Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
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Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 1888
Drei gegen Gousharan
In der Burg Dscherro – Siganesen als Jäger und Gejagte
von Hubert Haensel
Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
Nachdem die Nonggo – gegen den Willen der Menschheit – das Heliotische Bollwerk im Solsystem installiert haben, kommt es zum ersten offiziellen Kontakt zwischen Gorhoon, der Galaxis der Nonggo, und der Milchstraße. Der Oktober 1289 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, der dem Oktober 4876 alter Zeit entspricht, könnte eigentlich eine neue Epoche in der terranischen Geschichte markieren: weg vom Streit zwischen den galaktischen Großmächten, hin zu einer Zusammenarbeit verschiedener Galaxien unter dem Dach der Koalition Thoregon.
Doch dann läuft alles schief. Das Heliotische Bollwerk spielt verrückt, zuletzt vergeht es in einer gigantischen Explosion. Zwei sogenannte Faktorelemente bleiben auf der Erde zurück – im Umfeld von Kalkutta und von Terrania. Das heißt, dass die betroffenen Gebiete, auf denen jetzt Faktorelemente stehen, in einer anderen Region des Universums »gestrandet« sind.
Kalkutta-Nord kommt im Teuller-System heraus, der Heimat der Nonggo. Dort werden die Terraner zuerst mit den Aktivitäten konfrontiert, die der Chaosmacher von Norrowwon im System der Nonggo entfesselt. Im letzten Moment kann die Lage durch Perry Rhodan bereinigt werden, die Kalkuttani sind nunmehr in Sicherheit.
Wo der verschwundene Teil Terranias »gelandet« ist, weiß bislang niemand; zum Ausgleich verstecken sich im Faktorelement in der terranischen Hauptstadt die barbarischen Dscherro. Es gelingt den Dscherro-Kriegern, Terrania zu erobern; für die Menschen in der Megalopolis beginnt eine Zeit der Leiden.
Ein Einsatzkommando der Siganesen versucht, in die Burg der Dscherro einzudringen. Es kommt zum Kampf: DREI GEGEN GOUSHARAN …
Domino Ross – Der siganesische Draufgänger nimmt es mit einem Serofen auf.
Arno Wosken und Rosa Borghan – Zwei kleine Menschen beim Vorstoß in die Dscherro-Burg.
Loran Misky – Der gefangene Terraner will nur noch überleben.
Tschoch – Der Serofe der Dscherro wird zum Spielball.
Fellokk – Der Anführer der Dscherro-Krieger wittert Verrat.
Seit wenigen Minuten riss der Kampflärm nicht mehr ab; anhaltender Donner rollte durch die Straßenschluchten und brach sich zwischen den Ruinen. Dazu kam das nervenzermürbende Knattern der Fahrzeuge, mit denen die Gehörnten Menschen jagten.
Gehetzt blickte Loran Misky um sich; er wollte gar nicht wissen, was draußen geschah. Nur weg von hier, fort aus Terrania City, das zur Stadt des Todes geworden war.
»Nun mach schon, Mike! Wann schaffst du es endlich?«
Seine Stimme bebte vor Furcht. Er war durchgeschwitzt, das Haar klebte in fettigen Strähnen in der Stirn, und immer fahriger wischte er sich mit dem Unterarm den Schweiß aus den Augen. Er hatte einen Fehler gemacht, hatte einen Dscherro erschossen, aber dafür büßen, nein, das wollte er nicht.
»Mike …! Beeil dich!«
»Sei still, Misky, oder ich …«
Loran Misky wuchtete seine zwei Zentner Lebendgewicht herum – bei einer Größe von einsfünfundsiebzig war er durchaus füllig zu nennen – und richtete den erbeuteten Strahler auf den Transmittertechniker. »Du willst, dass uns die Dscherro kriegen«, keuchte er. »Was haben sie dir dafür versprochen, hä? Aber mit mir machst du das nicht, Mike, nicht mit mir …«
Aus den Augenwinkeln heraus registrierte er eine Bewegung und wich gerade noch rechtzeitig aus. Dem jungen Burschen, der versucht hatte, ihm die Waffe wegzunehmen, rammte er den Lauf in den Bauch.
