Cover
Nr. 1800 – Zeitraffer
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 1801 – Die Herreach
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 1802 – Stiefkinder der Sonne
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 1803 – Der Riese Schimbaa
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 1804 – Kampf ums Überleben
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 1805 – Arsenal der Macht
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 1806 – Der Mutant der Cantrell
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 1807 – Die Haut des Bösen
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 1808 – Landung auf Lafayette
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 1809 – Hetzjagd durch den Hyperraum
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Die Hauptpersonen des Romans
Vorspiel
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Nr. 1810 – Der Weg nach Camelot
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 1811 – Konferenz der Galaktiker
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 1812 – Camelot
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Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
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Nr. 1813 – Die Mörder von Bröhnder
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Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
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Epilog
Nr. 1814 – Unter dem Galornenstern
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 1815 – Rätselwelt Galorn
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 1816 – Hüter der Glückseligkeit
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 1817 – Krieger der Gazkar
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 1818 – Testfall Lafayette
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 1819 – Eine Ladung Vivoc
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 1820 – Intrige auf Trokan
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 1821 – Invasion der Igelschiffe
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Nr. 1822 – Die neue Haut
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Die Hauptpersonen des Romans
Dialog 1
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Dialog 2
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Dialog 3
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Dialog 4
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Dialog 5
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Dialog 6
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Dialog 7
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Dialog 8
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Dialog 9
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Dialog 10
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Dialog 11
Nr. 1823 – Regenten der Träume
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 1824 – Zentrum der Zentrifaal
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Nr. 1825 – Kampf um Trieger
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Die Hauptpersonen des Romans
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Epilog
Nr. 1826 – Die Schrottsammler
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 1827 – Flucht durch Bröhnder
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Vorwort
Die Hauptpersonen des Romans
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Epilog
Nr. 1828 – Spielhölle der Galaxis
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Nr. 1829 – Unternehmen Humanidrom
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 1830 – Der IQ-Dimmer
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Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
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Nr. 1831 – Requiem für den Smiler
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Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
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Epilog
Nr. 1832 – Flucht von Lokvorth
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Nr. 1833 – Trokans Tor
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 1834 – Der Flug der TRONTTER
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Nr. 1835 – Kontakt mit einem Killer
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 1836 – Mission in Fornax
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Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
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Epilog
Nr. 1837 – Rebekkas schwerster Gang
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 1838 – Die schweigende Galaxis
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Nr. 1839 – Schwelle zum Absolutum
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Nr. 1840 – Locksignal Frieden
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 1841 – Jagd auf Ychandor
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Nr. 1842 – Ein kleiner Freund
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Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
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Epilog
Nr. 1843 – Zwischen zwei Herren
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Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
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Nr. 1844 – Die Pentrische Wolke
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Nr. 1845 – Die Schwarzen Schiffe
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Die Hauptpersonen des Romans
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Nr. 1846 – Kreise
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
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Epilog
Nr. 1847 – Im Bann des Philosophen
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
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8.
Nr. 1848 – Zerrspiegel
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
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2.
Intermezzo
3.
Intermezzo
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Nr. 1849 – Die Mittagswelt
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
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Leseprobe PR 2700 - Andreas Eschbach – Der Technomond
Vorwort
Prolog
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Gespannt darauf, wie es weitergeht?
Die Welt des Perry Rhodan
Vorwort
Die Welt des Perry Rhodan
Ein kleines Who's Who des Perry Rhodan-Universums
Häufig gestellte Fragen
Neu im PR-Universum?
Die PR-Produktpalette
Impressum
Impressum
Nr. 1800
Zeitraffer
Der zweite Mars erwacht – für die Menschheit beginnt eine neue Ära
von Robert Feldhoff
Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
Jahrelang waren Perry Rhodan und seine Begleiter an Bord des gigantischen Raumschiffes BASIS unterwegs, weit entfernt von der Heimat. Zuerst an der Großen Leere, dann im Arresum, jener unglaublichen Region auf »der anderen Seite des Universums«, zuletzt in der kleinen Galaxis Hirdobaan.
Als Perry Rhodan an Bord der BASIS am 31. Dezember des Jahres 1220 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (das entspricht dem Jahre 4807 alter Zeit) Hirdobaan verlässt, hat er eigentlich genug Gründe, zufrieden zu sein: Dreißig Millionen Intelligenzen aus der Milchstraße konnten gerettet werden; das tyrannische System der Maschtaren über die Völker Hirdobaans wurde beseitigt; zuletzt waren Rhodan und seine Freunde daran beteiligt, milliardenfaches Leben in einen toten Kosmos zu bringen.
Doch Fragen bleiben: die nach der kosmischen Bestimmung der Menschheit beispielsweise. Oder die nach der Brücke in die Unendlichkeit und den neuen Zielen, die sich der unsterbliche Terraner stellen muss. Und was ist mit Trokan, der Welt, die an der Stelle um die Sonne kreist, wo jahrmillionenlang der Planet Mars zu finden war?
Perry Rhodan kehrt zurück in eine Galaxis im Umbruch: Neue Konflikte sind entstanden, uralte wiedergekehrt. Dazu kommt ein Effekt, mit dem niemand rechnen konnte – der ZEITRAFFER …
Perry Rhodan – Der unsterbliche Terraner beobachtet eine verhängnisvolle Entwicklung.
Cistolo Khan – Ein neuer, sehr ehrgeiziger LFT-Kommissar.
Gia de Moleon – Die Agentin setzt sich auf die Spur der Unsterblichen.
Myles Kantor – Der Wissenschaftler wird mit einem der größten Rätsel seines Lebens konfrontiert.
Atlan – Der Arkonide wird zur Persona Non Grata.
