in Colorado in die Luft geflogen war und dass die Bettdecke Lava war und dass er darunter lebendig begraben war und dass er für immer sterbend dort liegen würde. Jetzt hatte er wieder dieses Gefühl keine Luft zu bekommen. Er hatte das gleiche feige Rumoren im Bauch. Er hatte unchristliche Angst deshalb sammelte er seine Kräfte und verhielt sich wie jemand der unter lockerer Erde begraben ist und sich mit den Händen an die Luft wühlt.

Dann wurde ihm schlecht und er würgte und wurde halb ohnmächtig doch der Schmerz zerrte ihn zurück. Er umfing seinen ganzen Körper wie eine elektrische Spannung. Es war als würde er ihn heftig durchschütteln und ihn dann erschöpft und vollkommen still wieder aufs Bett zurückwerfen. Er spürte wie auf seiner Haut der Schweiß ausbrach. Dann spürte er noch etwas. Er spürte überall seine heiße feuchte Haut und durch die Feuchtigkeit konnte er seine Verbände spüren. Er war von oben bis unten darin eingewickelt. Sogar sein Kopf.

Dann war er also wirklich verwundet.

Der Schock ließ sein Herz gegen seine Rippen donnern. Er bekam überall Gänsehaut. Sein Herz hämmerte in seiner Brust aber er konnte seinen Puls nicht hören.

Oh Gott dann war er taub. Woher hatten sie das mit den bombenfesten Unterständen wenn jemand darin so schwer getroffen werden konnte dass es das ganze komplizierte Gebilde seiner Ohren wegblies und er taub wurde so taub dass er seinen eigenen Herzschlag nicht mehr hören konnte? Er war getroffen worden und er war schwer getroffen worden und nun war er taub. Nicht nur ein bisschen taub. Nicht nur halb taub. Er war stocktaub.

Er lag eine Weile da und der Schmerz ebbte ab und er dachte daran werde ich ganz schön zu kauen haben. Was war mit den anderen? Vielleicht hatten die nicht so viel Glück gehabt. Es waren ein paar gute Jungs da unten in dem Loch gewesen. Wie ist das wohl wenn man taub ist und die Leute anbrüllt? Man schreibt alles auf. Nein das stimmt nicht die anderen schreiben einem alles auf. Das ist kein Grund für ein Freudentänzchen aber es könnte schlimmer sein. Aber wenn man taub ist dann ist man einsam. Man ist gottverlassen.

Dann würde er also nie wieder etwas hören. Tja es gab einen ganzen verdammten Haufen Dinge die er nicht wieder hören wollte. Er wollte das beißende kleine Kastagnettengeräusch eines Maschinengewehrs nicht mehr hören oder das hohe Pfeifen einer Granate die heruntersaust oder das Donnergrollen wenn sie trifft oder das Heulen eines Flugzeugs am Himmel oder die Schreie eines Mannes der jemandem zu erklären versucht dass er eine Kugel in den Bauch gekriegt hat und sein Frühstück ihm auf der Vorderseite wieder rauskommt und warum bleibt denn keiner zurück und hilft ihm bloß dass ihn niemand hören kann weil sie selber solche Angst haben. Zum Teufel damit.

Alles verschwamm immer wieder. Es war wie in so einen Vergrößerungsspiegel zu schauen und ihn dann auf sich zu und von sich weg zu bewegen. Er war krank und vermutlich nicht bei Sinnen und er war schwer verwundet und er war einsam taub aber er war auch am Leben und er konnte immer noch weit weg und schrill ein Telefon klingeln hören.

