Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
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10.
11.
12.
13.
Epilog
Kommentar
Leserkontaktseite
Glossar
Clubnachrichten
Leseprobe Perry Rhodan-Buch 125 - Fels der Einsamkeit
Vorwort
1.
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 2741
Die Ordische Stele
Das Tribunal greift nach Aurora – und ein Oxtorner geht auf einen wahren Höllenritt
Christian Montillon
Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
Seit die Menschheit ins All aufgebrochen ist, hat sie eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Die Terraner – wie sich die Angehörigen der geeinten Menschheit nennen – sind längst in ferne Sterneninseln vorgestoßen. Immer wieder treffen Perry Rhodan und seine Gefährten auf raumfahrende Zivilisationen und auf die Spur kosmischer Mächte, die das Geschehen im Universum beeinflussen.
Im Jahr 1516 Neuer Galaktischer Zeitrechnung steht die Milchstraße seit nunmehr zwei Jahren unter dem Einfluss des Atopischen Tribunals, einer noch immer weitgehend rätselhaften Organisation. Diese gibt vor, im Rahmen der »Atopischen Ordo« für Frieden und Sicherheit zu sorgen.
Welche Auswirkungen die Atopische Ordo haben kann, erfährt Perry Rhodan am eigenen Leib: Ihn hat es in die Galaxis Larhatoon verschlagen, die Heimat der Laren, die vor über eineinhalb Jahrtausenden als Mitglieder des Konzils der Sieben Galaxien eine beträchtliche Zeitspanne in der Milchstraße herrschten.
In der Milchstraße regiert indessen nur noch formal das Galaktikum, die eigentliche Politik findet stets im Schatten der Onryonen statt. Diese beanspruchen nun konsequenterweise auch die galaktische Hauptwelt Aurora. Dort platzieren sie DIE ORDISCHE STELE ...
UFo – Der Vorsitzende des Galaktikums gibt sich scheinbar geschlagen.
Penccas Khelliod – Der Onryone versucht nach außen leutselig zu wirken.
Monkey – Der Lordadmiral der USO geht in einen riskanten Einsatz.
Versinkt, alle Sterne!
Die Salve von Explosionen verwandelte eine riesige Landfläche in eine glutflüssige Hölle. Eine Lavasäule schoss gewaltig in die Höhe, zerplatzte und fiel als tödliche Sturzflut zurück auf den Planeten.
Am unteren Bildrand standen Werte, die das entsetzliche Geschehen in etwas Nüchternes, Unwirkliches verwandelten: Es war die zweiundzwanzigste Explosion auf Noros, die Lavasäule war zehn Kilometer hoch gewesen, und das zerstörte Areal maß etwa einhundert Quadratkilometer.
Was machte es für einen Unterschied? Wo lag die Bedeutung solcher Daten? Durch die Attacke der Onryonen war der gesamte Planet zerstört worden. Das zählte, sonst nichts.
Jedenfalls beurteilte Blosstur die Lage so. Der Mehandor stand in der Zentrale seines Raumschiffs, der BLOSST'ERAN, einer 220-Meter-Walze.
Sein Schiff war sein ganzer Stolz, oder zumindest fast sein ganzer Stolz. Seine vier Töchter liefen der BLOSST'ERAN manchmal den Rang ab. Vor allem, wenn eine von ihnen mal wieder ein Kind bekam. Vielleicht würde irgendwann unter den leider meist nichtsnutzigen Enkeln ein guter Kommandant für die BLOSST'ERAN heranwachsen.
Auf dem Nachrichtenholo in der Mitte der Zentrale lief weiter mit brutaler Deutlichkeit die Zerstörung eines Planeten ab.
Eine eigentlich unwichtige Welt, die vor wenigen Stunden untergegangen war. Wenn man denn von irgendeiner Welt behaupten konnte, dass sie unwichtig wäre. Jede hatte ihren Platz im Universum, und es stand niemandem zu, das zu ändern. Davon war Blosstur überzeugt.
Doch darum scherten sich Völker wie die Onryonen nicht, die sich selbst offenbar als die Krone der Schöpfung sahen, als die Herren über Leben und Tod.
Blosstur verachtete sie.