Trokan erwacht
(September 1222 NGZ)
Der Kosmos, so behaupten Philosophen, pulsiert in einem trägen, von Gleichgültigkeit geprägten, ureigenen Rhythmus.
Selten nur, in einem Jahr von zehntausend, ereignen sich Dinge, die den Rhythmus verändern. Der Mensch ist ein zu kleines Wesen, als dass er die Veränderungen und deren Wesen immer begreifen könnte. Doch am 15. September 1222 Neuer Galaktischer Zeitrechnung nahmen im Solsystem solche Ereignisse ihren Anfang. Von der folgenden Welle wurden nicht allein die Milchstraße und ihre Planeten, sondern bis dato unbekannte Regionen des Weltalls erfasst.
Am 15. September 1222 NGZ war aus Hirdobaan noch niemand zurückgekehrt. Perry Rhodan, dessen Person sich in den folgenden Jahrzehnten als entscheidend erweisen sollte, befand sich im Leerraum zwischen ungenannten Galaxien. Zwischen hier und irgendwo, an Bord eines Schiffes, dem die verwöhnte Raumschiffsbauer-Gilde des 13. Jahrhunderts nur mehr Schrottwert attestierte.
Am 15. September 1222 NGZ hatte Terra eine Niederlage zu verkraften. Der Verlust der POLYAMID bedeutet – aus Chronistensicht gesehen – den Wendepunkt in einer längere Zeit dauernden Kette von Selbstzufriedenheit und Siegertum. Terra stand einer Gefahr von schrecklichen Dimensionen hilflos gegenüber.
Nur, dass zu Anfang von der Hilflosigkeit sowie der Dimension des Schreckens niemand das geringste ahnte …
(Aus: Hoschpians unautorisierte Chronik des 13. Jahrhunderts NGZ; Kapitel 12.1.1.)
»Unterirdische Vorgänge auf Trokan«, sagte eine maschinelle Flüsterstimme.
Geo Sheremdoc hörte es im Unterbewusstsein. Aber er reagierte nicht sofort.
»Entscheidungen werden verlangt. Bitte wach auf!«
»Was zum …«
»Es ist dringend, Geo!«
Ein paar Sekunden lang versuchte er, die Augen zu öffnen. Es schmerzte höllisch, die Lider klebten aneinander. Das erste, was er sah, war eine rote, digitale Leuchtschrift: 04:24 Uhr. Er hatte sich vor zehn Minuten hingelegt. Und er hatte befohlen, ausschließlich Störungen der höchsten Dringlichkeitsklasse durchzulassen.
Beinahe ansatzlos richtete sich der LFT-Kommissar auf. Geo Sheremdoc besaß eine fast schon brutal zu nennende Selbstkontrolle.
»Meldung«, ordnete er an.
Die Flüsterstimme sprach: »Unter der Oberfläche von Trokan finden rätselhafte Umschichtungen statt. Die Sonden des Orterschiffes POLYAMID haben ermittelt, dass neue Hohlräume von beträchtlicher Größe entstehen.«
»Was für Hohlräume sind das?«
»Ich verfüge nicht über diese Information.«
»Energieortungen?«
»Keine. Der Vorgang läuft scheinbar ohne die Zufuhr äußerer Energie.«
»Ein natürlicher Vorgang? Erdbeben oder Tektonik?«
»Negativ. Die POLYAMID spricht definitiv von einem künstlich gesteuerten Prozess.«
Sheremdoc war sich darüber im Klaren, was das bedeutete. Wenn man die Energie nicht orten konnte, wurde sie folglich abgeschirmt. Wer dazu imstande war, besaß eine ausgesprochen hochwertige Technik.
Ein ungeklärter Vorgang im Herzen der Macht … Nach menschlichem Ermessen war so etwas ausgeschlossen. Der Umkreis der Erde gehörte zu den am dichtesten überwachten Gebieten der Milchstraße. Nichts, was die Größe eines Staubkorns nennenswert überschritt, konnte ungesehen eindringen.
Und nun war es doch passiert.
Seine Reaktion fiel entsprechend kompromisslos aus.
»Rundspruch an die offiziellen Stellen der LFT«, sagte er. »Ich versetze das gesamte Solsystem in Alarmzustand. Die Anordnung wird bitte unverzüglich weitergegeben.«
Jemand anders hätte sich wohl gescheut, 20 Milliarden Lebewesen in Aufruhr zu versetzen. Sheremdoc störte sich nicht daran. Er betrachtete seine Anordnung als Notwendigkeit, also wurde sie ausgeführt, und zwar ungeachtet der möglichen Konsequenzen.
Die Flüsterstimme bestätigte seinen Befehl, dann erst wurde es hell im Schlafzimmer.
Mitten in der Nacht. Verdammt. Weshalb ereignen sich Katastrophen niemals am Nachmittag?
Im Herzen von Terrania, in den Hallen des Forschungszentrums Titan, überall schlugen die Sirenen Alarm. Egal ob NATHANS Wachstuben oder das HQ-Hanse, die Schaltstellen erwachten zum perfektionierten Chaos. Die kleinen und doch so mächtigen Wachschiffe am Rande des Systems wurden in Bereitschaft versetzt. Sämtliche Reaktionsmöglichkeiten, von der Evakuierung bis zum Gegenschlag, wurden nach erprobtem Schema vorbereitet.
Sheremdoc zog sich mit schnellen Bewegungen an. Der Apparat hing von seinen Entscheidungen ab.
Seine Laune war nicht die beste, da er ein wichtiges Treffen mit ebenso wichtigen Personen vor einer Stunde ergebnislos abgebrochen hatte. Es ging um den Aufbau einer Organisation, die sich Terranischer Liga-Dienst nannte. Seine politischen Vorgänger hatten viel versäumt.
