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Inhaltsverzeichnis

1 Geschichte und Bedeutung der Zellkultur

1.1 Das biologische Zeitalter

1.2 Die mühseligen Anfänge

1.3 Die zukünftige Schlüsseltechnologie

2 Das Zellkulturlabor und seine Einrichtung

2.1 Was ist ein Laboratorium?

2.2 Allgemeine Ausstattung eines Zellkulturlabors

2.3 Die Arbeitsbereiche eines Zellkulturlabors

2.4 Die technische Ausstattung im Zellkulturlabor

3 Sicheres Arbeiten im Zellkulturlabor

3.1 Gefährdungen im Zellkulturlabor

3.2 Allgemeine Regeln für das sterile Arbeiten im Zellkulturlabor

3.3 Literatur

3.4 Informationen im Internet

4 Nährmedien für die Zellkultur

4.1 Zusammensetzung von Standardmedien

4.2 Medienzusätze

4.3 Serum

4.4 Zubereitung eines gebrauchsfertigen Zellkulturmediums

4.5 Was man sonst noch beachten sollte

4.6 Literatur

4.7 Informationen im Internet

5 Routinemethoden in der Zellkultur etablierter Zelllinien

5.1 Auftauen tiefgefrorener Zellkonserven

5.2 Optische Kontrolle der Zellkultur

5.3 Mediumwechsel

5.4 Subkultivierung (Passagieren)

5.5 Zellzahlbestimmung

5.6 Vitalitätstest

5.7 Qualitätskontrolle

5.8 Kryokonservierung

5.9 Literatur

5.10 Informationen im Internet

6 Umgang mit kontaminierten Zellkulturen

6.1 Die feindlichen Bataillone: Bakterien, Pilze und Viren

6.2 Bakterien

6.3 Die optische Identifizierung einer bakteriellen Kontamination

6.4 Antibiotika und ihre Wirkungsweise

6.5 Auswahl und Dosierung von Antibiotika in der Zellkultur

6.6 Antibiotika – notwendig oder überflüssig?

6.7 Mycoplasmen

6.8 Gestalt, Funktion und Aufbau der eukaryotischen Mikrobenzelle

6.9 Virale Kontamination

6.10 Prionen

6.11 Kreuzkontaminationen

6.12 Literatur

6.13 Informationen im Internet

7 Spezielle Methoden in der Zellkultur

7.1 Klonierung von Zellen

7.2 Synchronisierung einer Zellkultur

7.3 Zellkultur auf Filtermembranen

7.4 Zellkultur auf biologischen Membranen

7.5 Zellkultur auf extrazellulärer Matrix

7.6 Dreidimensionale Zellkulturen

7.7 Sphäroide

7.8 Perfundierte Zellkultur

7.9 Ein Wort zum Schluss

7.10 Literatur

7.11 Informationen im Internet

Anhänge

I Glossar

II Arbeitsvolumina für Zellkulturgefäße

III MUSTER: Hautschutzplan und Händedesinfektion

IV MUSTER: Hygieneplan Nach BioStoffV § 11

V Hygieneplan, Beispiel 2

VI Nützliche Internetadressen

VII Schlechtes Zellwachstum in der Kultur: Fehlerursachenanalyse und -beseitigung

Sachverzeichnis

200 Jahre Wiley – Wissen für Generationen

John Wiley & Sons feiert 2007 ein außergewöhnliches Jubiläum: Der Verlag wird 200 Jahre alt. Zugleich blicken wir auf das erste Jahrzehnt des erfolgreichen Zusammenschlusses von John Wiley & Sons mit der VCH Verlagsgesellschaft in Deutschland zurück. Seit Generationen vermitteln beide Verlage die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung und technischer Errungenschaften in der jeweils zeitgemäßen medialen Form.

Jede Generation hat besondere Bedürfnisse und Ziele. Als Charles Wiley 1807 eine kleine Druckerei in Manhattan gründete, hatte seine Generation Aufbruchsmöglichkeiten wie keine zuvor. Wiley half, die neue amerikanische Literatur zu etablieren. Etwa ein halbes Jahrhundert später, während der „zweiten industriellen Revolution“ in den Vereinigten Staaten, konzentrierte sich die nächste Generation auf den Aufbau dieser industriellen Zukunft. Wiley bot die notwendigen Fachinformationen für Techniker, Ingenieure und Wissenschaftler. Das ganze 20. Jahrhundert wurde durch die Internationalisierung vieler Beziehungen geprägt – auch Wiley verstärkte seine verlegerischen Aktivitäten und schuf ein internationales Netzwerk, um den Austausch von Ideen, Informationen und Wissen rund um den Globus zu unterstützen.

Wiley begleitete während der vergangenen 200 Jahre jede Generation auf ihrer Reise und fördert heute den weltweit vernetzten Informationsfluss, damit auch die Ansprüche unserer global wirkenden Generation erfüllt werden und sie ihr Ziel erreicht. Immer rascher verändert sich unsere Welt, und es entstehen neue Technologien, die unser Leben und Lernen zum Teil tiefgreifend verändern. Beständig nimmt Wiley diese Herausforderungen an und stellt für Sie das notwendige Wissen bereit, das Sie neue Welten, neue Möglichkeiten und neue Gelegenheiten erschließen lässt.

Generationen kommen und gehen: Aber Sie können sich darauf verlassen, dass Wiley Sie als beständiger und zuverlässiger Partner mit dem notwendigen Wissen versorgt.

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William J. Pesce
President and Chief Executive Officer

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Peter Booth Wiley
Chairman of the Board

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Autor

Dr. Hans Jürgen Boxberger
Technische Universität Dresden
Institut für Mikrobiologie
01062 Dresden

Für Carl Frederic

Vorwort

Mancher wird sich angesichts dieser Neuerscheinung vielleicht fragen, ob es nötig war, ein weiteres Buch über Zellkultur herauszubringen. Schließlich ist das Angebot an einschlägiger Literatur in den vergangenen Jahren ständig erweitert worden. Die zahlreichen Ermunterungen und Anregungen, die ich über die Jahre hinweg erfahren habe sowie die freundliche Unterstützung durch den Verlag haben mich letztlich bewogen, den Leitfaden für die Zellkultur zusammenzustellen. Einige Vorgaben sollten dabei Berücksichtigung finden:

Herzlich danken möchte ich meiner Frau für ihre Geduld und Nachsicht während der Erstellung des Manuskripts. Den Mitarbeitern des Wiley-Verlags, Frau Nussbeck und Herrn Dr. Sendtko sowie allen ungenannten Personen, gilt mein besonderer Dank für die freundliche Unterstützung und verständnisvolle Zusammenarbeit. Herzlichen Dank auch an alle Firmen und Personen, die durch Überlassung von Bildmaterial zum Gelingen des Leitfadens beigetragen haben. Allen Leserinnen und Lesern bin ich für Verbesserungsvorschläge und kritische Hinweise dankbar.