»Bleibt mir vom Leib!«, heulte er. »Ich könnte euch alle erschießen, alle. Dann hätten die Dscherro weniger Mühe.«
Keine der acht Personen, die außer ihm in dem Warenlager Zuflucht gesucht hatten, interessierte ihn. Nur der Transmitter. Es war ein einfaches Modell, für Warentransporte gedacht und in der Kapazität nur für jeweils zwei Personen ausgelegt, doch im Augenblick verhieß er die Rettung.
Ein halb transparenter Formenergieausschnitt in der Außenwand ermöglichte den Blick auf den Canopus Boulevard, bis vor kurzem eine der Prachtstraßen Terranias, jetzt ein Trümmerfeld, übersät mit den Überresten der eingestürzten Hochstraßen und ausgeglühten Gleiterwracks. Leichen hatte Loran Misky auch gesehen – und genau in dieser Sekunde war etwas in ihm zerbrochen.
Leben wollte er, nicht so elend verrecken wie die da draußen, wie … Die Schatten der großen kegelstumpfförmigen Fahrzeuge der Dscherro senkten sich herab. Nachdem von irgendwoher wieder Terraner aus ihren Verstecken gekrochen waren …
»Nein!«, krächzte Misky, als eine Frau sich anschickte, die Formenergiebarriere abzuschalten. »Die Menschen sollen verschwinden! Wir sind schon zu viele hier drin.« Mit der Waffe in der Hand bestimmte er, herrschte er über Leben und Tod. Endlich spürte Loran die Macht, der er sein Leben lang nachgejagt war. Immer war er nur zweite Wahl gewesen, hatte nie das Glück gehabt wie andere … »Weg von den Schaltungen, verdammt! Sonst haben wir in ein paar Sekunden die Dscherro am Hals.«
Ein Energienetz senkte sich auf den Boulevard herab, hüllte die Fliehenden ein und ließ ihnen keine Chance.
»Die Justierung greift!«
Endlich! Misky fragte nicht, zu welcher Gegenstation das Gerät geschaltet war, das war ihm völlig egal. Nur fort aus der Hölle Terrania.
Die Freigabekontrolle flammte auf. Ein wirres Grinsen auf den Lippen, hielt Misky die anderen in Schach. »Der Reihe nach!«, bestimmte er. »Erst ich – dann ihr.«
Das Entstofflichungsfeld baute sich auf. Bevor Misky reagieren konnte, sprang der Transmittertechniker nach vorne.
»Du Ar…« Der Aufschrei gefror Loran Misky auf den Lippen. Schlieren verwirbelten das energetische Muster, eine dräuende Schwärze, als wäre plötzlich die Ewigkeit sichtbar. Oder der Hyperraum?
Der Techniker entmaterialisierte nicht, um im Empfangsfeld Atom für Atom wieder zusammengesetzt zu werden, er wurde einfach durchscheinend, seine Haut, die Organe, die Knochen, und je mehr die Schwärze um sich griff, desto weiter drückte ihn eine unsichtbare Kraft zusammen. Der Mann verformte sich, war nach Sekunden nur noch ein Zerrbild – und verschwand, als das Transmitterfeld flackernd erlosch.
Loran Misky stand mit offenem Mund da, unfähig zu begreifen, was geschehen war. Er wusste nur, dass er den Dscherro nicht mehr entkommen konnte. Die entsetzlichsten Gerüchte kursierten über die Gehörnten; es hieß, dass sie ihre Gefangenen folterten und auffraßen.
Eine Explosion in nächster Nähe ließ den Untergrund beben, unmittelbar darauf wälzte sich eine Rauchwolke über den Canopus Boulevard. Wie Giganten einer anderen Welt brachen die Dscherro aus dem Qualm hervor.
»Die Formenergie abschalten!«, brüllte Misky mit sich überschlagender Stimme. »Macht doch! Schnell!«
Er unterstrich die Forderung mit einem Thermoschuss gegen den ohnehin nutzlos gewordenen Transmitter. Es war also wahr, dass die Gehörnten energetische Vorgänge stören konnten. Er würgte, schaffte es nicht, das heiße Drängen in seinem Magen zu ignorieren.
Der Schweiß brannte wie Feuer in den Augen. Speichel tropfte aus seinen Mundwinkeln. Misky war das egal. Nur noch Panik beherrschte ihn.
