Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
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Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 1878
Kontakt zu Kenteullen
Die Nonggo in Nöten – das Bollwerk spielt verrückt
von Arndt Ellmer
Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
Im September 1289 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, was dem Jahr 4876 alter Zeit entspricht, herrscht Frieden in der Milchstraße. Zwar existieren nach wie vor Spannungen zwischen der Liga Freier Terraner, dem Kristallimperium und den Angehörigen des Forums Raglund, doch die große gemeinsame Bedrohung ist verschwunden: In einem furiosen Leuchtfeuer konnte am gigantischen Schwarzen Loch im Zentrum der Menschheitsgalaxis das Ende für Goedda bereitet werden.
Die »Mutter der Krieger« verging im Verlauf der Operation Wunderkerze. Zum Abschluss zog sie noch die Tolkander mit in den tödlichen Abgrund, ihre Kinder, die ihr zu Millionen an Bord von über 200.000 Raumschiffen ins Verderben folgten. Der riskante Plan, den der unsterbliche Arkonide Atlan mit Hilfe der Terraner und der Herreach verwirklichen konnte, hat somit funktioniert. In der Milchstraße kann nach der unheimlichen Invasion der Wiederaufbau beginnen.
Glücklicherweise wissen Atlan und die anderen Aktivatorträger in der Zwischenzeit, wo sich Perry Rhodan und sein langjähriger Wegbegleiter Reginald Bull bis vor einiger Zeit aufgehalten haben. Die beiden Freunde haben zuletzt in der weit entfernten Galaxis Plantagoo mitgeholfen, einen fürchterlichen Krieg zu beenden.
Deshalb ist Perry Rhodan auch nicht auf der Erde, als unverhoffter Besuch ins Solsystem kommt: Die Nonggo bringen im Auftrag der Koalition Thoregon das Heliotische Bollwerk. Was als technisches Wundermittel gilt, ist für viele Terraner jedoch eine große Gefahr, gegen die es vorzugehen gilt.
Dennoch gelingt den Nonggo der KONTAKT ZU KENTEULLEN …
Cistolo Khan – Der LFT-Kommissar sieht sich mit neuen Problemen konfrontiert.
Myles Kantor – Der Wissenschaftler und Aktivatorträger beklagt den Tod seiner Lebensgefährtin.
Galtarrad und Zygonod – Die zwei Abgesandten der Nonggo lüften einen Teil des Geheimnisses.
Paola Daschmagan – Die Erste Terranerin verhandelt direkt mit den Fremden.
Ying Tseyung – Ein Terraner macht sich Sorgen um sein Volk.
»Los, Leute! Macht den Weg frei! Wir haben es eilig.«
Die kleine Gruppe aus drei Frauen und zwei Männern wich hastig zur Seite und ließ den Transport passieren. Das Begleitpersonal trug schlichte graue Uniformen mit den Abzeichen des TLD. In ihrer Mitte führten die Angehörigen des Terranischen Liga-Dienstes etwas in einem Antigravfeld mit sich; es war hinter einem diffusen Sichtschutz verborgen.
»Ich wette, das ist sie«, murmelte die vorderste der drei Frauen.
Viel war bisher nicht durchgesickert. Sie wussten nur, dass im Zentrum des Heliotischen Bollwerks etwas vorgefallen war und dass es Kallia Nedrun getroffen hatte, die Ehefrau von Myles Kantor.
Einer der TLD-Mitarbeiter hörte ihre Worte und wandte sich zu ihr um. Er nickte ernst und zuckte dann mit den Achseln.
Augenblicke später verschwand die kleine Prozession in einem Schacht.
