Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
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Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 1883
Die schiffbrüchige Stadt
Sie sind Bewohner Kalkuttas – und landen im fremden System
von Robert Feldhoff
Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
Seit die Nonggo – gegen den Willen der Menschheit – das Heliotische Bollwerk im Solsystem installiert haben, hat sich für die Terraner einiges verändert: Es kommt zum Kontakt zwischen der Galaxis der Nonggo und der Milchstraße, zu ersten Verhandlungen und zum Austausch wissenschaftlicher Erkenntnisse.
Der Oktober 1289 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, was dem Oktober 4876 alter Zeit entspricht, könnte somit eine neue Epoche in der terranischen Geschichte markieren: weit weg vom Streit zwischen den galaktischen Großmächten, hin zu einer Zusammenarbeit verschiedener Galaxien unter dem Dach der nach wie vor ominösen Koalition Thoregon.
Wie es scheint, gehören die Terraner – verkörpert durch Perry Rhodan – nun zu dieser Koalition, ohne davon viel mehr zu kennen als einige wenige Angaben. Das Konstituierende Jahr, wie es die Nonggo genannt haben, steht bevor; die Heliotischen Bollwerke sind nur ein technisches Beiwerk.
Doch dann läuft aufgrund eines Attentats alles schief. Das Heliotische Bollwerk spielt verrückt, zuletzt vergeht es in einer gigantischen Explosion. Zwei sogenannte Faktorelemente bleiben auf der Erde zurück – im Umfeld von Kalkutta und von Terrania. Das heißt aber, dass die betroffenen Gebiete, auf denen jetzt Faktorelemente stehen, in einer anderen Region des Universums »gestrandet« sind.
Und während die Terraner auf der Erde mit neuen Nachbarn konfrontiert werden, den Dscherro, deren Ziel es ist, die Erde zu tyrannisieren, und denen es gelingt, Terrania zu erobern, beginnt für die Bewohner von Kalkutta-Nord eine ganz andere Art von Existenz. Denn Kalkutta-Nord ist DIE SCHIFFBRÜCHIGE STADT …
Tautmo Aagenfelt – Ein Physiker verirrt sich im System der Nonggo.
Loura Gaikunth – Die Zweite Bürgermeisterin von Kalkutta steht vor ihrer größten Bewährungsprobe.
Nort Dimo – Der Helfer der Bürgermeisterin ist nicht gerade der Schlaueste.
Tyra Ndoram – Die wissenschaftliche Referentin lässt es auf eine Kraftprobe ankommen.
Lentini – Ein terranischer Polizist wird plötzlich wichtig.
Prolog
Marguerita Time
Seine Nachbarin, eine hochgewachsene Schwarzhaarige aus dem Werbefach, gab an diesem Abend eine Party in Terrania. Tautmo Aagenfelt war im Besitz einer Einladung.
Er hatte es nicht leicht bei den Frauen. Solche Gelegenheiten kamen nicht sehr oft. Auf der Gästeliste standen einige weitere Schwarzhaarige, handverlesen, wenn auch nicht alle hochgewachsen. Aagenfelt war bereit, Frauen auch dann zu akzeptieren, wenn sie weniger als einsachtzig groß waren. Hauptsache, ihre Haare besaßen ein tiefes, lichtabsorbierendes Schwarz. Er sah sich als toleranten Mann.
An diesem Abend konnte er nicht zur Party, denn er saß in dieser fernen Galaxis fest.
Fairerweise musste man sagen, er hatte sich freiwillig darauf eingelassen. Wie hätte er auch wissen sollen, dass er niemals wieder nach Hause zurückkehren würde?
*
»… stopp mal, was haben wir denn da?«, murmelte er.
Aagenfelt war nicht in der Lage, dem glitzernden Apparat zu widerstehen. Das schien ihm sehr dumm zu sein, aber er konnte nicht anders.
Auf der Hülle des Apparats gruppierten sich tausend Schaltelemente zu einem verschlungenen Muster. Manche flackerten so unstet wie Glühwürmchen.