Dresden, im September 2006

Hans Jürgen Boxberger

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Geschichte und Bedeutung der Zellkultur

1.1 Das biologische Zeitalter

Leben wir im Zeitalter der Biologie? In seiner Neigung zum Ordnen und Klassifizieren hat der Mensch vergangene Epochen stets unter dem Gesichtspunkt herausragender gesellschaftlicher und kultureller Errungenschaften betrachtet. Begriffe wie „Eisenzeit“ oder „Neuzeit“ sind jedermann geläufig. Die fortschreitende Entwicklung der modernen Wissenschaften hat die letzten zwei Jahrhunderte vornehmlich geprägt. Stand das 19. Jahrhundert allgemein im Zeichen aufblühender Technik, bahnbrechender medizinischer Entdeckungen und der Emanzipierung der Naturwissenschaften, gehen wir kaum fehl, wenn wir das 20. Jahrhundert als das Atom- und Computerzeitalter bezeichnen.

Trotz der ungeheuren Leistungen, die auf den Gebieten der Physik und der Chemie vollbracht wurden, hat sich die Biologie in den Jahrzehnten seit 1953, als James Watson, Francis Crick und Maurice Wilkins die Desoxyribonukleinsäure (DNS) als Träger der genetischen Information entdeckten, unaufhaltsam eine Schlüsselposition erobert. Dass dem nicht immer so war, demonstriert die Tatsache, dass ein Nobelpreis für Biologie vom Stifter nicht vorgesehen war und merkwürdigerweise bis heute nicht ausgelobt wird. Dennoch konnte die „klassische“ Biologie dank ihrer engen Bindung an die Medizin und die zunehmende gegenseitige Durchdringung mit den anderen naturwissenschaftlichen Disziplinen zu dem avancieren, was man heute in Ermangelung klarer Abgrenzungskriterien als Biowissenschaften bezeichnet. Nicht wenige sehen deshalb mit dem 21. Jahrhundert das Zeitalter der Biotechnologie anbrechen.

Ob sich diese Vision bewahrheitet, soll dahingestellt bleiben. Kaum zu bestreiten ist hingegen die Tatsache, dass insbesondere der Zellbiologie in dem neuen wissenschaftlichen Gebäude mit seinen zahlreichen Räumlichkeiten eine fundamentale Bedeutung zukommt. Betrachten wir die zahlreichen biowissenschaftlichen Teildisziplinen genauer, stellen wir fest, dass die Beschäftigung mit Zellen darin eine mehr oder weniger zentrale Rolle spielt. Die Zell- und Gewebekultur bildet gewissermaßen die Basis, auf der die gesamte Biotechnologie aufbaut.

In der Tat sind in den letzten Jahrzehnten Zellkulturen zu einem der wichtigsten Werkzeuge in der zellbiologischen, virologischen und immunologischen Forschung sowie in der Tumorforschung geworden. Die enormen Fortschritte in der Grundlagenforschung, der Medizin und der Pharmazeutik wären ohne die Verwendung von Zellkulturen nicht möglich gewesen.

1.2 Die mühseligen Anfänge

Obwohl uns die Zellkultur als eine sehr moderne und mit großem technischen Aufwand betriebene Methode erscheint, reichen ihre Wurzeln weit zurück. Man macht sich kaum noch eine Vorstellung von den nahezu unüberwindlichen Schwierigkeiten und Hindernissen, mit denen sich die Pioniere seinerzeit konfrontiert sahen. Es dürfte nicht übertrieben sein, wenn man aufgrund der äußerst unzureichenden Voraussetzungen von einer Erfolgsquote von höchstens 1% ausgeht. Die großen Probleme bei dem Versuch Zellen lebend in Kultur zu halten, ließen ahnen wie komplex die Lebensvorgänge auf der mikroskopischen und auf der molekularen Ebene tatsächlich sind. Heute wissen wir um die Vielschichtigkeit der Ursachen, die im Laufe eines langwierigen Erkenntnisprozesses nach und nach mühsam und von zahlreichen Rückschlägen begleitet aufgedeckt wurden.

Jedes komplex organisierte Lebewesen – ob Mensch, Tier oder Pflanze – entsteht aus einer einzelnen Zelle, der befruchteten Keimzelle. Durch kontinuierliche Teilung und Differenzierung entwickelt sich ein komplizierter Organismus aus zahlreichen, miteinander in wechselseitiger Beziehung stehender Zellen. Ärzte und Wissenschaftler waren von Anfang an bestrebt, diesen Vorgang auch künstlich im Labor („in vitro“) durchführen und studieren zu können. Zum einen wollte man die Mechanismen der Krankheitsentstehung, zum anderen die entwicklungsbiologischen Vorgänge aufdecken und untersuchen. Die ersten „Zellkulturen“ beschaffte man sich mit dem Kescher aus einem Tümpel. Amphibienlaich – das weiß jeder, den der Forscherdrang in jungen Jahren mit dem Marmeladenglas voller Froscheier nach Hause trieb – verlangt außer genügend Wasser keine besonderen Vorkehrungen. Unendlich schwieriger erwiesen sich hingegen die lebenserhaltenden Maßnahmen bei frisch isolierten Zellen oder Gewebeproben! Selbst Krebszellen, deren Teilungsaktivität ungehemmt vonstatten geht, konnten in einer Kulturschale kaum am Leben erhalten werden.

Man muss sich vergegenwärtigen, dass nahezu alle heute bekannten Parameter der Zellphysiologie damals unbekannt waren. Über die Nährstoffe, die ein Mensch zum Leben braucht, lagen gesicherte Erkenntnisse vor. Welche Ansprüche jedoch eine Zelle hinsichtlich der Versorgung und der Darreichungsform stellen mochte, darüber herrschte größte Unsicherheit. Da einer Zelle kaum feste Kost zugemutet werden konnte und eine Kultur in wasserloser Umgebung in kurzer Zeit vertrocknet, versuchte man es zunächst mit so kuriosen Flüssigkeiten wie Boullion aus Rindfleisch. Die Rinderbrühe konnte sich in der Zellkultur jedoch nicht durchsetzen. In erstaunlicher Vorausahnung der tatsächlichen Gegebenheiten experimentierte man nun mit Blutflüssigkeit und Lymphe, um die Kulturbedingungen für Säugerzellen soweit wie möglich der natürlichen Situation anzupassen.

