Mit einem Ruck erwachte die alte Frau aus ihrem unruhigen Schlaf. Die gesamte Höhle leuchtete in einem goldenen Licht.
Es war wieder so weit.
Der Zauber hatte abermals einen Menschen auserwählt, um die drei Steine der Macht zu finden und zurückzubringen. Sie waren vor eintausend Jahren von drei Brüdern aus der heiligen Grotte gestohlen worden. Irgendwo auf dieser Welt würden die Steine nun ebenfalls aufleuchten und den Dieben verraten, dass die Suche erneut begonnen hatte.
Sie richtete sich mühsam auf, ignorierte das Reißen im Rücken und schob ihre Füße in die Schuhe vor ihrem Bett. Vor über zweihundert Jahren hatte der Geist der Weisen Magna von diesem Körper Besitz ergriffen. Nun war er alt, verbraucht und ausgehöhlt. Die Zeit des Übergangs nahte, sie fühlte es und war dankbar.
Die Mädchen waren bereit. Eine von ihnen würde das neue Gefäß der Weisen Magna, Hüterin der Steine der Macht, werden. Wenn die Suche vorüber war. Solange musste sie durchhalten, denn der Übergang brauchte ihre gesamte Kraft und Konzentration, die sie jetzt aber auf den Auserwählten gerichtet halten musste.
Ächzend erhob sie sich und ging langsam, einen Fuß vor den anderen setzend, in die heilige Grotte. Das goldene Licht, das von dem leeren Schrein ausging, pulsierte in dem Herzschlag eines Menschen. Schon begann es langsam zu verblassen.
Zweimal hatte sie in diesem Körper den Tod des Auserwählten gefühlt und siebenmal in den anderen Körpern davor. Würde es diesmal gelingen, oder würden sich die Brüder wieder als stärker erweisen?
Still wie eine Statue stand sie da und blickte auf das ersterbende Licht. Sie spürte das Pulsieren in sich. Bald würde sie es erfahren.
Originalsausgabe 2013
© MARLON 2013
Ein Imprint der Joh. Brendow & Sohn Verlag GmbH
Gutenbergstr. 1, 47443 Moers
www.marlon-verlag.de
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2013
ISBN 9783943172379
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Cover
Titel
Impressum
Prolog
Teil 1
Der Hundertjahrezauber
Kap. 1: Die eine Wirklichkeit
Kap. 2: Die andere Wirklichkeit
Kap. 3: Kleider machen Leute
Kap. 4: Liebe geht durch den Magen
Kap. 5: Die andere Art der Fortbewegung
Kap. 6: Verräterische Ohren
Kap. 7: Die Furt
Kap. 8: Ein hoher Preis
Kap. 9: Vergebliche Vorsicht
Kap. 10: In der Falle
Kap. 11: Über Stock und Stein
Kap. 12: Altseeburg
Kap. 13: Der Hundertjahrezauber
Teil 2
Die Dracheninsel
Kap. 14: Die Suche beginnt
Kap. 15: Anhaltspunkte
Kap. 16: Sturmvogel
Kap. 17: Angeheuert
Kap. 18: Segel setzen
Kap. 19: Der Große Markt
Kap. 20: Piraten in Sicht
Kap. 21: Die Dracheninsel
Kap. 22: Hilfsmittel eines Diebes
Kap. 23: Wächter des Steins
Kap. 24: Der Stein der Macht
Kap. 25: Duft der Freiheit
Kap. 26: Heimat in Sicht
Teil 3
Der Wald der Schatten
Kap. 27: Land in Sicht
Kap. 28: Wahre Geschichten
Kap. 29: Einsame Wildnis
Kap. 30: Das Dorf der Toten
Kap. 31: Schneesturm
Kap. 32: Der Wald der Schatten
Kap. 33: Die Lichtung
Kap. 34: Das Himmelsvolk
Kap. 35: Agilwardus
Teil 4
Die Steine der Macht
Kap. 36: Der Auserwählte
Kap. 37: Die unbeantwortete Frage
Kap. 38: Dreifuß´ sechster Sinn
Kap. 39: „Sie ist weg!“
Kap. 40: Noch rechtzeitig gefunden
Kap. 41: Der letzte Kampf
Kap. 42: Die heilige Grotte
Kap. 43: Der unberechenbare Zauber
Abrupt wurde Max Anders von dem schrillen Piepton seines Weckers aus dem Schlaf gerissen. Das Gesicht zur Grimasse verzogen, tastete Max in der Dunkelheit nach dem Knopf, der ihn von diesem schrecklichen Geräusch erlösen würde.
Geschafft.
Mit einem Seufzer ließ Max den Kopf zurück auf das Kissen sinken. Irgendwann bekam er noch mal vor lauter Schreck einen Herzinfarkt. Und das sollte die nächsten vierzig Jahre so weitergehen? Er war ja froh, dass er gleich nach seinem Studium einen Job bekommen hatte, aber irgendwie hatte er sich das Arbeitsleben etwas anders vorgestellt. Mit seinen 27 Jahren war er zwar nicht der Jüngste in der Firma, aber es war trotzdem schwer sich durchzusetzen, da ihm einfach noch die Erfahrung fehlte. Und dann dieser Umgangston. War das normal?
Warum nur musste er beim Aufladen helfen? Warum war das nicht gestern Abend erledigt worden? Immer lief in der Tischlerei, in der er arbeitete, alles so kreuz und quer.
Bevor ihm die Augen wieder zufallen konnten, machte er Licht und setzte sich auf. Der Wecker zeigte 4:00 Uhr an. Eine unmenschliche Zeit. Definitiv nicht zum Aufstehen geeignet. Er fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und stöhnte leise. Sein Körper schrie nach Schlaf und gab ihm deutlich zu verstehen, dass er mehr als nur eine Tasse Kaffee brauchen würde, um in die Gänge zu kommen.
Max versuchte sich daran zu erinnern, was er geträumt hatte, bevor er hatte aufwachen müssen. Irgendetwas von Türen, die zu groß für die Öffnung waren, in die sie eingebaut werden sollten. Er träumte immer solche Dinge, wenn ein Auftrag in die Montagephase kam. Müde schob er die zerknüllte Decke zur Seite, stand auf und schlurfte ins Bad. Sein Spiegelbild sagte ihm, dass er genauso kaputt aussah, wie er sich fühlte.
Max quetschte den letzten Rest aus der Zahnpastatube auf die Bürste. Seine grün-braun gesprenkelten Augen fielen ihm immer wieder zu, während er sich die Zähne schrubbte. Dann versuchte er seine braunen Haare, die wie jeden Morgen in alle Richtungen abstanden, halbwegs in Form zu bringen. Es wurde mal wieder Zeit, dass er zum Friseur ging.
Vielleicht heute, auf jeden Fall würde er pünktlich gehen. Hoffentlich.
Das Auto sprang erst beim zweiten Versuch an.
„Reiß dich zusammen!“, sagte Max zu seinem alten Golf. „In zwei Wochen ist die Jahresinspektion, bis dahin musst du durchhalten!“
Ihm entging allerdings das seltsame Rasseln nicht, das gestern irgendwie noch nicht da gewesen war.
