Besonderer Dank gilt Monica O’Rourke und Kelli Dunlap für ihre dringend benötigte Last-Minute-Hilfe beim Korrekturlesen dieses Buches; meinem passionierten Leser Tod Clark für seine ehrliche Meinung; Larry Roberts von Bloodletting Books dafür, dass er der Erste war, der meinen ersten Roman veröffentlichte, und Brian Cartwright für seine wundervolle Arbeit an der limitierten Auflage. Danke auch Brian Keene, Maurice Broaddus, meiner Frau Christie und meinem Sohn Sultan für ihre beständige Unterstützung und Ermutigung. Oh, und ein besonderes Dankeschön an Jack Staynes für seine fanatische Begeisterung. Hier ist ’n bisschen Futter für dich.
Nach dem Abwasch waren sie nach oben gegangen. Heute hatte sich Sarah um das Abendessen gekümmert und Joshs Leibgericht zubereitet: ein riesiges, saftiges Porterhouse-Steak mit frisch gemahlenem Pfeffer und einer Kruste aus Blauschimmelkäse. Es war ihre Art der Entschuldigung, weil sie sich vorher wie ein Arschloch verhalten hatte.
Sarah saß auf der Bettkante und blätterte in einem Buch. Ihre Nachttischlampe brannte und der Fernseher lief. Josh lag mit einem Kissen über dem Kopf neben ihr und versuchte, das Licht und den Lärm auszublenden.
»Geh doch bitte endlich schlafen!«, murmelte er. »Bist du immer noch aufgekratzt wegen deinem Traum?«
»Nein. Ja. Ich weiß nicht. Ich komme einfach nicht runter.«
Conan O’Brien machte sich über das Publikum lustig, weil es nicht über seine Witze lachte. Das war eine seltsame Art von Comedy, mit der Sarah nicht viel anfangen konnte. Sie schaltete um auf Spike TV und verfolgte eine Wiederholung der Ultimate Fighting Championship. Matt Hughes wurde von einem wenig überzeugenden B. J. Penn vorgeführt. Eigentlich mochte Sarah diese Art von Kampfsport, aber heute war sie dafür nicht in der Stimmung. Sie zappte zu Comedy Central und lehnte sich auf dem Bett zurück, während die bunten South-Park-Figuren über den Bildschirm hüpften.
Sie schlug ihre derzeitige Lektüre auf, einen Roman über Zombies auf einem alten Schlachtschiff von einem relativ neuen Autor namens Brian Keene. Normalerweise liebte Sarah gute Horrorromane, und Brian Keene war einer ihrer Lieblingsautoren, aber heute Abend empfand sie die Story als zu blutig. Ihr Blick fiel auf ein Edward-Lee-Paperback auf dem Nachttisch, dessen Cover ein geflügelter Teufel zierte. Vergiss es, dachte sie. Stattdessen nahm sie sich ein Buch vor, in dem es um Menschen ging, die man nach dem Tod im Himmel trifft. Nach wenigen Seiten schlief sie vor laufendem Fernseher ein, im Hintergrund sangen Cartman und Stan ein Lied über Weihnachtskacke.
Sarah schlief furchtbar. Entsetzliche Bilder von Messern und Blut rasten durch ihren Geist, von Josh, der vor Schmerzen schrie, von ihr selbst, die vergewaltigt, verstümmelt und massakriert wurde. Zweimal schreckte sie auf, erschöpft und schweißgebadet. Als sie am Morgen erwachte, war sie überzeugt, dass mehr hinter diesen Träumen steckte als eine unbewusste Überreaktion auf einen unheimlichen Nachbarn.
»Josh? Wach auf, Josh.«
»Muss ich zur Arbeit?«
»Nein. Ich muss mit dir reden ... über diese Träume, die mich ständig verfolgen. So langsam machen sie mir ernsthaft Angst.«
»Hattest du wieder einen? So wie in der Nacht davor?«
»Ich glaube, ja. Ich kann mich nicht genau erinnern. Aber irgendwie übel. Richtig übel.«
»Willst du zu einem Psychologen gehen oder so was?«
»Nein, Josh. Ich glaube, dass da tatsächlich etwas nicht stimmt. Ich möchte damit zur Polizei.«
»Du kannst die Bullen nicht wegen eines Traums anrufen.«
Sarah hatte Tränen in den Augen, als sie Josh ansah.
»Aber was, wenn es kein Traum ist? Wenn er wirklich in meinem Schlaf solche Sachen mit mir anstellt?«
Josh drehte sich um und schaute Sarah an. Er rieb sich den Schlaf aus den Augen und wandte ihr seine volle Aufmerksamkeit zu. Er sah ihr für einen langen Moment in die Augen, bevor er sprach, und versuchte, ihren Gesichtsausdruck zu deuten, als hätte er eine komplizierte Gleichung vor sich.
»Dann brauchst du nicht die Bullen zu alarmieren, weil ich den Kerl eigenhändig umbringen werde.«
Sarah lächelte halbherzig und nahm ihren Mann in den Arm.
»Wann musst du zur Arbeit?«
»Ich hab Spätschicht. Von vier bis Mitternacht.«
»Ich möchte heute Nacht nicht allein bleiben.«
»Ich hab gestern ein paar fette Trinkgelder bekommen. So ein Dotcom-Neureicher, der jünger war als mein kleiner Bruder, hat mir 300 Dollar in die Hand gedrückt, bevor seine Pechsträhne anfing. Lass uns losfahren und eine Waffe für dich kaufen. Die Gegend hier kommt immer mehr vor die Hunde, da ist das so oder so keine schlechte Idee.«
»Im Ernst?« Sarahs Miene erhellte sich bei dem Gedanken. »Was für eine?«
Sie wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen und setzte sich im Bett auf.
Josh blickte sie verträumt an. Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht.