Er ging unter und stieg wieder auf und bewegte sich dann in trägen ruhigen schwarzen Kreisen. Überall waren Geräusche. Er hatte wirklich den Verstand verloren. Er erhaschte einen Blick auf den breiten Graben in dem er und die Jungs in Colorado immer schwimmen gegangen waren bevor er nach Los Angeles kam bevor er in die Bäckerei kam. Er konnte das Platschen des Wassers hören als Art mal wieder einen Kopfsprung von ganz weit oben machte der spinnt wohl so weit zu springen wieso können wir anderen das nicht auch? Er schaute hinaus über die wogenden Wiesen von Grand Mesa dreitausend Meter hoch am Himmel und sah ganze Felder von Akeleien die sich in einer kühlen Augustbrise wiegten und hörte in der Ferne das Rauschen von Bergbächen. Er sah seinen Vater an einem Weihnachtsmorgen einen Schlitten mit seiner Mutter darauf ziehen. Er hörte wie der frische Schnee unter den Schlittenkufen quietschte. Der Schlitten war sein Weihnachtsgeschenk und seine Mutter lachte wie ein kleines Mädchen und sein Vater lächelte auf seine verhaltene faltige Art.

Sie schienen Spaß zu haben seine Mutter und sein Vater. Besonders damals. Sie flirteten immer direkt vor seiner Nase miteinander bevor die Mädchen geboren wurden. Weißt du noch dies? Weißt du noch das? Ich habe geweint. Du hast dies gesagt. Du hast dein Haar so getragen. Du hast mich hochgehoben und ich wusste wieder wie stark du warst und du hast mich auf den alten Frank gesetzt weil er sanft war und danach sind wir auf dem Eis über den Fluss geritten und der alte Frank suchte sich den Weg so behutsam wie ein Hund.

Weißt du noch das Telefon damals als du mir den Hof gemacht hast? Ich weiß noch alles was war als ich dir den Hof gemacht habe selbst den Ganter der auf mich zustürzte und mich anfauchte wenn ich dich in die Arme nahm. Weißt du noch das Telefon als du um mich geworben hast du Dummerchen? Ich weiß es noch. Dann weißt du noch die Gemeinschaftsleitung achtzehn Meilen weit durchs Cole Creek Valley und nur fünf Teilnehmer? Ich weiß es noch ich weiß noch wie du aussahst mit deinen großen Augen und deiner glatten Stirn du hast dich nicht verändert. Weißt du noch die Telefonleitung und wie neu sie war? Oh es war einsam dort draußen. Drei oder vier Meilen ohne einen Menschen kein Mensch auf der Welt außer dir. Und ich wartete darauf dass das Telefon klingelte. Es klingelte zwei Mal für uns weißt du noch? Zwei Mal Klingeln und du riefst aus dem Lebensmittelgeschäft an wenn der Laden geschlossen war. Und in den Hörern aller fünf Apparate der Gemeinschaftsleitung machte es klick-klick Bill ruft Macia an klick-klick-klick. Und dann deine Stimme wie komisch es war deine Stimme zum ersten Mal durch ein Telefon zu hören wie wunderbar das immer war.

»Hallo Macia.«

»Hallo Bill wie geht’s dir?«

»Gut bist du fertig mit der Arbeit?«

»Wir haben gerade den Abwasch gemacht.«

»Bestimmt hören heute wieder alle zu.«

»Bestimmt.«

»Wissen die nicht dass ich dich liebe? Das müsste ihnen doch eigentlich reichen.«

»Vielleicht tut es das nicht.«

»Warum spielst du nicht ein Stück auf dem Klavier Macia.«

»Na gut Bill. Welches?«

»Was du willst ich mag sie alle.«

»Na gut Bill. Ich leg nur eben den Hörer hin.«

Und dann klimperte weit draußen am Cole Creek weit im Westen auf der anderen Seite der Berge von Denver Musik durch Telefonkabel die brandneu und wunderbar waren. Seine Mutter ging bevor sie seine Mutter wurde oder überhaupt daran dachte seine Mutter zu werden zum Klavier dem einzigen am Cole Creek und spielte Beautiful Blue Ohio oder vielleicht My Pretty Red Wing. Sie spielte es von Anfang bis Ende durch und sein Vater hörte in Shale City zu und dachte ist das nicht wunderbar ich kann hier acht Meilen entfernt sitzen und mir ein kleines schwarzes Etwas ans Ohr halten und in der Ferne die Musik meiner Macia hören meiner Hübschen meiner Macia.