Sie zerstörten Noros, eine nahezu unbesiedelte Welt im Halo-System – und heuchelten dabei auch noch Menschenfreundlichkeit, indem sie vorher eine Warnung ausgesprochen und damit eine Evakuierung ermöglicht hatten. Als wäre das auch nur ansatzweise eine Rechtfertigung für ihren Hochmut!
Als nächstes würden sie sich vielleicht den Nachbarplaneten Aurora vornehmen, die Hauptwelt des Galaktikums und damit eines der großen politischen Machtzentren der Galaxis. Oder gleich Terra. Oder – bei allen Walzen des Universums, einschließlich der kobaltblauen! – am Ende gingen die Onryonen noch gegen Archetz vor. Nicht dass Blosstur jemals auf dieser Hauptwelt der Mehandor gewesen war, aber ...
Ein Zischen riss ihn aus den trüben Gedanken. Gut so. Er hing ohnehin viel zu oft seinem Weltschmerz nach. Er drehte sich in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war.
Sein Pilot Passan ließ eine Arkonbrause aus einem vakuumversiegelten Beutel in einen Becher gluckern. Das Konzentrat saugte die Feuchtigkeit aus der umgebenden Luft und schäumte.
Es roch geradezu unverschämt stark nach Springerminze.
»Du trinkst?«, fragte Blosstur. »Jetzt?«
»Wenn nicht jetzt, wann dann?« Passan zerknüllte den leeren Vakuumbeutel und steckte ihn sich in die Hosentasche. »Ja, die Onryonen zerstören Noros, und entweder sie selbst oder die sensationshungrigen Medien sorgen dafür, dass es die gesamte Galaxis mitbekommt. Aber wenigstens war es nicht Aurora. Dort wären ein paar Millionen Lebewesen gestorben.«
»Ein paar Milliarden«, verbesserte der Kommandant. »Aber das ist nicht der springende Punkt.«
»Du und deine tefrodischen Redewendungen«, sagte Passan halb amüsiert, halb verächtlich.
»Terranisch«, korrigierte Blosstur. »Der Sprachschatz der Tefroder ist nicht halb so interessant. Außerdem schienen sie momentan nur noch ein einziges Wort zu kennen. Maghan hier, Maghan da.«
Der Kommandant der BLOSST'ERAN verzog verächtlich das Gesicht. Die Spitzen seines wuchernden Vollbarts kitzelten ihn dabei an der Nase.
»Lass uns das Thema wechseln!«, bat Passan, während im Holo vor ihm ein Binnenmeer verdampfte und einen gewaltigen Orkan entfachte.
Das kam Blosstur gelegen. »Nicht nur das Thema«, sagte er, »am besten auch das Programm.« Er wechselte die Stimmlage. »Servo, schalte die Wiedergabe ab. Spiel stattdessen Turandot von Puccini, Terra.« Er dachte kurz nach und ergänzte: »Abschnitt Nessun dorma.«
Die ersten Klänge hallten in perfektem Raumklang durch die Zentrale. Es war eine Wohltat, nicht mehr die Bilder von Tod und Zerstörung sehen zu müssen und stattdessen der Musik lauschen zu können.
Dilegua, o notte! Tramontate, stelle! Tramontate, stelle! All'alba vincerò! Vincerò! Vincerò! Die Arie wurde in dieser Aufnahme dargeboten vom ophalischen Meistersinger Salaam Siin; eine historische, ja fast antike, äußerst seltene Originalaufnahme. Blosstur hatte den Datenkristall vor mehr als zehn Jahren gegen einige Fässer Wein eingetauscht, das Geschäft seines Lebens.
»Was singt er?«, fragte der Pilot.
Blosstur hatte auf die Frage nur gewartet. Schließlich hatte er das Stück nicht zufällig ausgewählt. Es erschien ihm als ein guter Kommentar zum aktuellen Geschehen. Und wieder einmal zeigte sich, wie trefflich die Kunst die Wirklichkeit zu kommentieren vermochte.
»Ende, oh Nacht!«, übersetzte er. »Versinkt, alle Sterne! Versinkt, alle Sterne! Wenn die Sonne aufgeht, werde ich siegen! Werde ich siegen! Werde ich siegen!«
»Die Sterne scheinen zwar wirklich zu versinken«, meinte Passan, »aber der Rest ist ziemlich optimistisches Gefasel.«
»Ein wenig Optimismus kann nichts schaden«, widersprach Blosstur, der im allgemeinen nicht gerade für seinen Optimismus bekannt war. Eher für seine ... Fähigkeit, alles in ziemlich düsterem Licht zu sehen.