»Du bist wirklich nicht wie andere Frauen, weißt du das?«
»Warum sagst du das?«
»Die meisten Frauen würde der Gedanke an eine Waffe im Haus beunruhigen, aber du bist ganz heiß drauf, eine zu bekommen. Vielleicht ein bisschen zu begeistert. Muss ich mir Sorgen machen? Du wirst sie doch nicht auf mich richten, oder?«
»Nicht, solange du mit mir vögelst, wann immer ich es von dir verlange.«
Sie küsste ihn auf die Lippen, dann ließ sie ihre Hände über seine Schultern und Arme wandern. Sein Bizeps war hart und muskulös, trotz der Fettschicht, die seit ihrem Umzug nach Las Vegas dazugekommen war. Er hatte weniger Zeit zum Trainieren und verbrachte zu viel Zeit an den Buffets. Sie fuhr mit der Hand über seinen Bauch, der in den letzten Jahren ein bisschen größer geworden war. Er schwabbelte leicht, als sie ihn streichelte. Sarahs Hand glitt wieder hinauf zu seinem Oberkörper. Die Brustmuskeln waren ausgeprägt und fest wie bei einem Bodybuilder, sogar noch größer als damals auf dem College. Josh hatte auf Gewichtheben umgesattelt, weil es schnellere Erfolge brachte. Er packte so viele Scheiben wie möglich auf die Stange und machte zwei oder drei Übungen, das Ganze über drei oder vier Durchgänge … fertig. Sein gesamtes Trainingsprogramm dauerte weniger als 20 Minuten am Tag, für mehr fand er keine Zeit.
Er besaß zwar keinen dieser durchgestylten Bodybuilderkörper mit deutlich hervortretenden Muskeln und klar abgezeichneten Adern wie Arnold Schwarzenegger, aber heutzutage sah selbst Arnie nicht mehr so aus. Und doch war Josh trotz seines wachsenden Bäuchleins ein großer, starker Mann. Sarah umkreiste seinen Nabel, glitt mit der Hand hinunter zwischen seine Beine, wo sein erigierter Penis sie bereits erwartete. Josh bot auch hier keinen Durchschnitt. Sie gab es ungern zu, aber die Größe seines Schwanzes war einer der ersten Gründe gewesen, weswegen sie sich in ihn verliebt hatte. Sie wusste, dass Frauen nicht so stark auf körperliche Attribute fixiert sein sollten, vor allem nicht darauf, was bei einem Kerl in der Hose steckte. Im Vordergrund stand, dass man sie gut behandelte und für sie sorgte – aber auch in dieser Hinsicht enttäuschte Josh nicht. Er war geduldig, hilfsbereit und aufmerksam, behandelte Sarah wie eine Königin. Dass er die Bestückung eines Pornostars mitbrachte, empfand sie als netten Bonus.
»Mmmmm. Ist der für mich?«
Sarah kroch unter die Decke und ließ ihre Zunge um seinen Penis kreisen. Sie leckte den Schaft und schnalzte mit der Zunge gegen die Eichel. Er wand sich und stöhnte. Immer weiter reizte sie ihn, bis er es nicht länger aushielt, ihren Kopf packte und den Schwanz tief in ihren Hals stieß. Sie liebte es, wenn er das tat. Im Grunde war Josh ein rücksichtsvoller Liebhaber, zärtlich und liebevoll. Er zog es vor, sanfte Liebe zu machen, selbst wenn sie eher in der Stimmung für einen guten, harten Fick war. Aber sie besaß ihre Methoden, die Bestie in ihm zu wecken.
Josh fickte aggressiv ihren Rachen, hielt aber mehrfach inne, um sich zu erkundigen, ob alles okay war und er seinen Schwanz nicht zu tief in sie hineingerammt hatte. Sarah versuchte, es zu ignorieren. Manchmal war er so lieb, dass es die Stimmung killte. Josh mochte gewaltig bestückt sein, aber seit ihrer Teenagerzeit hatte sie kein Mann mehr zum Würgen gebracht. Es war ein offenes Geheimnis, dass sie bei ihrem Kennenlernen längst keine Jungfrau mehr gewesen war, aber gelegentlich behandelte Josh sie wie ein rohes Ei. Meistens fand sie das ganz süß, aber im Moment nervte es nur. Sie packte seine Pobacken und drückte seinen Schwanz ganz tief in ihren Rachen, vorbei an den Mandeln; dann schob sie ihm einen Finger in den After, um die Prostata zu massieren.
Sarah hörte ihn keuchen und spürte, wie sein Körper sich anspannte. In diesem Moment war sie die mächtigste Frau der Welt. Sie besaß absolute Kontrolle. Er war vollkommen hilflos. Ein teuflischer Teil von ihr hätte ihn am liebsten ein wenig gebissen, nur um ihm zu zeigen, wie hilflos er war, aber Josh war nicht die Art Mann, die man an so etwas erinnern musste. Er gehörte eher zu der Sorte, die Frauen vor dieser Art Typen beschützte. Also beschränkte sie sich darauf, ihre Zunge um seinen Schaft wirbeln zu lassen, während er in ihrem Rachen steckte. Damals in der High School hatte sie zusammen mit ihren Freundinnen Fellatio an Karotten und Bananen geübt, bis sie schließlich eine ganze Banane ohne Probleme verschlucken konnte. In einem Buch über Sexstellungen, das ihre Freundin Ellie vom Nachttisch ihrer Mutter stibitzt hatte, stand, dass man von Frauen Übung erwartete. Dieses Wissen machte sich jetzt bezahlt.
»Oh mein Gott!«, rief Josh, drückte die Knie durch und begann zu zittern.
Er fickte ihren Hals noch härter und wilder. Sein ganzer Körper bebte, und er ejakulierte heftig in ihren Rachen. Er kam noch immer, als sie ihre Zunge an seine Eichel zurückgleiten ließ.
Josh spritzte auch ab wie ein Pornostar. Er hätte eine Fliege an der gegenüberliegenden Wand treffen können. Als Sarah unter der Decke hervorkroch, war ihr Mund komplett mit seinem warmen Samen gefüllt. Sie gurgelte damit, machte Bläschen und ließ etwas davon aus den Mundwinkeln tropfen. Dann schluckte sie das Sperma herunter, leckte sich die Lippen und wischte die Reste, die ihr aufs Kinn getropft waren, auf und leckte sie sich von den Fingern. Sie lächelte, als sie sah, wie Josh die Kinnlade herunterfiel. Sie wusste seit Langem, dass man eine Ehe am besten auf Trab hielt, wenn man immer mal wieder mit etwas Neuem aufwartete. Internetpornos lieferten großartige Inspirationen für Überraschungen im Schlafzimmer. Und Sarah hatte viel Zeit, um neue Tricks zu lernen.