In der Firma war bereits Licht. Die ersten Elemente lagen schon auf dem LKW, und eine Stunde später fuhr der Laster dann wie geplant los. Max beschloss, sich dies rot im Kalender anzustreichen, denn normalerweise kam der Zustand ´planmäßig` in dieser Firma nicht vor.
Der Rest des Tages verlief dann allerdings alles andere als planmäßig. Max´ Hoffnungen, pünktlich nach acht Stunden das Gelände verlassen zu können, wurden zunichte gemacht, noch bevor er seinen Computer richtig hochgefahren hatte. Wie so oft kam der Chef ins Büro gestürmt, eine Skizze in der Hand. Er bräuchte diese ganz dringend als Zeichnung und die Kostenkalkulation dazu. Die Einwände, dass die Planung für den aktuellen Auftrag heute fertig werden müsste, wurden komplett ignoriert. „Nicht aufregen“, dachte sich Max. „Bloß nicht aufregen!“ Er atmete tief durch, ein und aus, ein und aus. Dann holte er sich aus der untersten Schublade seines Schreibtischs die Tafel Schokolade für den Notfall, stopfte sich drei Stücke auf einmal in den Mund und lutschte sie langsam auf. Er seufzte. Den pünktlichen Feierabend konnte er wohl vergessen. Wieder einmal. Resigniert holte er sich noch eine Tasse Kaffee und begann mit der Arbeit.
Am frühen Nachmittag kam der Chef wieder ins Büro gerannt. Der Architekt vom derzeitigen Auftrag bräuchte dringend die Planung zur Freigabe, die sollte doch schon längst fertig sein. Max holte tief Luft, um nichts Unüberlegtes zu sagen, und gab seinem Chef die Zeichnung und die Kalkulation, die er ja so dringend brauchte.
„Ich bin dabei!“, meinte Max.
Der Chef schaute auf das Papier in seiner Hand.
„Das hätte doch warten können, der Auftrag ist wichtiger, das habe ich Ihnen doch gesagt, Herr Anders!“
Wieder einmal fehlten Max die Worte bei dieser Dreistigkeit, ob dieser Kerl überhaupt noch schnallte, was er manchmal von sich gab?
„Ich mache es heute noch fertig“, sagte er brav.
„Gut. Legen Sie es mir auf den Tisch, ich will es mir vorher noch mal ansehen. Ich faxe es dann selbst weg.“
Und raus war er. Die Tür fiel hinter ihm krachend ins Schloss. „Na hoffentlich“, dachte sich Max. Allerdings war er sich sicher, dass die Zeichnungen morgen noch genauso daliegen würden. Wie immer.
Ein Blick auf die Uhr. In knapp einer Stunde wäre Feierabend. Theoretisch. Praktisch wohl eher in zwei bis drei Stunden. „Hör auf zu träumen, ran an die Arbeit!“, ermahnte Max sich selbst. Ein weiteres Türschlagen und ein anschließendes Beben, das sich durch den ganzen Bürotrakt bewegte, sagte ihm, dass der Chef das Gebäude verlassen hatte. Mit ein bisschen Glück würde er von weiteren Störungen verschont bleiben.
Um halb vier legte Max mit einem erleichterten Seufzer einen Stapel Zeichnungen auf den Schreibtisch seines Chefs. Nun schnell weg hier, bevor sich noch etwas zwischen ihn und seinen Feierabend stellte. Flink war alles ausgeschaltet und die Brotbüchse in den Rucksack geworfen. Die Sekretärin hatte sich schon längst verkrümelt, und die Werkhalle war ebenfalls leer. Wieso war er immer der Letzte?
Max stellte sich den Geschmack des frischen, heißen Kaffees vor, den er sich gleich zu Hause kochen würde, dazu das Stück von Mutters leckerem Käsekuchen von ihrem gestrigen Geburtstag.
Voller Vorfreude schlug er die Autotür zu, steckte den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn und ... nichts passierte. Der Anlasser heulte zwar, aber das Auto sprang nicht an, auch nicht beim zweiten und dritten Versuch. Schließlich gab Max auf. Wütend schlug er auf das Lenkrad. Das konnte doch einfach nicht wahr sein!
Schlecht gelaunt stand Max zwei Stunden später an der Straßenbahnhaltestelle. Er hatte eine halbe Stunde auf den Abschleppwagen warten müssen, und dann hatte sich noch herausgestellt, dass die Reparatur ein paar Tage dauern würde. Das passte ihm überhaupt nicht in den Kram. Dies war jetzt schon die zweite Reparatur in diesem Jahr. Allmählich wurde es wirklich Zeit für ein neues Auto oder zumindest ein nicht ganz so altes.
Die volle Straßenbahn verbesserte seine Stimmung auch nicht gerade. Der Typ, der sich neben ihn gesetzt hatte, stank nach einer Mischung aus ungewaschenen Klamotten, Alkohol, Zigarettenqualm und nach noch irgendetwas, über das sich Max lieber keine Gedanken machte. Während er sich bemühte, nur durch den Mund zu atmen, machte er sich innerlich Notizen, was er noch zu erledigen hatte. Zahnpasta kaufen (der Typ hatte sich bestimmt noch nie die Zähne geputzt!), Bahnverbindung für morgen heraussuchen. Der Friseur würde warten müssen (hoffentlich hatte der Kerl keine Flöhe oder Läuse!).
Max hielt es nicht mehr aus. Er hätte komplett die Luft anhalten müssen, um von dem penetranten Duft seines Nachbarn nichts mehr mitzubekommen. Er stand auf und drängelte sich in Richtung Tür. Der Gestank schien ihm zu folgen, darum stieg er eine Station eher aus und atmete tief durch.
Müde kam Max nach Hause. Der Supermarkt war nicht weniger voll gewesen als die Straßenbahn, und er hatte ganze zwanzig Minuten gewartet, um seine Tube Zahnpasta bezahlen zu können. Viel Zeit bis zum Schlafengehen war nicht mehr. Etwas essen, fernsehen, duschen und ab ins Bett. Was für ein Tag.
Müde ließ Max später den Kopf auf das Kissen sinken. Er rutschte ein paar Mal mit dem Hinterteil hin und her, bis es perfekt in der Kuhle ruhte, die er in monatelanger Kleinarbeit geformt hatte. Er zog die Decke bis zum Kinn, seufzte und schloss die Augen.
Der morgige Tag würde immer noch viel zu früh beginnen, auch wenn er eine Stunde länger als heute schlafen konnte. Laut Fahrplan würde er eine halbe Stunde mit der Bahn brauchen. Und wenn er den Fußweg dazurechnete, musste er schon eine Stunde einplanen. Was für verschwendete Zeit. Vielleicht sollte er zu einer Werkstatt wechseln, wo er immer einen Ersatzwagen bekam. Max drehte sich auf die Seite. Das half ihm momentan auch nicht weiter.
Schließlich schlief er ein.
Plötzlich bekam Max einen Tritt in die Seite, begleitet von einem zornigen Schrei und gefolgt von einem dumpfen Geräusch, als ob jemand hingefallen wäre.
