Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

Epilog

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

 

Nr. 1866

 

Am Ende einer Hoffnung

 

Atlan im Tucani-Sektor – neue Lebenszeichen in der Milchstraße

 

von Hubert Haensel

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

 

Seit der Planet Trokan, der an Stelle des Mars um die Sonne kreist, aus dem Zeitrafferfeld auftauchte und sich eine völlig neue Zivilisation in direkter Nachbarschaft der Erde präsentierte, sind Ereignisse von großer Tragweite geschehen. Perry Rhodan, Reginald Bull und Alaska Saedelaere verschwanden im sogenannten Pilzdom, gelangten auf die mysteriöse Brücke in die Unendlichkeit und wurden im Arsenal der Macht getrennt.

In der Zwischenzeit wurde die heimatliche Milchstraße Schauplatz einer merkwürdigen Invasion. Zuerst kamen die Igelschiffe, deren Besatzungen rund 300 Planeten abriegelten und als Brutwelten nutzten. Nachdem die Bevölkerung von 52 Welten komplett getötet worden war, zogen sich die Invasoren an den Rand der Galaxis zurück.

Weitere 52 Planeten gerieten in den Bann der Philosophen, offensichtlich »Erzeugnisse« aus den bisherigen Brutvorgängen. Die Bewohner dieser Planeten wechselten vom sogenannten Kritzelwahn zur Todessehnsucht und träumten nur noch davon, zu sterben und damit in einer Wesenheit namens Goedda aufzugehen.

Erst ein Vorstoß der Aktivatorträger Atlan, Dao-Lin-H'ay und Myles Kantor ins Innere von Goeddas Traumblase brachte Hilfe: Es gelang der Gruppe, den Brutkosmos mit Hilfe einer Bombe zu vernichten. Wie es scheint, ist damit auch Goedda vernichtet.

Was aber bleibt, sind Hunderttausende von Raumschiffen der Invasoren, die am Rand der Milchstraße warten – vielleicht schon AM ENDE EINER HOFFNUNG …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan – Der Arkonide startet zum Einsatz mit einem Posbi-Kommando.

Myles Kantor – Der Terraner stößt auf merkwürdige Impulse.

Dao-Lin-H'ay – Die Kartanin besucht eine Blues-Welt.

Orsener – Ein Posbi kämpft für das Überleben aller Galaktiker.

Eiser Crawland – Terranischer Flottenkommandant im Tucani-Sektor.

Prolog

 

Goedda spürte den gleißenden Blitz, der das Inferno einleitete, sie fühlte, dass eine Kettenreaktion aus Explosionen und sengenden Feuerbällen ihren massigen Gebärleib zerfetzte. Das Nebelmeer des Brutkosmos brannte; kochendes Bourree spritzte aus aufgerissenen Rohrleitungen und verdampfte.

Es gab keine Rettung mehr, nichts, was die Vernichtung hätte aufhalten können. Das Ende kam so schnell, dass Goedda nicht einmal die Zeit für einen gequälten Aufschrei fand. Sie starb, ohne zu begreifen, dass ihr Ende gekommen war, verglühte als Funkenregen im Hyperraum.

Die Mutter aller Tolkander war tot.

1.

Bericht Atlan

 

In zehn Sekunden Rücksturz innerhalb des Tucani-Sektors …

Die Hände zu Fäusten geballt, wartete ich darauf, dass das Abbild des Hyperraums dem düsteren Glimmen der alten Sternpopulation wich. Eine höchst selten gekannte Erregung hielt mich in ihrem Bann.

Noch fünf Sekunden …

Totenstille herrschte in der Zentrale der RICO. Ich blickte in ausdruckslose, scheinbar erstarrte Gesichter. Keiner hatte den Krieg gewollt, dennoch steckten wir mittendrin. Es gab kein Zurück mehr, nur noch Sieg oder Untergang, und das Schicksal der Milchstraße hing am seidenen Faden.