»Das war unglaublich! W-Wo hast du das her?« Josh atmete schwer und wurde immer wieder von kleinen Zuckungen durchgeschüttelt.
»Jetzt bin ich dran.«
Sie kroch an Joshs Körper hinauf und hockte sich rittlings über sein Gesicht. Sofort machte er sich an die Arbeit. Er bearbeitete ihre angeschwollene Klitoris und stieß seine Zunge tief in sie hinein, dann wandte er sich ihrem Anus zu und bedachte ihre rosenfarbige Afterknospe mit der gleichen Aufmerksamkeit. Gleichmäßig wechselte er zwischen Anus und Klitoris, während Sarah am Kopfbrett des Bettes kratzte und ekstatische Schreie ausstieß.
»Oh Gott! Oh Gott! Oh Gottohgottohgott! Ja! Ja! Oh Gott, JAAAA!«
Als sie kam, schien die Welt zu enden. Ihr Körper verkrampfte sich und zuckte, und der Orgasmus durchfuhr sie bis ins Mark.
Plötzlich blitzten Bilder des neuen Nachbarn in ihrem Kopf auf. Bilder, wie er sie von hinten fickte, wie er sie zwang, ihn im Spiegel über dem Frisiertisch anzusehen, über Joshs leblosen Körper gebeugt, als er ihren Arsch vergewaltigte und ihr dann die Kehle von einem Ohr bis zum anderen durchschnitt. Ein weiterer Orgasmus schüttelte sie, und sie schrie auf. Sie kletterte von Josh herunter und lehnte sich gegen das Kopfende des Betts, immer noch die Vergewaltigungsszene vor Augen.
Josh lächelte nichts Böses ahnend.
»Wow. Ich weiß gar nicht, wann du das letzte Mal so gekommen bist. Du hast definitiv nicht deine Tage.«
Sarah begann zu weinen.
»Was ist? Hab ich was falsch gemacht?«
»Ich bin vergewaltigt worden. Ich bin vergewaltigt worden, Josh! Der Nachbar, Dale, er hat mich vergewaltigt!«
»Bist du sicher? Bist du sicher, dass es kein Traum war?«
»Er hat mich vergewaltigt!«
Josh sprang aus dem Bett. Er raffte seine Kleider zusammen, eilte zum Wandschrank und holte eine halbautomatische Pistole heraus. Sarah hatte gar nicht gewusst, dass er sie besaß. Er zog seine Jeans so hastig an, dass Sarah schon befürchtete, er würde sich den Penis im Reißverschluss einklemmen. Noch nie hatte sie ihn so wütend erlebt.
»Wo hast du die her? Was hast du vor?«
»Spielt keine Rolle. Ich werde Dale ein paar Hohlspitzgeschosse in die Rübe jagen. Du bleibst hier. Ruf die Bullen an und erzähl ihnen, was passiert ist.«
Josh hastete aus dem Zimmer und rannte die Treppe hinunter. Sarah war unglaublich verwirrt. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, was real war und was sich lediglich in ihrem Kopf abspielte. Hilflos sah sie sich im Schlafzimmer um, als glaubte sie dort etwas zu finden, was dem Ganzen einen tieferen Sinn gab. Ihr Blick fiel aus dem Fenster auf die andere Straßenseite. Dale bearbeitete mit einem dieser alten mechanischen Rasenmäher das zwei mal drei Meter große Rasenstück vor seinem Haus. Er schwitzte stark, und die Muskeln an seinen dürren kleinen Armen zitterten, als er mühsam das Gerät vor sich her schob. Er wirkte so schwach und hilflos. Die ganze Angelegenheit war absolut lächerlich. Ausgeschlossen, dass es sich bei ihm um einen Vergewaltiger und Mörder handelte. Sie bildete sich das alles nur ein.
»Josh, nein! Warte!«
Sarah rannte aus dem Zimmer und stürmte die Treppe hinunter, um ihn aufzuhalten.
»Warte, Josh! Es war ein Traum. Es war nur ein Traum!«
Josh hielt auf die Haustür zu. Er entsicherte die Pistole und ließ eine Patrone in die Kammer gleiten.
»Josh, nein!«
Sarah rannte an ihm vorbei, um ihm den Weg zu blockieren.
»Es war nur ein Traum! Bring ihn nicht um. Ich hab nur geträumt. Ich weiß nicht, was mit mir los ist!«
»Bist du sicher?«
»Ganz sicher. Ich weiß nicht, warum ich solche Träume habe. Ich weiß nicht, warum dieser Typ mir so eine Angst einjagt, aber es war nur ein Traum. Ich verspreche dir, dass ich mir Hilfe suchen werde. Ich gehe zum Arzt.«
Josh entspannte sich und nahm Sarah in den Arm.
»Okay, Baby. Ich kümmere mich darum, dass du Hilfe bekommst. Aber jetzt zieh dich an. Wir werden eine Waffe für dich besorgen.«
Auf dem Weg zum Waffengeschäft fuhren sie am Hotel vorbei, um Joshs Gehaltsscheck abzuholen. Als sie die Auffahrt zum Parkdeck hinauffuhren, schnitt ihnen ein weißer Ford Pick-up den Weg ab. Josh musste voll in die Eisen gehen, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Er lehnte sich auf die Hupe. Die drei Idioten im Truck glotzten ihn an, und der Fahrer zeigte ihm den Mittelfinger. Sarah zuckte zusammen. Das durfte man mit Josh nicht machen. Er war ohnehin nicht gerade der Besonnenste, und wenn man ihm zu Unrecht dumm kam, machte ihn das fuchsteufelswild. Josh war ausgestiegen, bevor Sarah ihn aufhalten konnte.