Während die Nährstofffrage zumindest vorläufig gelöst schien, sah man sich mit einem anderen, kaum weniger bedeutenden Problem konfrontiert: den allgegenwärtigen Mikroorganismen, die sich als lästige Kommensalen („Mitesser“) in fast allen Zellkulturen trotz sorgsamster Abschirmung erfolgreich einnisten konnten. Da eine schlagkräftige Abwehrstrategie in Form von Antibiotika noch nicht zur Verfügung stand, muss die Verlustrate außergewöhnlich hoch gewesen sein.

Verglichen mit den Schwierigkeiten bei der Bereitstellung von Nährstoffen und der Aufrechterhaltung steriler Bedingungen war die Versorgung der Kulturen mit Wärme in geeigneten Behältern eine durchaus lösbare Aufgabe. Die Temperatur wurde mittels Thermometer und Raumheizung auf dem erforderlichen Niveau gehalten. Ein einfacher Kasten, ausgestattet mit einer Schale Wasser und einer Kerze kann als Urahn aller Brutschränke betrachtet werden.

1.3 Die zukünftige Schlüsseltechnologie

Versuch und Irrtum bestimmten noch bis weit in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts die meisten Experimente mit Zellen. Erst die Entwicklung spezieller Kulturmedien und die Entdeckung der Antibiotika erlaubten den Zellforschern eine adäquate Nährstoffversorgung ihrer Zellkulturen sowie eine gezielte Bekämpfung mikrobieller Infektionen bzw. deren Vorbeugung. Die Zahl der erfolgreich in Kultur genommenen Zellen konnte ständig gesteigert werden. Infolge der rasanten Entwicklung auf dem Gebiet der Labortechnik und der immens verfeinerten Analysemethoden hat die Zellkultur mittlerweile einen Stand erreicht, der es erlaubt, komplexe Primär- und Gewebekulturen in vitro zu etablieren.

Besonders durch die stürmische Entwicklung der Biotechnologie gewann die Zellkultur, auch die pflanzliche Zell- und Gewebekultur, in der letzten Dekade des 20. Jahrhunderts ständig an Bedeutung. Konzentrierte sich das Interesse der Zellbiologen und Mediziner ursprünglich nur auf die Vorgänge in der einzelnen Zelle, untersucht man heute auch komplizierte Zusammenhänge in Zellverbänden und Geweben. Diese lassen sich meist nur in mehrschichtigen Cokulturen studieren, in denen z. B. sowohl Epithelzellen als auch Bestandteile ihrer natürlichen Umgebung (Basallamina, extrazelluläre Matrix, Fibroblasten) vorhanden sein müssen.

Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass die Zellkultur das Leiden von Tieren verringern hilft, indem sie Tierversuche überflüssig macht. Laut einer Statistik des Bundeslandwirtschaftsministeriums konnte die Zahl der Tierversuche in Deutschland von 1989 bis 1997 um mehr als 40% reduziert werden. Im Jahr 1996 wurden knapp 1,5 Mio Wirbeltiere in der Arzneimittelforschung „verbraucht“. Diese Zahl erscheint riesig, im Vergleich zur Situation vor 20 Jahren ist das jedoch eine Reduzierung um ca. 3 Mio Tiere pro Jahr. Es darf dennoch nicht verschwiegen werden, dass aufgrund der neuen EU-Chemikalienpolitik, die für Tausende von Stoffen neue toxikologische Untersuchungen vorsieht, seit Anfang der 1990 er Jahre die Zahl der Versuchstiere wieder auf mehr als 2 Mio pro Jahr angewachsen ist. Die Bedeutung der Zellkultur als Alternative zu Tierversuchen wächst dennoch ständig. So stellte die EU-Kommission im Jahr 2003 neue Arzneimitteltests auf der Basis von Zellkulturen vor, die preiswerter und genauer sein sollen als der herkömmliche Test an Kaninchen.

Die moderne Zellkultur hat die Kinderkrankheiten ihrer Anfangsphase weit hinter sich gelassen und ist zu einem unverzichtbaren Werkzeug nicht nur für die Biologie und Medizin geworden. Zellkulturen werden zunehmend auch für technische Fragestellungen, z. B. in der Biotechnologie, Gentherapie oder in der Materialforschung eingesetzt. Sie werden sich auch in Zukunft weiterentwickeln und ein spannendes Betätigungsfeld nicht nur für Zellbiologen bleiben.

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Das Zellkulturlabor und seine Einrichtung

2.1 Was ist ein Laboratorium?

Wie jedes andere Gewerbe benötigt auch die praktische wissenschaftliche Tätigkeit einen geeigneten Arbeitsraum, ein Laboratorium oder Labor.

Unter einem Labor im Allgemeinen verstehen wir einen Raum, in dem von Fachleuten oder unterwiesenen Personen Arbeiten zur Erforschung und Nutzung medizinischer, naturwissenschaftlicher oder technischer Vorgänge durchgeführt werden.

Nicht selten wird das Labor auch zu Ausbildungszwecken genutzt. Den für den Umgang mit lebenden Zellen geeigneten Arbeitsbereich bezeichnen wir als Zellkulturlabor.

Als die Wissenschaftler ihr Labor noch im Straßenanzug mit Zylinder und Monokel betraten, gab es kaum Vorschriften darüber, wie ein Labor einzurichten sei. Inzwischen hat die Bürokratie eine Vielzahl an Normen, Rechtsvorschriften, technischen Regeln, Verordnungen, nationalen Gesetzen und EU-Richtlinien produziert, mit denen sich die Betreiber von Forschungsstätten bei der Ausstattung von Laboratorien befassen müssen. Die überwiegende Mehrheit des Laborpersonals wird kaum mit der Neueinrichtung eines Zellkulturlabors beauftragt werden und die rechtlichen Grundlagen in ihrem vollen Umfang würdigen können. Meist sind die Arbeitsbedingungen, unter denen Zellkultur betrieben werden soll, bereits vorgegeben. Dennoch sollten wir uns die wichtigsten Grundanforderungen an die Einrichtung eines Zellkulturlabors vergegenwärtigen, um gegebenenfalls Mängel erkennen und beseitigen zu können.