Noch halb im Schlaf, mit zugekniffenen Augen murmelte Max:
„Raus aus meinem Bett!“
Eine sich beinahe überschlagende Stimme schrie:
„Welches Bett? Du liegst mitten im Weg, du Idiot!“
Die Stimme schien einem älteren Jungen zu gehören. Grundsätzlich sprach er schon in einer tieferen Stimmlage, aber in seiner Wut erreichte er ungeahnte Höhen. Max hörte jemanden, eine Frau der Stimme nach, leise und beruhigend auf den jungen Mann einreden. Er schien sich wieder aufgerappelt zu haben und sich die Kleidung abzuklopfen, während er weiter vor sich hinschimpfte.
Max, immer noch mit geschlossenen Augen, dachte: „Seltsamer Traum, so realistisch!“ Die Seite, in die er den Tritt hineinbekommen hatte, tat weh. Und auch sein Bett fühlte sich so merkwürdig hart und steinig an.
„Was für ein Penner. Komm, lass uns weiter gehen!“, sagte der junge Mann.
„Wir können ihn doch nicht einfach hier liegen lassen!“, erwiderte die Frauenstimme besorgt.
„Wieso nicht?“
Etwas Feuchtes und Kaltes berührte Max´ Ohr und Gesicht.
„Hund, komm da weg!“, sagte die Frau. „Bei dem Gesindel, das heutzutage unterwegs ist, wäre das fast Mord. Wir selbst sind schon zweimal beinahe überfallen worden. Es war nur Zufall, dass wir uns rechtzeitig verstecken konnten! Und wenn er hier so liegen bleibt ...“
Max riss die Augen auf.
„Und? Außer diesem lächerlichen Anzug scheint er nichts dabei zu haben. Ein Überfall lohnt sich also gar nicht!“
Die Stimme gehörte nicht einem jungen Mann, sondern dem seltsamsten Wesen, das Max je gesehen hatte. Es schien ein kleiner Mann zu sein. Der lange, struppige Bart ließ darauf schließen, zumindest lang in Anbetracht seiner Körpergröße von höchstens einem Meter. Auch die Haare waren so lang, als ob sie nur sporadisch eine Schere zu Gesicht bekommen hatten. Und auf dem Kopf trug er tatsächlich eine Zipfelmütze. „Schneewittchen ist ein Zwerg abhanden gekommen!“, schoss es Max durch den Kopf. Allerdings war er sich sicher, dass Schneewittchens Zwerge zwei Beine besaßen. Dieser hier stand nur auf einem. Aber dafür schmückte ihn eine extrem lange Nase, die Pinocchio nach dem Lügen alle Ehre gemacht hätte. Sie endete in einem großen Gnubbel und sah merkwürdig gestaucht aus, als ob das Männchen oft darauffiele. War vermutlich auch so. Die Ohren rundeten das bizarre Aussehen ab oder spitzten es eher zu. Sie standen wie Segel unter der Mütze hervor. Nur durch sie konnte man erkennen, welcher Teil der Haare zum Bart und zum Haarschopf gehörte. Ihr oberer Teil war nicht rund, wie bei Max´ Ohren, sondern drehte sich zu einer Spirale.
Max rieb sich die Augen. Der Zwerg stand immer noch da und glotzte ihn böse an. Max schaute sich um. Er lag tatsächlich mitten auf einem Weg. Einem Weg, der durch einen Wald führte. Jetzt roch Max auch den Harzgeruch der Bäume und den erdigen Duft des Bodens. Er hörte Vögel zwitschern und das Rauschen des Windes in den Blättern. Langsam setzte er sich auf. Steine piekten in sein Hinterteil. Wo zum Teufel war er?
Weiter um sich blickend entdeckte er die Frau, deren Stimme er vorhin gehört, und den Hund, der ihn beschnuppert und mit der Nase berührt hatte. Die Frau war noch jung. Max schätzte sie um die achtzehn, neunzehn Jahre. Sie hatte eine schlanke, zierliche Figur, war etwas kleiner als er selbst, vielleicht eins siebzig groß. Die dunkelbraunen, fast schwarzen Haare waren zu einem Zopf zusammengebunden, und erstaunlich blaue Augen schauten ihn fragend an. Die helle Haut schien fast zu strahlen, aber Max hatte nur eines im Blick. Ihre Ohren waren spitz, so wie die der Elfen in den Filmen. Sie trug ein langes Kleid, das ihn irgendwie an ein Dirndl oder eine Tracht erinnerte, nur nicht so bunt und kunstvoll. Es war aus einfarbigem Stoff, mit einigen bunten Bändern verziert.
Das Männchen hatte eine Hose aus grobem Stoff an, dazu ein Hemd, das anstelle von Knöpfen mit Schnüren zusammengehalten wurde. Eine Lederjacke war an den Rucksack gebunden. Beide sahen aus, als ob sie schon eine Weile unterwegs waren, denn ihre Kleidung war staubig und zerknittert. Die Tasche, welche die junge Frau um die Schulter geschlungen hatte, war prall gefüllt, ebenso wie der Rucksack von dem Zwerg, den er abgesetzt hatte.
Der Hund, eine für Max nicht identifizierbare Mischung, kam wieder schnüffelnd näher.
„Hund, komm her!“, sagte die junge Frau.
Der Hund tat einen letzten Schnüffler und trottete zu ihr.
„Hund, komm her. Wie wäre es mal mit einem richtigen Namen?“, hörte Max den Hund sagen. Hund setzte sich neben sie. Max starrte ihn entsetzt an. Er hatte gerade gehört, wie sich ein Hund über seinen Namen beschwert. Das war unmöglich, Hunde können nicht sprechen.
„Was gibt es da zu glotzen?“
Max kniff die Augen zusammen und zwickte sich kräftig in den Arm. Langsam öffnete er die Augen wieder. Hund betrachtete ihn mit schief gelegtem Kopf.
„Das hat wehgetan!“
Max schüttelte den Kopf, kniff die Augen wieder zusammen und schlug sich mit der Faust gegen die Stirn.
„Der dreht durch!“
Max machte die Augen wieder auf und sah, dass Hund die junge Frau fragend anschaute. Diese wiederum starrte Max mit einer Mischung aus Misstrauen und Besorgnis an und schien nicht im Geringsten auf die Kommentare des Hundes zu reagieren, als ob sie diese nicht hörte.
„Das ist ein Traum, das ist ein Traum!“, flüsterte Max verzweifelt zu sich selbst.
Das Männchen schnaubte ungeduldig, hievte seinen Rucksack auf die Schultern, schnallte den Bauchgurt fest und ging weiter. Das heißt, es sprang. Auf das Bein, auf das linke Ohr, dann wieder auf das Bein, auf die Nase und auf das rechte Ohr. Es sah beinahe akrobatisch elegant aus. Und der Springzwerg kam erstaunlich schnell voran. Fasziniert starrte Max dem kleinen Mann hinterher, der wie ein Gummiball den Weg entlanghüpfte.
„Nein, du träumst nicht!“
Die junge Frau beugte sich ein wenig zu ihm herunter. Sie hatte offenbar für sich entschieden, dass er vielleicht verrückt, aber nicht gefährlich war.
„Wir können hier nicht bleiben! Kommst du jetzt oder nicht?“
Sie hielt ihm ihre Hand hin. Immer noch völlig fassungslos nahm er sie und ließ sich hochziehen. Sie betrachtete zweifelnd seine Füße.