»Hey, Sie hätten uns fast umgebracht, verdammt!«
»Leck mich! Pass doch auf, wo du hinfährst.«
Josh ging auf den Pick-up zu und trat mit voller Wucht eine Beule in die Fahrertür. Sofort sprangen die drei Insassen heraus. Josh setzte den Fahrer mit einem Faustschlag an die Schläfe außer Gefecht, sobald dieser den Wagen verlassen hatte. Der große schmächtige Mann auf dem Rücksitz kam nicht schnell genug heraus, und so erhielt er eine Galgenfrist von 30 Sekunden, bevor Josh ihm die Nase einschlug und das explosionsartig herausschießende Blut sein weißes T-Shirt dunkelrot färbte. Die Beifahrertür war ebenfalls aufgesprungen, aber der übergewichtige Kerl mit der NASCAR-Mütze und dem knallbunten Hawaiihemd, auf dem halb nackte Hula-Tänzerinnen prangten, hatte es nicht so eilig, sich zu seinen Freunden zu gesellen. Mit erhobenen Händen ging er um den Pick-up herum, als hielte Josh eine Waffe auf ihn gerichtet.
»Kein Problem, Mann. Kein Problem.«
Sarah wusste, dass Josh sich stark beherrschen musste, um ihn nicht trotzdem zu verprügeln. Widerwillig drehte er sich um und kam zum Wagen zurück. Wegen dieser gewalttätigen Seite von Josh drängte sich bei vielen Leuten der Verdacht auf, dass er Sarah misshandelte. Das änderte sich, sobald man sie zusammen erlebte. So stark und brutal ihr Mann auch sein mochte, in ihrer Gegenwart wurde er zum Teddybären.
Sie bremsten vor dem Durchgang zum Hotel. Josh versicherte einem der Parkgehilfen, dass er nur ein paar Minuten halten würde, um sein Geld abzuholen, dann joggte er ins Casino, während Sarah im Wagen wartete. Sie dachte daran, wie er die beiden Kerle verprügelt hatte, und musste lachen. Es war nicht das erste Mal, dass sie dabei zusah, wie er jemandem eine kräftige Abreibung verpasste. Damals auf dem College hatte das zu einem normalen Samstagabend dazugehört. Wenn er nicht bei einem Eishockeymatch in eine Schlägerei verwickelt wurde, dann irgendwo in einer Bar oder im Kino oder sogar mitten auf der Straße.
Das Komische war, dass nie er es war, der die Schlägerei anzettelte. Andere Männer legten sich gern mit ihm an; sie waren wohl der Meinung, sie müssten ihre Männlichkeit beweisen, indem sie den kräftigsten Kerl unter den Anwesenden herausforderten, und das war meistens Josh. Offenbar fühlten sich andere Männer durch Sarahs Ehemann provoziert. Noch schlimmer war es, wenn sie betrunken waren und sich drei Meter groß und unbesiegbar fühlten. Josh ließ sich nie lange bitten, bis er einem dieser Übermütigen das Superman-S von der Brust riss und ihn an seine Verwundbarkeit erinnerte. Sarah hatte den Verdacht, dass es ihm insgeheim Spaß machte. Aber immer wieder versuchten andere, ihn auf die Probe zu stellen, und das machte ihn wahnsinnig.
Es fiel Sarah jedes Mal schwer, den sanftmütigen Kavalier, den sie kannte, mit dem Burschen in Einklang zu bringen, der erst vor wenigen Minuten zwei Männer im Parkhaus vermöbelt hatte. Aber sie war froh, dass so etwas in ihm steckte. Dadurch fühlte sie sich sicherer, und um ehrlich zu sein: Es törnte sie an.
Josh kehrte zum Wagen zurück, und nachdem er dem Einparker für seine Geduld ein Trinkgeld gegeben hatte, fuhr er zurück auf den Las Vegas Boulevard. Der Expressway 215 war nur wenige Blocks entfernt, und schon bald rollten sie mit 70 Meilen pro Stunde nach Südwesten. Sie brauchten keine 20 Minuten, um einmal quer durch die Stadt zu fahren, dann bogen sie von der Schnellstraße auf die Eastern Avenue ab.
American Marksman war ein riesiger Waffenladen, der von außen an einen Supermarkt erinnerte. Die Filiale befand sich in einem Einkaufszentrum und war mit Abstand das größte Geschäft. Sarah wunderte sich, wie viele Leute mit der ganzen Familie dort einkaufen gingen. Offenbar waren es nicht nur die Leute in den Kleinstädten, die sich an Pistolen klammerten, sobald die Wirtschaftslage schlecht war.
Einige hatten Buggys mit Kleinkindern dabei, als gingen sie bei Walmart auf Schnäppchenjagd. Noch überraschter war Sarah von den vielen einzelnen Frauen, jungen wie alten, die Handfeuerwaffen, Gewehre und Schrotflinten kauften. Natürlich gab es auch die typischen Hinterwäldler, Cops und Möchtegern-Ganoven. Sie fragte sich, wie viele Kriminelle sich hier wohl Seite an Seite mit den Cops, die sie später verhaften würden, ihre Waffen besorgten.
Josh und Sarah schlenderten zu einem der vielen Schaukästen. Ein Verkäufer trat zu ihnen.
»’n Morgen. Kann ich wat für Se tun?«
»Ich suche eine Schusswaffe für meine Frau.«
»Wat Kleines?«
»Nein. Was Großes«, erwiderte Sarah.
Josh und der Verkäufer schauten sie überrascht an.
»Also gut, junge Frau. Ham Se schon mal ’ne Waffe in der Hand gehabt?«
»Mein Vater war zeit seines Lebens Mitglied der NRA. Er hat uns Kindern das Schießen beigebracht. Allerdings ist das gut 15 oder 20 Jahre her, also dürfte ich ein bisschen eingerostet sein.«
»Soll’s wat für zu Hause sein oder zum Mitnehmen?«
Sarah sah Josh an, der nur die Achseln zuckte.
»Für zu Hause, denke ich.«
»Wie wär’s mit ’nem .38 Special? Von Smith and Wesson gibt’s da ’nen guten, der is relativ preiswert.«
»Ich will keinen Revolver.«
»Okay. Der Kunde is immer im Recht.« Er langte unter den Tresen und holte eine kleine Halbautomatikpistole hervor. »Wie wär’s dann mit ’ner 380er? Hat ungefähr die gleiche Stoppwirkung wie ’n 38er.«
»Zu klein. Ich will ein richtig fettes Loch in mein Ziel schießen.« Sarah lächelte nicht, als sie das sagte.