»Hast du’s gehört Bill?«

»Ja. Das war schön.«

Dann mischte sich jemand anders vielleicht sechs Meilen die Leitung rauf oder runter ganz ohne Hemmungen in das Gespräch ein.

»Macia ich hab gerade den Hörer abgenommen und dich spielen hören. Kannst du nicht mal After the Ball is Over spielen? Das würde Clem gerne hören wenn’s dir nichts ausmacht.«

Seine Mutter setzte sich wieder ans Klavier und spielte After the Ball is Over und irgendwo hörte Clem vielleicht zum ersten Mal seit drei oder vier Monaten wieder Musik. Farmersfrauen saßen nach getaner Arbeit mit dem Hörer am Ohr da und lauschten ebenfalls und wurden ganz verträumt und dachten an Dinge von denen ihre Männer keine Ahnung hatten. Und so ging es mit allen am einsamen Bett des Cole Creek die seine Mutter baten ein Lieblingsstück zu spielen während sein Vater in Shale City zuhörte. Es gefiel ihm aber vielleicht wurde er manchmal ein wenig ungeduldig und dachte ich wünschte die Leute am Cole Creek würden begreifen dass das hier eine junge Liebe ist und kein Konzert.

Geräusche Geräusche Geräusche überall. Das Klingeln verhallte und kehrte zurück und er so krank und taub dass er am liebsten sterben wollte. Er suhlte sich in Finsternis und in weiter Ferne klingelte das Telefon ohne dass jemand ranging. Jemand klimperte ganz weit entfernt auf einem Klavier und er wusste dass seine Mutter für seinen toten Vater spielte bevor sein Vater tot war und bevor sie auch nur einen Gedanken an ihn ihren Sohn hatte. Das Klavier spielte im gleichen Rhythmus wie das Telefon und das Telefon wie das Klavier und im Hintergrund war eine undurchdringliche Stille und die Sehnsucht zuzuhören und Einsamkeit.

Now the moon shines tonight on pretty Red Wing
The birds are sighing the night wind crying …

KAPITEL 2

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Seine Mutter sang in der Küche. Er konnte sie da singen hören und der Klang ihrer Stimme war der Klang seines Zuhauses. Sie sang wieder und wieder die gleiche Melodie. Sie sang nie den Text nur die Melodie mit einer irgendwie abwesenden Stimme als ob sie an etwas anderes dachte und mit dem Singen nur die Zeit totschlug. Wenn sie viel zu tun hatte sang sie immer.

Es war Herbst. Die Pappeln hatten sich rot und gelb verfärbt. Seine Mutter arbeitete und sang in der Küche an dem alten Kohleherd. Sie rührte Apfelbutter in einem großen irdenen Topf. Oder sie machte Pfirsiche ein. Die Pfirsiche verbreiteten einen intensiven würzigen Duft im ganzen Haus. Sie machte Gelee. Das Fruchtfleisch hing in einem Mehlsack über dem kühleren Teil des Herds. Durch den Stoff sickerte der Saft klebrig in einen Topf hinab. An den Topfrändern klebte dicker rosa-cremefarbener Schaum. In der Mitte war der Saft klar und rot.