Wieder schwiegen beide, während Salaam Siin eine neue Arie begann. Die beiden Mehandor hingen ihren Gedanken nach.
»Noch nichts?«, fragte Blosstur schließlich.
Passan hielt die Ortungsanzeigen genau im Auge. Wenn sich in der Umgebung irgendetwas tat, würde er es bemerken. Doch das All war so sprichwörtlich leer und tot, wie es nur sein konnte. »Nichts. Gar nichts.«
»Das sieht nicht gut aus.«
»Lordadmiral Monkey hat gesagt, dass es länger dauern könnte«, gab der Pilot zu bedenken.
»Monkey ist auch so ein Pessimist«, kommentierte Blosstur.
»Oder Realist?«, fragte Passan.
Der Kommandant dachte nach. »Vielleicht nichts von beidem. Monkey ist eben Monkey. Und er wird sich nie ändern.«
»Glaubst du?«
Sie schwiegen, während Salaam Siin weitersang, diesmal in der Rolle des Charon, und in reinstem Interkosmo. Oh du, Verwegener, der du vor dem Tod zu diesen Ufern kommst, bleib stehen! Es ist keinem Sterblichen erlaubt, dies Wasser zu befahren, und kein Sterblicher darf bei den Toten wohnen.
»Guter Tipp«, sagte Passan knochentrocken.
»Warten wir es ab.« Blosstur fragte sich, ob er damit das Lied kommentierte, Passans Bemerkung oder die Hoffnung, dass Monkeys Ankündigung sich erfüllte.
Wie auch immer, sie mussten warten und auf den oxtornischen Lordadmiral der USO vertrauen. Die USO war mittlerweile von den Onryonen als terroristische Vereinigung gebrandmarkt und verboten worden. Damit war Monkey ohne Frage selbst ein Terrorist.
Was einen Mann wie ihn jedoch nicht daran hinderte, der USO aktiver und verbissener als jemals vorher vorzustehen.
19. Mai 1516 NGZ
Monkeys Fazit
Monkey wartete.
Es blieben etwa fünf Minuten bis zum vereinbarten Zeitpunkt. Der Oxtorner verbrachte sie damit, in dem Textblock weiterzulesen, den er vor seine Kameraaugen projizierte. Durchaus ungewöhnlich für ihn: Er las keine Einsatzberichte oder strategische Analysen – sondern eine Biographie.
Sie war so zart, als müsste der erste Windhauch sie wie Glas zerbrechen lassen, las er. Aber in Wirklichkeit war sie der Hauch, der andere zerbrechen ließ.
Er wusste nicht recht, was er von dieser Biographie halten sollte. Es war Dr. Franklyn Coves berühmte »Abhandlung über Alaska Saedelaere«, und er steckte mitten im vielleicht umstrittensten Kapitel über Kytoma.
Dr. Cove hatte einige gewagte Thesen aufgestellt, die so manche Entscheidung des mittlerweile mit dem Raumschiff LEUCHTKRAFT verschollenen Unsterblichen in anderem Licht erscheinen ließen. Monkey hielt es, gelinde gesagt, für Unsinn, aber er fand es interessant. Seit Ronald Tekeners Tod, und vor allem seitdem sich ihm der Swoon Gyr Boskaide plötzlich vor wenigen Tagen offenbart hatte, versuchte er die Psyche anderer Intelligenzwesen besser zu verstehen.
Gyr Boskaide gab Monkey Rätsel auf, genauso wie Alaska Saedelaere für viele ein solches Rätsel darstellte. Die Bücher, die über den Mann mit der Maske geschrieben worden waren, zählten Legion. Und das Verblüffende daran war, das wusste Monkey inzwischen, dass eben dieser Saedelaere gerade wegen seiner Rätselhaftigkeit und Unnahbarkeit für viele eine Inspiration darstellte.