Wir schrieben den 19. Juli 1289 NGZ – 20:08:16, ein geschichtsträchtiges Datum. Falls es nach uns noch Menschen geben würde, die das interessierte …

Übergangslos wechselte die Wiedergabe in den Bildschirmholos, die Zentrale der RICO wurde in ein düsterrotes Glimmen getaucht. Die syntronische Einblendung stabilisierte zwei Planeten der nahen roten Riesensonne, ausgetrocknete Ödwelten ohne Besonderheiten. Und völlig uninteressant, hätten nicht die Invasoren auf beiden ihre Stützpunkte errichtet und begonnen, die Oberfläche systematisch abzutragen.

»Keine Funkortung!« Sevias Stimme vibrierte leicht. Vor nicht einmal einer Stunde hatte sie mir ihre Beklemmung gestanden – und ihre Furcht. Nein, nicht die Furcht vor dem Tod; das war etwas, worüber sie nicht nachdachte; zumindest redete sie nicht darüber. Sie fürchtete, dass der Großangriff der galaktischen Flotten auf 47 Tucani um Wochen zu spät erfolgte. Sevia ertrug das Wissen nicht mehr, dass die Tolkander die Milchstraße all unseren Aktionen zum Trotz in eine tote, entvölkerte Sternenwüste verwandeln würden.

Nach der Vernichtung Goeddas rüsteten die Invasoren zum Endkampf, und wir Galaktiker befanden uns in der Situation desjenigen, der mit bloßen Fäusten Windmühlenflügel aufzuhalten versucht. Unaufhörlich erhielten die Tolkander Verstärkung, fast dreihunderttausend Igelschiffe inzwischen …

Was wir vorhatten, kam einem Opfergang gleich. Leider gab es keine Alternative: unser Leben gegen das der Invasoren. Längst zählten nicht mehr Schiffsbesatzungen oder Planeten und ihre Bevölkerung. Alles oder nichts – dafür kämpften wir und waren bereit zu sterben.

Verkriech dich nicht hinter einer Wand aus Selbstmitleid, schimpfte der Extrasinn. Was ist aus dem Arkoniden geworden, der den Blick in die Zukunft richtet?

Zukunft? Seit kurzem besaß das Wort einen verdammt bitteren Beigeschmack.

»Alle Kampfschiffe haben den Hyperraum verlassen«, wurde gemeldet. »Keine Abweichungen registriert.«

Fünfhundert Raumer folgten der RICO, unter ihnen die PAPERMOON und ein Dutzend weitere Einheiten der 800-Meter-Klasse.

Auf den Schirmen wuchsen die Planeten.

»Distanz dreieinhalb Lichtminuten!«

Jeden Augenblick musste sich uns die Phalanx der Tolkander entgegenwerfen. Wir hatten wenig Chancen, die Schlacht für uns zu entscheiden, waren den Igelschiffen nicht nur zahlenmäßig weit unterlegen, sondern ebenso waffentechnisch. Einige Wochen oder Monate hätten unsere Techniker noch benötigt, um Tangle-Scan und Stotterantrieb der Invasoren weitestgehend neutralisieren zu können – doch diese Zeit stand nicht zur Verfügung.

»… drei Lichtminuten.«

Nur noch verschwommen nahm ich die Stimmen um mich her wahr. Ich fühlte mich längst zum Zuschauer in dieser Tragödie degradiert, das Heft des Handelns war mir aus der Hand genommen worden. Nie hätte ich geglaubt, dass dieser Augenblick wirklich eines Tages kommen würde. Du wartest vierzehntausend Jahre auf den Tod, aber wenn er dann wirklich kommt, hast du trotzdem das Gefühl, dass es viel zu früh ist.

Konzentriere dich auf deine Aufgabe!

Was war nur los mit mir? Ich musste mir nicht vom Extrasinn sagen lassen, was ich zu tun hatte. Nicht in dieser Situation.

Ich wusste, dass du eines Tages unter der Last der Verantwortung zerbrechen würdest, Beuteterraner!

»Lass mich in Frieden!«

Unwillkürlich stieß ich die Worte laut aus. Ich registrierte es an der Veränderung der Geräuschkulisse und daran, dass die Männer und Frauen in meiner Nähe flüchtig in ihren Tätigkeiten innehielten.