„Wo hast du deine Schuhe gelassen?“
Max schaute ebenfalls nach unten.
„Ich habe eben noch in meinem Bett gelegen. Da trage ich normalerweise keine Schuhe. Du etwa?“
Sie sah ihn nur verständnislos an.
„Geh besser auf dem Grasstreifen am Wegrand, sonst tust du dir noch weh.“
Max setzte sich in Bewegung. Er hoffte immer noch, dass er bald aufwachen würde. Aber der Wecker klingelte nicht.
Es schien früher Morgen zu sein, denn es war schon hell, aber die Sonnenstrahlen drangen noch nicht durch das Blätterdach, und die Luft war noch angenehm frisch. Sie gingen eine Zeitlang schweigend nebeneinander. Der kleine Mann war hinter einer leichten Kurve verschwunden und Hund lief ein paar Meter vor ihnen her. Er blieb hier und da schnüffelnd stehen, um dann kurz das Bein zu heben.
„Ich bin Anemone, Anemone von Eisenberg“, sagte die junge Frau schließlich mit einem Seitenblick auf Max.
„Ich bin Maximilian Anders“, stellte Max sich vor.
Anemone sah ihn fragend an.
„Ich komme aus Magdeburg“, fügte er hinzu.
„Wo liegt Magdeburg, ich habe noch nie von einer Magdeburg gehört?“, fragte Anemone.
Neugier sprach aus ihrem Gesicht.
„Magdeburg ist eine Stadt und sollte eigentlich genau hier liegen.“
Max schaute sich betrübt um.
Der Wald lichtete sich allmählich. Erste Sonnenstrahlen tanzten auf dem Weg. Durch die Bäume hindurch konnte Max Felder und Wiesen erkennen. Anemone blickte skeptisch drein.
„Ich kenne nur eine Stadt, Altseeburg, die Hauptstadt der Welt!“, sagte sie und sah Max herausfordernd an.
Max zuckte nur mit den Schultern.
„Magdeburg ist eine mittelgroße Stadt mit ungefähr 100.000 Einwohnern, glaub ich, weiß nicht genau.“
Anemone glotzte ihn mit offenem Mund ungläubig an.
„100.000! Du irrst dich. So viele Menschen können unmöglich in einer Stadt leben. Nicht mal in Altseeburg leben so viele. Du meinst bestimmt hundert!“
Sie nickte zur Bestätigung.
Hund, angelockt von Anemones Ausruf, hatte sich zurückfallen lassen und trottete nun zwischen ihnen. Er schaute Max von unten her neugierig an.
„Sie weiß alles, sie ist schon neunzehn!“
Der Spott war nicht zu überhören. Hund ließ die Zunge hängen und schien frech zu grinsen. Max grinste unwillkürlich zurück, bevor ihm einfiel, dass er Hund eigentlich nicht hören sollte. Verlor er vielleicht den Verstand?
Er wandte sich wieder an Anemone, die offensichtlich Hunds Kommentar wieder nicht gehört hatte und immer noch auf eine Antwort wartete.
„Ich habe mich nicht geirrt. Hundert Einwohner ergeben ja noch nicht mal ein Dorf! Magdeburg ist groß genug für eine S-Bahn und eine Straßenbahn. Mal davon abgesehen gibt es weitaus größere Städte mit Millionen von Einwohnern!“ Max schaute in Anemones verstörtes Gesicht. „Was ist?“, fragte er. Sie schüttelte den Kopf, sah ihn wieder an, offensichtlich nach den richtigen Worten suchend. „Ich bin nicht verrückt!“, kam er ihr zuvor. „Obwohl ich mir da mittlerweile nicht mehr so sicher bin!“
Er verstummte hilflos und warf einen unsicheren Blick auf Hund, der ihn nur interessiert ansah.
Er spürte das Gras unter seinen Füßen und die sich in der Sonne erwärmende Luft. Wenn dies kein Traum war, was war es dann?
„Wo bin ich?“, fragte er Anemone schließlich, die immer noch ein Gesicht zog, als ob sie es mit einem Geistesgestörten zu tun hatte.
„Du bist auf der großen Nord-Süd-Straße“, antwortete sie, nun verwirrt, da die Antwort für sie ja offensichtlich war. „Na, immerhin was!“, dachte Max säuerlich. „Sehr präzise!“
„Die Straße scheint recht lang zu sein, kannst du dich etwas genauer fassen? Welches Land, welche Gegend?“
In Anemones Gesichtsausdruck schlich sich allmählich Angst.
„Land? Ich kenne kein Land. Wir sind hier auf der großen Nord-Süd-Straße, auf dem Weg nach Altseeburg. Das Mittlere Gebirge liegt hinter uns.“
Sie blickte ihn ängstlich an.
„Du führst doch nichts Böses im Schilde, oder?“
Max sah, dass sie sich anspannte um wegzulaufen.
„Nein, auf gar keinen Fall, ich weiß doch selbst nicht, was passiert ist“, sagte er in einer, wie er hoffte, beruhigenden Stimme. „Alles, was ich weiß, ist, dass ich gestern Abend in Magdeburg ins Bett gegangen bin und heute Morgen von dem Zwerg da vorne mit einem Tritt aus dem Schlaf gerissen wurde. Ich weiß nicht, wo ich bin oder in welcher Zeit ich mich befinde. Ich weiß überhaupt nichts.“
Max atmete tief durch, um die aufkeimende Panik zu unterdrücken.
„Verrückt!“
Hund grinste.
Das ´Halt die Klappe!` verkniff sich Max gerade noch so. Auf die wahrscheinlich eingebildeten Kommentare der Promenadenmischung zu reagieren, würde ihn nicht gerade besser dastehen lassen.
Anemone hatte sich wieder entspannt. Sie blickte nachdenklich dem springenden Zwerg hinterher.
„Du hast auf einmal auf der Straße gelegen. Nicht hinter einer Kurve oder so. Wir hätten dich schon von weitem sehen müssen, es war hell genug. Du bist plötzlich vor Mimbelwimbels Füßen aufgetaucht, und er ist in hohem Bogen auf die Nase gefallen.“ Sie kicherte. „Sah lustig aus!“
Sie blickte wieder, diesmal schadenfroh grinsend, dem kleinen Mann hinterher.
„Was ist ein Mimbelwimbel?“, fragte Max.
„Du weißt nicht ...?“
Anemone sah ihn erstaunt an. Max zog Augenbrauen und Schultern hoch.
„Ich bin erst vor einer halben Stunde oder so hier gelandet, schon vergessen?“
Sie hatten den Waldrand erreicht. Max kniff für einen Augenblick die Augen zum Schutz vor der Helligkeit zu einem Schlitz zusammen. Er sah Getreidefelder und Wiesen, die sanfte Hügel bedeckten. Mit einer Hand beschirmte er seine Augen.
Sie standen momentan auf einer erhöhten Stelle, so dass er zwischen den Hügeln vereinzelte Dächer sehen konnte. Am Horizont erstreckte sich wieder Wald. Der Himmel war klar und wolkenlos und versprach einen warmen Tag. Zumindest die Jahreszeit schien zu passen.