2.2 Allgemeine Ausstattung eines Zellkulturlabors

Wie wir noch sehen werden, erfordert die Arbeit mit Zellen zum Teil sehr unterschiedliche Laborstandards. Schon wenn wir uns in einer Forschungseinrichtung nach der Lage des Zellkulturlabors erkundigen, fällt auf, dass dieser Arbeitsbereich gewöhnlich nicht in ein molekularbiologisches oder genetisches Labor integriert ist. Meist werden wir einen separaten Raum vorfinden, der einen etwas abgeschotteten Eindruck auf den Besucher macht. Dieser Umstand ist kein Zeichen dafür, dass es sich bei den Zellbiologen um ausgesprochen eigenbrötlerische Naturen handelt. Die Gründe für die Lage des Zellkulturlabors, abseits der anderen Laborräume, liegen vielmehr in den besonderen Ansprüchen und Notwendigkeiten, die sich zwangsweise aus dem Umgang mit lebenden Zellen ergeben.

Zunächst muss der Laborraum genügend Bewegungsfreiheit, StellflächeGeräte sowie genug Stauraum für Verbrauchsmaterial bieten. Bei einem völlig mit Geräten zugestellten Labor und so engen Verkehrswegen, dass sich ein Mensch mit durchschnittlicher Körpergröße nur unter äußerster Anstrengung hindurchzuwinden vermag, versteht es sich von selbst, dass unter derartigen Verhältnissen viele Bestimmungen zur Arbeitssicherheit außer Kraft gesetzt sind. Hier kann es nicht ausbleiben, dass Arbeitsfreude und Motivation der Mitarbeiter auf der Strecke bleiben. Allen im Labor arbeitenden Personen sollte eine ausreichend bemessene Arbeits- und Verkehrsfläche zustehen. Die Bewegungsfläche (auch Bedienfläche genannt) vor einem Labortisch muss mindestens 0,45 m und die Verkehrsfläche (d. h. die Wege durch das Labor) mindestens 0,55 m Breite aufweisen (Abb. 2.1 a und b). Je nach Anzahl der im Labor arbeitenden Personen oder der Verteilung der Labormöblierung im Raum muss die Verkehrsfläche entsprechend großzügiger bemessen sein.

Darüber hinaus hat der Betreiber für ausreichend Flucht- und Rettungswege zu sorgen und diese eindeutig und dauerhaft kenntlich zu machen. Diese lebensrettenden Einrichtungen dürfen auf keinen Fall blockiert werden, zum Beispiel mit einer davor abgestellten 80 kg schweren Kohlendioxidflasche. Die Türen zum Laborbereich dürfen nur nach außen aufschlagen, da es ansonsten im Falle einer Havarie zu dem gefürchteten „Diskothekeneffekt“ (mehrere Flüchtende behindern sich gegenseitig und geraten in Panik) kommen könnte. Ferner müssen Sichtfenster in den Türfüllungen ungehinderten Ein- und Ausblick gewähren. Mitunter werden Laborunfälleich nur von den außen Vorübergehenden bemerkt. Es wäre also sträflich leichtsinnig, das Sichtfenster mit den Urlaubsgrüßen der Kolleginnen und Kollegen, Plakaten o. ä. zu verdecken. Bewusstlose oder verletzte Personen könnten im Ernstfall nicht rasch genug geborgen und versorgt werden.

Eine angenehme Arbeitsatmosphäre im Labor ist nicht überall eine Selbstverständlichkeit. Sowohl hohe Lufttemperaturen wie im Treibhaus als auch ähnlich niedrige Temperaturen wie im Iglu sind nicht selten anzutreffen und beeinträchtigen das Wohlbefinden und die Gesundheit der Betroffenen. Es trifft zwar zu, dass das Arbeiten im Tageslicht angenehmer ist als an einem fensterlosen Arbeitsplatzim Keller. Intensive Sonnenbestrahlung, vor allem im Sommer, sorgt jedoch zusammen mit der unvermeidlichen Abwärme zahlreicher elektrischer Geräte schnell für Temperaturen jenseits der 30 °C-Marke. Man halte nur die Hand über das Lampenhaus eines Mikroskops, um zu ahnen, wie viel elektrische Energie im Labor als „Wärmeabfall“ anfällt. In einem Labor, dass auf der gesamten Ost- und Südseite bis zur Decke reichende Panoramafenster, aber keine Klimaanlagetzt, wird der Vorsatz, stets mit Schutzkleidung zu arbeiten, auf eine harte Probe gestellt.

Da sich aus Gründen, die später noch Erwähnung finden werden, beim Arbeiten mit Zellkulturen das Öffnen der Fenster verbietet, sollten zumindest elektrisch betriebene Rollos oder Blenden vorhanden sein, die je nach Sonneneinstrahlung herabgelassen werden können. Sonnenblenden an der Fensteraußenseite sind übrigens weitaus effektiver, da sie die Sonnenstrahlen bereits vor der Fensterscheibe abweisen und somit einer Aufheizung vorbeugen. Innenrollos verdunkeln zwar den Raum, verhindern jedoch kaum den unerwünschten Temperaturanstieg. Technische Lüftungseinrichtungen einen achtfachen Luftwechsel pro Stunde erlauben, kombiniert mit einer Klimaanlage, bieten derzeit den höchsten Komfort. Allerdings muss dafür Sorge getragen werden, dass die Systeme einwandfrei eingeregelt und justiert sind, da ansonsten der gegenteilige Effekt auftritt. Unangenehm kalte Zugluft im Labor ist der Gesundheit ebenso unzuträglich wie Cabrio fahren im November.

Abb. 2.1 Doppelarbeitstisch mit großzügiger Verkehrsfläche.

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Aus Großraumbüros ist bekannt, dass Lüftungs- und Klimaanlagen zu regelrechten Keimschleudern werden können. Da der Eintrag von Staub und somit auch von Keimen in ein Zellkulturlabor so gering wie möglich gehalten werden sollte, muss die zugeführte Luft einen Filter passieren, der die Kleinstpartikel erfolgreich zurückhält.