»Wir schaffen es!«, stieß jemand hervor. »Und wenn nicht wir, dann die, die nach uns kommen werden.«

»Tod den verfluchten Tolkandern!« Andere stimmten, ohne zu zögern, ein.

»Tod den Tolkandern …« Ein vielstimmiger Aufschrei, ein Schlachtruf wie ungezählte vorher, die ich irgendwann im Laufe der Geschichte gehört hatte.

»… zwei Lichtminuten.«

Ich starrte die graugrüne Welt auf dem Holoschirm an und fragte mich verzweifelt, ob dort unten außer den Tolkandern Leben existierte.

Du bist über dem Zeitlimit, warf mir der Extrasinn vor.

Das weiß ich, gab ich schroff zurück. Verdammt, es ist mir klar, aber ich …

Skrupel? Der Spott des Logiksektors fraß sich durch meine Gedanken wie glühender Stahl durch Kunststoff. Die Tolkander werden nicht zögern, die gesamte Milchstraße zu entvölkern, aber du armer Irrer schreckst davor zurück, eine Waffe einzusetzen, die schon deine Väter benutzt haben.

Lass mich in Ruhe!

Ach ja, ich vergaß: Helden sterben einsam.

Schmerzhaft schnitten meine Fingernägel in die Handballen. Auf Camelot, auf Terra, auf Topsid und vielen anderen Welten hatten wir Arkonbomben gebaut, und es war an der Zeit, den ersten Abwurf seit vielen Jahrhunderten, seit zwei Jahrtausenden vorzubereiten – zuerst hier in 47 Tucani, dann auf vielen anderen Welten der Milchstraße. Nur so konnten wir den galaktischen Völkern noch die Grundlage einer künftigen Existenz sichern.

»Mit Feuer und Schwefel werden wir sie ausräuchern.« Eine Hand umklammerte meine linke Schulter; als ich überrascht aufsah, blickte ich in das harte Gesicht meiner Stellvertreterin. In Gerines Augen loderte das alles verzehrende Feuer, das schon immer Heerführer vor entscheidenden Schlachten ausgezeichnet hatte. »So sagt man doch auf Terra, oder?«, fügte sie ungeduldig hinzu.

»So ungefähr«, murmelte ich.

Viele Planeten würden in einem unlöschbaren Atombrand vorübergehend zu neuen Sonnen werden: Terra, Olymp, Topsid …

Arkon nicht. Du bist glücklich darüber, dass deine Heimatwelt nicht betroffen ist, gesteh es endlich ein.

Glücklicherweise wurde ich dem Zwang zu einer Antwort enthoben. Das aktuelle Geschehen war wichtiger als irgendwelche dummen Mutmaßungen meines Extrasinns.

»Die Ortungen zeigen keine Igelschiffe. Sie sind verschwunden.«

»Auch der Planet vor uns ist energetisch taub. Sämtliche Abbauarbeiten stehen still.«

»Sind die Daten gesichert?«

»Die Bestätigung wird soeben vorgelegt, Atlan. Es gibt keinen Zweifel, die Invasoren haben sich aus diesem System zurückgezogen.«

»Was ist mit den anderen Positionen?«, wollte ich wissen.

Sevia schüttelte den Kopf. Gleichzeitig legte sie einen hereinkommenden Hyperfunkspruch auf die Akustikfelder um.

Wir hörten die schrille, von Störungen verzerrte Stimme eines Blues. Teilweise glitt er in den Ultraschallbereich ab, doch die wenigen verständlichen Satzfetzen genügten, um erkennen zu lassen, dass die Flotte der Blues ebenfalls ins Leere gestoßen war.

»Die Haluter melden, dass sie Tolk-8 ohne Feindberührung erreicht haben. Sämtliche Fabrikationsanlagen für Bourree wurden von den Tolkandern zerstört.«

Gerine begann zu lachen. Erst stieß sie nur ein paar glucksende Laute aus, dann platzte sie lauthals los. Aber ebenso unvermittelt hielt sie den Atem an und wischte sich mit dem Handrücken Tränen aus den Augenwinkeln.