In seiner Kindheit hatte er oft mit einem technischen Baukasten gespielt. Daran fühlte er sich jetzt erinnert. Einmal hatte er ein Gerät zusammengestöpselt, das optisch eine Menge hermachte; seine Eltern hatten damit angegeben, wenn Besuch von Verwandten kam. »Seht mal, der kleine Tautmo. Der wird mal ein berühmter Physiker. Was ist er doch für ein geschickter Kerl!« In Wahrheit hatte das Gerät nie die geringste Funktion gehabt. Er hatte es einfach nur gebaut, um es blinken zu lassen und damit es protzig aussah.
Genauso protzig wie das Ding, an dem seine Blicke klebten.
Aagenfelt hatte eine Schwäche für glitzerndes Zeug. Er musste jedoch bedenken, dass der Apparat kein Menschenprodukt war, sondern das Erzeugnis einer fremden Galaxis.
Der Korridor führte noch hundert Meter weiter nach vorn. Dahinter lag die Stadt der Nonggo, deren Name Kenteullen lautete. Aagenfelt war gespannt auf Kenteullen. Einen Teil davon hatte er bereits gesehen, das meiste jedoch nicht. Sie hatten nur noch eine Stunde Zeit, bis das Feld sie wieder nach Hause transportieren würde. Er hoffte, dass das Heliotische Bollwerk zuverlässig seine Arbeit tat.
Aagenfelts Herz klopfte. Finger weg von fremden Sachen, so etwas kriegten schon Kinder beigebracht.
Er gehörte bestimmt nicht zu den Mutigen. So gesehen war es eine Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet er sich in dieser Hauptstadt der Nonggo wiederfand, Millionen Lichtjahre von zu Hause entfernt.
Doch er war ja nicht allein. Die anderen waren ganz nahe, die ganze Delegation, Myles Kantor und Bré Tsinga und die Diplomaten. Ihre Nähe gab Aagenfelt Sicherheit.
Den Apparat hatten sie wahrscheinlich übersehen, weil er halb verdeckt in der Nische stand. Oder sie interessierten sich nicht für blinkende Geräte, das schien ihm ebenfalls denkbar zu sein. Vielleicht hatten sie als Kinder nicht mit Baukästen gespielt.
Er fühlte sich wie ein Kaufhausdieb. Gestohlen hatte Aagenfelt natürlich nie, doch das sichere Gefühl, etwas Falsches zu tun, übte eine magische Anziehungskraft aus.
Mit zwei Schritten verschwand er in die Nische. Das Unbehagen, von fremder Technik und fremden Wesen umgeben zu sein, wich hemmungsloser Neugierde.
»… kommt, so kommt doch weiter …«
Da gingen sie, Myles Kantor und die anderen, mit ihnen die Delegation aus Nonggo-Diplomaten. Die Schritte der Terraner klangen gegen das elegante Schreiten der Nonggo plump und militärisch. Er konnte sie leicht auseinanderhalten.
Die Nonggo machten einen freundlichen Eindruck. Aagenfelt fühlte sich zu den spindeldürren Aliens hingezogen; sie strahlten eine bestimmte Eleganz und Würde aus, die er mochte. Ihre Stimmen und ihre Schritte wurden leiser. Er würde sie wieder eingeholt haben, bevor sein Fehlen jemandem auffiel.
Aagenfelt streckte die Finger aus. Auf den ersten Blick konnte er weder die Funktionsweise noch den Sinn der Apparatur erkennen.
Er berührte einen filigran geformten Schalter, einfach nur um festzustellen, wie sich das Material anfühlte. Nichts passierte.
Plötzlich musste er lachen. Tautmo Aagenfelt, du Dummkopf! Lauf zurück, bevor dich keiner mehr wiederfindet. Bevor du hier in dieser Nische verhungerst.
Andererseits, wozu hatte man ihn mitgenommen? Es war der Abend des 4. Oktober, jedenfalls auf der Erde – und wenn Tautmo Aagenfelt auf eine Party mit seiner Nachbarin verzichten musste, dann verlangte er dafür einen Gegenwert.
Wäre er nicht neugierig gewesen, man hätte ihn besser zu Hause gelassen. Er war Physiker, und zwar einer von den besseren. Seine Neugierde schien ihm mit einemmal halb so schlimm. So gesehen tat er exakt das, was man von ihm erwarten durfte: Er schaute sich um.