»Wilkos, wir sollten wieder an die Arbeit gehen«, wandte sich Arna Telfonder an ihre Kollegin. »Schließlich werden wir Terraner nicht jeden Tag mit der Steuerung eines solchen Bauwerks betraut. Habt ihr eigentlich bemerkt, dass sich einige der Nonggo so langsam von uns zurückziehen? Sie scheinen der Ansicht zu sein, wir wüssten jetzt schon einiges und könnten bald loslegen.«
»Zumindest wissen wir einiges von dem, was zu ihrem eigenen Wissensstand gehört«, sagte Wilkos McNeary. »Mehr können uns diese Wesen nicht beibringen. Sie können das Heliotische Bollwerk bedienen. Das ist alles und nach meiner Ansicht zuwenig.«
»Terranischer Forschergeist hat schon ganz andere Hürden überwunden«, trumpfte Galbat Koschinski, einer der Ingenieure, auf. »Zumindest gilt das für die letzten zweitausend Jahre.«
Seine Begleiter starrten ihn skeptisch an und setzten sich in Richtung der Steuersektion KB-2048-IRQ12 in Bewegung. Der komplizierte Begriff stammte aus den Speichern der Nonggo, lautete in deren Sprache natürlich ganz anders, wurde aber so von den terranischen Syntrons übersetzt. Für die Geräte der Nonggo und der Terraner war es anhand dieser Koordinaten einfach, einen Raum zu fixieren – jeder normale Mensch ohne technische Hilfsmittel hätte das nicht geschafft.
»Du bringst da etwas durcheinander.« Arna Telfonder schloss zu ihm auf. »Dieses Bauwerk kann man nicht einfach zerlegen, untersuchen und nachbauen. Du würdest eine Katastrophe anrichten, die nicht nur die Wabe, sondern auch alle Schiffe drum herum sowie Trokan und vielleicht sogar Terra, Sol und das gesamte Sonnensystem ins All blasen könnte. Das Heliotische Bollwerk ist ein Buch mit sieben Siegeln, und wir sollten die Finger davon lassen. Es reicht, wenn wir wissen, wie das Ding halbwegs funktioniert.«
Koschinski schnaufte wie ein wütender Stier. »Wissen wir eben nicht. Allerhöchstens zum Teil. Die Nonggo geben sich kooperativ, aber dennoch muss man ihnen ständig die Würmer aus der Nase ziehen. So was mag ich nicht.«
Er blieb ruckartig stehen und fing den Zusammenprall mit einem Terraner ab, der aus einem Verbindungsschacht sprang. Das Abzeichen an seiner rechten Schulter verriet, dass er zum medizinischen Personal von Mimas gehörte.
»Entschuldigung!«, rief der Mediker hastig. »Ich bin Gobert Grifaan. Wo finde ich Kallia Nedrun?«
Koschinski deutete über die Schulter zurück. »Die Leute vom TLD haben sie gerade abgeholt. Sie sind dort hinten in den Schacht gestiegen.«
»Danke.«
Der Mann rannte beinahe Wilkos McNeary über den Haufen und hetzte davon.
Die Männer und Frauen sahen ihm kopfschüttelnd nach.
»Was will der bloß? Hat ihm keiner gesagt, dass sie tot ist?«, fragte Wilkos leise.
»Ich glaube, ich weiß, wie es zusammenhängt«, antwortete Arna. »Ich kenne dieses Gesicht. Das ist der Arzt, der Kallia in den letzten Jahrzehnten betreut hat, in denen sie im Koma lag. Jemand hat ihn verständigt, und jetzt ist er eben hier.«
Wilkos McNeary nickte bedächtig.
»Sie werden ihn gerufen haben, damit er sich an der Untersuchung beteiligt. Einen Augenblick. Ich sehe mir die Daten der Frau mal an.«
Sie aktivierte das Armband mit dem integrierten Komgerät und setzte sich mit der Datenbank der MANGALARGA in Verbindung. Das Schiff gehörte zu den neunundfünfzig Einheiten vom Typ der PAPERMOON und stand zur Zeit in der Nähe des Heliotischen Bollwerks.
Das Ergebnis ihrer Anfrage stellte sie ganz und gar nicht zufrieden.
»Tut mir leid, die Daten sind gesperrt«, erklärte der Syntron.
»Da steckt der TLD dahinter!«
»Nein. Die Daten sind bereits seit dem Zeitpunkt gesperrt, als Kallia Nedrun im Jahr zwölfhundertzwölf von einem der Spindelwesen schwer verletzt wurde und ins Koma fiel.«
»Danke.«
Sie schaltete ab und wandte sich an Galbat.