»Freude ist angesichts der ungezählten Opfer wohl fehl am Platz«, stieß sie gepresst hervor. »Es tut mir leid.«

In einer Geste eigener Ohnmacht schlug sie sich die Hände vors Gesicht und ließ sie langsam nach unten gleiten, bis ihre Fingerspitzen nur noch die Lippen berührten. Sie bebte innerlich, als sie sagte: »Wir hätten es ahnen müssen: Goeddas Vernichtung hat den Tolkandern den Lebensinhalt geraubt. Wofür sollen sie jetzt noch Bourree erzeugen? Alles deutet darauf hin, dass sie die Milchstraße verlassen haben.«

»Das Sterben hat ein Ende. Endlich!«

Freust du dich nicht, Arkonidenhäuptling?

Ich kann es nicht glauben, erwiderte ich in Gedanken. Beinahe dreihunderttausend Kriegsschiffe ziehen sich nicht sang- und klanglos zurück. Nicht, ohne verbrannte Erde zu hinterlassen.

Haben sie das nicht schon zur Genüge getan? Willst du noch mehr Verwüstungen?

»Syntron, die Gefechtsbereitschaft beenden!«, kommandierte Gerine.

»Befehl annullieren!«, platzte ich heraus. Alles an mir war angespannte Erwartung, mit jeder Faser meines Körpers glaubte ich zu spüren, dass wir uns irrten. Dazu bedurfte es keineswegs des warnenden Impulses meines Logiksektors. Wir waren drauf und dran, den Tolkandern in die Falle zu gehen.

Meine Stellvertreterin verstand nicht, weshalb ich ihr Kommando aufgehoben hatte. Das war ihr anzusehen. Sie sehnte sich wie wir alle nach Frieden, aber sie suchte diesen Frieden mit Scheuklappen …

Im Hauptholo erschien das von Störungen verzerrte Gesicht des LFT-Kommissars Cistolo Khan. Flammen loderten im Hintergrund, und aus den Akustikfeldern dröhnte Explosionsdonner. Dazwischen die Todesschreie von Menschen. Eine schaurige Kulisse.

»… Uranus und Neptun wurden zerstört … Die Wachforts können den Gegner nicht aufhal…« Das Bild verwehte, stabilisierte sich Sekunden später noch einmal flackernd. »… Terra unter schwerem Beschuss … die Heimatflotte ist in unzählige Gefechte verwickelt …«

»Der Funkspruch kommt aus dem Solsystem über Hauptrelaisstationen«, sagte jemand mit Grabesstimme.

Eine eisige Hand griff unter meiner Brustplatte nach dem Herzen. Die Tolkander hatten sich nicht zurückgezogen. Vielmehr waren sie zum alles entscheidenden Schlag übergegangen, während das Ziel der galaktischen Flotten in maßloser Fehleinschätzung der Lage immer noch 47 Tucani hieß.

Khans Blick ging mir durch und durch.

»Luna bricht unter heftigem Beschuss auseinander. Das … das ist das Ende.«

Mir wurde schwarz vor Augen.

Erst mein eigener gequälter Aufschrei brachte mich wieder zur Besinnung. Ich zitterte wie Espenlaub, fror und schwitzte gleichzeitig, und der Schweiß brannte wie Feuer in meinen Augen. Oder waren es Tränen der Ohnmacht und des Entsetzens? Ich empfand keine Trauer in dem Moment, nur Hass und rasende Rachegelüste. Immer wieder drosch ich die Fäuste gegeneinander. Zu glauben, dass Luna nicht mehr existierte, dass womöglich in diesen Minuten auch die Erde starb, das fiel unendlich schwer.

Propaganda!, schoss es mir durch den Sinn. Die Invasoren versuchen, die Moral der Flotte zu untergraben.

Aber Unsinn! Welchen Springer, Akonen oder Arkoniden interessierte denn wirklich, was aus der Erde wurde? In Zeiten wie diesen war jedes Volk sich selbst der Nächste, die Geschichte hatte nie etwas anderes gelehrt.

»Rückflug nach Terra!«

Nicht der unmissverständliche Befehl, sondern nur ein heiseres Ächzen kam über meine Lippen. Alle vermeintliche Selbstbeherrschung und Erfahrung waren machtlos gegen den Ansturm entfesselter Gefühle. Panik ergriff mich.