»Tautmo! Wo ist Tautmo?«, meinte er jemanden rufen zu hören.
Er murmelte: »Jaja. Ich komme ja schon …«
Als er über die fremden Tastaturen strich, löste sich aus einer Düse ein feiner blauer Strahl.
Aagenfelt spürte den Strahl nicht. Er bemerkte jedoch die Folgen.
*
Es passierte in einem winzigen Augenblick, während er mit den Wimpern schlug. Eine seltsame, knisternde Spannung verteilte sich über jeden Quadratzentimeter Haut. Aber nur außen, als sei sein Körper ein Faradayscher Käfig. Und dann entlud sich die Spannung in einem ziehenden Schmerz.
Aagenfelt fühlte sich an einen Transmittertransport erinnert. Für ihn war das ein wenig angenehmes Erlebnis. Er hatte Transmitter immer gehasst, weil er das Gefühl nicht leiden konnte, dass er für den Bruchteil einer Sekunde keinen Körper mehr besaß.
Der glitzernde Apparat war verschwunden. Die Nische, in der er gestanden hatte, existierte nicht mehr. Von den Stimmen der Delegation hörte er keinen Ton.
An was für einem Ort er sich befand, konnte Aagenfelt nicht sagen.
Er versuchte, sich zu bewegen, aber es funktionierte nicht. Seine Stiefel steckten anscheinend in einer zähen, saugenden Masse fest. Die Masse reichte ungefähr knöcheltief. Das schlimmste war, er konnte nichts mehr sehen. Anstelle der Menschenstimmen, die sich entfernten, umfing ihn ein Teppich aus glucksenden Geräuschen.
Tautmo Aagenfelt hatte Angst im Dunkeln. Als Kind hatte er einmal zwei Tage in einer zugesperrten, dunklen Kammer verbracht. Das Schloss war damals von außen zugefallen, und niemand war gekommen, der sich um den kleinen Tautmo gekümmert hätte.
Eingesperrt wegen der süßen Bonbons. Vierzig Jahre her. Als ich noch die ganzen Haare hatte und Milchzähne und einen flachen Bauch.
Er verlor die Orientierung und fing leise zu wimmern an. Aagenfelt wusste, dass er sich wie ein dummes Kind verhielt, doch er konnte sich nicht dagegen wehren.
Aus der Dunkelheit tauchte ein monochromes rotes Laserlicht. Das Licht wanderte auf ihn zu. Aagenfelt wollte wegrennen, aber er bekam seine Stiefel nicht aus dem Schlamm heraus.
Durch seinen Kopf schossen zehn Gedanken zur selben Zeit; einer davon: Du trägst einen SERUN, Tautmo. Aktiviere den Schutzschirm. Benutze das Flugaggregat.
Er konnte sich jedoch nicht bewegen. Es war ihm nicht möglich zu sprechen, dazu hätte er zuerst mit dem Wimmern aufhören müssen.
Die ganze Zeit überlegte er, ob das rote Laserlicht tödlich war oder nicht.
Der kleine Elefant
Loura Gaikunth war die Zweite Bürgermeisterin von Kalkutta. Und sie konnte sich nicht erinnern, wann sie jemals so in Schwierigkeiten gewesen war.
»Still, Kleiner … ganz ruhig …«
Ihr Haustier war ein indischer Elefant, ein Kerlchen namens Matoto. Matoto witterte die Gefahr, noch bevor sie akut wurde.
Sein Trompeten hörte sich kläglich an, er reckte den Rüssel nach oben und blickte unruhig Loura an.
Sie tätschelte ihm den Kopf. Matoto mochte das, besonders an den dünnen grauen Ohren, die mit den Jahren rissig geworden waren.
An diesem Tag ließ er sich jedoch nicht beruhigen. Matoto wollte sie eindeutig warnen. Wie hätte er auch wissen sollen, dass man vor der Gefahr nicht davonlaufen konnte; dass es nicht reichte, aus der Bürgermeisterei nach Hause zu fliehen?
Man hätte schon ein Raumschiff haben müssen. Aber Loura besaß keines, und wenn, sie hätte es ganz sicher nicht mehr rechtzeitig erreicht.