So wie der unscheinbare Swoon Gyr Boskaide ihn, Monkey, inspirierte. Es fiel ihm schwer, sich das einzugestehen ... ihm, dem Oxtorner mit den Kameraaugen, dem Mann ohne Gefühle, dem unerschütterlichen Felsen. Und doch entsprach es den Tatsachen. Der kleine, zerbrechliche Swoon, gerade mal ungefähr so groß wie Monkeys Hand, beeindruckte ihn und brachte ihn zum Nachdenken.
Es surrte.
Monkey drehte sich um und löschte dabei die Textwiedergabe vor seinen Kameraaugen. Die Tür zum spezialgesicherten Besprechungsraum im Zikkurat I in Aurora öffnete sich auf seinen Zuruf hin.
Ein Wesen trat ein, wie Perry Rhodan in seiner Jugend es wohl als Teufelsgestalt bezeichnet hätte, als aufrecht gehenden Ziegenbock mit Hörnern, Bocksfüßen und Schwanz.
Jeder Terraner der heutigen Zeit jedoch hätte in ihm natürlich einen Cheborparner erkannt. Die Gebildeten oder besser Informierten hätten auch seinen Namen nennen können, zumindest in der Kurzform.
Dies war Uldormuhecze Foelybeczt alias UFo, der Vorsitzende des Galaktikums. Oder der stellvertretende Vorsitzende, wie er sich immer noch nannte, obwohl der eigentliche erste Mann längst nicht mehr greifbar war. Gaumarol da Bostich war gejagt, verhaftet, abgeführt, in Gefangenschaft gesetzt worden ... und inzwischen samt Perry Rhodan mit unbekanntem Ziel geflohen.
Das wiederum wussten nur die wenigsten, zu denen Monkey selbstverständlich gehörte. Ob die USO nun als terroristische Vereinigung verboten worden war oder nicht, spielte für ihn in einer Hinsicht keine Rolle: Er lebte am Puls der Zeit, genau da, wo die wirklich wichtigen Informationen flossen und Entscheidungen getroffen wurden, die das Potential in sich trugen, die Galaxis zu verändern.
»Willkommen, Vorsitzender Uldormuhecze Foelybeczt«, begrüßte Monkey den ersten der beiden erwarteten Gäste.
Der Cheborparner lachte meckernd. »So förmlich, Monkey? Du hast sicher schon auf mich gewartet. Wie hast du dir die Zeit vertrieben?«
»Mit nichts«, sagte Monkey kühl, denn die Wahrheit ging niemanden etwas an.
»Unser dritter Gast fehlt noch? Wo ist der Swoon?«
»Gyr Boskaide wird bald zu uns stoßen. Bis zur vereinbarten Zeit bleibt noch ...« Monkey zögerte kurz und warf einen Blick auf die Uhr. »... eine Minute.«
»Es gab eine bessere Zeit als diese.« Der Cheborparner kam näher. Jeder Schritt klackerte auf dem Hartplastikboden. In einer Ecke des Raumes schwebte ein detailgetreues Holobild der Milchstraße.
»Du meinst, vor dem Ultimatum der Onryonen? Bevor sie Noros zerstört haben und nun als düstere Bedrohung über Aurora hängen?«
UFo setzte sich. Seine kleinen Augen blinzelten. »Bevor ...«
Er kam nicht mehr dazu, sich zu erklären. Es surrte erneut, die Tür öffnete sich wieder, und der Swoon schwebte auf einer winzigen Antigravplattform herein. Er saß auf einem Ledersessel, der seiner gebogenen Körperform perfekt angepasst war.
»Ich bitte zu entschuldigen, dass ich der Letzte bin. Es soll keineswegs bedeuten, dass mir diese Besprechung nicht wichtig ist. Ganz im Gegenteil. Die Sicherheitsvorkehrungen hier im Zikkurat I haben mich allerdings eine Menge Zeit gekostet. Die Systeme wollten mich zuerst nicht passieren lassen, weil sie in meiner Schwebeplattform eine schädliche Technologie vermuteten ... was immer das bedeuten mag. Vielleicht erwartete die automatischen Routinen eine Bombe zu finden oder dergleichen.«
Die Worte kamen leise, als würden sie mit letzter Kraft hervorgestoßen, und sie gingen am Ende der Ansprache in eine Art bellendes Husten über. Die grüne Haut um die Augen des kleinen USO-Spezialisten legten sich in schrumplige Falten.