Die bisher angeführten Beispiele gelten für Laboratorien im Allgemeinen. Da die biologischen Arbeitsstoffe, mit denen wir experimentieren, mit unterschiedlichen Risiken behaftet sein können, werden wir uns in Kapitel 3 ausführlicher mit den speziellen Anforderungen an ein Zellkulturlabor zu beschäftigen haben.

2.3 Die Arbeitsbereiche eines Zellkulturlabors

In einem Zellkulturlabor müssen die unterschiedlichsten Arbeitsgänge sinnvoll miteinander kombiniert und durchgeführt werden. Es kann deshalb keine in sich geschlossene Raumeinheit darstellen. Wie wir in Kapitel 3 noch sehen werden, besitzt das Thema Sterilität an unserem Arbeitsplatz einen Stellenwert, der nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Im Gegensatz zu anderen Labors, wo die Gerätschaften nur einen hinreichenden Sauberkeitsgrad aufweisen müssen, ist die Zellkultur auf absolute Sterilität angewiesen. Dazu zählen zum einen Präparierbesteck, Pipetten und Flaschen, zum anderen Flüssigkeiten und Substanzen, mit denen die Zellen in unmittelbaren Kontakt kommen. Damit diese Arbeitsmittel jederzeit in der gewünschten Qualität zur Verfügung stehen, bedarf es spezieller Vorbereitungen, die in eigens dafür eingerichteten Arbeitsbereichen getroffen werden. Wir wollen uns in den folgenden Abschnitten näher mit deren Sinn und Zweck beschäftigen. (Da ein näheres Eingehen auf technische und physikalische Details den begrenzten Rahmen dieses Buchs sprengen würde, seien dem interessierten Leser die Fachliteratur über Gerätetechnik, die Broschüren der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS) sowie der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie empfohlen.)

2.3.1 Der Reinigungsbereich

Die Reinigung und Sterilisation von Laborutensilien erfolgt häufig in einer Spülküche. Sie kann in einer zentralen Serviceeinheit untergebracht sein. Große Zellkulturlabors verfügen mitunter über separate Spülküchen, wo ausschließlich Gebrauchsmaterial für ihren speziellen Bedarf behandelt wird. Aus der Sicht des Zellzüchters besitzt eine solch exklusive Reinigungseinrichtung natürlich viele Vorzüge: Das gesamte Inventar ist auf seine Bedürfnisse abgestimmt, das Personal weiß, worauf es ankommt und er braucht sich nicht „hinten anzustellen“.

Reinigung

Da zentrale Spülküchen auch andere Labors bedienen, deren Ansprüche an die Reinheit nicht ganz so hoch sein müssen, sollten wir dafür Sorge tragen, dass unsere Wünsche gewissenhaft erfüllt werden. Wer möchte schon ein teures Auto oder ein rassiges Motorrad einer nicht ordentlich geführten Hinterhofwerkstatt überantworten? Beginnen wir also damit, dass wir die Spülküche gründlich inspizieren:

Falls wir in Zweifel ziehen müssen, dass diese Punkte erfüllt werden, besteht die Gefahr, dass wir unsere Zellkulturflaschen nur unzureichend sauber zurückbekommen. Eine unsaubere Spülküche mit „permanenter Waschküchenatmosphäre“ verkommt rasch zur Brutstätte für Wärme und Feuchtigkeit liebende Pilze. Über kontaminierte Laborutensilien würden diese Keime ständig in unsere Kulturen gelangen und zu einem lang anhaltenden, frustrierenden Ärgernis werden.

Die Anforderungen an die Reinheit von Laborglas können sehr unterschiedlich sein. Zwar ist das Reinigen von Laborglas auch manuell möglich, ein Höchstmaß an Sicherheit und Sauberkeit gewährleistet jedoch nur das maschinelle Verfahren, da sich der Reinigungsablauf dokumentieren und nachprüfen lässt. Gerade die Biotechnologie stellt an die rückstandsfreie Reinigung von Glaswaren höchste Ansprüche. Es ist deshalb ratsam, das Spülküchenpersonal über den besonderen Status unserer Glaswaren zu informieren. Werden sie zusammen mit gewöhnlichen Laborgläsern gereinigt, können Rückstände des aggressiven Spülmittels am Glas haften bleiben. Später, wenn wir zum Beispiel Nährmedium darin aufbewahren, können diese in Lösung gehen. Selbst Spuren von Detergenzien beeinflussen beispielsweise die Enzymreaktionen von Zellen und lassen die Kulturen absterben. Wir tun also gut daran, die Spülküche darauf hinzuweisen, die Zellkulturgläser separat zu spülen und spezielle Reinigungs- und Neutralisationsmittel zu verwenden. Es empfehlen sich alkalische Reiniger ohne Tenside und saure Neutralisatoren (z. B. auf der Basis von Zitronensäure), frei von Phosphaten, stickstoffhaltigen Komplexbildnern und Tensiden. Bei biologisch kontaminiertem Laborglas mit infektiösen Rückständen ist zudem eine chemische Desinfektion mit fungiziden, bakteriziden und Virus inaktivierenden Reinigungsmitteln vorgeschrieben. Diese Spülmittel sind im Laborbedarfshandel erhältlich. Hersteller von Laborspülmaschinen mit einem für Zellkulturgläser besonders geeigneten Waschprogramm weisen in der Betriebsanleitung darauf hin. Gute Reinigungsergebnisse hängen auch von der Qualität des Wassers für die letzten Spülgänge ab. Es sollte die Qualität „aqua purificata“ besitzen und wird in Reinstwasseranlagen durch Umkehrosmose bzw. Entionisierung (s. Abschnitt 2.4.9) gewonnen. Es wird auch als demineralisiertes oder vollentsalztes Wasser (VE-Wasser) bezeichnet.

Reinigungsautomaten für Laborglaswaren funktionieren im Prinzip wie die heimische Geschirrspülmaschine. Beim Einräumen müssen wir darauf achten, das Reinigungsgut gegen Umkippen zu sichern. Um das von Kratzern auf der Glasoberfläche ausgehende Zerspringen zu vermeiden, dürfen wir in der Spülmaschine das Glas nie mit Gegenständen aus Stahl oder anderen Glasgegenständen in Berührung kommen lassen. Es muss zudem so positioniert sein, dass die Gefäße vollständig von der Waschflotte umspült werden. Andererseits darf kein Restwasser nach beendetem Waschprogramm zurückbleiben. Zumindest für die letzten Spülgänge sollte vollentsalztes, steriles Wasser zum Einsatz kommen, da sonst im Wasser gelöste Salze auf dem Laborglas antrocknen.