Er warf Anemone einen Blick zu.
„Vielleicht erzählst du mir ein wenig über diese Welt“, schlug er vor.
Sie nickte.
„Ist wahrscheinlich besser. Vielleicht hast du auch nur dein Gedächtnis verloren, und dir fällt dann alles wieder ein.“
Auf Max´ skeptischen Blick hin zuckte sie mit den Schultern.
„Könnte ja sein. Zu Hause ist das einer der Mägde passiert. Sie war die Treppe runter auf den Kopf gefallen und konnte sich tagelang an nichts erinnern! Na egal, womit fangen wir am besten an?“
Sie sah Max fragend an. Der zeigte auf den Ball in Menschengestalt.
Anemone nickte.
„Mimbelwimbel ist ein Wobbelhobbel. Was?“, unterbrach sie sich.
Max hatte bei dem Wort Wobbelhobbel breit gegrinst.
„Wobbelhobbel hört sich wie eine Krankheit an.“
Anemone lachte.
„Nun, sie sind ganz in Ordnung, obwohl sie oft unter schlechter Laune leiden. Er ist ziemlich häufig am meckern ...“
Sie verstummte kurz, um sich die nächsten Worte zu überlegen.
„Am bekanntesten sind die Wobbelhobbel für ihre Handelsorganisation. Sie haben ein Netzwerk im gesamten bewohnten Teil der Welt. Ein Wobbelhobbel kann dir alles besorgen, egal, wie verrückt oder selten es ist. Einen kleinen Teil ihrer Ware stellen sie selbst her. Wobbelhobbel sind die geborenen Bergarbeiter, muss wohl an der Größe liegen, da müssen sie nicht allzu große Löcher buddeln, um an das Erz zu kommen. Sie haben ein Gespür für Edelmetalle und Edelsteine wie niemand sonst. Einen großen Teil der Edelsteine verarbeiten sie selbst zu Schmuck. Die Stücke sind heiß begehrt und werden oft von Generation zu Generation weitervererbt. Und sie sind bekannt für die edlen Stoffe, die sie weben. Das Festkleid meiner Mutter hat ein Vermögen gekostet.“
Sie legte die Stirn nachdenklich in Falten.
„Was willst du noch wissen, Maximilian?“
Max zuckte zusammen. Seine Mutter nannte ihn immer bei seinem vollen Namen, wenn er ihrer Meinung nach etwas Ungezogenes angestellt hatte. Für sie war er nie erwachsen geworden, dementsprechend behandelte sie ihn auch immer noch wie einen Teenager. Er mochte es lieber, wenn man ihn Max nannte. Er ärgerte sich hinterher jedes Mal, wenn er sich mit vollem Namen vorgestellt hatte. Dumme Angewohnheit.
„Sag Max!“, meinte er. „Erzähl mir etwas über diese Welt. Ich meine, du hast gesagt, es gibt kaum Städte. Was gibt es dann? Wie lebt man hier denn so?“
Max kam sich bei dieser Frage ziemlich dämlich vor. Er hasste es nicht Bescheid zu wissen, um entsprechend reagieren zu können. Er versuchte sich immer im Voraus zu informieren, um nicht allzu dumm dazustehen. So wie jetzt.
Anemone klopfte sich mit dem Finger gegen die Nase.
„Na ja, so viel bin ich nun auch noch nicht rumgekommen. Mimbelwimbel kann dir da mehr erzählen. Es ist meine erste Reise, ich bin noch nie von zu Hause weg gewesen.“
Anemone verstummte, in Gedanken versunken. Doch bevor Max nachhaken konnte, sprach sie weiter:
„Von durchreisenden Händlern, die regelmäßig nach Eisenberg kommen, weiß ich, dass es außer Altseeburg noch andere Städte irgendwo in entfernten Teilen der Welt gibt. Altseeburg aber ist die Hauptstadt der Welt, ihr Zentrum. Der Handel läuft dort zusammen, die Regierung hat ihren Sitz ebenfalls in Altseeburg, und die Weise Magna soll in den Höhlen unter der Burg leben. Ansonsten gibt es Dörfer, manchmal vereinzelte Höfe, aber das ist eher die Ausnahme. Im Dorf ist es sicherer. Es gibt nicht nur Landwirtschaft, sondern viele Berufe und Gewerke.“
Anemone zuckte mit den Schultern, fertig mit ihrer Ausführung. Max hätte es gerne noch etwas ausführlicher gehabt, aber so wie es aussah, würde er Anemone nach und nach die Dinge, die ihn noch interessierten, aus der Nase ziehen müssen. Ihm brannte vor allem die Frage auf der Zunge, was sie eigentlich hier machte, wieso sie mit einem griesgrämigen Wobbelhobbel und diesem merkwürdigen Hund unterwegs war.
„Mehr fällt mir jetzt nicht ein, aber ich rufe Mimbelwimbel, damit er dir noch etwas mehr erzählt.“
Sie schickte Hund, um den Wobbelhobbel anzuhalten.
„Könnten wir vielleicht eine kleine Pause machen?“, fragte Max.
Sie waren zwar schätzungsweise erst eine Stunde unterwegs, aber eine Stunde barfuß ist eine lange Zeit. Anemone nickte.
„Wir müssen dir unbedingt ein Paar Schuhe besorgen. Und Kleidung!“, fügte sie mit einem Blick auf seinen bunt gestreiften Schlafanzug hinzu.
Mimbelwimbel war stehen geblieben und wartete mit Hund unter einem Baum am Wegesrand.
„Was ist los?“, fragte er, als Anemone und Max den Baum erreichten. „Macht er schon schlapp?“, knurrte er mit einem Kopfnicken in Max´ Richtung.
„Er hat keine Schuhe an!“, warf Anemone zu Max´ Verteidigung ein.
„Nicht meine Schuld!“, brummte Mimbelwimbel missmutig, setzte sich aber ins Gras.
Max ließ sich mit einem erleichterten Seufzer ebenfalls nieder. Die Fußsohlen schmerzten und waren rot von der ungewohnten Belastung. Er lief sonst auch nicht viel. Das Einzige, was er seinem Körper an regelmäßiger Bewegung zumutete, war die eine Stunde Fitnessstudio zweimal die Woche gegen das kleine Speckröllchen um die Bauchgegend. Immerhin hatten sich keine Blasen gebildet. Noch nicht.
„Solange wir hier sitzen, kannst du Max ein wenig erzählen!“, forderte Anemone gerade den kleinen Mann auf.
„Was, wem?“
Mimbelwimbel war nicht begeistert.
Anemone unterdrückte mühsam ein Augenverdrehen und stellte Max und Mimbelwimbel erst einmal einander vor. Mimbelwimbel nahm dies mit einem Grunzen zur Kenntnis.
Max, der einiges an schlechtem Benehmen gewohnt war, kam schnell zu dem Schluss, dass es noch schlimmer ging. Der Beweis saß vor ihm.
Anemone unternahm einen zweiten Versuch, den Zwerg zum Sprechen zu bewegen.