Hätte sich Perry Rhodan an der Macht befunden, einiges wäre in der Liga anders gelaufen. Davon war Sheremdoc überzeugt. Aber Rhodan hielt sich irgendwo im Kosmos auf und stand der Menschheit nicht zur Verfügung.
»Wie lange liegt die erste Ortung zurück?«, fragte er nebenbei.
»Exakt 13 Minuten und 30 Sekunden.«
»Ich erfahre zu spät davon«, kritisierte er tonlos. »Wir haben 13 Minuten verloren.«
»Zunächst musste festgestellt werden, ob die Meldung tatsächlich die geforderte Dringlichkeitsklasse besitzt. Du befindest dich in körperlich schlechtem Zustand und benötigst Schlaf.«
Man schrieb den 15. September 1222 NGZ. In vielen hundert Systemen hatte das Stimmungsbarometer ein historisches Tief erreicht. Die Milchstraße war zu einer Galaxis im Aufbruch geworden. Anscheinend über Nacht – in Wahrheit durch einen langen, schleichenden Prozess.
Und Trokan? Sein Narbenantlitz schien nicht mehr zu sein als ein Puzzlesteinchen. Eine Vermutung, die sich nun als falsch erwies. Sheremdoc hatte einen Fehler begangen. Er hätte weniger auf die politische Lage, dafür mehr auf den eigenen Hinterhof achten sollen.
Der vierte Planet des Solsystems stellte das letzte Rätsel der Gegenwart dar.
Die ursprüngliche Nummer vier, der Mars, war seit April des Jahres 1218 verschwunden. Im Lauf der Ayindi-Krise hatten Todeskristalle den roten Planeten überwuchert. Damals. Als das Solsystem um ein Haar untergegangen wäre. Um die Drohung zu beseitigen, war kurzerhand der komplette Mars gegen eine andere Welt aus einem fremden Kosmos ausgetauscht worden.
Diese neue finstere Welt, sie trug den Namen Trokan.
Terra war nicht glücklich über seinen neuen Nachbarn. Trokan kam gewissermaßen von der anderen Seite des Universums ins Solsystem, und niemand konnte sagen, ob man sich anstelle des Mars nicht ein trojanisches Pferd eingehandelt hatte.
Jedes Objekt aus einem fremden Universum besaß eine gefährliche Strahlung, die man oft als »Strangeness« bezeichnete. In Trokans Fall klang die Strangeness langsamer ab als angenommen. Bis heute hatte kein Menschenfuß den Ödplaneten betreten; zur Erforschung blieb lediglich die Ortungsarbeit aus dem Weltraum.
Und nun? Unterirdische Vorgänge. Was darunter auch immer zu verstehen war.
Um 4.28 Uhr hatte Geo Sheremdoc seine Kabine verlassen und befand sich in höchstem Tempo auf dem Weg.
Für ihn, der in diesen Tagen nicht nur LFT-Kommissar, sondern zugleich Hanse-Chef war, wurden sämtliche Transmitter-Linien ohne Rücksicht auf Privatverkehr freigeschaltet. Seine Körpersubstanz wurde zerlegt, mit Überlichtgeschwindigkeit durch den Hyperraum geschickt und im Empfänger wieder zusammengesetzt.
Als er den strahlenden Bogen aus Energie durcheilte, hatte er die Müdigkeit aus dreißig Stunden abgeschüttelt.
Im Transmitterraum der POLYAMID gaben sich Experten und helle Köpfe die sprichwörtliche Klinke in die Hand. Von überall strömten sie herbei. Alles, was sich zufällig in der Nähe eines Transmitters befunden hatte, war auf den Beinen.
Sheremdoc bahnte sich rücksichtslos einen Weg.
»Macht Platz! – Platz für den LFT-Kommissar! – Das ist Sheremdoc … – Lasst ihn durch!«
Er schob einen Pulk diskutierender Frauen und Männer ohne sichtbaren Kraftaufwand auseinander. Sie starrten ihn an wie eine Erscheinung. Alle Blicke wandten sich dem Glatzkopf zu. Der allmächtige LFT-Kommissar, den man niemals zu Gesicht bekam – nun befand er sich ausgerechnet in diesem Forschungsschiff.
»… nun lasst ihn doch durch, verdammt …«
Die POLYAMID gehörte zur neuesten Generation von Forschungsraumern. Das Kugelschiff durchmaß 300 Meter und war mit achthundert Personen besetzt. Im Inneren fand sich alles, was gut und teuer war.
Durch einen Transmitter der Bordverbindung erreichte er die Zentrale. Knapp dreißig Menschen – Terraner und Kolonialabkömmlinge – starrten mit großen Augen auf den zweiten Mars. Auf eine dunkle Ödnis, in der sich sensationelle Dinge taten.
»… da kommt es gleich …«
»… es müsste gleich soweit sein!«
»Zum Donner nochmal … Wo bleiben die Teleskope …?«
Die rückwärtige Wand verwandelte sich in eine Art riesengroßes Fenster. Leistungsfähige Fernoptiken holten den gespenstischen Vorgang nahe heran. Es war, als schaute man aus der Zentrale direkt in die Ebene, um die es ging.
Sheremdoc kam gerade zum entscheidenden Zeitpunkt.
»Jetzt!«
Zuerst war gar nichts zu sehen. Dann aber wühlte sich aus der Erde des Planeten ein Gegenstand. Am Anfang war's nicht mehr als eine Spitze aus Metall, die zwischen Krumen und Dreck ins Freie lugte, dann eine raue Kappe, am Ende ein bohrkopfähnliches Gebilde von 30 Zentimeter Größe.
Aber dabei blieb es nicht. Der Gegenstand begann zu wachsen.