»Raus mit euch!« Herrisch winkte er mit der Waffe. »Oder soll ich euch Beine machen?«
Die Kinder weinten, die Frauen wollten aufbegehren, doch sein Blick ließ sie sofort wieder verstummen.
Die Dscherro kamen näher, als Misky als letzter den Lagerraum verließ. Achtlos warf er den Strahler weg und riss die Arme hoch über den Kopf.
»Ich habe euch Gefangene gebracht«, keuchte er. »Ich erzähle euch alles, was ihr wissen wollt, alles – aber lasst mich am Leben.«
»Jammerlappen!« Eine der Frauen spuckte ihm ins Gesicht. Bevor ihre Fingernägel ihm jedoch ein bleibendes Andenken verpassen konnten, schnürte ein Fangnetz die kleine Gruppe Verzweifelter so eng zusammen, dass keinem mehr Freiheit blieb, als er zum Atmen brauchte.
Aber doch nicht mich, schoss es Loran Misky durch den Sinn. Ich helfe euch doch, ihr könnt mich nicht so einfach mit dem Pack davonschleppen. Nicht mich …
*
Von einer Sekunde zur anderen fielen Cistolo Khan vor Erschöpfung die Augen zu. Szenen aus Terrania waren auf den Monitoren zu sehen – schreckliche Bilder, die miterleben ließen, wie die vor Tagen noch stolze City von den Dscherro überrannt wurde. Nichts konnte die Gehörnten aufhalten; die terranischen Truppen standen auf verlorenem Posten, ihre Rückzugsmeldungen häuften sich.
»Uns bleiben nur noch Verhandlungen.«
Der LFT-Kommissar schreckte auf, blinzelte und wischte sich mit einer Hand über die Augen. Sein Blick heftete sich auf den Mann, der von Verhandeln sprach.
»Wurden Forderungen gestellt?«
»Das ist wohl nur noch eine Frage der Zeit.«
Wenig war von Khans Elan und Charisma geblieben. Die dunklen Bartschatten ließen sein Gesicht kantig erscheinen, ausgemergelt beinahe, und das wirr auf die Schultern fallende Haar verstärkte den Eindruck noch. Niemand wäre auf die Idee gekommen, in diesem Zwei-Meter-Mann die derzeit wichtigste Führungsperson der LFT zu sehen.
»Wir müssen sie aufhalten!« Das klang wie ein Schwur. Atlan sah, dass Khan die Fäuste verkrampfte, dass seine Wangenknochen kantig hervortraten und ein wildes Feuer in seinen Augen loderte. »Wir werden die Stadtteile abriegeln, in denen die Dscherro hausen, die Raumer müssen Schirmfelder projizieren und …«
Mehrere Schirme wurden dunkel. Kein Kontakt mehr zu den Truppen nordwestlich des Karakoto-Rings in der Aldebaran Area. Zweitausend Mann und ebenso viele Kampfroboter waren dort aufmarschiert, um den Fremden Widerstand zu leisten. Vergeblich, wie es schien.
Einsatz von Tokchern, erschien eine syntronische Einblendung.
Die Waffenarsenale der Dscherro machten es den Verteidigern schwer, Widerstand zu organisieren. Zumal der Einsatz schwerster Waffen zumindest auf terranischer Seite ausgeschlossen blieb; das war schon eine moralische Verpflichtung der Bevölkerung gegenüber.
Tokcher wurden die dreißig Zentimeter durchmessenden fliegenden Minen genannt, die elektrische und hyperfrequente Quellen anpeilten und bei ihrer Explosion den Betrieb von Funkgeräten ebenso nachhaltig störten wie Transmittersendungen und Schutzschirme.
»Vielleicht«, bemerkte Atlan leise, »sollten wir den Dscherro bald ein Verhandlungsangebot unterbreiten.«
Khan wirbelte herum. Ungehalten blickte er den unsterblichen Arkoniden an; schien nicht glauben zu können, was er eben gehört hatte. Terrania aufgeben, vor Invasoren kuschen, die nichts weiter zu sein schienen als brutale Plünderer, denen frühere Erfolge zu Kopf gestiegen waren – niemals!
»Ich meine es ernst«, bekräftigte Atlan.