Warum schweigst du?, schrie ich den Extrasinn an. Jetzt, da ich dich brauche, ziehst du dich zurück.

Was soll ich sagen, Atlan?

Dass … – Ich durfte mich nicht von Emotionen lenken lassen. Seit sieben Monaten war die Geschichte der Milchstraße die Geschichte permanenter Niederlagen und einiger Pyrrhussiege. Wir hatten zu lange gezögert, hatten zugelassen, dass viele Völker des Galaktikums ihr eigenes Süppchen kochten – die Quittung für alle Versäumnisse wurde uns nun präsentiert.

Fünfhundert Schiffe schickten via Hyperkom Anfragen, ein beinahe babylonisches Sprachengewirr. Die Funkzentrale war längst nicht mehr Herr der Situation.

»Alles auf den Syntron umlegen!«, bestimmte ich. »Ich will die Hauptfrequenzen frei haben. – Neuer Kurs für die gesamte Angriffsflotte: Sol! Und es ist mir völlig egal, ob ein paar Metagravs draufgehen oder nicht und die Schiffe im Hyperraum hängenbleiben. Wir schlagen zurück. Mit allem, was wir haben.«

»Atlan!« Sevias Stimme war pure Resignation. »Gatas wurde soeben vernichtet. Von nur fünftausend Igelschiffen und zehn Gliederschiffen.«

»Kurs Sol ist programmiert. Wir beschleunigen mit Höchstwerten.«

Wozu noch? Mir war klar, dass wir zu spät kommen würden. Jeder an Bord der RICO wusste das.

Wir kamen nur noch als Leichenbestatter, als Zeugen des Untergangs der menschlichen Zivilisation. Vielleicht war es uns sogar noch vergönnt, einige Dutzend gegnerische Schiffe abzuschießen.

Du flüchtest dich in Sarkasmus. Rhodan würde das nicht gutheißen.

Perry Rhodan. Lebte er überhaupt noch? Und Bully? Alaska war mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit im Brutkosmos der Goedda gestorben, das wussten wir seit gestern. Anzunehmen, dass Perry eines Tages doch wieder zurückkehren könnte und dann vor den Trümmern seines Lebenswerks stand … Nein, so schrecklich das auch klang, dann war es besser, er hatte irgendwo in den unbekannten Weiten des Universums den Tod gefunden.

»Atlan!«

Sevias Aufschrei verhieß weiteres Unheil. Ich spürte, wie sich meine Nackenhaare aufstellten.

»Arkon?«, fragte ich voll böser Vorahnung.

Sevia nickte schwer.

»Wie schlimm steht es?«

Sie schüttelte den Kopf. »Die Tolkander haben die Sonne zur Nova werden lassen. – Sie hat die inneren Planeten schon verschlungen.«

Ein greller Schmerz hinter der Brustplatte raubte mir den Atem. Auch ein potentiell unsterblicher Arkonide ist nicht gegen das Schicksal gefeit.

Für mich fiel der Vorhang. Das Drängen des Extrasinns verwehte im Nichts.

 

*

 

Das Geräusch meiner eigenen schweren Atemzüge schreckte mich auf. Ich schnarchte, und das ziemlich intensiv.

Zudem fühlte ich mich wie gerädert. Schweiß verklebte die Lider, ich blinzelte mühsam in die Dunkelheit, die nur zögernd gewohnte Konturen freigab.

Du treibst Raubbau mit deinen Kräften. Nicht nur Tadel schwang in den Worten des Extrasinns mit, sondern auch eine gehörige Portion Spott. Wohin das führt, siehst du nun.

Lass mich in Ruhe!, widersprach ich unwillig. Begreifst du nicht, dass ich in meinem Schmerz allein sein will?

Der Servo aktivierte die Beleuchtung, als ich mich auf den Ellenbogen hochstemmte. Das Licht blendete und trieb mir neue Tränen in die Augenwinkel. Gleichzeitig begann der Extrasinn spöttisch zu lachen.