Aufgrund der riesengroßen Entfernung legte sich ein ungewisser Schleier über die Bilder. Manches erahnte man nur, Details wurden von der Schiffssyntronik hochgerechnet und optisch korrigiert.
Das Gebilde, das so sehr einem altertümlichen Bohrkopf ähnelte, entfaltete sich regelrecht. Sein dunkel schimmerndes Metall zerriss, verwandelte sich, kehrte das Innerste nach außen.
Die maschinelle Metamorphose ließ das Objekt auf sechzig Zentimeter, dann auf einen Meter Größe wachsen. Bei zehn Meter Größe hätte man nicht zu Unrecht fragen können, woher für diese Verwandlung eigentlich die Masse kam. Eine Antwort aber, die hätte in dieser Galaxis niemand gewusst.
Die hilflos-staunende Haltung, die seine Forscher an den Tag legten, gefiel Geo Sheremdoc überhaupt nicht.
Er zog es vor, die Initiative zu ergreifen – und drängte rücksichtslos nach vorn.
»… jetzt ist es schon über zweihundert Meter groß …«
»Hört das nie mehr wieder auf?«
Lachen.
»Doch, doch, es kann nicht mehr sehr viel … – Ah, Sheremdoc! Das wurde Zeit!«
Sein Erscheinen löste das Knäuel der Wissenschaftler in Sekundenschnelle auf.
Lediglich die Gestalt in der Mitte blieb mit entrücktem Blick reglos stehen. Boris Siankow, zu diesem Zeitpunkt oberster Forscher des Systems, hatte von der Natur der Ereignisse nicht die geringste Ahnung. Es war offensichtlich und erschreckend.
»Also, Boris?«, fragte Sheremdoc trotzdem.
Mittlerweile hatte sich der Bohrkopf in ein projektilförmiges Etwas verwandelt.
Er schenkte dem schlaksigen Kerl mit der wirren, schwarzen Frisur nur einen kurzen Blick. »Was ist los mit diesem Ding? Ich erwarte Erklärungen.«
Siankow zuckte leicht zusammen, als er die Stimme hörte. Er kehrte in die Realität zurück. Der Wissenschaftler presste die Lippen zusammen. »Freundlich wie immer, Geo.«
Sheremdoc setzte sich mit unbewegter Miene.
»Lassen wir das. Waffenstillstand, Boris. Also?«
»Wir wissen nicht, wie lange es schon da ist. Wahrscheinlich war es irgendwo tief in der Erde von Trokan verborgen. Daher die unterirdischen Vorgänge. Wir wissen nicht, ob das Ding schon die ganze Zeit in der Erde steckte oder ob es vor kurzem erst dort vergraben wurde.«
»Stopp, Boris! Was meinst du mit ›vor kurzem vergraben‹? Trokan kann aufgrund der Strahlung nicht betreten werden!«
»Was weiß ich? Keine Ahnung, ich bin nicht Gott.«
»Was sagt NATHAN?«
»Noch nichts. Wir schicken alle Ergebnisse sofort zum Mond, und die Syntronik rechnet.«
»Na, immerhin …«
Im Augenblick glich das Ding einem riesengroßen, pechschwarzen Turm. 480 Meter, las Sheremdoc vom Display ab. Tendenz wachsend. 490; 500.
Während er hinsah, bröckelten vom Turm scheinbar die Mauern ab, blieben im Fallen kleben, ließen knollenartige Geschwüre zum Vorschein kommen. Objekte aus Eisen und Schlacke, strukturieren sich neu, jede Sekunde. Im Augenblick darauf hatte sich der Turm in einen rissigen Zylinder verwandelt.
»Schon 600 Meter!«, meldete jemand.
Boris Siankow schüttelte hilflos den Kopf. »Geo? Was meinst du?«
»Wir gehen nahe ran. So schnell wie möglich.«
»Das geht nicht. Trokan ist immer noch von einer Strangeness-Hülle umgeben. Wir können nicht näher.«
»Hör zu, Boris: Wenn irgend jemand da unten trotz der Strangeness etwas vergraben konnte, dann können wir das ebenfalls. Keine Diskussion.«
»Was, wenn die POLYAMID explodiert? Oder wir werden alle wahnsinnig!«
»Boris, die Diskussion ist beendet.«
Der Wissenschaftler richtete sich auf, wollte empört protestieren.
Dann zuckte er nur mit den Achseln und gab die Weisungen an die Schiffsführung weiter.
Sheremdoc lächelte dünn. So war das mit Boris Siankow: Im entscheidenden Augenblick fehlte ihm das Rückgrat.
Mit hoher Beschleunigung löste sich der Forschungsraumer aus seiner Bahn. Aber schon Sekunden später war es mit der Beschleunigung wieder vorbei; als der Syntron erste Beeinträchtigungen meldete.
»Strangeness-Schocks. Mikro-Schäden in der Rechenleistung werden ausgeglichen. Kurs wird geändert.«
»Nein!«, donnerte Geo Sheremdoc. »Das Schiff fliegt weiter. Es besteht keine unmittelbare Gefahr.«
»Aber …«
»Ich erteile diese Order als LFT-Kommissar. Diskutieren können wir meinetwegen stundenlang – aber nicht jetzt!«
Sie schoben sich mit geringer Geschwindigkeit näher an den Planeten.
Ein rüttelnder Einfluss erfasste die POLYAMID. Der Syntron tat seine Arbeit, aber er tat sie mit Aussetzern von jeweils einigen Mikrosekunden Dauer. Manche Besatzungsmitglieder klagten über Kopfschmerz, andere fühlten sich desorientiert.
»Das Objekt ist jetzt 800 Meter groß.«
Wer spricht? Ist das Strangeness …? Verzerrte Laute. Als ob sie um die Ecke kommen.