»Der TLD wird versuchen, den Vorfall unter den Teppich zu kehren. Wir sollten das verhindern. Sobald unsere Schicht zu Ende ist, werde ich mich mit Ying Tseyung in Verbindung setzen.«
»Dem Kerl traue ich aber nicht über den Weg. Er ist ein Demagoge und Aufwiegler.« Galbat Koschinski blickte sie durchdringend an. »Du kannst mir das glauben.«
»Ach ja? Du führst dich auf, als hättest du die Weisheit mit ganz großen Löffeln gefressen.«
»Kaum. Der Kerl ist ein Cousin von mir.«
*
Gobert Grifaan holte den Transport in der dritten Ebene ein. Die TLD-Agenten wussten bereits, dass er zu ihnen stoßen würde. Sie rückten ein wenig auseinander, und er reihte sich in ihren Kordon ein.
»Ich will sie sehen«, stieß er hervor. »Mit meinem Wiederbelebungsstift kann ich ihr vielleicht noch einmal helfen.«
Der Arzt fischte einen schmalen Zylinder aus der Jackentasche.
»Sinnlos«, erhielt er zur Antwort. »Und ihr Anblick ist nichts für die Öffentlichkeit. Warte, bis wir am Ziel angelangt sind.«
»Wenn's denn sein muss. Wohin bringt ihr sie?«
»Zum Titan in einen Hochsicherheitstrakt. Auf Anordnung von Gia de Moleon.«
Niemand hatte es für nötig befunden, ihm das zu sagen. Er hätte sich den Umweg von Terra über Trokan und das Heliotische Bollwerk sparen und direkt nach Titan gehen können.
Verstohlen musterte er die Gesichter der Männer. Wussten sie Einzelheiten über den Tod von Myles Kantors Frau? Ihre Mienen blieben steinern. Mit hoher Wahrscheinlichkeit waren sie ebenso ahnungslos wie er. Aber sie hatten die Tote gesehen und konnten sie beschreiben.
Im Eilgang durchquerte der Transport Korridore und Schächte des Heliotischen Bollwerks und erreichte eine der Schleusen.
»Der Energieschlauch steht bereits. Bitte vertraut euch dem Zugfeld an. Es bringt euch hinüber in die MANGALARGA«, teilte eine freundliche Syntronstimme mit.
Das Außenschott öffnete sich. Eine unsichtbare Kraft hob sie sanft an und zog sie hinüber in das Schiff. Für die Strecke von gut zweihundert Metern benötigten sie weniger als eine halbe Minute. Ein Andruckfeld verhinderte, dass ihnen Beschleunigung und Verzögerung auf den Magen schlugen.
Weitere Mitarbeiter des TLD nahmen sie in Empfang und geleiteten sie zum nächsten Transmitteranschluss. Gobert Grifaan wartete, bis die Gruppe mit dem noch immer milchigen Feld in ihrer Mitte entmaterialisierte, dann folgte er ihr entschlossen.
Sechs bis an die Zähne bewaffnete und in SERUNS gekleidete Terranerinnen erwarteten sie.
»Anweisung Gia de Moleons!«, rief ihnen eine der Frauen entgegen. »Wenn einer von euch eine Waffe trägt, bitte vor dem Taster ablegen. Zuwiderhandlungen werden als feindlicher Akt ausgelegt.« Sie grinste kurz. »Dennoch: Willkommen auf Titan.«
Keiner der Männer trug eine Waffe bei sich, doch bei Gobert Grifaan schrillte der Taster. Die Frauen reagierten blitzschnell und isolierten ihn von der Gruppe.
»Kannst du nicht zuhören, Doktor?«, zischte die vorderste. »Zeig mir, was du da in der Tasche hast!«
»Es ist ein Wiederbelebungsstift. Hier, siehst du?«
»Tut mir leid«, sagte die Frau. »Anweisung ist Anweisung. Das Ding sieht nun mal gefährlich aus. Du kannst gehen.«
Grifaan presste die Lippen zusammen und eilte der Gruppe hinterher.
Die reinste Schikane, dachte er. So ein Taster kann schließlich eine Waffe von einem harmlosen medizinischen Gerät unterscheiden. Was soll das Ganze?
Die Männer verließen den Transmitterraum und suchten einen nahe gelegenen Labortrakt auf. Dicht hinter Grifaan schloss sich die Tür.
Eine Energiesperre baute sich auf.
»Ich protestiere!«, stieß der Arzt hervor. »Wieso werden wir wie Gefangene behandelt?«
»Es ist in eurem eigenen Interesse«, antwortete ein Syntron. »Die Sicherheitsvorschriften wurden kurzfristig verschärft. Bitte sucht Kammer elf auf und zieht SERUNS an.«
Langsam wurde es Grifaan unheimlich. Etwas stimmte hier nicht.