Khan biss sich die Unterlippe blutig. Betretenes Schweigen herrschte im Hauptquartier der Verteidigung, ein Dutzend Augen und mehr hatten sich auf ihn gerichtet. Die Anspannung der Männer und Frauen war deutlich zu spüren. Jeder hatte Freunde oder Verwandte in Terrania und wusste nicht, was mit ihnen geschehen war, ob sie überhaupt noch lebten. Die Sicherheitsüberwachung der meisten Wohnungen durch die lunare Syntronik NATHAN hatte ein jähes Ende gefunden.
Der LFT-Kommissar bebte, als er sich dem Arkoniden zuwandte. »Ich hoffe, du hast gewichtige Gründe für deinen Vorschlag.« Seine Stimme klang kalt. »Wenn die Dscherro sehen, dass sie uns kriegen, werden ihre Forderungen in astronomische Höhen emporschnellen. Ich will Terra nicht an diese Banditen verschachern, damit das klar ist.«
»Ihre Forderungen werden horrend sein.« Atlan nickte. »Aber wir gewinnen dabei Zeit. Einen Tag, vielleicht sogar zwei oder drei.«
»Natürlich – falls deine Siganesen erfolgreich sind, hilft uns das weiter. Falls nicht …« Cistolo Khan hob die Schultern und ließ sie langsam wieder sinken.
»Falls nicht, hat eine Atempause manchen das Leben gerettet oder ihnen eine Chance gegeben, sich in Sicherheit zu bringen. Sollte es das nicht wert sein, eine vermeintliche Schwäche zu zeigen?«
Khan blickte forschend in die Runde. Er sah müde Gesichter, nur in wenigen Augenpaaren schlummerte noch Hoffnung.
»Insgesamt fast neunzig Millionen Personen haben ihre Wohnungen verlassen und in der Regel nur mitgenommen, was sie am Leib trugen«, fasste er zusammen. »Die Vororte sind geräumt, sind Geisterstädte, in denen Roboter patrouillieren, um Plünderungen zu verhindern. In Terrania selbst haben einige Millionen Menschen und Galaktiker die Chance nicht mehr nutzen können, sich in Sicherheit zu bringen. Viele haben sich verbarrikadiert, andere führen Partisanenkämpfe. Aber das sind Einzelfälle, und Mut und eine Handvoll Waffen ersetzen keine Kampferfahrung. Unsere regulären Truppen haben Befehl, jeden auszufliegen, den sie aufspüren.«
»Abgesehen davon halten die Dscherro in den Straßen und Ruinen immer noch rund eine Million Geiseln gefangen«, erinnerte Atlan mit Nachdruck.
Das gab den Ausschlag. Cistolo Khan begann zumindest zu überlegen, ob er ein Verhandlungsangebot an die Invasoren formulieren sollte.
*
Ungefähr zur selben Zeit strahlte Domino Ross einen weiteren Kurzimpuls an die bei der Faktordampf-Barriere zurückgebliebenen Siganesenroboter ab. Der gesamte Bildspeicherinhalt seines SERUNS wurde übermittelt.
In schweißtreibender Justierarbeit hatte Arno Wosken zwei weitere Schirmfeldaggregate der Dscherro-Burg Gousharan manipuliert. Es war schwierig genug gewesen, die Projektoren so zu verändern, dass sie Strukturlücken in Nanosekundenintervallen öffnen konnten, ohne dass dies an zentraler Stelle als Ausfall registriert wurde. Die Koppelung an einen niederfrequenten Sender siganesischer Bauart gewährleistete die exakte zeitliche Abstimmung.
Der Schutzschirm um die Burg war das erste Hindernis, wenn es darum ging, Atlan und Cistolo Khan zu informieren. Ebenso mussten später für die beiden Mini-Transmitter Strukturlücken geschaffen werden.
Das zweite Hindernis war die Barriere, die das Faktorelement als Nebelwand umgab und Energien so stark streute, dass weder Ortungen noch Waffen wirkungsvoll eingesetzt werden konnten. Paul und Paula, die beiden Siganesenroboter, hatten empfangene Sendungen durch die Barriere zu transportieren und von außerhalb weiterzuleiten. Eine umständliche Lösung, aber die einzig praktikable.
Lustlos kaute Arno Wosken auf einem Konzentratriegel. Er schaute erst Domino an, dann Rosa Borghan, und schließlich glitt sein Blick zurück.