„Max weiß nichts von dieser Welt, er hat vielleicht sein Gedächtnis verloren ... und du bist viel weiter herumgekommen als ich und kannst ihm viel mehr erzählen.“
Sie sah Mimbelwimbel erwartungsvoll an.
Mimbelwimbel starrte Max eine lange Weile von oben bis unten an. Max starrte zurück. Er wollte um keinen Preis zeigen, wie unangenehm ihm das war. Er fühlte sich unter dem prüfenden Blick fast nackt.
„Gedächtnis verloren, so, so ...“, krächzte Mimbelwimbel in seiner brüchigen Stimme.
„Ja“, sprang Anemone an, „er erinnert sich vielleicht wieder, wenn du ihm etwas erzählst!“
Sie nickte eifrig.
Mimbelwimbel pflückte einen Grashalm, steckte sich das dicke Ende in den Mund und begann darauf herumzukauen.
„Vielleicht erinnert er sich daran, was er mit seinen Ohren angestellt hat. Hast du dir die Spitzen abgeschnitten oder was? Habe noch nie so seltsame Ohren gesehen!“
„Na, da musst du dich gerade melden!“, dachte Max und fasste sich reflexartig an die Ohren. Alles in Ordnung. Er zuckte mit den Schultern.
„Meine Ohren waren schon immer so. Alle, die ich kenne, haben solche Ohren!“
Anemone lachte ungläubig.
„Ohren sind normalerweise so!“
Sie fasste sich an ihr rechtes Ohr und wackelte es kurz hin und her.
Mimbelwimbel schnaubte verächtlich, holte einen Wasserschlauch aus seinem Rucksack, entkorkte ihn und trank ein paar Schlucke. Ungerührt von Max´ durstigem Blick steckte Mimbelwimbel seinen Wasserschlauch wieder ein. Anemone hatte Max´ Gesichtsausdruck bemerkt und reichte ihm ihre Flasche. Dankbar trank er etwas. Das Wasser schmeckte schal und abgestanden. Während Anemone die Flasche zurück in ihre Tasche packte, rappelte sich Mimbelwimbel auf und schnallte sich seinen Rucksack wieder um.
„Los weiter, sonst sitzen wir heute Abend noch hier!“
Er hüpfte los ohne abzuwarten, ob sie ihm folgten.
Max starrte ihm mit offenem Mund nach.
„Was für ein netter ... was auch immer.“
Er hatte Mensch sagen wollen. Aber das war der griesgrämige kleine Mann ja nicht. Und Wobbelhobbel hätte er ohne ein Kichern nicht über die Lippen gebracht. Anemone lachte kurz und stand ebenfalls auf.
„Er wird schon noch freundlicher werden.“
Max mühte sich ebenfalls hoch.
„In hundert Jahren vielleicht“, murmelte er zu sich selbst.
„Eher in tausend Jahren!“
Hund hatte seine Worte gehört und stand nun neben ihm. Mit einem Blick auf Anemone, die bereits losgegangen war, fragte Max den Vierbeiner: „Verstehst du, was ich sage?“
„Klar!“, kam prompt die Antwort.
„Max, komm jetzt!“, rief Anemone über die Schulter zurück und winkte ungeduldig.
Mimbelwimbel war schon ein gutes Stück voraus.
Max setzte sich in Bewegung.
„Wie kommt es, dass ich dich verstehe?“, fragte Max den Hund.
„Keine Ahnung. Finde ich aber richtig toll! Endlich mal jemand, mit dem man sich unterhalten kann. Nicht immer nur diese blöden Kommandos. Ich wollte schon immer mal mit jemanden den Sinn dieser Welt ergründen. Oder über die äußerst interessante Frage philosophieren, ob die Würstchen geräuchert oder gekocht besser schmecken.“
Hund sah Max erwartungsvoll an.
„Wenn ich mit dir über den Geschmack von Würstchen philosophiere, denkt Anemone, dass ich meinen Verstand völlig verloren habe.“
Hund ließ traurig den Kopf hängen.
„Da hast du völlig Recht!“
Anemone hatte auf sie gewartet und stand nun mit in die Hüfte gestemmten Händen vor ihnen.
Hund wackelte unschuldig mit dem Schwanz und ging zu ihr. Während sie ihn hinter den Ohren kraulte, warf sie Max einen misstrauischen Blick zu.
Um abzulenken, fragte Max: „Wie kommt es eigentlich, dass du mit Mimbelwimbel unterwegs bist? Er scheint eher der Typ zu sein, der allein reist.“
Sie setzten sich wieder in Bewegung.
„Das tut er normalerweise auch“, sagte Anemone. „Er hat mich davor bewahrt, ein paar Wegelagerern in die Hände zu laufen.“
Max sah sie interessiert an. Sie hatte ganz am Anfang, kurz nachdem er auf dem Weg gelandet war, so etwas erwähnt.
„Das Mittlere Gebirge ging schon in Hügel über, als ich, in Gedanken versunken, nicht auf die Umgebung geachtet habe. Irgendwann bin ich stehen geblieben, weil Hund mir unruhig um die Beine gewuselt ist. Da ist Mimbelwimbel aus dem Gebüsch gesprungen, hat mich an der Hand gepackt und in die Sträucher gezerrt. Ich bin so überrascht gewesen, dass ich gar nicht geschrien habe. Was auch gut war. Hinter der Biegung hatten die Räuber gerade eine Reisegruppe überfallen. Von unserem Versteck aus konnten wir alles sehen. Die haben den Männern die Kehle durchgeschnitten und die Leichen ins Gebüsch geworfen. Alles Wertvolle und die zwei Frauen, die dabei waren, haben sie mitgenommen und sind im Wald verschwunden. Es war schrecklich.“
Anemone erschauderte.
Max war geschockt. In was für einer Welt war er denn bloß gelandet?
„Äh ... Kommt hier so etwas öfter vor?“, fragte er, bemüht um eine ruhige Stimme.
Anemone zuckte mit den Schultern.
„Mimbelwimbel meint, dass die Überfälle dieses Jahr besonders häufig sind. Er ist zum Ende des Winters schon mal hier unterwegs gewesen. Man reist am besten in Gruppen oder mit kampferprobten Reisebegleitern, sofern man es sich leisten kann. Ich weiß nicht, warum er bei mir geblieben ist. Ohne mich würde er um einiges schneller vorankommen.“ Anemone lächelte, den Blick auf den hüpfenden Wobbelhobbel gerichtet. „Vor zwei Tagen hätte es uns beinahe wieder erwischt. Aber Hund hat uns rechtzeitig gewarnt.“ Sie streichelte dem Vierbeiner über den Kopf, was dieser mit einem heftigen Schwanzwedeln quittierte. „Er ist ganz nett für einen Wobbelhobbel“, meinte sie schließlich.
Max nickte und fragte sich gleichzeitig, wie ein nicht netter Wobbelhobbel so wäre. Im Wald schien es wohl am gefährlichsten zu sein. Die offene Weite der Felder und Wiesen bot Wegelagerern kaum Deckung. Im Moment bestand wohl kein Grund zur Sorge. Trotzdem, ein ungutes Gefühl blieb.