Nein, Lordadmiral, wisperte es unter meiner Schädeldecke im Verein mit dem hektischer werdenden Pulsieren des Blutes in den Schläfen, Gerine hat dich nicht entkleidet und zu Bett gebracht. Schade, nicht wahr?

Vergeblich versuchte ich mich zu erinnern. Aber da war nur die Nachricht vom Untergang Terras. Und das lähmende Gefühl, vor den Ruinen meines Lebens zu stehen. Alles, wofür wir Unsterblichen je gekämpft hatten, war vorbei – ausgelöscht innerhalb weniger Stunden. Was spielte es da noch für eine Rolle, dass auch Arkon den Invasoren zum Opfer gefallen war?

Das ewige Gesetz des Universums, das Gesetz von Entstehen und Tod, hatte uns nicht verschont. Nicht erst in Jahrmilliarden, wenn die Sonnen der Milchstraße erloschen, würden die Völker dieser Milchstraße in Vergessenheit geraten, nein, schon in Jahrhunderten würde niemand mehr von uns sprechen. Und diese Endgültigkeit war es, die mir angst machte.

Alles in mir schrie nach Vergeltung, nach Rache für milliardenfaches Leben, das die Tolkander ausgelöscht hatten, für zerstörte Planeten und zu Novae gewordene Sonnen.

»Servo«, hörte ich mich sagen, während meine Fäuste sich unablässig öffneten und wieder schlossen, »gib mir die augenblickliche Position der RICO!«

Das ist unnötig, Atlan.

Ich achtete nicht auf den Logiksektor. Was wusste er schon von den Gefühlen, die einen Menschen – einen Arkoniden – tief im Innersten aufwühlen, die sein Blut in Wallung bringen und jeden klaren Gedanken unterdrücken?

Die Vernunft hat uns nicht weitergebracht. Wenn wir jetzt nicht die Waffen sprechen lassen, wann dann? Ich werde kämpfen und dabei sterben, aber das bin ich mir selbst schuldig. Andernfalls müsste ich jede Achtung vor mir verlieren. Ich nehme soviel von dieser verfluchten Tolkanderbrut mit wie irgend möglich.

Vor mir stabilisierte sich ein Hologramm. Saturn prangte beinahe bildfüllend mitten in der Kabine; überdeutlich war Mimas mit seiner von Einschlagskratern übersäten Oberfläche zu erkennen. Die RICO stand schräg über dem Ringsystem, außerhalb des Schlagschattens, den der Riesenplanet warf.

Ein mächtiger Kloß saß in meiner Kehle.

»Wir greifen die Tolkander an!«, stieß ich hervor. »Mit allem, was wir haben.«

Wann wachst du endlich auf, alter Narr?

Benommen schüttelte ich den Kopf, massierte mit den Fingerspitzen die Schläfen und fuhr mir mit beiden Händen durchs Haar. Tief atmete ich ein, hielt die Luft an und versuchte, mich zu konzentrieren. In meinem Schädel summte es wie in einem Hornissennest.

Selbst ein potentiell Unsterblicher ist nicht dagegen gefeit, sich zu verausgaben, meldete sich der Logiksektor erneut, weit versöhnlicher als zuvor. Wem nutzt du, wenn du deinen desolaten Zustand auf die Spitze treibst?

Saturn und seine Monde sahen aus wie immer. Keine Anzeichen von schwerem Beschuss.

»Wie viele Igelschiffe stehen im Solsystem?«

»Innerhalb des Ortungsbereichs keine. Es sei denn, die Invasoren haben sich in den Schutz der Sonnenkorona zurückgezogen.«

Ich hatte geträumt, schlicht und einfach geträumt. Ein verheerender Albtraum. Noch dazu derart intensiv, dass ich nach dem Erwachen immer noch fest im Bann des Erlebten gestanden hatte.

»Wie spät …?«

Der Servo blendete die Uhrzeit ein. Es war kurz nach Mitternacht terranischer Standardzeit, ich hatte gerade eine Handvoll Schlaf erwischt. Wieder nur eine Stunde im Antigravbett. Der Extrasinn hatte recht: Auf Dauer trieb ich Raubbau mit mir selbst und baute ein Defizit auf, das selbst der Aktivatorchip nicht mehr ausgleichen konnte.