Geo Sheremdoc, dessen Selbstbeherrschung als übermenschlich galt, ertappte sich bei zitternden Fingern. Es kostete ihn große Mühe, das Zittern abzustellen.
Aus dem metallenen Leib der POLYAMID drang ein dumpfes Stöhnen, das schwere Defekte befürchten ließ.
»Syntron ausschalten!«, ordnete er an. »Wir übernehmen das Schiff in Handsteuerung.«
In diesem Moment erhob sich der LFT-Kommissar. Er hatte beschlossen, dass er das Schiff persönlich fliegen würde. Die Piloten waren nicht mehr dazu in der Lage. Er traute diesen verwirrten Gesichtern nicht. Sie waren fähige Leute, kein Zweifel, aber nicht im Strangeness-Feld des Planeten Trokan.
Sheremdoc ließ sich schwer in den Pilotensessel fallen.
»Gravo-Jets auf Manuell-Betrieb!«, ordnete er mit lauter Stimme an.
Wer es einmal gelernt hatte, eine Vielzahl von Schaltvorgängen im Auge zu behalten, diese zu steuern und im richtigen Augenblick auszulösen, der verlernte es nicht wieder.
Er konnte es immer und überall, sogar unter diesen Umständen.
Die POLYAMID reagierte ausgesprochen träge. Es war, als käme von jedem Schaltimpuls nur die Hälfte an, als versickerten die übrigen fünfzig Prozent in Strangeness-Watte.
Die Wissenschaftler hatten die Natur der Strangeness bis heute nicht enträtselt. Man wusste nur, dass sich Objekte, die verschiedenen Universen angehörten, durch ihre Strangeness voneinander unterschieden. Überlappten sich zwei verschiedene Strangeness-Werte, so ergaben sich verheerende Einflüsse auf jedes hochkomplexe Gebilde – auf ein menschliches Gehirn oder auf eine Syntronik.
»Funktionieren die Orter, Boris?«
»Ich glaube schon.«
»Gut! Wie steht's mit unserem ›Ding‹?«
»950 Meter groß. Es wächst immer noch. Kuppelförmig. Das sieht ja aus wie… – Umdrehen, Geo … Es geht nicht mehr …!«
»Wir gehen noch etwas weiter ran«, sagte Sheremdoc.
Sein Herz klopfte heftig.
Er hatte das schreckliche Gefühl, neben sich zu stehen, die Welt aus einer nicht realen Warte zu betrachten. Aber er nahm keine Rücksicht darauf. Solange die POLYAMID nicht abstürzte, war alles in Ordnung.
Die Messgeräte warfen ihre unsichtbaren Fühler aus. Sie registrierten, wie aus einem formlosen Klumpen allmählich ein riesengroßer, zapfenförmiger Gegenstand wurde.
Das Ding schien aus mehreren ineinander durchdringenden Kugeln zusammengesetzt; soweit er das in seinem Zustand überblickte.
Und als Sheremdoc schon umkehren wollte, als sich der Gedanke durchsetzte, er habe einen riesengroßen Fehler begangen – da war alles plötzlich vorbei.
Stille.
Irgendwas passiert. Jetzt, in diesem Augenblick.
Der Syntron meldete sich mit Worten, die er nur am Rande wahrnahm, unvermittelt wieder betriebsbereit.
Auf Trokan war's zu Ende mit dem Wachstum. Die Höhe des Objektes betrug jetzt 1089 Meter, der Durchmesser 489 Meter. Von der Form her war es mit jenem 30-Zentimeter-Gegenstand, der sich anfangs aus der Erde gewühlt hatte, absolut identisch.
Boris Siankow und die Wissenschaftler murmelten wirres Zeug. Ihrem Tonfall war zu entnehmen, dass sie nicht die geringste Ahnung hatten, was da passierte – oder besser – warum es mit einem Mal vorbei war.
Im selben Moment erschütterte ein katastrophaler Schlag das Forschungsschiff. Neun Zehntel aller schiffsinternen Schaltwege waren soeben zusammengebrochen.
Sheremdoc zuckte von den Kontrollen zurück. Er brauchte nur einen Augenblick, um zu sehen, dass sie manövrierunfähig waren. Fünfdimensionale Wellenfront. Das Heftigste, was es im Solsystem wohl je gegeben hat.
Nun zahlte sich aus, dass die POLYAMID doch eine absolute Elitebesatzung besaß. Mit einem Anflug von Stolz beobachtete Sheremdoc, wie die Frauen und Männer zielgerichtet, ohne jede Panik, die Schaltwege wiederherstellten.
Dass sie sich in Lebensgefahr befanden, das war jedem klar. Etwas Außergewöhnliches musste geschehen sein. Einen Raumer dieser Klasse außer Gefecht zu setzen, dazu gehörte mehr als eine Kleinigkeit.
»Beeilt euch, verdammt!«
»… was denn, was denn …«
»Was glaubst du, was wir tun?«
Die Schirme der Außenbeobachtung funktionierten als erste wieder.
Sie schauten auf ein irrlichterndes Gewimmel der Sterne, wie Sheremdoc es niemals vorher gesehen hatte. Man konnte Sterne wie Kometen vorüberhuschen sehen. Das Universum drehte sich, es wirbelte. Wie in einem Planetarium, das mit viel zu großer Geschwindigkeit seine Bilder abspielte.
»Allmächtiger«, hauchte Boris Siankow. »Wo sind wir hier? Das ist nie und nimmer das Solsystem!«
*
Während die Zentralebesatzung Schub um Schub die Schaltwege rekonstruierte, während sich Siankow einer unwürdigen Verwirrung hingab, starrte der LFT-Kommissar unentwegt den Bildschirm an.