»Dann brauchen Se ’ne 40er. Die hat mehr Stoppwirkung als ’ne 9-Millimeter, aber nich den heftigen Rückstoß von ’ner 44er. Da gibt’s ganz nette von Glock oder Sig Sauer, aber die sin’ nich billig. Wir haben ’ne gebrauchte Sig im Angebot für 500 Dollar.«
»Das soll ein Angebot sein? Wie viel kostet die sonst?«
»900.«
»Wow. Dann ist es wohl ein Angebot.« Sie sah Josh an. »Können wir uns das leisten?«
»Die Hypothek ist abbezahlt, und wir haben keine Raten fürs Auto mehr. Wir werden den Gürtel ein bisschen enger schnallen müssen, aber ja, wir können’s uns leisten.«
»Dann will ich die.«
»Wie viel Munition brauchen Se?«, fragte der Verkäufer.
»Zwei oder drei Schachteln, damit ich ein bisschen üben kann.«
»Wie wär’s mit zwei Schachteln Übungsmunition und ’ner Schachtel Hohlspitzgeschosse für die gewünschte Stoppwirkung? Na, wie klingt das?«
»Das klingt gut.«
»Woll’n Se zuerst ausprobieren? Wir ham hinten ’nen Schießstand.«
»Klingt nach einer guten Idee«, nickte Josh. »Was meinst du?«
Sarah zuckte die Schultern.
»Dann versuchen wir’s doch mal.«
Der Verkäufer gab jedem von ihnen eine Plastikschutzbrille, Ohrenschützer und ein paar Zielscheiben aus Pappe mit schwarzem Punkt in der Mitte.
»Haben Sie keine von diesen Zielscheiben, die wie Menschen aussehen?«, erkundigte sich Sarah.
Der Verkäufer starrte sie mit hochgezogener Augenbraue an, dann warf er Josh einen Blick zu, als wollte er sagen: »Ich hoffe, du weißt, was du tust, Kumpel.«
Josh hob kapitulierend die Hände.
»Klar. Kosten zwei Dollar pro Stück.«
»Ich nehme fünf.«
Der Verkäufer schüttelte den Kopf und holte fünf Pappfiguren aus einem Schrank hinter dem Tresen. Auf ihnen waren Männer in Sturmhauben und mit Gewehren in den Händen abgebildet. Sie glichen den Ganoven, mit denen Batman in den Comics, die Sarah als Kind gelesen hatte, aufräumte, wenn er nicht gerade Superschurken jagte. Der Verkäufer gab Sarah die Zielscheiben, dann öffnete er eine Tür und führte sie und Josh nach hinten zum Schießstand.
»Bin übrigens Mike.«
Er streckte eine große, fleischige Pranke mit haarigen Knöcheln aus.
Josh schüttelte ihm die Hand. Sarah tat es ihm gleich.
»Josh und Sarah Lincoln.«
»Freut mich, euch kennenzulernen. Setzt euch bitte die Schutzbrillen und Ohrenschützer auf, bevor wir reingehn.«
Er bereitete sich vor und wartete, während Sarah und Josh ihre Ausrüstung anlegten.
Der Schießstand war voll mit Leuten, die Löcher in Pappziele schossen. Es gab Paare wie Josh und Sarah, Väter mit ihren Söhnen und einzelne Männer und Frauen. Der Lärm der Schüsse war ohrenbetäubend. Sie gingen zu einem freien Schießstand, und der Verkäufer legte zwei Schachteln Munition auf den Tisch und ließ das Magazin aus der Pistole herausschnappen. Dann legte er beides daneben.
»Dat Magazin wird so geladen.«
Der Verkäufer schüttete acht Patronen auf seine Hand und schob eine Patrone nach der anderen mit dem Daumen hinein. Dann holte er sie alle wieder heraus und drückte Sarah das Magazin in die Hand.
»Versuch ma.«
Sarah schob die Patronen mit dem Daumen ins Magazin, wie Mike es ihr vorgemacht hatte.
»Jetzt schiebste das Magazin so in die Waffe. Entsichern geht dann so. Siehst du den roten Punkt? Wenn der sichtbar ist, heißt das, die Waffe is entsichert. Wenn du den Schlitten so zurückziehst, rutscht ’ne Patrone in die Kammer. Jetzt kann’s losgehen. Ziel anvisieren, so. Tief Luft holen. Gut festhalten. Und den Abzug drücken.«
Sarah verballerte 100 Schuss. Als sie fertig war, fühlte sie sich wie ein gestandener Profi. Fast wünschte sie sich, dass heute Abend jemand uneingeladen in ihr Schlafzimmer spazierte. Sie hätte gern gesehen, was diese Hohlspitzgeschosse mit menschlichem Fleisch anstellten.
»Warum haben wir das vorher nie gemacht? Bringt Spaß! Wir sollten jedes Wochenende zum Schießen gehen«, strahlte Sarah.
»Das heißt also, dass wir diese Waffe kaufen?«
»Unbedingt!«
Sie gingen mit Mike zurück in den Laden.
»Hast du ’ne Waffenlizenz?«
»Ja. Ich besitze bereits eine Waffe.«
»Dann isses am einfachsten, die auch auf deinen Namen registrieren zu lassen. Sonst musst du zwei Wochen warten, während wir die nötigen Auskünfte über deine Frau einholen. Wenn die Waffe nur im Haus bleibt und sie se nich mit sich rumträgt, spielt’s keine Rolle, auf wessen Namen dat Ding registriert ist. Macht aber sicher Sinn, später noch ’ne Waffe auf ihren Namen eintragen zu lassen.«
Josh überreichte dem Verkäufer seine Waffenlizenz und den Führerschein. Sarah fühlte sich ungemein erleichtert; wenn jetzt etwas passierte, konnte sie sich wenigstens wehren. Der Verkäufer notierte sich die Daten und kopierte beide Dokumente. Dann gab er sie Josh zurück und nahm die Kreditkarte entgegen. Wenige Minuten später verließen Sarah und Josh den Laden mit ihrer Neuanschaffung.
»Wir müssen noch woandershin«, meinte Josh.