Die letzten indischen Urelefanten waren im 25. Jahrhundert praktisch ausgerottet worden, während der großen Dolan-Offensive. Matoto entstammte einem genetischen Zuchtprogramm der Neuzeit. Nach Indien gehörten einfach Elefanten, hatten sich die Bewohner der Region gesagt. Seit fünfzig Jahren gab es wieder welche – allerdings in stark verkleinerter Form. Der indische Elefant der Gegenwart wurde gerade einen halben Meter groß und erreichte ein Alter von bis zu dreißig Jahren.
Matoto war schon sehr alt, und es war nicht leicht, ihn aus der Ruhe zu bringen. Sein Instinkt funktionierte jedoch mit untrüglicher Sicherheit. Loura nahm sein dünnes Trompeten ernst.
Im Trivideo lief TNR, der Nachrichtensender, mit einer Übertragung aus der Trokan-Bahn. Es sah ganz so aus, als spiele das Heliotische Bollwerk verrückt. Was genau passierte, ließ sich aus der Distanz schlecht beurteilen. Zweite Bürgermeister wurden ungefähr so gut informiert wie Gärtner oder Techniker. Womit Loura nichts gegen Gärtner oder Techniker gesagt haben wollte, sondern lediglich gegen die Praxis der Information.
In ihrem Magen breitete sich ein unangenehmer Druck aus.
Sie ahnte, dass eine Fehlfunktion des Bollwerks sehr gefährlich werden konnte. Auch wenn das Ding sich in vielen Millionen Kilometern Entfernung bewegte.
Ein Heliotisches Bollwerk war eine Art Super-Transmitter, der ganze Stadtteile von einer Galaxis in die andere versetzte. Das entsprechende Areal war immer an die dreißig Kilometer lang, rund zwanzig Kilometer breit und 7,5 Kilometer hoch. Sie wusste das alles aus den Nachrichten. Sollte ein Gebiet versetzt werden, so wurde es in eine graue, nebelhafte Wand eingehüllt. Diese Wand nannte man Faktordampf-Barriere.
Im Augenblick gab es überall im System solche Barrieren zu sehen, und das war nicht mehr und nicht weniger als eine Katastrophe.
»Was geht da vor?«, fragte eine unsichere Stimme von hinten.
Loura Gaikunth drehte sich nicht um. Sie gab keine Antwort.
»Loura! Ich wüsste wirklich gern, wieso du …«
»Halt die Klappe, Dimo!«
»Aber Loura, ich …«
»Still! – Und das gilt auch für dich, Matoto!«
Mit dem Zeigefinger drohte sie ihrem Elefanten, der darauf den Rüssel folgsam hängenließ.
Einen Moment schaute sie nach hinten. Nort Dimo war ein grobschlächtiger Kerl mit abstehenden Ohren und einem hässlichen Gesicht. Er half ihr im Büro. Natürlich hätte sie sich auch von einem Roboter helfen lassen können, aber Dimo hatte Freude an der Sache, weil es für Leute unterhalb eines gewissen Intelligenzquotienten nicht viel zu tun gab. Außerdem verstand sich Dimo mit Matoto gut; so etwas förderte das Arbeitsklima.
Dass sie ausgerechnet Nort Dimo so angefahren hatte, tat ihr leid. Er hätte ja nur den Mund zu halten brauchen.
Loura winkte flüchtig nach hinten, dann konzentrierte sie sich wieder auf die Nachrichten.
»… spricht Gloom Bechner aus der Trokan-Bahn! Macht euch selbst ein Bild, Terraner! Seht, was die Unsterblichen uns eingebrockt haben, seht das Heliotische Bollwerk! Wenn das so weitergeht, finden wir uns alle bald in fremden Galaxien wieder. Oder mitten in der Hölle, wer kann das wissen? – Stopp mal! Wir bekommen gerade die aktuellen Daten herein …«
Das Gesicht des Reporters verschwand für einen Moment. Loura glaubte noch, ihn erbleichen zu sehen, dann nahm die Reportage sie wieder gefangen.
TNR kam mit den Meldungen gar nicht nach. Die Erde, Trokan, der Mond, jeder konnte von einer Faktordampf-Barriere betroffen sein. Daran zeigte sich die Fehlfunktion des Bollwerks.