»Du hast unrecht, Boris. Es ist das Solsystem. Aber es bewegt sich. Der Zeitablauf hat sich verändert.«
»Ach … Ja?«
»Du kannst dir deinen Sarkasmus sparen. Ich meine es ernst.«
»Unsinn.«
»Besser, du denkst nach, bevor du redest«, wies Sheremdoc ihn zurecht.
Boris Siankow gewann allmählich seine Fassung wieder. Ein veränderter Zeitablauf – wenn die Vermutung denn der Wahrheit entsprach –, damit fühlte er sich als Fachmann gefordert.
Sie benötigten nicht mehr als zehn Minuten, um ein ganz und gar erstaunliches Ergebnis zu formulieren. In der Tat: Auf Trokan verging die Zeit im Augenblick mehrere hunderttausend Mal schneller als im restlichen Universum.
Die POLYAMID hing im geostationären Orbit über Trokan fest. Das Schiff drehte sich mit einer Geschwindigkeit, die – relativ und von außen betrachtet – um ein vielfaches über der Lichtgeschwindigkeit lag.
»Was jetzt, Geo?«
»Es tut mir leid, Boris, ich habe nicht die geringste Ahnung.«
»Aber wer denn sonst?«
»Vielleicht ihr Wissenschaftler?«, gab er nicht ohne Ironie zurück.
Siankow starrte fluchend auf die Schirme. Ratlos. Erschreckend!
Sheremdoc begriff, dass sie sich nicht würden befreien können. Jedenfalls nicht aus eigener Kraft. Die Zeit war ein Medium, mit der sich terranische Wissenschaft wenig auskannte. Errungenschaften der Vergangenheit, wie der Nullzeitdeformator, zählten in diesem Fall so gut wie gar nichts.
Was da auf Trokan wirklich passierte? Niemand hätte es sagen können. Auch nicht Siankow, der um eine vermessene Idee sonst nie verlegen war.
»Wir können nur hoffen«, meinte Siankow düster, »dass es von allein wieder aufhört. Sonst sterben wir hier über Trokan noch. Das ist deine Schuld, Geo. Wir hätten früher umkehren müssen.«
Wer Sheremdocs Widerspruch erwartet hatte, eine Zurechtweisung oder gar aufbrausende Worte, der sah sich getäuscht.
Ihm war klar geworden, dass Siankow recht hatte.
Auch wenn es grausam klingt. Geo Sheremdoc ließ sich in den Sessel des Expeditionsleiters sinken. Draußen nahm das Wirbeln derart rasch an Geschwindigkeit zu, dass er es mit bloßem Auge erkannte.
Unvorstellbar.
Das Abbild der Sterne draußen, es verzerrte sich nochmals um eine Größenordnung.
Kurz darauf schloss ein unbegreifliches graues Medium die POLYAMID ein. Die Beobachtung gab zu neuer Hoffnung Anlass. Alles war besser als die wirbelnden Sterne.
Dann kam aus den Maschinenräumen die Meldung, der Hypertrop werde von außen zu irregulärer Tätigkeit angeregt.
Sheremdoc ließ die Besatzung weiter die Schaltwege reparieren, aber nur, damit sie keine Zeit hatten, sich vor dem Tod zu fürchten.
Durch das Forschungsschiff lief ein rumpelndes Geräusch. Er war ein sehr erfahrener Raumfahrer, der einen durchgehenden Hypertrop sehr wohl am Geräusch erkannte.
Sein letzter Gedanke galt dem sandfarbenen Bohrkopfobjekt. Was bewirkte es? Wer hatte es geschaffen?
Plötzlich wurde es dunkel. Die POLYAMID explodierte mit einer Energieentfaltung, die sich unter den gegebenen Umständen nicht mehr messen ließ.
Millionen Tage
(Oktober bis November 1222 NGZ)
Der Chronist betrachtet die Rückkehr der BASIS als Ereignis von gehobener Bedeutung. Obwohl das Trägerschiff niemals wieder eine militärische Bedeutung erlangte, obwohl Perry Rhodan den Posten eines Ersten Terraners niemals wieder anstreben sollte, sind für den distanzierten Betrachter wichtige Folgen dieser Rückkehr sichtbar.
Zunächst war es die BASIS, die aus Hirdobaan einen Schirmfeldgenerator von unbekannter Funktion zurückbrachte. Milliarden Imprint-Süchtige, die die Hamamesch zurückgelassen hatten, wurden so von ihrer Sucht geheilt. Der zeitlich begrenzte Aufenthalt im Schirmfeldsektor reichte aus, um fast alle Folgen der Imprint-Sucht zu beseitigen.
Erstaunlich jedoch, dass im Bewusstsein der Öffentlichkeit dieser Erfolg vollständig versickerte. Er wurde niemals Perry Rhodan gutgeschrieben. So wie die Menschheit ihre eigenen Suchtopfer aus dem Bewusstsein verdrängt hatte, verdrängte sie auch deren Heilung.
Eine allgemeine gesellschaftliche Tendenz lässt sich unschwer daraus ableiten: Das Klima hatte sich verändert – gegen die Träger der Unsterblichkeit.
(Aus: Hoschpians unautorisierte Chronik des 13. Jahrhunderts NGZ; Kapitel 12.3.3.)
Am 1. Oktober 1222 NGZ fiel im Halo-Bereich der Milchstraße ein sprichwörtlich klappernder Haufen Schrott in den Normalraum zurück. So jedenfalls besagte es das Raumfahrergarn, das in den folgenden Jahrzehnten gern und farbig gesponnen wurde.