»Wohin?«
»Ich möchte noch etwas besorgen, worin du die Waffe verstecken und schnell rausholen kannst, wenn etwas passiert. Nur für alle Fälle.«
Sarah beugte sich zu ihm und küsste ihn.
»Danke, Josh. Ich weiß, du glaubst, dass ich meinen Verstand verliere, aber es ist großartig von dir, dass du das alles tust, damit ich mich sicherer fühle. Du hättest mich genauso gut in die Klapsmühle schleppen können, um meinen Kopf untersuchen zu lassen.«
»Keine Sorge, das mache ich auch noch.«
Sarah boxte ihm gegen den Arm, dann küsste sie ihn noch einmal.
Als sie vor dem Spy Shop hielten, starrte Sarah ihn verwundert an.
»Vertrau mir«, grinste er. »Der Laden ist cool. Du wirst ihn lieben.«
Josh strahlte wie ein kleiner Junge im Spielzeuggeschäft, und als er durch die Tür stürmte, vergaß er fast, sie für Sarah aufzuhalten. Er konnte sie gerade noch festhalten, bevor sie ihr ins Gesicht knallte.
»Tut mir leid, meine Schuld. Aber warte, bis du die Sachen siehst, die sie hier verkaufen!«
Sarah folgte ihm in den hinteren Bereich des Ladens, wo täuschend harmlos erscheinende Kleidung zum Verkauf angeboten wurde. Neugierig nahm sie zur Kenntnis, was für abgefahrene Gimmicks in diese Kleidungsstücke eingearbeitet waren. Sie fühlte sich wie James Bond bei der Vorbereitung auf eine Mission. Es gab Lederjacken mit eingebauten schusssicheren Westen und Holstern, Handtaschen mit leicht zugänglichen Extrafächern für Pistolen; es gab Küchenschürzen mit Waffentaschen, Negligés und Strumpfhalter mit eingebauten Holstern, eine gepanzerte Baseballkappe, Handschuhe mit integrierter Taserpistole und kugelsichere Kissenbezüge mit versteckten Pistolentaschen.
»Okay, der Laden ist wirklich cool.«
Sie kauften schließlich den kugelsicheren Kissenbezug mit dem verborgenen Waffentäschchen. Auf dem Weg zur Tür blieb Sarah vor der Überwachungselektronik stehen.
»Vielleicht sollten wir uns eine Alarmanlage anschaffen.«
»Ich weiß nicht, ob das Haus die nötige Verkabelung besitzt.«
»Ich glaub schon. Wir müssen nur eine Firma finden, die die Anlage aufbaut und überwacht.«
»Ich hör mich morgen mal um. Das klingt teuer.«
Sarah nahm einen Teddybären mit eingebauter Kamera in die Hand.
»Was ist das? Der ist ja süß.«
Der Mann hinter dem Tresen wurde aufmerksam, als er potenziellen Umsatz witterte. Wahrscheinlich bekam er Provision.
»Das ist unsere Nanny-Cam«, erklärte er. »Man schließt sie an einen Videorekorder an. Sie müssen sie nur einschalten, und sie nimmt alles auf, was im Zimmer passiert. Und wenn Sie nach Hause kommen, spielen Sie es ab.«
»Das ist cool!«
Josh nahm ihr den Bären aus der Hand und gab ihn dem Verkäufer zurück.
»Nächstes Mal vielleicht. Wir kaufen uns hier noch arm.«
»Oje, tut mir leid. Wir können das Kissen zurückgeben, wenn du willst. Wir brauchen es nicht.«
»Nein, ich möchte, dass du es hast. Ich arbeite doch nicht umsonst so hart. Wir können es uns leisten. Aber lass uns gehen, bevor wir noch mehr mitnehmen.«
»Eine Sache hätte ich aber noch gern.«
»Was denn?«
»Lass uns am Linen Store halten und neue Bettwäsche kaufen.«
Josh fragte nicht, warum, und Sarah rückte nicht freiwillig damit heraus. Sie wusste, er würde es für einen Versuch halten, ein Vergewaltigungstrauma zu bewältigen – ein Ritual, wie sich die Haare schneiden zu lassen oder neue Klamotten zu kaufen. Vermutlich glaubte er, das alte Bettzeug würde sie zu stark an den Traum erinnern.
Als sie im Laden waren, hielt Sarah vor allem nach Bettwäsche Ausschau, die Josh schrecklich fand. Darauf konnte sie keine Rücksicht nehmen. Im Gegenteil – je hässlicher die Bezüge waren, desto wahrscheinlicher war es, dass er sich an sie erinnern würde, und das war alles, was sie wollte. Sie nahm eine Garnitur grüne Bettwäsche mit großen Tupfen, Blumen und Streifen in die Hand.
»Auf gar keinen Fall«, protestierte Josh. »Tut mir leid, aber die sind so grell, dass sie mich die ganze Nacht wach halten.«
Sarah lachte.
»Okay, wie wär’s hiermit?«
Sie hielt einen Bezug mit Paisleymuster und großen Lotusblüten hoch.
»Wow. Ist nicht Jerry Garcia in so etwas gestorben? Bekommt man auch eine Wasserpfeife und eine Tüte Dope dazu?«
Sarah hielt sich die Hand vor den Mund und kicherte. Sie hatte Joshs Humor schon immer geliebt.
»Entweder die oder die grüne.«
»Okay, aber wenn ich anfange, mitten in der Nacht Acid-Flashbacks zu bekommen, musst du mich davon runterholen.«
Als sie zu Hause waren, ging Josh direkt ins Bett, aber vorher zog Sarah die neue Paisley-Bettwäsche auf. Auf der Matratze waren immer noch diese beunruhigenden Flecken zu erkennen. Sie waren eingetrocknet, aber nicht zu übersehen.
»Mein Gott! Du hast wirklich viel geblutet.«
»Aber meine Tage haben noch gar nicht eingesetzt!«
»Vielleicht bist du komplett in einer Nacht ausgeblutet.«
»So was gibt es nicht.«
»Oder es war eine Fehlgeburt.«
Sarah hielt mit dem Bettenmachen inne und sah Josh an. Das war eine Möglichkeit, an die sie noch gar nicht gedacht hatte. Sie und Josh hatten aufgehört zu verhüten, also ließ es sich zumindest nicht ausschließen. Sarah bezog die Betten fertig, dann starrte sie die Bettwäsche an und dachte über die Möglichkeit nach, dass ihr Körper einen Embryo oder Fötus abgestoßen hatte, und darüber, dass Josh jetzt ein Nickerchen in ihrem Blut machen würde.