Gegenstände, die lediglich gereinigt werden müssen, werden anschließend mittels Warmluftgebläse in der Spülkammer oder im Wärmeschrank getrocknet und stehen alsbald wieder zur Verfügung. Anders verhält es sich mit den Utensilien, die zur weiteren Benutzung absolut keimfrei sein müssen. Sie werden nach der Säuberung der Sterilisation, d. h. der Entkeimung zugeführt.

2.3.2 Der Sterilisationsbereich

Staub, Fett und andere Verschmutzungen von Laborglas zu entfernen ist verhältnismäßig einfach. Gerade auf organischen Anhaftungen, wie eingetrocknetem Nährmedium, siedeln sich jedoch bald Mikroorganismen an, die vollständig eliminiert werden müssen. In früheren Zeiten versuchte man sich ihrer entweder durch längeres Auskochen oder auf chemischem Wege z. B. mittels Formaldehyd zu entledigen. Einige Sporen bildende Keime sind jedoch mit einer solch außerordentlichen Widerstandskraft gesegnet, dass sie unter bestimmten Bedingungen beide Prozeduren überstehen können. Zwei Verfahren zur Entkeimung haben sich deshalb im Labor etabliert: die Dampfsterilisation im Autoklaven und die Hitzesterilisation im Heißluftsterilisator. Welches Sterilisationsverfahren angewandt wird, hängt zunächst vom Material ab, das sterilisiert werden soll. Wie wir noch sehen werden, bieten jedoch beide keine hundertprozentige Sicherheit.

Dampfsterilisation im Autoklaven

Ein Laborautoklav ist ein Behälter, in dem Stoffe unter hohem Druck durch Wasserdampf erhitzt werden können.

Das Sterilisationsverfahren mittels Wasserdampf ist verhältnismäßig früh angewandt worden. Es wurde bereits 1804 in Zusammenhang mit der Erfindung der Konservendose zum Haltbarmachen von Lebensmitteln praktiziert. Wissenschaftliche Bedeutung erlangte die Dampfsterilisation jedoch erst in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts, als Mikroorganismen als Verursacher von Infektionskrankheiten erkanntworden waren. Bereits Robert Koch wies daraufhin, dass bestimmte Bakterien unter Wasserdampfeinwirkung nur wenige Minuten überleben, während bei 140 °C trockener Hitze drei Stunden nötig sind, um den gleichen Effekt zu erzielen.

Die Funktionsweise von Autoklaven ist bei allen Modellen nahezu gleich: In einer abgeschlossenen Druckkammer wird eine Wasserdampfatmosphäre erzeugt, deren Temperatur im Normalfall 121 °C und bei der Vernichtungssterilisation von biologischen Abfällen 134 °C beträgt. Nun wird mancher einwenden und mit dem Thermometer beweisen, dass Wasserdampf niemals heißer ist als 100 °C. In der Tat liegt ein 134 °C heißer Wasserdampf außerhalb unserer Alltagserfahrung. Baut man jedoch Drücke zwischen 1,1 und 2,1 bar auf, wie das in der Druckkammer des Autoklaven geschieht, lässt sich derart heißer Dampf erzeugen – auf die genauen thermodynamische Hintergründe wollen wir hier nicht eingehen. Im Gegensatz zu dem uns vertrauten Dampf aus dem Teekessel sprechen wir dann von gesättigtem und gespanntem Wasserdampf.

Autoklaven werden für die Entkeimung von Wasser und wässrigen Lösungen ohne hitzeempfindliche Bestandteile, Nährböden, Glas- und Metallgegenstände, andere Feststoffe (z. B. Pipettenspitzen) oder Laborabfall verwendet. Es empfiehlt sich, einzelne Gegenstände locker in Stanniolfolie einzuwickeln oder in Spezialbeuteln zu versiegeln. Diese „Verpackung“ erlaubt die Lagerung nach der Sterilisierung bis zur Verwendung. Präparierbesteck kann sortimentweise in Edelstahlbehältern oder in Petrischalen aus Glas entkeimt werden. Laborabfälle sterilisieren wir praktischerweise in speziellen Autoklavierbeuteln. (Diese Vernichtungsbeutel sind bei gentechnischen oder anderen gefährlichen Abfällen vorgeschrieben und müssen mit dem Aufdruck „biohazard“ gekennzeichnet sein.)

Beim Beschicken des Autoklaven mit Gefäßen müssen wir darauf achten, dass sich die Autoklavenkammer vollständig entlüften und der Dampf in jeden Winkel eindringen kann. Die Verschlusskappen von Flaschen dürfen wir deshalb nur locker aufschrauben. Verbleiben in der Kammer oder in den Gefäßen Luftblasen, kann die zur Sterilisation nötige Temperatur dort nicht erreicht werden. In vielen Geräten wird die Luft durch den einströmenden Dampf verdrängt. Effektiver ist die Evakuierung der Druckkammer durch eine Vakuumpumpe.

Da sich Mikroorganismen gegenüber Hitze als unterschiedlich widerstandsfähig erweisen, teilt man sie in Hitzeresistenzstufen ein. In der unteren Stufe werden alle Keime zusammengefasst, die bei 121 °C innerhalb von 15 min abgetötet werden können. Bei extrem hitzebeständigen Sporen und Prionen (Erreger des „Rinderwahns“ BSE) der höheren Resistenzstufe sind 134 °C notwendig, was selbst robust verkapselte Pilzsporen nicht überstehen, ganz zu schweigen von weniger widerstandsfähigen Bakterien, Viren oder Mycoplasmen. Als Faustregel gilt: Je höher die Temperatur, desto kürzer die Zeit.

Mikroorganismen vermehren sich nicht nur exponentiell, auch das Absterben folgt einem exponentiellen Modus. Eine hohe Keimbelastung erfordert deshalb eine längere Sterilisationszeit. Um die Keimzahl bereits vor dem Autoklavieren zu vermindern, empfiehlt sich die chemische Desinfektion der kontaminierten Gegenstände, z. B. durch Behandlung mit 70%igem Alkohol.