Die Wahrheit sah natürlich anders aus; an Bord der BASIS existierten keine klappernden Geräte. Sie genügten nur nicht mehr dem extremen Maßstab, an dem ein Fernraumschiff gemessen wurde. Der aktuelle Schadensstand in den Sektionen erreichte keine bedrohlichen Werte, doch er lag achtmal höher als von den Ingenieuren zugelassen.
Drei Tage später erreichte das größte Trägerschiff, das jemals im Solsystem gebaut worden war, mit geringer Geschwindigkeit seinen Heimathafen.
Die Nachricht von seinem Erscheinen eilte ihm voraus. In den Medien des Systems stellte das die Sensation dar – ein Ereignis, das die Trokan-Krise für wenige Stunden auf Platz zwei der Schlagzeilen verwies.
Die Unsterblichen zurück auf Terra.
Sie erhielten den üblichen Empfang (ohne dass sich die Erste Terranerin, Koka Szari Misonan, persönlich sehen ließ), und die Besatzung zerstreute sich in rekordverdächtiger Zeit in alle Winde.
Perry Rhodan setzte am 4. Oktober 1222 NGZ zum ersten Mal seit langer Zeit seinen Fuß auf den Boden der Erde. Das Shuttle der Deepspace-Ferries, das ihn und seine Freunde gebracht hatte, erhob sich geräuschlos in den Abendhimmel. Mit einem tiefen Atemzug sog er die Luft ein, die hier, im ehemaligen Wüstengebiet der Gobi, immer noch einen Hauch von Kälte und Trockenheit besaß.
Bereits im Anflug auf das System hatten sie den wirbelnden Schatten wahrgenommen, der statt des Planeten Trokan in der ehemaligen Marsbahn kreiste.
Keiner erklärte ihnen, was es damit auf sich hatte. Ob sich niemand die Mühe machte oder ob es Absicht war, das ließ sich nicht auf Anhieb sagen.
»Ich verstehe das nicht, Perry«, klagte Reginald Bull, sein bester Freund aus uralten Tagen. »Ich habe mich auf der Erde noch nie so fremd gefühlt. Was ist mit Koka Szari Misonan?«
»Die Erste Terranerin hat keine Zeit«, antwortete Rhodan mit einem plötzlichen Gefühl der Bitterkeit.
»Und dieser Glatzkopf, von dem wir gehört haben? Dieser Geo Sheremdoc? Dem sagen sie doch Wunderdinge nach. Wieso lässt der sich nicht sehen? – Überhaupt, was ist mit Siankow?«
Rhodan zuckte mit den Achseln.
Als sie es endlich schafften, zum Büro der Ersten Terranerin vorzudringen, wurde ihnen mitgeteilt, man lege in der Sache Trokan derzeit keinen Wert auf ihre Mitarbeit. Alles befinde sich unter Kontrolle, sie mögen sich bereithalten, falls sie gerufen würden.
Rhodan und Bull schauten sich betreten an. Eine offizielle Funktion besaß in diesen Tagen von ihnen keiner mehr. Nicht einmal Homer G. Adams, der bis zu den Ereignissen um KOROMBACH die Kosmische Hanse geleitet hatte.
Lediglich Myles Kantor als unbestritten wichtigster Forscher der Menschheit erhielt so etwas wie eine hastige Einladung zugestellt.
Sie konnten ihn gar nicht schnell genug in die ehemalige Marsbahn hinaufbekommen. Rhodan wusste im selben Augenblick, dass die Sache mit Trokan wohl doch nicht so im Lot war wie behauptet.
Er, Bull und Alaska Saedelaere verbrachten die nächsten Stunden in einem öffentlichen Lesesaal. Der Not gehorchend nutzten sie alles, was sie an Zeitungen, Trivideo-Aufzeichnungen und sonstigem Info-Material bekamen.
Der erste Eindruck bestätigte sich auf beängstigende Weise. Sie stuften Trokan übereinstimmend als Gefahrenherd erster Ordnung ein. Im Augenblick konnten sie jedoch nicht das geringste tun.
*
Sein Grundstück am Goshunsee befand sich in einem der abgelegenen Bezirke. Dass sich an diesen Ort ein fremder Gleiter verirrte, gehörte zu den seltenen Fällen.
Trotzdem stand ein Gefährt vor der Einfriedung. Es sah aus wie ein altertümlicher Motorroller, dieselbe Art, die Rhodan als junger Mann in Nevada selbst noch erlebt hatte. Das Ding verfügte über Antigravantrieb, die Räder fehlten also. Und vom Besitzer war keine Spur zu sehen.
Mit einem Kodeschlüssel öffnete er das Tor, das seit Jahren nicht mehr offengestanden hatte. Drinnen machte alles einen sauberen Eindruck. Die Reinigungsroboter hatten das Haus in Ordnung gehalten.
Nur den Antigravroller, den vermochte er sich nicht zu erklären.
Des Rätsels Lösung fand er erst, als er den Garten mit Ufer zum See inspizierte.
Auf einem Stuhl saß ein alter Mann in brauner Kleidung, teils aus kariertem grobem Stoff, teils aus Leder, und schaute auf den See hinaus.
Er trug eine warme Mütze. Sein Haupthaar, das darunter hervorlugte, war genauso schneeweiß wie der Bart, die Hände machten einen derben Eindruck. Auf den ersten Blick erweckte er den Eindruck eines Mannes, der sich häufig in der Natur aufhielt. Die Annehmlichkeiten der Zivilisation schien dieser Mann nur sehr bedingt wertzuschätzen.
Sein Gesicht, das Rhodan von der Seite sehen konnte, war braungebrannt und faltig. Es hatte eine bedächtige, friedliche Ausstrahlung.
Neben ihm lag am Boden eine Staffelei mit Farbenkoffer, darunter ein Rucksack, beides war jedoch nicht ausgepackt. Für einen Einbruch war das eine ziemlich ungewöhnliche Ausrüstung.