Warum um alles in der Welt musstest du so etwas sagen, Josh?, dachte sie. Sie mussten eine neue Matratze kaufen. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, dass Josh beobachtete, wie sie die Wäsche anstarrte.
»Macht der Bettbezug dich auch high? Ich hätte plötzlich Lust, ein bisschen Jimi Hendrix zu hören.«
Sarah rang sich ein Lächeln ab und versuchte, sich aus ihren Grübeleien loszureißen.
»Ich habe die Doors auf meinem iPod.«
»Da passe ich.«
»Schlaf gut, mein Liebster.«
Josh schlüpfte ins Bett, und Sarah schloss leise die Tür hinter sich. Sie ging nach unten und ließ ihren Mann schlafen. Den ganzen Tag waren sie unterwegs gewesen, und jetzt blieben ihm nur noch ein paar Stunden, bis er zur Arbeit musste, eben genug Zeit für ein schnelles Nickerchen. Sarah setzte sich aufs Sofa, zielte mit der ungeladenen Sig Sauer über die Straße auf das Nachbarhaus und ließ den Abzug klicken.
Sarah zog ihre Joggingklamotten an, um noch eine Nachmittagsrunde zu drehen. Der Sommer war fast vorbei, aber die Temperaturen lagen nach wie vor über 30 Grad. Gnadenlos brannte die Sonne vom Himmel. Die Luft empfand sie als heiß und staubig, nirgendwo gab es Schatten. Sarah hatte das Gefühl, direkt unter dem Loch in der Ozonschicht zu laufen. Sie spürte, wie sich ihre Haut zusammenzog, als die Las-Vegas-Hitze sämtliche Flüssigkeit aus ihren Poren verdunsten ließ. Beim nächsten Mal musste sie unbedingt daran denken, Sonnencreme aufzutragen. Sarah hasste es, wenn Frauen ihre Haut tiefbraun rösteten, nur um Bikinistreifen zu vermeiden. Hier in Las Vegas hatte sie oft genug die Auswirkungen von zu häufigen Sonnenbädern bewundern können: vorzeitige Falten und dunkle Flecken, Haut mit der Textur von Leder und Schlimmeres. Es war idiotisch, sich selbst so etwas anzutun, nur um schön auszusehen. Sarah mochte ihre milchweiße Haut. Und jetzt ging sie hier unter der heißen Septembersonne das Risiko von Hautkrebs ein.
Sie beschloss, nur eine kurze Runde zu drehen. Der Gedanke, Bräunungsstreifen zu bekommen, gefiel ihr nicht. Der Schweiß brannte in ihren Augen, und eine dünne Salzkruste bedeckte Stirn und Wangen. Auf ihrem schwarzen Oberteil blühten große weiße Flecken, hervorgerufen von dem ganzen Natrium und Kalium, das sie ausschwitzte. Als sie zum Haus zurückkam, war Josh bereits aufgestanden und machte sich für die Arbeit fertig. Trotz der neuen Pistole, die sie auf dem Küchentisch liegen gelassen hatte, bekam Sarah einen Moment lang Angst bei dem Gedanken, die Nacht über allein zu sein.
»Bist du sicher, dass du dir heute Nacht nicht freinehmen kannst?«, fragte sie und umarmte ihn von hinten.
»Nicht nach dem ganzen Geld, das wir heute ausgegeben haben. Die Trinkgelder sind in letzter Zeit etwas dürftiger geworden, deshalb arbeite ich auch so viel. Die Tage, an denen ich innerhalb einer normalen Achtstundenschicht nebenbei um die 500 Dollar in die Hand gedrückt bekam, sind erst mal vorbei, bis die Wirtschaft sich erholt hat. Ich hab überlegt, heute eine Doppelschicht einzulegen, wenn der Boss mich lässt.«
Sarah runzelte die Stirn. »Vergiss nicht, dass ich jetzt eine Waffe habe. Wenn ich rausfinde, dass du fremde Gärten beackerst, verpass ich dir eine Kaliber-40-Kastration oder, noch besser, einen Einlauf.«
Josh küsste sie auf die Stirn, dann leckte er ihr den salzigen Schweiß von den Lippen.
»Wenn du mit mir fertig bist, ist nicht genug übrig, um damit noch andere Frauen zu beglücken. Aber falls du zu sehr durch den Wind bist, bleib ich zu Hause.«
»Nein, du hast recht, wir brauchen das Geld. Aber mach bitte keine Doppelschicht. Die kannst du morgen einlegen, aber heute Nacht brauche ich dich.«
»Okay, ich bin gegen eins zurück.«
»Um halb eins.«
»Ja, Ma’am.« Josh lächelte breit und küsste ihr den salzigen Schweiß von der Nase.
»Wann werden sie dir endlich regelmäßige Arbeitszeiten geben? Du arbeitest jetzt schon seit über einem Jahr als Springer. An einem Tag malochst du von acht bis fünf, am nächsten von vier bis zwölf und dann wieder von zwölf bis acht. Dazu noch die ganzen Überstunden. Das ist langsam nicht mehr lustig.«
»Ja, aber es ist auch der Grund, weshalb unser Haus noch nicht zwangsversteigert wurde.«
Sarah deutete ein Lächeln an, dann zog sie einen Schmollmund.
»Wir könnten genauso gut in einem Apartment vögeln. Wahrscheinlich sogar besser, weil ich dich öfter sehen würde.«
»Alles, woran du denken kannst, ist vögeln. Ich sollte mich geschmeichelt fühlen.«
»Woran soll ich sonst denken? Ich langweile mich halb zu Tode!«
»Du könntest an deiner Dissertation arbeiten.«
»Aber wenn ich erst meinen Doktortitel habe, muss ich mir einen richtigen Job suchen. Dann hab ich noch weniger Zeit, dich in den Wahnsinn zu treiben.«
Josh küsste sie erneut und rümpfte die Nase über ihren strengen Geruch.