Boskaide zog die vier dünnen Arme an sich, als wolle er sich selbst umarmen. Sie zitterten. Es ging ihm offenbar wieder schlechter.
Der Oxtorner zoomte die gebogene, gurkenförmige Gestalt näher heran. »Du bist pünktlich, nur das zählt«, sagte er in sachlichem, emotionslosem Tonfall. Tatsächlich zählte etwas anderes: Gyr Boskaide sah sogar schlechter aus als sonst.
»Kommen wir zur Sache!«, forderte UFo. »Ich muss so schnell wie möglich zurück zur Vollversammlung. Die Botschafter der Milchstraßenvölker toben, und der Galaktische Rat zeigt sich lebhafter als jemals sonst.« Wieder ließ er das meckernde Lachen hören. »Vielleicht der einzige positive Nebeneffekt, dass die Onryonen vor Auroras Toren stehen und diese Welt und damit am besten das gesamte Galaktikum übernehmen wollen.«
Monkey antwortete nicht darauf. Politik war ihm zu träge. Sie war Teil seiner Arbeit als Lordadmiral der USO, aber er schätzte sie nicht; ein unvermeidliches Übel. Was brachten schon irgendwelche Vollversammlungen angesichts des neuen Ultimatums, das der Onryone Penccas Khelliod gestellt hatte?
Vor weniger als einer Stunde hatte Khelliod via Funk betont, dass er im Frieden gekommen sei, aber dass das Galaktikum ihm im Gegenzug den Krieg erklärt hätte. Er werde die Ordische Stele wie geplant auf Aurora errichten, sei es im Frieden oder auf den Trümmern des Planeten und damit auf Bergen von Leichen.
Der Onryone hatte mit der Bekanntgabe einer lächerlich kurzen Frist geendet – einem Ultimatum von drei Stunden, nach denen UFo entweder Aurora übergeben musste ...
... oder eben nicht. Nur dass dieses eben nicht gleichbedeutend mit einem in diesem Fall anlaufenden Angriff der Onryonen war. Die gegnerische Flotte hatte den Planeten Noros nur aus einem einzigen Grund in eine unbewohnbare Gluthölle verwandelt: um zu demonstrieren, dass sie es konnten. Und dass sie es mit Aurora und nahezu sämtlichen anderen Welten ebenso vermochten.
»Das Üble an diesem Ultimatum ist«, begann Monkey, »dass Penccas Khelliod recht hat. Er kann Aurora angreifen und vernichten. Wir können uns nicht wehren. Unsere Flotten sind wertlos, solange wir uns nicht gegen die Linearraumtorpedos verteidigen können.«
»Das ist dein Fazit?«, fragte Uldormuhecze Foelybeczt. »Verstehe ich dich richtig, dass du der Meinung bist, dass wir völlig verloren sind?«
»Dies ist lediglich der erste Teil meines Fazits, und ich glaube nicht, dass jemand diese Feststellung in Frage ziehen kann.«
»Ich zumindest nicht«, sagte der Swoon.
UFo schwieg einige Zeit – Sekunden, in denen das Ultimatum weiter zerrann, unablässig, von Atemzug zu Atemzug. Es blieben etwas mehr als zwei Stunden; viel zu wenig Zeit und doch viel zu viel, weil sie eine Unmenge quälender Gedanken mit sich brachten.
»Mich interessiert der zweite Teil deines Fazits«, sagte der Cheborparner. Sein Oberkörper war perfekt gerade aufgerichtet. Die Haare seines Gesichtsfells zitterten kaum merklich rund um den Mund. »Ist es ebenso – negativ?«
»Ganz im Gegenteil.« Monkey schaute nicht UFo an, der mit jedem Zoll sein dunkles Charisma verströmte, sondern den hinfälligen Swoon. »Ich sagte es bereits: Unsere Flotten sind wertlos, solange wir uns nicht gegen die Linearraumtorpedos verteidigen können. Genau hier müssen wir ansetzen.«
»Und wie lautet dein Vorschlag, Lordadmiral?« Der Cheborparner stockte, als fiele ihm erst in diesem Moment auf, welchen gedanklichen Fehler er begangen hatte. Monkey schenkte dem Schauspiel keine Sekunde Glauben. »Oh, ich vergaß, dass du diesen Titel offiziell nicht mehr tragen kannst, weil die USO nicht mehr existiert.«
»Was interessiert mich die offizielle Lesart«, sagte Gyr Boskaide. »Ich brenne ebenfalls darauf, deinen Vorschlag zu hören, Lordadmiral Monkey.«
»Wir müssen einen Weg finden, uns gegen diese Waffe zu verteidigen.«
»Die Chefwissenschaftlerin der LFT Sichu Dorksteiger forscht bereits lange in diese Richtung, aber sie kommt nicht weiter«, sprach UFo das aus, was alle ohnehin wussten.