Sie backte Brot. Sie backte zweimal die Woche Brot. Sie bewahrte den Sauerteig von einem Backtag zum anderen in einem Behälter im Eisschrank auf sodass sie nie Hefe besorgen musste. Das Brot war schwer und braun und manchmal schwoll es sechs oder sieben Zentimeter über den Rand der Form hinaus. Wenn sie es aus dem Ofen nahm bestrich sie die braune Kruste mit Butter und ließ sie abkühlen. Aber noch besser als das Brot waren die Brötchen. Sie backte sie so dass sie unmittelbar vor dem Abendessen aus dem Ofen kamen. Sie waren dampfend heiß und man tat Butter hinein und die schmolz und dann schmierte man Marmelade oder eingemachte Aprikosen mit Nüssen in Sirup drauf. Mehr wollte man gar nicht zum Abendessen obwohl man natürlich auch noch etwas anderes essen musste. An Sommernachmittagen nahm man eine dicke Scheibe von dem Brot und belegte es mit kalter Butter. Dann streute man Zucker auf die Butter und das war besser als Kuchen. Oder man besorgte sich eine dicke Scheibe süße rote Zwiebel und steckte sie zwischen zwei Scheiben gebuttertes Brot und niemand auf der ganzen Welt hatte etwas Köstlicheres zu essen.

Im Herbst arbeitete seine Mutter Tag für Tag und Woche für Woche und kam kaum jemals aus der Küche raus. Sie machte Pfirsiche und Kirschen und Himbeeren und Brombeeren und Pflaumen und Aprikosen ein und kochte Marmelade und Gelee und Konfitüre und Chilisoße. Und während sie arbeitete sang sie. Sie sang immer den gleichen Choral mit abwesender Stimme und ohne Text als würde sie dabei die ganze Zeit an etwas anderes denken.

An der Ecke Fifth und Main Street stand immer ein Hamburger-Verkäufer. Er war schmächtig und gebeugt und hatte ein teigiges Gesicht und plauderte immer gern mit jedem der an seinem Stand stehen blieb. Da er der einzige Hamburger-Verkäufer in Shale City war hatte er das Monopol auf dieses Geschäft. Es hieß er sei rauschgiftsüchtig und würde bestimmt mal gefährlich werden. Aber das wurde er nie und er machte die besten Hamburger die man je gegessen hatte. Er hatte einen Gaskocher mit einer Gasflamme und man konnte den wunderbaren Duft der Zwiebeln die er darauf briet zu beiden Seiten seines Stands jeweils einen Block weit riechen. Er kam ungefähr um fünf oder sechs Uhr nachmittags und brutzelte bis um zehn oder elf Uhr Hamburger. Wenn man einen Burger haben wollte musste man warten.

Seine Mutter liebte die Burger des Hamburger-Manns. Samstags abends musste sein Vater lange im Laden arbeiten. Er ging samstags abends immer in die Stadt und wartete bis sein Vater seinen Lohn bekam. Ungefähr um Viertel vor zehn kurz bevor der Laden schloss gab sein Vater ihm dreißig Cent für drei Hamburger. Er rannte mit dem Geld rüber zum Hamburger-Mann um einen Platz in der Schlange zu ergattern. Dann bestellte er drei Hamburger zum Mitnehmen mit massenhaft Zwiebeln und süßem Senf. Bis er drankam war sein Vater bereits auf dem Heimweg. Der Hamburger-Mann steckte die Burger in eine Tüte und er stopfte sich die Tüte zwischen Hemd und Körper. Dann lief er den ganzen Weg nach Hause damit die Hamburger warm blieben. Er lief durch die frischen Herbstabende und spürte die Hitze der Hamburger am Bauch. Jeden Samstagabend versuchte er schneller als am letzten Samstag zu laufen damit die Burger noch wärmer blieben. Wenn er nach Hause kam zog er sie aus seinem Hemd und seine Mutter aß einen immer sofort. Inzwischen war auch sein Vater zu Hause. Es war ein toller Samstagabendschmaus. Die Mädchen waren schon im Bett weil sie noch so klein waren und es kam ihm vor als hätte er seinen Vater und seine Mutter ganz für sich allein. Er war in gewisser Weise erwachsen. Er beneidete den Hamburger-Mann weil der Hamburger-Mann so viele Burger essen konnte wie er wollte.