Sie gingen schweigend weiter. Das Gras unter Max´ Füßen war trocken und stachelig. Seine Sohlen brannten und fühlten sich wund an. Die Sonne schien auf seinen Kopf und Nacken, und bald brannten nicht nur seine Sohlen, sondern auch seine Haut. Der Schweiß rann ihm den Rücken runter, und die Schlafanzughose klebte ihm unangenehm an den Pobacken. Er konnte das flotte Tempo von Anemone und Mimbelwimbel kaum mithalten, es wäre schon mit Schuhen problematisch gewesen. Bereits erschöpft schnaufte er wie ein verwundetes Nashorn. Anemone warf ihm immer wieder besorgte Blicke zu. Max wollte nicht schon wieder um eine Pause bitten, doch seine Füße würden sie bald einfordern, außerdem quälten ihn großer Hunger und Durst. Das letzte Mal hatte er gestern Abend etwas gegessen. Es schien Lichtjahre her zu sein.
Mimbelwimbel war hinter einem kleinen Hügel verschwunden, und als Max und Anemone oben ankamen, lag unter ihnen ein größerer Hof, ein paar Meter abseits von der großen Nord-Süd-Straße. Mimbelwimbel stand an dem Abzweig, der zu dem Gehöft führte, und wartete auf sie.
Ein paar Minuten später hatten sie Mimbelwimbel erreicht. Max setzte sich erleichtert seufzend hin, um seine Füße zu entlasten und erntete dafür einen verachtenden Blick. Anemone sah zum Haus hinüber.
„Wollen wir fragen, ob wir hier eine Nacht bleiben können? Vielleicht haben sie etwas für uns zu tun, so dass ...“
„Ich glaube nicht, dass hier noch jemand ist“, fiel Mimbelwimbel ihr ins Wort. „Und so, wie er aussieht, würde uns wahrscheinlich auch keiner aufnehmen.“
Wieder dieser verächtliche Blick. Max starrte böse zurück und musste dabei nicht mal groß den Kopf heben.
„Du meinst ...“
Anemone erblasste. Mimbelwimbel nickte ernst.
„Hörst du es nicht?“
Max verstand nur Bahnhof. Was sollte denn zu hören sein?
Und dann traf es ihn wie ein Vorschlaghammer. Er hörte nichts außer dem Zirpen der Grillen im Feld, dem Wispern der leichten Brise in den Getreidehalmen, Anemones aufgeregtem Atmen, Hunds Hecheln. Aber nichts weiter. Der Hof lag höchstens fünfzig Meter von der Straße entfernt. Um diese Zeit hätten sie Menschenstimmen hören müssen. Werkzeuggeklapper, Hundegebell, Hühnergegacker, irgendwas. Aber keine Stille.
„Was ist hier passiert?“, fragte Max.
Anemone schluckte und starrte noch ein paar Sekunden auf den Torbogen, der zum Hof führte, bevor sie antwortete: „Ich habe dir doch erzählt, dass einzelne Gehöfte eher die Ausnahme sind, sie sind zu ungeschützt. Zwei Tage, nachdem Mimbelwimbel und ich uns getroffen hatten, sind wir an so einem abseits gelegenen Hof vorbeigekommen. Wir sind reingegangen, um nach Übernachtung und Verpflegung zu fragen. In der Erntezeit bekommt man fast immer etwas, wenn man als Gegenleistung bei der Arbeit hilft.“
Anemone verstummte, die Augen weit aufgerissen. Max beschlich eine dunkle Ahnung, was geschehen sein könnte, und war sich nicht mehr sicher, ob er es wirklich wissen wollte. Anemone fing sich und sprach mit belegter Stimme weiter: „Alles war durcheinander. Die Ställe standen offen und waren leer. Keiner der Bewohner lebte noch, auch nicht die Kinder. Der Hof war überfallen und ausgeraubt worden. Es müssen viele Angreifer gewesen sein. Sie sind in der Nacht gekommen und haben alle in ihren Betten abgeschlachtet.“
Max starrte sie mit offenem Mund entsetzt an.
„Und was habt ihr dann gemacht?“
Mimbelwimbel zog sich den Grashalm aus dem Mund.
„Na was wohl. Wir haben sie begraben. Sie müssen schon einige Zeit gelegen haben und waren kräftig am stinken.“
Anemone zuckte zusammen. Das Ereignis saß ihr offensichtlich noch ziemlich in den Knochen.
„Nachdem wir sie begraben hatten, übernachteten wir im Stall, der Geruch im Haus war nicht zu ertragen. Die Räuber oder Söldner, oder wer auch immer das gewesen war, hatten den Speisekeller nicht komplett ausgeplündert. Ein paar Dinge fanden wir noch, also ...“
Sie zuckte mit den Schultern. Max war nun froh, dass sein Magen leer war. Ihm wurde schlecht bei der Vorstellung.
„Und ihr meint, dass so etwas hier auch passiert ist?“
Das Zittern in seiner Stimme war nicht zu überhören.
„Wahrscheinlich!“, sagte Mimbelwimbel gnadenlos. „Wirst du es verkraften?“ Anemone anblickend fügte er hinzu „Das ist die einfachste Möglichkeit, ihn mit Schuhwerk zu versorgen.“
Sie nickte zustimmend. Beide gingen los. Max fügte sich, rappelte sich hoch und ging langsam hinterher. Er fürchtete sich. Ein Blutbad im Fernsehen anzuschauen war eine Sache, aber dies in Wirklichkeit zu erleben eine völlige andere. Die Beiden hatten recht, er konnte, so wie er angezogen war, unmöglich weiter durch die Gegend stolpern, aber es gefiel ihm nicht. Widerstrebend setzte er einen Fuß vor den anderen.
Mimbelwimbel, Anemone und Hund betraten den Hof bereits und verschwanden aus seinem Blickfeld. Hätten sie nicht auf ihn warten können? Es war lange her, dass er sich so gefürchtet hatte.
Halb erwartete Max Kampfgeräusche zu hören, dass die Übeltäter noch auf dem Hof waren und auf arglose Wanderer lauerten.
Er achtete nicht auf den Weg, stieß mit dem Fuß gegen einen Stein, stolperte und fing sich gerade noch rechtzeitig. Leise fluchend blieb er stehen und wartete, bis der Schmerz nachließ.
Er hatte das Tor fast erreicht. Es war immer noch totenstill. Die anderen Drei, die bereits hinter dem Torbogen verschwunden waren, machten keine Geräusche. Angst, dass er ganz alleine sein könnte, machte sich plötzlich in ihm breit.
„Reiß dich zusammen!“, befahl er sich selbst und machte die letzten Schritte.
Langsam trat Max durch den steinernen Torbogen in den schattigen Hof. Die Torhälften standen weit offen, eine hing nur noch halb in den Angeln. Nach dem langen Marsch in der heißen Sonne war es im Schatten der Mauer nahezu kalt. Max fröstelte, Gänsehaut überzog seine Arme, und seine Nackenhaare stellten sich auf. Sein Blick glitt vorsichtig tastend über das Gehöft.