Monkey legte seine Hände auf den Tisch; eine kraftvolle, überlegene Bewegung. Sie waren völlig ruhig. Am liebsten hätte er die Faust auf den Tisch geschmettert, was dieser jedoch kaum ausgehalten hätte. »Dorksteigers Forschungen stagnieren, weil ihr eine entscheidende Voraussetzung fehlt. Anschauungsmaterial. Und genau das müssen wir ändern. Oder lasst es mich so formulieren: Genau das werde ich ändern.«
»Du willst ihr also tatsächlich in dieser Situation einen Linearraumtorpedo beschaffen«, stellte der Swoon fest.
»Exakt. Ich werde einen dieser Torpedos stehlen. Allerdings dürfte das alles andere als einfach werden. Darum brauche ich eure Hilfe. Deswegen habe ich euch beide gebeten, hierher zu kommen.«
*
Ehe Monkey mehr sagen konnte, ertönte ein leises Summen. Es ähnelte dem Geräusch, mit dem sich zuvor die Ankunft seiner beiden Gesprächspartner angekündigt hatte.
»Ein Funkanruf«, erklärte UFo. »Wenn er bis zu mir durchgestellt wird, muss er wichtig sein.« Der Cheborparner hob den linken Arm, ballte kurz die Hand zur Faust. Offenbar aktivierte er damit die Funkverbindung. »Ja?«
Eine Antwort war nicht zu hören, zumindest nicht für die anderen im Raum. UFo trug einen Empfänger im Ohr. »Gut«, sagte er wenig später. »Oder eben nicht gut.« Wieder ein kurzes Schweigen, dann: »Ich schalte dich laut.«
Eine nüchtern-sachliche, leicht verzerrt klingende Stimme ertönte: »Ich bin Catalan Zahlenfreund, Plasmakommandant der Posbi-Verbände in diesem Sonnensystem. Ich habe das Ultimatum des Onryonen militärstrategisch analysiert. Es ist kein effektiver Schutz der Planeten vor den Linearraumtorpedos möglich. Die einzige Möglichkeit wäre, Welten komplett in einen Paratronschirm zu hüllen.«
»Logistisch nicht zu leisten, von den internen Problemen ganz zu schweigen«, unterbrach Monkey. Selbstverständlich hatte er ebenfalls darüber nachgedacht.
Es gab in der gesamten Milchstraße nur wenige Anlagen, die so etwas leisten könnten – ein Neubau erforderte in jedem einzelnen Fall einen beachtlichen Aufwand, und die Maschinen konnten nur durch permanente Hypertrop-Sonnenzapfung ausreichend mit Energie versorgt werden. Was nichts anderes hieß, dass die Zapfstrahlen unweigerlich Strukturlücken erforderten. Damit war die Schwachstelle Teil des Systems – diese Strukturlücken könnten mit hoher Wahrscheinlichkeit von Linearraumtorpedos ausgenutzt und passiert werden.
Der Plasmakommandant Catalan Zahlenfreund stimmte zu. »Die Onryonen können also nach Belieben zuschlagen, nicht nur im Fall von Aurora, sondern auf nahezu jeder Welt. Dieser militärische Vorteil ist nicht auszugleichen. Es ist unseren Gegnern sogar möglich, aus dem Linearraum zu feuern. Damit sind sie während der Attacke für uns unangreifbar.«
Monkey hatte, genau wie zweifellos etliche andere militärisch Verantwortliche, die Situation in jeder Hinsicht durchdacht und etliche noch so bizarren, hoffnungsvollen Pläne gewälzt. Angesichts der Linearraumtorpedos wäre es töricht, gegen die Onryonen offensiv vorzugehen. Offenbar hatte dieses Volk die Schwachstelle der Militärstrategie der Milchstraßenzivilisationen entdeckt und nutze sie eiskalt aus.