Im Herbst kam der Schnee. Meistens schneite es an Thanksgiving aber manchmal dauerte es auch bis Mitte Dezember. Der erste Schnee war das Wunderbarste auf der Welt. Sein Vater weckte ihn dann immer früh mit dröhnender Stimme. Meist war der Schnee pappig und klebte an allem fest. Sogar auf dem Maschendrahtzahn um den Hühnerpferch im Hof lag er gut einen Zentimeter hoch. Die Hühner waren jedes Mal wieder verwirrt und beunruhigt durch den ersten Schnee. Sie staksten vorsichtig darin herum und schüttelten die Füße und die Hähne beschwerten sich den ganzen Tag darüber. Die Schuppen sahen immer wunderschön aus und ein Zaunpfahl hatte eine zehn Zentimeter hohe Haube. Die Vögel auf den Brachflächen machten kleine Muster in den Schnee die dann und wann von einer Kaninchenfährte gekreuzt wurden. Sein Vater vergaß nie ihn früh zu wecken wenn es schneite. Als Erstes lief er zum Fenster und schaute hinaus. Dann zog er seine dicken Sachen an und seine Holzfällerjacke und seine Stiefel und seine Lammfellhandschuhe und holte seinen Schlitten und ging mit den anderen Kindern raus und kehrte erst zurück wenn seine Füße taub und seine Nase erfroren war. Der Schnee war etwas Wunderbares.

Im Frühling wuchsen Primeln überall auf den unbebauten Flächen. Sie öffneten sich am Morgen und schlossen sich wenn die Sonne heiß wurde und öffneten sich dann wieder am Abend. Jeden Abend gingen die Kinder auf Primeljagd. Sie kamen mit riesigen Sträußen weißer Blüten zurück die so groß wie eine Hand waren und legten sie in flache Schüsseln mit Wasser. Am ersten Mai bastelten sie Körbe und füllten sie mit Primeln unter denen sie Süßigkeiten versteckten. Wenn es dunkel war gingen sie von Haus zu Haus und stellten überall einen Korb ab und klopften an die Tür und liefen schnell in die Nacht.

Lincoln Beechy kam in die Stadt. Sein Flugzeug war das erste das Shale City je zu Gesicht bekam. Es stand in einem Zelt mitten auf der Rennbahn auf dem Festgelände. Tagein tagaus strömten die Menschen durch das Zelt um es sich anzuschauen. Es schien nur aus Draht und Stoff zu bestehen. Keiner konnte verstehen wie jemand sein Leben auf so etwas Dünnes wie einen Draht setzen konnte. Wenn nur ein kleiner Draht kaputtginge wäre das das Ende von Lincoln Beechy. Im Vorderteil des Flugzeugs vor den Propellern befand sich ein kleiner Sitz mit einem Knüppel davor. Da saß der große Pilot.

Jedermann in Shale City freute sich dass Lincoln Beechy in die Stadt kam. Das war etwas Wunderbares. Shale City wurde tatsächlich zur Großstadt. Lincoln Beechy machte schließlich nicht in jedem Kuhdorf Station. Er besuchte nur Orte wie Denver und Shale City und Salt Lake und danach flog er weiter nach San Francisco. Die ganze Stadt war auf den Beinen an dem Tag als Lincoln Beechy den Looping flog. Das tat er fünf Mal. Es war das Unglaublichste was man je gesehen hatte.

Mr. Hargraves der Schulrat hielt vor dem Flug eine Rede. Er sagte die Erfindung des Flugzeugs sei der größte Schritt voran den die Menschheit in hundert Jahren gemacht habe. Das Flugzeug sagte Hargraves werde die Entfernung zwischen Nationen und Völkern verringern. Das Flugzeug sei ein fantastisches Instrument um die Menschen dazu zu bringen einander zu verstehen und einander zu lieben. Das Flugzeug sagte Mr. Hargraves leite eine neue Ära des Friedens und Wohlstands und gegenseitigen Verstehens ein. Alle würden Freunde sein sagte Mr. Hargraves wenn das Flugzeug die Welt zusammenfüge sodass die Menschen der Welt einander verstünden.