»Ich hoffe, du duschst dich, bevor ich nach Hause komme.«
»Aber du magst es doch, wenn ich schmutzig bin.«
Sie zwinkerte ihm zu und zog das Sporttop über den Kopf. Sie registrierte erfreut, dass sich sein Blick auf ihre Brüste richtete. Das hieß, dass er sie noch immer attraktiv fand. Er ging in die Knie, um seine Schuhe anzuziehen, und Sarah fragte sich, was er tun würde, wenn sie ihre Shorts auszog und ihn aufforderte, ihre Pussy zu lecken – so verschwitzt und ungewaschen sie war. Wie sie ihn kannte, würde er sogar gehorchen, nur um ihr einen Gefallen zu tun. Und wahrscheinlich würde es ihm sogar Spaß machen. Der Gedanke erregte sie. Irgendwann musste sie es ausprobieren.
»Bis später, meine Schöne.« Josh ging zur Tür hinaus.
Sofort wurde die Stille ohrenbetäubend. Sarah holte ihre Pistole aus der Küche, dann ging sie nach oben, ließ aber im Erdgeschoss das Licht brennen. Jetzt war nicht der Zeitpunkt, sich über die Stromrechnung Gedanken zu machen. Das Letzte, was sie wollte, war, in einem dunklen Haus alleine zu sein.
Als sie auf der Bettkante saß, auf der hässlichen neuen Bettwäsche, die Waffe auf dem Schoß, wünschte Sarah sich, sie hätte Josh dazu überredet, ihr einen Pitbull zu kaufen. So sehr sie der Gedanke an Kotbeutel und Gassigehen auch abschreckte, so angenehm fand sie die Vorstellung, etwas Starkes und Gefährliches im Haus zu haben, das auf ihrer Seite stand. Sie musste mit Josh darüber reden, wenn er nach Hause kam.
Sarah zappte auf dem 42-Zoll-TV, der an der gegenüberliegenden Wand hing, von einem Sender zum anderen und suchte nach einer Sendung, mit der sie sich die Zeit vertreiben konnte. Ihr Schlafzimmer war in einem hellen Beige gestrichen, mit einem colafarbenen Kontrast hinter dem extragroßen Himmelbett, und das Licht des Bildschirms ließ Schatten über die dunkle Wand tanzen. Sie liebte diesen Raum. Doch heute Abend beherbergte er böse Erinnerungen. Erinnerungen, von denen sie nicht einmal wusste, ob sie real waren.
Es gab nichts im Fernsehen, und zum Putzen hatte Sarah keine Lust. Sie fühlte sich erschöpft, als wäre sie 20 Kilometer gelaufen und keine sechs, aber sie fürchtete sich vor dem Einschlafen. Noch immer hallten dunkle, brutale Träume in ihrem Kopf wider.
Sarah schaltete durch die Pay-per-View-Kanäle und wurde immer unzufriedener. Die neuen Filme hatte sie alle schon gesehen, und Softpornos interessierten sie nicht. Sie schaltete das Gerät aus, schleuderte die Fernbedienung auf das kleine Zweiersofa in der Ecke und schnappte sich ihren Laptop.
Sie surfte bei Ebay vorbei und scrollte durch die angebotenen iPods, Laptops, Designerhandtaschen und -schuhe sowie einige Sammlerstücke, dann ging sie auf eine regionale Joggerseite und machte sich im Forum auf die Suche nach interessanten Diskussionen. Es war ihr übliches Ritual. Sie tat es, um sich selbst davon zu überzeugen, dass sie nicht nur wegen der Pornos ins Netz ging. Aber in Wirklichkeit war das Surfen auf Pornoseiten ihr liebster Zeitvertreib. Weniger, um sich aufzugeilen, sondern vielmehr aus morbider Neugier. Die bizarren Fetische, auf die sie immer wieder stieß, faszinierten sie unglaublich. Gerne redete sie sich ein, dass sie irgendwann ein Buch darüber schreiben wollte und eigentlich nur Recherchen anstellte.
Sarah klickte sich durch die üblichen Pornoseiten, die Bukkake, Sodomie, Sex mit Amputierten und Zwergwüchsigen anboten, bis sie zu den wirklich abgefahrenen Sachen kam. Sie stieß auf ein »Sleepy Sex«-Portal für Männer, die auf Sex mit Frauen standen, die bewegungslos wie Leichen herumlagen, und auf eine Necro-Sex-Seite für Männer, die es gern mit echten Leichen treiben wollten. Josh würde durchdrehen, wenn er wüsste, wo sie sich herumtrieb. Die Necro-Angebote fuhren auf der Gothic-Schiene und zeigten Frauen in Särgen mit blassem Make-up und schwarzem Lidschatten. Sarah lachte und klickte auf einen anderen Link. Aus irgendeinem Grund beunruhigten sie heute sogar die Freaks, die falsche Leichen vögelten.
Sie fand eine Seite mit Blutspielen, auf der Männer und Frauen sich beim Sex gegenseitig mit Rasierklingen ritzten, und dann eine andere Seite mit Frauen, die an Seilen von der Decke baumelten. Sarah erschauderte und klickte gleich weiter. Heute Abend konnte sie so etwas nicht ertragen.
»Was zum Teufel stimmt nur mit diesen Leuten nicht?«
Aber Sarah wusste, dass sie früher sogar die brutalsten und perversesten Pornoseiten faszinierend fand – aber dann hatte sie davon geträumt, ermordet zu werden, und war am nächsten Morgen auf einer blutdurchtränkten Matratze aufgewacht. Jetzt stand ihr der Sinn nach etwas Normalerem. Sie klickte auf eine Lesbenseite und versuchte sich mit Bildern von Frauen zu amüsieren, die nicht im Geringsten wie Lesben aussehen, die vor der Kamera miteinander vögelten. Sie klappte den Laptop zu und legte sich aufs Bett, die Pistole auf der Brust. Sie konnte nicht dagegen ankämpfen. Sie war hundemüde, und ausnahmsweise nicht einmal besonders geil. Sie fühlte sich, als könnte sie nie wieder geil sein.
Sarah schloss die Augen und entsicherte die Pistole.