»Nach der Anstrengung brauchte ich eigentlich was Vernünftiges zwischen die Zähne. Ein Oxtorne-Schnitzel wäre das richtige.«
Domino Ross zeigte ein spöttisches Grinsen. »Ich glaube nicht, dass dir nach einer Zweijahresration wohler wäre.«
»Ist sowieso alles zum Kotzen!«, schimpfte Wosken. »Wie die Dscherro mit ihren Gefangenen umspringen, das schreit zum Himmel.«
»Es liegt an uns, dem ein Ende zu bereiten.«
Sie hatten sich auf die Ebene über den Verliesen zurückgezogen. Fünfhunderttausend Gefangene, das war eine Zahl, die angst machte. Hunger und Durst würden sie bald ebenso zermürben wie die Folter mit Neuropeitschen oder anderen Instrumenten. Und die ersten Erkrankungen infolge mangelhafter sanitärer Einrichtungen waren bei den hygienisch verwöhnten Terranern wohl nur eine Frage der Zeit.
Die Siganesen hatten entschieden, ihren Stützpunkt in der Nähe der Gefangenen einzurichten. Nicht zu nahe, um die Gefahr zu vermeiden, von Dscherro oder deren Robotern entdeckt zu werden, aber auch nicht zu weit entfernt. Khans Einsatztruppen würden zu gegebener Zeit leistungsstärkere Transmitter mitbringen; keine Frage, dass versucht werden sollte, möglichst viele Geiseln über diese Transmitter in Sicherheit zu bringen. Deshalb war die Ebene über den Verliesen ideal. Auch hier das schon bekannte Labyrinth verschlungener Gänge und großräumiger Gewölbe. Der äußere Eindruck eines stählernen Termitenhügels bestätigte sich im Innern der Burg Gousharan.
Auch hier hatten die Siganesen wieder das weitverzweigte Röhrensystem entdeckt. Viele der schmalen Schächte verliefen in den Zwischendecken und in Hohlräumen zwischen den einzelnen Gewölben.
»Roboter!«, warnte Domino.
Die drei hatten Routine entwickelt, innerhalb von Sekunden unterzutauchen. Ihre elf Zentimeter Körpergröße kamen ihnen dabei zugute. Auf die Deflektorschirme verzichteten sie. Roboter würden vielleicht die schwachen Emissionen der SERUNS orten. Das Risiko war zu groß.
Die Dscherro hatten ihr Heer bunt zusammengewürfelt. Obwohl nur dreißig Kampfroboter diesen Gangabschnitt passierten, zählte Domino Ross sieben verschiedene Formen, angefangen vom Kegelstumpf mit einem halben Dutzend tentakelförmiger Waffenarme bis hin zu einem würfelförmigen Gebilde, dessen blinkenden Sehzellen etwas Anachronistisches anhaftete.
Zweifellos waren diese Maschinen Kriegsbeute, den verschiedensten Völkern abgepresst, und wenn sich nichts Grundlegendes veränderte, würden bald auch terranische Kampfroboter … Domino Ross spürte einen eisigen Schauder – eine der letzten Maschinen zeigte menschliche Körperformen. Zweieinhalb Meter groß, schätzungsweise, mit rundem Schädel, Brustkorb und zylinderförmigem Hüftteil. Neben zwei Gelenkarmen ragten aus der Brustplatte kurze Waffenarme hervor, an der Hüfte war zusätzlich eine altertümliche Handwaffe befestigt – ein Nadel-Impulsstrahler ältester Bauweise, kramte Domino Ross aus seinem Gedächtnis hervor. Glühende Augenzellen drehten unablässig von einer Seite des Korridors zur anderen.
Domino Ross drängte sich enger in die Wandnische, in der er Zuflucht gefunden hatte. Rosa und Arno konnte er von seinem Versteck aus nicht sehen, wohl aber die Rückenbeschriftung des Kampfroboters: TKR-2400/III.
Das war Interkosmo. Vermutlich handelte es sich um ein uraltes Whistler-Modell. Solche Maschinen waren längst verschrottet, einzelne Exemplare standen bestenfalls noch in Museen oder bei privaten Sammlern. Kein Zweifel, die Dscherro hatten den Kampfroboter – als Beute mitgebracht – für ihre Zwecke umprogrammiert.