Nach der Rede flog Lincoln Beechy fünf Loopings und verließ die Stadt. Ein paar Monate später stürzte sein Flugzeug in die San Francisco Bay und Lincoln Beechy ertrank. In Shale City war es als hätte man einen Mitbürger verloren. Der Shale City Monitor brachte einen Leitartikel. Darin stand auch wenn der große Lincoln Beechy tot sei habe das Flugzeug eine Zukunft als Instrument des Friedens und Vereiniger der Völker.

Sein Geburtstag war im Dezember. Zu jedem Geburtstag kochte seine Mutter ein großes Essen und er lud seine Freunde zu sich ein. Auch jeder seiner Freunde gab ein Geburtstagsessen sodass es mindestens sechs Feiern im Jahr gab auf denen die Jungs zusammenkamen. Meistens gab es Huhn und immer einen Geburtstagskuchen und Eiscreme. Alle brachten Geschenke mit. Er würde nie vergessen wie Glen Hogan ihm ein Paar braune Seidensocken schenkte. Das war bevor er lange Hosen trug. Die Socken waren wie ein Schritt in eine erwachsene Zukunft. Sie sahen sehr gut aus. Nach der Party zog er sie an und starrte sie eine ganze Weile an. Die lange Hose dazu bekam er drei Monate später.

Die Jungs mochten seinen Vater vermutlich weil sein Vater die Jungs mochte. Wenn das Essen vorüber war ging sein Vater immer mit ihnen allen zu einer Show. Sie zogen ihre Holzfällerjacken an und gingen hinaus in den Schnee und stapften hinunter zum Elysium-Theater. Es war toll sich vom Essen innen warm zu fühlen und das Gesicht kalt durch die eisige Luft und eine Show auf die man sich freuen konnte. Er konnte jetzt noch ihre Schritte im Schnee quietschen hören. Er sah seinen Vater der der Bande zum Elysium voranging. Er erinnerte sich dass die Shows immer gut waren.

Im Herbst wurde ein Volksfest gefeiert. Es gab bockende Broncos und junge Ochsen die es zu bezwingen galt und Indianerrennen auf ungesattelten Pferden und Trabrennen. Immer war ein Häufchen Indianer da angeführt von der großen Squaw Chipeta. Eine Straße in Shale City war nach ihr benannt. Die Stadt Ouray Colorado war nach ihrem Mann Chief Ouray benannt. Die Indianer die Chipeta mitbrachte taten kaum etwas anderes als herumzusitzen und zu glotzen aber Chipeta selbst lächelte die ganze Zeit und erzählte von früher.

Während des Volksfestes kam ein Jahrmarkt in die Stadt und man konnte Frauen sehen die in der Mitte durchgesägt wurden und todesmutige Motorradfahrer die an der Innenwand einer zylindrischen Röhre hoch und runter fuhren. Im Hauptgebäude auf dem Festgelände gab es konserviertes Obst das in Einmachgläsern leuchtete und es wurden Stickereien und reihenweise Kuchen und Berge von Brot und riesige Kürbisse und exotische Kartoffeln präsentiert. In den Pferchen standen junge Ochsen so breit wie Scheunen und Schweine fast so groß wie Kühe und Rassehühner. Die Jahrmarktwoche war die größte Woche des Jahres. In gewisser Weise war sie sogar größer als Weihnachten. Man kaufte sich eine Peitsche mit Troddeln am Ende und es war ein Gunstbeweis wenn man sie gegen die Beine eines Mädchens klatschen ließ das einem gefiel. Über dem Festgelände lag ein Geruch den man niemals vergaß. Ein Geruch von dem man nie zu träumen aufhörte. Irgendwo in seinem Hinterkopf würde er ihn immer riechen so lange er lebte.