Für die Trocknung des Autoklavierguts wird entweder die Restwärme des Autoklaven genutzt oder die Gegenstände werden in einen Trockenschrank gestellt. (Vor allem bei Pipettenspitzen, Pasteurpipetten und anderen kleinvolumigen Hohlräumen ist eine hundertprozentige Trocknung nur im Heißluftsterilisator möglich.) Die Drehverschlüsse von Glasflaschen werden nach der Trocknung wieder fest zugeschraubt und im geschlossenen Glasschrank aufbewahrt. Da die Keimfreiheit jedoch nicht unbegrenzt vorhält, sollten wir jahrelang gelagertes Material, vor allem wenn es nur in Stanniolfolie verpackt ist, vor Gebrauch erneut sterilisieren.

Autoklaven sind wegen der hohen Temperaturen und Drücke, die während des Betriebs in ihrem Innern herrschen, keine harmlosen Geräte. Vor allem ältere Exemplare sollten regelmäßig gewartet und nur von erfahrenem Personal bedient werden. Moderne Autoklaven sind vollautomatische Geräte, die das Sterilisationsprogramm selbsttätig überwachen und über folgende Sicherheitseinrichtungen verfügen:

Aufwändigere Modelle sind mikroprozessorgesteuert und dokumentieren Druck und Temperatur während des gesamten Sterilisierungsvorgangs. Das Autoklaviergut kann zuvor mit einem Streifen selbstklebendem Autoklavierband markiert werden. Durch die Erhitzung nehmen die hellen Streifen eine braune Färbung an. Auf einen Blick lassen sich später im Glasschrank sterilisierte Utensilien von nichtsterilen unterscheiden; die Gefahr einer versehentlichen Verwechslung ist geringer.

Wer im eigenen Labor autoklavieren möchte, hat die Wahl zwischen großen Schrankautoklaven und kleinen Tischgeräten. Wenn wir uns einen Autoklaven in das Labor stellen wollen, müssen wir zunächst prüfen lassen, ob das Abluftsystem (sofern vorhanden) die Dampfmengen, die der Autoklav freisetzt, verkraftet. Kann die Dampfmenge nicht komplett abgeführt werden, kondensiert sie in der Abluftanlage und richtet dort Korrosionsschäden an. Viele Autoklaven werden deshalb optional mit einer Abgaskondensation angeboten. In Labors ohne Abluftanlage sollten – wenn überhaupt – ohnehin nur Dampfsterilisatoren mit dieser wichtigen Zusatzeinrichtung betrieben werden. Ob ein Autoklav mit horizontaler oder vertikaler Beladung bevorzugt wird, hängt von den im Labor vorherrschenden Platzverhältnissen ab. „Toplader“ sind im Allgemeinen bequemer zu be- und entladen. Da die Abkühlzeit eines Autoklaven einige Zeit in Anspruch nehmen kann, ist vor allem bei mehrmaligem Betrieb pro Tag ein Autoklav mit Kühlvorrichtung praktischer.

Obgleich noch kaum in den Labors vertreten, soll kurz auf den Ultraschall-Autoklaven hingewiesen werden. Bei dieser Neuentwicklung verdichten und entspannen Ultraschallwellen mit Frequenzen über 18.000 Hz periodisch die Waschflüssigkeit, wobei sich Millionen kleinster Vakuumbläschen von bis zu 100 μm Durchmesser bilden. In weniger als einer Mikrosekunde implodieren diese Blasen und erzeugen dabei hochwirksame Druckstöße (Kavitation) und Temperaturen von fast 6000 °C. Diese kurzfristig auftretenden Spitzentemperaturen erlauben laut Hersteller eine drastisch reduzierte Autoklavierzeit (90 s) und somit eine Energieeinsparung von bis zu 80%. Die Kavitation bewirkt, dass Schmutzreste und Infektionserreger von den in der Flüssigkeit befindlichen Gegenständen abgesprengt werden. Dieses „elektronische Bürsten“ säubert auch mechanisch unzugängliche Vertiefungen und Bohrungen (Angaben von Integra und Bandelin).

Sterilisation durch trockene Hitze

Heißluftsterilisatoren sind vergleichsweise einfach konstruierte Geräte, in welchen die Luft bis auf 180 °C aufgeheizt wird. Man vergewissere sich deshalb, ob die zu sterilisierenden Gegenstände die gewählte Temperatur ohne Verformung oder Verkohlung aushalten.

Aus physikalischen Gründen ist die trockene Hitze in Heißluftsterilisatoren gegenüber vielen Keimen weniger wirksam als die Anwendung luftfreien, gesättigten und gespannten Wasserdampfs im Autoklaven. Um den gleichen Effekt wie bei der Dampfsterilisierung zu erzielen, müssen wir entweder die Temperatur oder die Inkubationszeit z. T. beträchtlich erhöhen. Wobei es weniger die vegetativen Bakterien- oder Pilzzellen als vielmehr deren Sporen sind, die sich durch Einkapselung in mehrere Hüllen reaktionsträger Substanzen nahezu unangreifbar machen. Das Beispiel des Milzbranderregers Bacillus anthracis demonstriert mit krassen Gegensätzen die Unterschiede der beiden Sterilisationstechniken:

Um die Sporen zuverlässig abzutöten, benötigen wir bei einer Temperatur von 120 °C im Heißluftsterilisator eine 24-mal längere Inkubationszeit als im Autoklaven! Eindrucksvoller lässt sich der unbedingte Überlebenswillen mancher Mikroorganismen kaum darstellen.

Tab. 1 Vernichtung von Sporen des Bacillus anthracis.

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Um den Sterilisierungsvorgang zu kontrollieren und Verwechslungen mit nicht sterilisiertem Material zu vermeiden empfiehlt es sich, analog zum Autoklavierband ein spezielles Sterilisierband für Heißluftsterilisatoren zu verwenden. Autoklavierband neigt bei der Hitzesterilisation zum Verkohlen und hinterlässt auf dem Sterilisiergut hässliche Rückstände. Alternativ können auch spezielle Tabletten für die Hitzesterilisation als Indikatoren benutzt werden.

Für den Fall, dass weder eine Spülküche noch ein separater Raum für die Reinigung und Sterilisierung zur Verfügung steht, können die nötigen Apparate im Labor selbst untergebracht werden. So wie für Single-Haushalte extra schmale Waschmaschinen, Trockner und Elektroherde angeboten werden, halten die Hersteller von Laborgeräten auch Platz sparende Spülmaschinen, Autoklaven und Sterilisatoren in den unterschiedlichsten Ausführungen bereit: Tisch- oder Untertischgeräte, Stand- oder Einbaugeräte, Front- oder Toplader. Wegen der zu erwartenden Wärme- und Feuchtigkeitsemissionen sollte jedoch das Raumvolumen des Labors nicht zu klein bemessen und gut belüftet sein. Andernfalls würde sich der gewonnene Vorteil durch vermehrtes Wachstum von Pilzen und Bakterien rasch in einen handfesten Nachteil umkehren.