»Los, los, worauf wartest du noch?«, erkundigte sich einer der TLD-Männer und schob ihn vorwärts. »Wir dürfen keine Zeit verlieren.«
Das milchige Transportfeld verschwand hinter einem zusätzlichen Energievorhang, der abdunkelte und erst recht den Blick auf den Leichnam in seinem Innern verwehrte.
Missmutig ging der Arzt in die Kammer und stieg in den SERUN. Der Pikosyn meldete die Bereitschaft aller Systeme.
»Und jetzt?«, erkundigte Gobert Grifaan sich. »Was sollen wir jetzt tun?«
»Jetzt schlägt deine Stunde, Doktor«, antwortete einer der Männer. »Du hast die Frau all die Jahrzehnte betreut. Es liegt jetzt an dir, zu einem abschließenden Ergebnis zu kommen.«
Abschließendes Ergebnis – wie das klang! Als handle es sich um eine Ware oder einen beliebigen Gegenstand, der untersucht werden musste.
Gemeinsam verließen sie die Kammer und schlüpften durch eine Strukturschleuse in den abgedunkelten Energiekäfig hinein. Er besaß ungefähr zwanzig Meter Durchmesser und war groß genug, damit sie sich ungehindert bewegen konnten.
»Ich helle jetzt das Transportfeld auf«, verkündete der Syntron über die Helmlautsprecher des SERUNS. »Gobert Grifaan, halte dich bereit!«
Der Arzt trat ein paar Schritte vor. Die Männer blieben hinter ihm und verteilten sich gleichmäßig nach beiden Seiten. Sie trugen jetzt Waffen in den Händen, als rechneten sie mit dem Schlimmsten.
Im Transportfeld tauchte ein weiblicher Körper auf. Er wirkte unförmig. Einen Augenblick lang glaubte der Arzt, den Körper eines Nichthumanoiden vor sich zu haben.
Endlich begriff er, dass die intensiven Sicherheitsvorkehrungen durchaus einen Sinn machten. Er unterdrückte einen Aufschrei und trat dicht an das Feld heran. Seine heimliche Hoffnung, es handle sich doch nicht um Kallia, zerplatzte wie eine Seifenblase. Trotz des aufgedunsenen Gesichts erkannte er eindeutig ihre Gesichtszüge. Und die Lebensgefährtin Kantors trug denselben Anzug wie zu dem Zeitpunkt, als Myles sie abgeholt und mit ihr das Heliotische Bollwerk aufgesucht hatte.
Der Pikosyn nahm Messungen vor und gab endgültig Entwarnung. Von Kallias Körper ging keine bedenkliche Strahlung aus.
»Wie hoch ist ihre Körpertemperatur?«, fragte Grifaan.
»Sie beträgt neununddreißig Grad. Tendenz leicht fallend.«
Das war mehr als die normale Körperwärme eines Lebenden.
»Unmöglich«, entfuhr es dem Arzt. »Nicht nach dieser Zeit!«
»Tut mir leid. Es ist so. Bei ihrem Tod muss eine enorme Wärmeentwicklung stattgefunden haben.«
Der Mediziner projizierte mit Hilfe des SERUNS ein Energiefeld vor seine rechte Hand und übte leichten Druck auf den Oberarm der Toten aus. Das Gewebe fühlte sich weich und nachgiebig an. Überall, wo der Anzug beschädigt war und die Haut hervorsah, wirkte sie wie in einem chemischen Prozess aufgeschäumt. Und es gab kein Blut. Keine der winzigen Öffnungen hatte auch nur einen Tropfen Blut abgesondert. Gerade so, als sei es zuvor im Körperinnern geronnen oder geklumpt.
»Ich brauche zwei Roboter. Sie sollen den Anzug und die Wäsche abtragen. Ich muss den Körper Kallias untersuchen.«
Zwei kegelförmige Medoroboter tauchten auf, er machte ihnen Platz. Mit winzigen Laserstrahlen schnitten sie die Kleidung in kleine Stücke und saugten sie ab. Anschließend zogen sie sich auf die andere Seite der Toten zurück und warteten ab.
Der Chefarzt der Tradha-Zwölf-Sektion auf Mimas schluckte schwer. Kallias Körper war rundherum perforiert.