Im Sommer fuhren sie an den großen Graben nördlich der Stadt und zogen sich aus und legten sich ans Ufer und redeten. Das Wasser war warm von der Sommerluft und die Hitze stieg wie Dampf von der graubraunen Erde auf. Sie schwammen ein bisschen und dann gingen sie wieder ans Ufer und saßen splitterfasernackt da und sonnten sich und redeten. Sie redeten über Fahrräder und Mädchen und Hunde und Gewehre. Sie redeten übers Zelten und Kaninchenjagen und Mädchen und Angeln. Sie redeten über das Jagdmesser das sie sich alle wünschten aber nur Glen Hogan hatte eins. Sie redeten über Mädchen.

Als sie in das Alter kamen in dem sie mit Mädchen ausgingen gingen sie stets mit ihnen zu dem Pavillon auf dem Festgelände. Sie begannen sich richtig in Schale zu werfen. Sie sprachen über Krawatten mit passenden Taschentüchern und sie trugen Budapester Schuhe und Hemden mit grellroten und -grünen und -gelben Streifen. Glen Hogan hatte sieben Seidenhemden. Er hatte auch die meisten Mädchen. Es war plötzlich wichtig ob man ein Auto hatte oder nicht und es war sehr demütigend zu Fuß mit seinem Mädchen zum Pavillon zu gehen.

Manchmal hatte man nicht genug Geld um tanzen zu gehen. Dann gondelte man langsam in der Nähe des Festgeländes herum und hörte wie die Musik aus dem Pavillon durch die Nacht drang. Die Songs hatten alle eine Bedeutung und die Texte nahm man sehr ernst. Es wurde einem ganz eng ums Herz und man wünschte sich hinüber in den Pavillon. Man fragte sich mit wem sein Mädchen wohl tanzte. Dann zündete man sich eine Zigarette an und sprach von etwas anderem. Es war eine große Sache sich eine Zigarette anzuzünden. Man tat es nur nachts wenn niemand einen sah. Man machte ein ziemliches Theater darum wie man die Zigarette angemessen lässig hielt. Und der Erste aus der Clique der inhalieren konnte war der tollste Typ der Welt bis die anderen auch so weit waren.

In Jim O’Connells Tabakladen saßen die alten Männer herum und erzählten vom Krieg. Im Hinterzimmer war es sehr kühl. Bevor Alkohol in Colorado verboten wurde war dort ein Saloon und an feuchten Tagen konnte man noch das Bier in den Dielenbrettern riechen. Die alten Männer saßen auf Barhockern und beobachteten die Billardtische und spuckten in große Messingspucknäpfe und redeten über England und Frankreich und schließlich über Ruuußland. Ruuußland stand immer kurz vor einer großen Offensive die die verdammten Deutschen auf schnellstem Wege wieder nach Berlin zurückdrängen würde. Und das wär’s dann mit dem Krieg.

Dann beschloss sein Vater aus Shale City wegzugehen. Sie zogen nach Los Angeles. Da nahm er den Krieg zum ersten Mal richtig wahr. Er wurde ihm bewusst als Rumänien eintrat. Das schien von großer Bedeutung zu sein. Bisher hatte er nur im Erdkundeunterricht von Rumänien gehört. Aber Rumänien trat an demselben Tag in den Krieg ein als die Zeitungen von Los Angeles die Geschichte zweier junger kanadischer Soldaten brachten die vor den Augen ihrer Kameraden auf der anderen Seite des Niemandslands von den Deutschen gekreuzigt worden waren. Damit waren die Deutschen keinen Deut besser als Tiere und natürlich war da sein Interesse entfacht und er wollte dass Deutschland nach Strich und Faden fertiggemacht würde. Alle sprachen von den Ölquellen und den Weizenfeldern Rumäniens und dass sie die Alliierten versorgen würden und dass das bestimmt das Ende des Krieges wäre. Aber die Deutschen marschierten einfach durch Rumänien durch und nahmen Bukarest ein und Königin Maria musste ihren Palast verlassen. Dann starb sein Vater und Amerika trat in den Krieg ein und er musste auch mit und nun war er hier.