Heißluftsterilisatoren lassen sich selbstverständlich auch als Trockner einsetzen.

Unter thermischer Trocknung verstehen wir das Entfernen einer Flüssigkeit von einem Feststoff durch Verdunstung oder Verdampfung.

Der Trocknungsvorgang ist umso schneller abgeschlossen, je höher die Temperatur und je trockener die Luft im Trockner ist. Da sich durch Verdunsten und Verdampfen des Wassers im Innenraum des Trockners bald eine gesättigte Wasserdampfatmosphäre bilden würde, muss durch Zuluftstutzen eine ständige Frischluftzuführung erfolgen und der Dampf muss von den zu trocknenden Gegenständen abgeleitet werden. In den einfachsten Trocknern kommt uns die natürliche Konvektion (d. h. die vorwiegend auf- oder abwärts gerichtete Luftströmung) zu Hilfe. In aufwändigeren Modellen sorgt entweder ein Ventilator für eine erzwungene Konvektion oder der Dampf wird aus dem Innenraum abgesaugt. Im Gegensatz zum Autoklaven ist das Innere des Trockners bzw. Heißluftsterilisators kein hermetisch abgeschlossener Raum. Ohne spezielle Schutzvorkehrungen dürfen deshalb keine Substanzen wärmebehandelt werden, die giftige, brennbare oder explosionsfähige Gase erzeugen. Wer seinem Heißluftsterilisator nicht die nötige Zeit zum Abkühlen lassen kann, sollte beim Herausnehmen der sterilisierten Gegenstände wegen der z. T. recht hohen Arbeitstemperaturen stets hitzebeständige Handschuhe und eine Schutzbrille tragen.

2.3.3 Der Präparationsbereich

Das Arbeiten im Sterillabor erfordert nicht selten mehr oder weniger umfangreiche Vorarbeiten. Diese können u. a. darin bestehen, dass Lösungen filtriert, Nährmedien angesetzt, Messungen durchgeführt oder Substanzen eingefroren bzw. aufgetaut werden müssen. Da für derartige Tätigkeiten oftmals keine absolut sterilen Arturlabor vorgeschalteten, Raum durchgeführt werden. Dieser sollte nach Möglichkeit als vollständiges Labor ausgestattet sein, um unnötiges Wechseln zwischen Vorraum und Sterilbereich zu vermeiden. In einem idealen Vorraum finden wir also genügend Arbeitsfläche mit der dazugehörigen Bewegungs- und Bedienfläche, eine komplette Medienversorgung (Wasser, Strom und Gas), ein Wasch- oder Spülbecken, ausreichend Lagerkapazität für Verbrauchsmaterial, Kühl- und Tiefkühlgeräte sowie alle für die hier zu erledigenden Aufgaben erforderlichen Geräte.

Erlaubt der Vorraum einen direkten Zugang zum Sterilbereich, können wir hier eine kleine „Garderobe“ einrichten, wo die zum Betreten des eigentlichen Zellkulturlabors vorgesehene Schutzkleidung nebst Schuhen bereit liegen. Unterliegt das Labor einer höheren Sicherheitseinstufung, ist der Zugang nur über einen separaten Schleusenraum möglich (s. Abschnitt 3.1.4).

2.3.4 Der sterile Arbeitsbereich

Mit dem sterilen Arbeitsbereich, der auch als Sterilbereich bezeichnet wird, betreten wir das eigentliche Zellkulturlabor. Da es hier auf eine äußerst saubere Arbeitsweise ankommt, muss dieser Raum besonders zweckmäßig eingerichtet sein. Das Herumliegen nicht benötigter Gegenstände und eine allzu große Lässigkeit führen schnell zu für die Zellkulturen abträglichen Zuständen mit den entsprechenden negativen Folgen.

Über die Grundanforderungen eines Labor haben wir bereits zu Beginn des Kapitels berichtet. Zu ergänzen ist hier lediglich, dass ein Handwaschbecken für die persönliche Hygiene zur Verfügung stehen sollte – in Labors höherer Sicherheitsstufen sind sogar Doppelspülen vorgeschrieben. Fußboden, Labormöbel und Arbeitsflächen müssen leicht zu reinigen sowie dicht und beständig gegen die verwendeten Reinigungsmittel sein (s. Kapitel 3).

2.4 Die technische Ausstattung im Zellkulturlabor

Bei der Ausstattung des Sterilbereichs mit Geräten und Apparaten sollten wir nach dem Grundsatz „so viel wie unbedingt nötig und so wenig wie irgend möglich“ verfahren. Dennoch gibt es eine ganze Reihe von technischen Einrichtungen, die für eine erfolgreiche Zellzüchtung unverzichtbar sind. Da wir bei der Neuanschaffung dieser Geräte aus einer unübersehbaren Modellvielfalt das für unsere Zwecke geeignetste auswählen müssen, soll im Folgenden auf die wichtigsten Auswahlkriterien aus der Sicht des Nutzers eingegangen werden.

Eine kleine Gerätekunde

Ein durchschnittliches Zellkulturlabor ist mit folgenden Geräten (mit dem nötigen Zubehör) schon nahezu komplett ausgestattet:

Falls ein separater Vorbereitungsraum bzw. eine Spülküche nicht zur Verfügung stehen, müssen wir die Liste um weitere Geräte ergänzen:

Prinzipiell könnte diese Auflistung verlängert werden. Für den Einsteiger mag es zunächst genügen, die Grundausstattung kennen zu lernen.

2.4.1 Der sterile Arbeitsplatz

Einen nicht unbeträchtlichen Teil der Arbeitszeit im Zellkulturlabor verbringt der Zellzüchter an einem sterilen Arbeitsplatz. Er ist aus zwei Gründen zwingend erforderlich:

1. Die Zellkulturen müssen während der Bearbeitung in einer keimfreien Umgebung vor Kontaminationen aller Art bewahrt werden (Produktschutz).
2. Von potenziell oder tatsächlich gefährlichem Zellmaterial darf keine Infektionsgefahr für den Menschen oder die Umwelt ausgehen (Personen- und Umgebungsschutz).