Der Hof bestand aus drei Gebäuden, die in U-Form angeordnet waren. Das Gebäude gegenüber dem Tor schien der Stall zu sein. Durch die große, zweiflügelige, ebenfalls weit offen stehende Tür konnte Max aufgewühltes Stroh erkennen. Das Haus rechts von ihm war ein einstöckiger Bau. Das linke Haus hatte zwei Stockwerke, wahrscheinlich war es auch das Wohnhaus. Max erinnerte sich, derartige Gehöfte schon im Freilandmuseum gesehen zu haben, als er noch mit seinen Eltern in die Ferien gefahren war.
Er hatte erwartet, überall Leichen zu sehen und war froh, dass zumindest keine im Hof lagen. Aber laut Anemones Aussage waren das letzte Mal die Bewohner im Haus getötet worden. Es polterte leise im Wohnhaus.
Max atmete tief durch und ging auf den Eingang zu. Dabei fielen ihm dunkle Flecken auf der festgestampften, braunen Erde des Hofes auf. Fliegen schwirrten darüber. Vom Tor aus hatte er sie nicht bemerkt. Aber nun, wo er fast davor stand, konnte er die Flecken, die wie eingetrocknete Pfützen aussahen, nicht übersehen. Als er näher kam, roch er es auch. Es wehte ein leichter Wind in seinen Rücken, so dass er wirklich ganz dicht an einer Pfütze vorbeigehen musste, um den leichten Verwesungsgeruch wahrzunehmen, der noch darüber lag. Das Blut war zu einer rissigen Glasur erstarrt.
Max musste den Blick abwenden. Ihm war schlecht. Jemand, viele waren hier gestorben. Es waren nicht nur ein oder zwei Flecken. Auf dem Weg zum Eingang des Wohnhauses kam Max an mehreren dicht beieinander liegenden eingetrockneten Pfützen vorbei, die teilweise ineinander gelaufen waren, bevor die Flüssigkeit in der Sonne verdunstet war.
Auch die Tür zum Wohnhaus stand auf. Langsam ging er die Stufen hoch und trat in die dunkle Kühle. Bald gewöhnten sich seine Augen an das Dämmerlicht. Er stand direkt vor einer Treppe, die in das obere Geschoss führte. Rechts von sich sah er einen Raum, in dem Spinnrad und Webstuhl standen oder gestanden hatten. Die Geräte waren umgeworfen und zum Teil zerstört worden. In dem Zimmer, das dahinter lag, konnte er ein Bett und einen Schrank erkennen. Beides durchwühlt, Federn lagen verstreut herum, und ein schlaffer, leerer Kopfkissenbezug hing über der halb aus den Angeln gerissenen Schranktür. Die Kleidungsstücke aus dem Schrank waren achtlos auf den Boden geworfen worden. Ein Bild kompletter Zerstörung.
Max zuckte zusammen, als es hinter seinem Rücken polterte. Vorsichtig trat er durch die angelehnte Tür zu seiner Linken und atmete erleichtert auf. Es war das Wohnzimmer. Auch hier waren die Möbel bei der brutalen Durchsuchung umgeworfen und teilweise zertrümmert worden. Überall glitzerten Glasscherben auf dem Fußboden. Eines der Fenster war eingeschlagen und Gläser an die Wand geschmissen worden, wo sie Flecken von ihrem Inhalt hinterlassen hatten.
Anemone war dabei aufzuräumen, die Möbel aufzurichten und auszufegen. Sie befahl Max an der Tür zu warten, bis sie die Scherben zusammengekehrt hatte. Als sie fertig war, stützte sie sich auf den Besen, blies sich eine Strähne aus dem Gesicht und wischte sich mit der Hand über die Stirn. Sie sah seinen ängstlichen Gesichtsausdruck und lächelte.
„Keine Angst, das Haus ist in Ordnung, etwas unordentlich vielleicht ...“
Sie blickte sich um.
Die kleine Kammer in ihrem Rücken, die sich an das Wohnzimmer anschloss, war genauso mit Federn gepudert wie das Zimmer, das Max hinter der Webstube gesehen hatte.
Anemone stellte den Besen zur Seite.
„Wir sehen uns den Rest an und schauen, ob wir passende Kleidung für dich finden.“
Sie wandte sich an Hund der mit erwartungsvoll gespitzten Ohren zu ihr aufschaute.
„Hund, such Essen!“ Hund bellte kurz und wackelte mit dem Schwanz.
„Die erste Wurst ist meine!“, hörte Max ihn noch rufen, bevor er durch die Tür verschwand.
Max sah ihm hinterher. Als er sich wieder umdrehte, verschwand Anemone gerade in der Kammer hinter dem Wohnzimmer. Zögernd schaute sich Max noch mal im Raum um. Es war alles so fremd, so unwirklich.
Niedergeschlagen folgte er Anemone in den Nebenraum. Sie hatte die Kleidung vom Boden hochgehoben und hielt sie Max nun prüfend an. Sie fand zwei Hosen, die den Überfall heil überstanden hatten, und ein Hemd. Sie knüllte alles zusammen und stopfte es Max in die Arme. Es kamen ein paar Tücher hinzu und etwas, das wie Unterhosen aussah.
Anemone hatte alles durchgeschaut und blickte nun auf den bereits beachtlichen Berg in Max´ Armen. Dann meinte sie:
„Leider keine Schuhe, aber immerhin.“ Sie schaute ihn an. „Was ist los, hat es dir die Sprache verschlagen?“
Max schluckte, wie sollte er erklären, was gerade in ihm vorging. Die Bewohner dieses Hauses lagen irgendwo ermordet herum. Sie plünderten nun dieses bereits einmal durchforstete Haus, das durch diese Tat bereits seine Bedeutung als Heim, als sichere Zuflucht verloren hatte.
Sie würden das Essbare und die noch brauchbare Kleidung mitnehmen und damit diese Wohnstätte endgültig töten. So empfand es Max zumindest. Er fühlte sich als Eindringling, als Ruhestörer.
Anemone umarmte ihn kurz, soweit es mit Max´ vollen Armen ging. Sein Gesichtsausdruck musste lauter als Worte gesprochen haben.
„Sie brauchen diese Dinge nicht mehr, und wenn wir sie nicht mitnehmen, wird es jemand anderes tun“, meinte sie leise, fast entschuldigend.
„Ganz genau!“, sagte Mimbelwimbel von der Tür her.
Max zuckte zusammen und hätte beinahe den Wäscheberg fallen lassen.
„Ich habe im Garten ein paar frische Gräber gefunden. Jemand hat sie bereits begraben. Der Garten ist so gut wie leer, aber für heute Abend werden wir noch genug finden. Die Ställe sind auch leer. Nicht mal ein Huhn ist noch da.“
Anemone nickte.
„Hund sucht schon nach Lebensmitteln. Und wir schauen gerade nach passender Kleidung.“
Mimbelwimbel grunzte.
„Ist auch besser so. Ich werde nach der Wasserstelle suchen. Heute können wir hier bleiben.“
Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und sprang die Stufen hinunter auf den Hof. Anemone sah ihm noch hinterher, runzelte die Stirn und holte Luft, als ob sie etwas sagen wollte. Doch dann schüttelte sie nur den Kopf und ging durch die Webstube in das dahinter liegende Zimmer, kam aber zurück, bevor Max die Webstube betreten konnte.
„Mägdekammer“, sagte sie zur Erklärung und stieg die schmale, knarrende Treppe nach oben.