Er lag da und dachte oh Joe Joe das hier ist kein Platz für dich. Das war kein Krieg für dich. Diese ganze Sache ging dich überhaupt nichts an. Was hast du damit zu tun dass sie die Welt für die Demokratie sichern wollen? Alles was du wolltest Joe war leben. Du bist in dem schönen gesunden Land Colorado geboren und aufgewachsen und du hattest mit Deutschland und England und Frankreich und auch mit Washington D.C. ebenso wenig zu tun wie mit dem Mann im Mond. Und doch liegst du hier dabei ging dich das gar nichts an. Hier liegst du nun Joe und du bist schwerer verwundet als du glaubst. Du bist sehr schwer verwundet. Vielleicht wäre es viel besser wenn du tot und auf dem Hügel auf der anderen Seite des Flusses von Shale City begraben wärst. Vielleicht hat’s dich schlimmer erwischt als du ahnst Joe. Ach warum zum Teufel bist du nur in diesen Schlamassel reingeraten? Denn es war nicht dein Kampf Joe. Du wusstest eigentlich nie worum es bei diesem Kampf überhaupt ging.

KAPITEL 3

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Er schoss durch kühles Wasser nach oben und fragte sich ob er es jemals bis an die Oberfläche schaffen würde oder nicht. Es wurde ja viel Blödsinn erzählt von wegen ein Mensch geht dreimal unter und ertrinkt dann. Seit Tagen Wochen Monaten oder wer weiß wie lange ging er unter und kam wieder hoch. Aber er war nicht ertrunken. Jedes Mal wenn er an die Oberfläche kam schwanden ihm die Sinne in die Realität und wenn er wieder unterging schwanden ihm die Sinne ins Nichts. Lange langsame Ohnmachten während er um Luft und Leben rang. Er kämpfte zu sehr und das wusste er. Man kann nicht ewig kämpfen. Wenn man ertrinkt oder erstickt muss man so klug sein etwas von seiner Kraft für den letzten den endgültigen den Todeskampf zu bewahren.

Er lag ruhig da denn er war ja nicht blöd. Wenn man ruhig daliegt kann man sich treiben lassen. Er hatte sich als Kind oft treiben lassen. Er wusste wie das ging. Seine letzte Kraft auf diesen Kampf verschwenden wenn er sich doch bloß treiben lassen musste. Wie blöd.

Jemand machte sich an ihm zu schaffen. Es dauerte eine Weile bis er das begriff weil er nichts hören konnte. Dann fiel ihm ein dass er taub war. Es war komisch dazuliegen mit Menschen im Raum die ihn berührten ihn betrachteten ihn verarzteten und doch nicht in Hörweite waren. Sein Kopf war immer noch komplett verbunden daher konnte er sie auch nicht sehen. Er wusste nur dass sich da draußen in der Dunkelheit außer Hörweite Menschen an ihm zu schaffen machten und ihm zu helfen versuchten.

Sie nahmen einen Teil seiner Verbände ab. Er spürte die Kühle den plötzlich trocknenden Schweiß an seiner linken Seite. Sie machten etwas mit seinem Arm. Er fühlte das Zwicken eines scharfen kleinen Instruments das etwas packte und jedes Mal ein Stück Haut zu fassen bekam. Er zuckte nicht. Er lag einfach da denn er musste mit seinen Kräften haushalten. Er versuchte herauszufinden wieso sie ihn zwickten. Nach jedem Zwicken folgte ein leichtes Ziehen im Fleisch seines Oberarms und es wurde kurz unangenehm warm wie durch Reibungshitze. Das Ziehen ging in kurzen kleinen Rucken weiter und jedes Mal wurde seine Haut heiß. Es tat weh. Er wünschte sie würden aufhören. Es juckte. Er wünschte sie würden ihn kratzen.