»Bald kämpfen unsere Truppen gegen die eigenen Roboter«, murmelte Domino im Selbstgespräch.
»Du hast ihn also auch gesehen?« Arno Wosken hatte sein Versteck wieder verlassen, als die Roboter hinter einer Abzweigung verschwunden waren.
Domino nickte knapp. Suchend blickte er um sich. »Wo ist Rosa?«
»Sie kann nicht weit weg sein.«
»Rosa!« Halblaut rief Domino Ross den Korridor entlang.
Da er keine Antwort erhielt, aktivierte er den Helmfunk. Reichweite auf Minimum. Nichts.
»Keine Blutspuren«, sagte Arno Wosken. »Die Roboter haben sie jedenfalls nicht …«
»Noch ein Wort, und du verschluckst deine Zähne.« Ross drohte mit der Faust. Dass Arno hin und wieder das Gemüt eines Schlachtermeisters entwickelte, war allgemein bekannt, aber im Moment denkbar fehl am Platz.
»Wo stand sie, als die Roboter kamen?«
Das war knapp zwei Meter entfernt gewesen, vor einer Wand, die keine Nischen bot, nichts, was Rosa Gelegenheit gegeben hätte, sich zu verbergen. Und so unvorsichtig, in Gegenwart der Roboter ihr Flugaggregat zu aktivieren, wäre sie nie gewesen.
Unvermittelt legte Wosken den Kopf schräg, schien zu lauschen.
»Was ist?«
»Ich weiß nicht. Ein Klopfgeräusch – möglicherweise.«
Sie waren umgeben von einem steten Geräuschpegel, den sie schon weitgehend nicht mehr wahrnahmen; Boden und Wände übertrugen das Dröhnen von Energieerzeugern und anderen Maschinen. Selbst in terranischen Hochhäusern herrschte nie völlige Stille, es sei denn, Dämpfungsfelder wie in Ruhe- und Erholungsräumen wurden aktiviert.
»Das kommt von unten«, behauptete Wosken.
Unter ihnen war fester Boden, grobporiger Belag wie überall. Aber … Ross fragte sich plötzlich, ob er nicht vor wenigen Minuten eine andere Struktur gesehen hatte.
»Du bist im Zweifel?« Wosken ließ sich in die Hocke nieder und fuhr prüfend mit den Händen über den Belag. Einer Eingebung folgend, zog er seinen Strahler und klopfte mit dem Kolben der Waffe auf das raue Material. »Der Boden hat sich verändert«, behauptete er.
Domino Ross suchte nach einer Fuge, die wenigstens die Abgrenzung des veränderten Teilstücks verriet. Er fand einen kaum einen halben Millimeter breiten Spalt.
»Erhöhte Energiewerte«, machte ihn der Servo aufmerksam. »Unterhalb existieren Hohlräume und eine freie Energieform.«
Rosa antwortete nicht über Funk. Aber die Klopfzeichen schienen drängender zu werden, oder war es nur, weil Domino und Arno die Akustiksensoren auf höhere Empfindlichkeit justierten?
Dscherro hasteten vorüber. Sie bemerkten die Siganesen nicht, die im Schutz ihrer Deflektorschirme weiterarbeiteten. Mittlerweile waren Rosas Klopfzeichen verstummt. Zwei Überbrückungsschaltungen, in den Trennspalt eingeführt, sorgten dafür, dass der Boden sich in einem Feld von zwanzig mal zehn Zentimetern auflöste. Er bestand hier nur aus Formenergie.
Rosa stand einen halben Meter tiefer und blickte ihnen entgegen. »Der Raum hier unten ist weitgehend abgeschirmt«, sagte sie. »Ich weiß nicht, welchen Kontakt ich ausgelöst habe, dass ich hierhergelangt bin – aber seht euch das an! Alles wie für uns geschaffen.«
*
Um Rosas Mundwinkel zuckte es verhalten. Silbrig schimmerten die in ihrem Haar verknüpften Howalgoniumfäden, die wie Locken vor ihrer Stirn hingen. Dahinter war die Haut aufgeschürft und blutig, die Stirn bis zur rechten Augenbraue begann sich dunkel zu verfärben. Sie hatte ziemlich heftig »herausgefunden«, was sich unter dem Boden verbarg.