Allenfalls könnten ganze Planetenbevölkerungen in die Raumflotten evakuiert werden, um sie in Sicherheit zu bringen – aber die Kapazitäten reichten nicht aus, um auch nur einen winzigen Bruchteil der Gesamtpopulation aufzunehmen.
Wie man es drehte und wendete, es blieb stets beim selben Ergebnis. Auf diesen Fall war weder das Galaktikum als ganzes noch ein einzelner Mitgliedsstaat vorbereitet. Die Onryonen mochten nur in diesem einzigen Punkt überlegen sein ... aber das half niemandem, denn dieser eine Punkt entschied den Krieg, der nie flächendeckend in eine aktive, heiße Phase getreten war.
Uldormuhecze Foelybeczt unterbrach die Funkverbindung. »Diese Runde geht also an das Atopische Tribunal. Es ist mir völlig gleichgültig, ob noch zwei Stunden des Ultimatums bleiben oder nicht. Es spielt keine Rolle, was die Vollversammlung diskutiert und auf welche Art sie sich gegenseitig mit Vorwürfen überschüttet.«
Der Cheborparner stand ruckartig auf. Sein Stuhl schrammte über den Boden. »Ich werde jedenfalls nicht in die Geschichte eingehen als derjenige, der den Onryonen den Vorwand für die Vernichtung Auroras geliefert hat.«
»Vom militärischen Standpunkt kann ich deiner Analyse nicht widersprechen«, sagte Catalan Zahlenfreund über Funk.
Für UFo war die Sache damit entschieden. Er ging in Richtung Ausgang. »Ich werde Aurora an die Onryonen übergeben.«
*
»Was ist mit den sensiblen Datenbeständen der Positroniken?«, rief Monkey dem Cheborparner hinterher. Er wollte sich gar nicht vorstellen, welche Informationen den Onryonen mit den Rechnern auf der Hauptwelt des Galaktikums in die Hände fallen würden.
UFo drehte sich um. »Glaubst du, du bist der einzige, der daran denkt? Ich habe vorgesorgt. Schon lange.«
»Und wie sehen deine Vorbereitungen aus, Uldormuhecze Foelybeczt?«
Ein meckerndes Lachen antwortete ihm. »Ich kenne sie, und außer mir einige sehr wenige Leute, die es etwas angeht. Nimm es mir nicht übel, Monkey Stahlauge. Du musst es nicht wissen.«
»Das sehe ich anders. Es geht um Daten, die diese ganze Galaxis gefährden, wenn sie in die Hände unserer Gegner geraten.«
»Ich arbeite mit einer Art Backup. Mit gut getarnten Gebrauchsversionen der hochsensiblen Bereiche – ohne die übrigens nichts, das irgendeine Bedeutung hat, in den Positroniken lesbar ist. Ehe ich den Onryonen anfunke und Aurora übergebe, werde ich den Originalschlüssel löschen. Ohne die mobilen Backups sind damit alle Datenbestände auf dieser Welt völlig wertlos.«
»Du redest in Rätseln«, mischte sich der Swoon Gyr Boskaide ein.
»Aber meine Parolleute, die für die Sicherheit zuständig sind, verstehen. Das genügt. Ich werde sie warnen.«
»Und die Onryonen werden sie enttarnen«, gab Monkey zu bedenken.
»Oh, das glaube ich nicht. Sie sind unauffällig, und sie tragen die Schlüssel nicht bei sich, sondern in sich.« Der Cheborparner griff nach seinen Hörnern. »Es handelt sich um ein Bio-Backup und einen Kode, ohne den das gesamte System für unsere Feinde wertlos ist. Sie tragen dieses kleine Schlüsselprogramm in ihren Gehirnen, jeder einzelne einen Teil davon.«
Parolleute.
Monkey dachte darüber nach. Er konnte nur hoffen, dass UFos Plan aufging. Ihm war jedoch klar, dass der Cheborparner nicht mehr darüber reden wollte und würde. Er akzeptierte es. Schließlich würde er auch nicht seinen kompletten Plan offenbaren. Zumindest nicht vor UFo, dessen Hilfe er dringend benötigte.
»Etwas anderes, Vorsitzender.«
»Ja? Beeil dich!«