Solange sich die Barriere stets nach wenigen Sekunden wieder auflöste, gab es keinen Grund zur Sorge. Schlimm würde es erst, wenn die Barriere einmal stabil blieb. Denn das, so wusste Loura, konnte bedeuten, dass das betreffende Gebiet unkontrolliert in eine ferne Galaxis versetzt wurde.
Der Trivideo-Kubus erlosch mit einemmal.
»Loura, ich …« Diesmal verstummte Nort Dimo von allein.
Sie drehten beide wie in Zeitlupe die Köpfe. Der strahlend blaue Himmel, der Kalkuttas Norden überspannt hatte, bedeckte sich mit einem dumpfen, nebelhaften Grau, durch das nicht mehr fiel als ein gelber Schimmer.
Die zwei Menschen fühlten sich plötzlich wie in einem Fahrstuhl oder wie in einem Antigravschacht, wenn es mit großem Tempo abwärts ging. Loura hatte sich einige Male in Raumschiffen aufgehalten; deshalb kannte sie sich mit wechselnden Schwerkraftverhältnissen ein bisschen aus.
Matoto trompetete in heller Panik.
Sie holte den Kleinen zu sich hoch auf den Schoß, obwohl der Elefant ein schwerer Brocken war. Auf dem Schoß fühlte er sich am wohlsten.
»Keine Angst, Kleiner, ich bin ja bei dir.«
Die Zweite Bürgermeisterin schätzte, dass die Schwerkraft von einer Sekunde zur anderen auf 0,7 Gravos gesunken war. Das entsprach einer Reduzierung um ein Drittel.
»Wo kommen denn die Wolken her?«
»Das sind keine Wolken, Dimo«, sagte sie tonlos.
O Gott, lass es wieder verschwinden, dachte sie. Eine Sekunde, zwei, drei, vier. Jetzt sind es schon fünf.
Die Faktordampf-Barriere. Nun war sie da.
Loura wusste nicht genau, was das bedeutete. Wichtig schien ihr nur, dass der Himmel endlich wieder klar wurde und dass man durch das Bürofenster der Bürgermeisterei die Sonne über Kalkutta wieder sehen konnte.
Sie wartete. … 28, 29, 30, zählte sie in Gedanken.
Vielleicht täuschte sie sich auch. Vielleicht waren es noch keine dreißig Sekunden, sondern sehr viel weniger.
Das fruchtbare Hinterland der Stadt war verschwunden. Die restlichen Stadtteile, wo waren sie? Der Raumhafen Dum-Dum, vor dreitausend Jahren aus dem gleichnamigen Flughafen hervorgegangen, lag irgendwo jenseits der Nebel.
Irgendwo im Dampf.
Loura Gaikunth schluckte ein paar Mal. In ihrem Kopf rotierte ein imaginäres Zifferblatt. Der rote Schimmer im Grau, der den Hauch von Gelb plötzlich ersetzt hatte …
Woher stammt der? Keine Ahnung.
»Jetzt sind es schon fünf Minuten, Loura«, wagte Nort Dimo nach einer Weile zu bemerken. Er hatte wohl Angst, dass sie ihm noch einmal über den Mund fuhr.
»Wirklich, Nort? Fünf?«
Dimo wurde rot. Er schaute auf das Chronometer an seinem Handgelenk. Seine Augen waren zusammengekniffen, als ob er Schwierigkeiten mit dem Ablesen der Zahlen hätte. »Äh … Na, ich glaube …«
Da wusste sie, dass keiner der Götter ihr Stoßgebet erhört hatte. Weder der christliche noch Shiwa, Indra, Brahma oder sonst wer. Kalkutta steckte im Inneren einer Faktordampf-Barriere. Der Himmel mochte wissen, an welchen Ort es sie verschlagen hatte und in welches Universum. Das war es, was sie mit Schwierigkeiten meinte.
Matoto beruhigte sich wieder.
Die Gefahr schien für den Moment vorbei zu sein, doch sie wusste nicht, ob sie darüber wirklich froh sein sollte.
*
»Du bist doch die Zweite Bürgermeisterin, Loura«, sagte Dimo. »Ruf in Terrania an und frag nach, was das bedeutet.«