Die Aufstülpung der Ränder all dieser winzigen Öffnungen bewies eindeutig, dass der Vorgang von innen nach außen und nicht etwa von außen nach innen verlaufen war. So oder ähnlich musste ein Mensch aussehen, wenn ihn Würmer von innen heraus auffraßen und den Wirtskörper verließen.
Und doch war es irgendwie anders. Grifaan vermochte nicht, es in Worte zu fassen.
»Ich brauche eine genaue Vermessung der winzigen Öffnungen«, krächzte er. »Wie sieht das Ergebnisraster aus?«
Der SERUN vermaß die Oberfläche des Leichnams.
»Das Raster ist geometrisch. Abweichungen sind nachträglich durch die unterschiedliche Elastizität des Muskelgewebes entstanden.«
Gobert Grifaan seufzte. Seine Gedanken bewegten sich in Bahnen, die ihm immer wahrscheinlicher erschienen.
»Ich möchte Gia de Moleon sprechen. Ist das möglich?«
»Kein Problem«, klang die Stimme der Geheimdienstchefin auf. »Ich bin zugeschaltet. Woran denkst du?«
»An den geheimnisvollen Zinkfinger. Ich muss wissen, ob er noch vorhanden ist.«
»Einverstanden. Ich schicke dir zwei Spezial-Medos, die dafür ausgerüstet sind.«
Grifaan bedankte sich und rief sich in Erinnerung, was sie alles über Kallia Nedrun wussten. Viel war es nicht.
Die Herkunft der Frau lag im dunkeln, und sie konnte sich nicht daran erinnern, wo sie aufgewachsen war. Eine Altersbestimmung ergab, dass sie im Jahr 1149 NGZ geboren sein musste.
Ab und zu, wenn sie sich aufregte oder träumte, redete sie ein paar überhastete Brocken in einer fremden Sprache, die sich nicht entschlüsseln ließen. In den dreißig Jahren an der Seite von Myles Kantor veränderte sich ihr Äußeres nicht. Sie sah mit über sechzig noch immer so jugendlich aus wie damals, als Myles von ES den Zellaktivator, seine neuen Beine und das Galaxis-Stigma auf dem Oberarm erhalten hatte.
Dass Kallia sich genetisch von allen anderen Menschen unterschied, stellte sich erst im Jahr 1212 NGZ heraus. Eines der Spindelwesen verletzte sie schwer. Bei den nachfolgenden Operationen nahmen die Mediziner die Genstruktur ihrer Chromosomen intensiv unter die Lupe und entdeckten in den komplizierten genetischen Informationsträgern einen Aufsatz, den es bei Menschen in dieser Art nicht gab und der sich als Transskriptionsprotein tarnte. Dieser Zinkfinger genannte Aufsatz stellte nach der Vermutung der beteiligten Wissenschaftler und Syntrons ein bestimmtes Programm dar, ohne dass es jemals gelungen wäre, seinen Sinn oder seine Funktion zu entschlüsseln.
Kallia erwachte Jahrzehnte nicht aus dem Koma, unfähig, etwas zur Lösung dieser Fragen beizutragen. Gobert Grifaan gab sich damit zufrieden, den Körper der Frau am Leben zu erhalten und die deprimierenden Besuche von Myles Kantor bei seiner Frau über sich ergehen zu lassen.
Das dauerte bis zu dem Zeitpunkt, als Kallia sich plötzlich aufrichtete, für Augenblicke wach zu sein schien und dann in eine Art Dämmerzustand verfiel, aus dem sie ungefähr ein Jahr später und exakt in dem Augenblick erwachte, als das Heliotische Bollwerk seinen Betrieb aufnahm.
Die Spezial-Medos trafen ein und nahmen ihre Arbeit auf. Sie verfügten über die Daten der damaligen Untersuchungen und setzten exakt dort an, wo man einst die merkwürdige Entdeckung gemacht hatte.
Der Chefarzt der Tradha-Zwölf-Sektion auf Mimas ließ die Roboter suchen, bis es nichts mehr gab, wonach sie noch hätten suchen können.
»Bist du jetzt zufrieden?«, erkundigte sich die Stimme der TLD-Chefin.
Grifaan nickte in seinem SERUN.
»Es gibt keine Spuren eines Zinkfingers oder eines sonstigen genetischen Aufsatzes mehr.«