Die Situation hatte etwas Unwirkliches. Im Prinzip war es unmöglich, dieses Grundstück zu betreten; solange man nicht Rhodan hieß oder einer der anderen Unsterblichen war.
Er trat neugierig an die Seite des alten Mannes. Der andere schien ihn nicht zu bemerken. Sein Blick blieb in die Ferne gerichtet.
»Guten Tag. Ich bin der Besitzer des Hauses.«
»Ah«, machte der andere. Jetzt erst drehte er sich halb und deutete im Sitzen eine Verneigung an. »Ich freue mich, dich kennenzulernen.«
Der Fremde musterte Rhodan unter seinen buschigen Augenbrauen hinweg mit freundlichem Interesse. Aber nur einen Moment lang, weil er nicht aufdringlich scheinen wollte.
Der Anflug eines Lächelns huschte über Rhodans Gesicht. Auf Anhieb mochte er den Alten, auch wenn er nicht wusste, wie er hereingekommen war.
»Und wie ist dein Name?«
»Johnny.«
»Was machst du hier, Johnny?«
»Das ist denkbar einfach. Ich hatte ein Grundstück auf der anderen Seite des Sees. An der schönsten Ecke, musst du wissen. Da war ich viele Jahre. Dann haben sie mir das Grundstück weggenommen. Ein Verein, der sich ›Terranischer Liga-Dienst‹ nennt. Den kannte ich nicht. Aber mein Haus, das war ich los.«
»Deshalb bist du hierhergekommen?«
»Hmm … Das Haus stand sehr lange leer, es war nicht zu übersehen. Ich brauche einen Platz, an dem ich malen kann. Von hier aus hat man einen schönen Blick auf den See.«
»Wo wohnst du jetzt, Johnny?«
»In der Stadt. Mittendrin. In einem dieser Plastiktürme.«
»Der Goshunsee fehlt dir?«
»Ja.«
»Dann spreche ich hiermit eine Einladung aus. Du kannst in meinem Haus bleiben, solange du willst.«
»Wie kommt das, Perry Rhodan?«
Rhodan wunderte sich, dass der Alte seinen Namen kannte. Und er war verwundert über sich selbst, weil er eine so spontane Entscheidung fällte.
»Ich hatte einen Diener namens Voltago. Der ist nun verschwunden. Meine Frau Gesil lebt ebenfalls nicht mehr hier. Vielleicht bin ich froh, wenn ich in Zukunft etwas Gesellschaft habe.«
»Ein ungewöhnliches Angebot«, sagte Johnny.
»Es ist lediglich eine Einladung auf Zeit«, gab Rhodan zurück. »Ich weiß nicht, wie lange ich sie aufrechterhalten kann.«
»Alles ist nur auf Zeit. Selbst für einen Unsterblichen. Denkst du, ich wüsste das nicht?«
Der Mann namens Johnny nestelte in seinem Rucksack, erst ärgerlich, dann triumphierend, bis er eine Flasche zu Tage förderte. Sie war mit einem goldgelben Inhalt gefüllt und hatte ein vergilbtes Etikett.
»Wie wäre es damit, Perry Rhodan? Whisky. Ein sehr alter Scotch.«
»Ich wusste nicht, dass es so etwas heute noch gibt.«
»Gibt es normalerweise auch nicht«, sagte der alte Mann augenzwinkernd. »So etwas ist nicht leicht zu besorgen.«
Rhodan holte zwei Gläser aus dem Haus, dann setzten sie sich ans Ufer und schauten schweigend auf den See hinaus. Er versuchte, Trokan und den frostigen Empfang für ein paar Minuten zu vergessen.
*
Kantor wurde in einer Atmosphäre ausgesprochener Hektik in Empfang genommen. Im Forschungszentrum Titan brummte es, im wahrsten Sinn des Wortes, und die manchmal so stillen Hallen an der Peripherie, die lediglich für Großprojekte genutzt wurden, waren bis zum letzten Platz besetzt.
NATHAN zeigte als Symbol auf einem Dutzend Standleitungen seine ständige Präsenz. Das syntronische Mondgehirn spuckte in unaufhörlicher Folge Daten aus, über die Kantor natürlich nichts wissen konnte. Aber sie alle, das wusste er, betrafen den Planeten Trokan.
Sein Führer war ein Terraner namens Benito Grink. Er war knapp 1,90 Meter groß, hatte in mittlerem Alter schon auffallend furchige Züge.
»Was ist mit Boris Siankow?«, wollte Kantor wissen. »Wieso kommt er nicht persönlich?«
Grink antwortete lakonisch: »Weil Boris Siankow mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr lebt.«
Kantor spürte, wie etwas in seinem Inneren stehenblieb. Die Antwort traf ihn auf dem völlig falschen Fuß. Etwas stimmte nicht.
»Was ist passiert?«, fragte er tonlos. »Trokan, nicht wahr?«
»Ich darf nichts sagen. Noch nicht.«
»Wann darfst du etwas sagen?«
»Ich soll dich zum kommissarischen Leiter des Zentrums bringen.«
»Sheremdoc?«
»Nein.« Benito Grink schüttelte mit ausdruckslosem Gesicht den Kopf. »Nicht Sheremdoc.«
Im Allerheiligsten erwartete ihn eine Frau, die er nie zuvor gesehen hatte, deren Name sich Kantor auf Anhieb nicht merken konnte, und die ihrer Aufgabe ganz offensichtlich nicht gewachsen war. Sie wirkte nervös und überfordert. Mit dem Ausdruck »kommissarischer Leiter« war sie gemeint.
An ihrem Verhältnis zu Benito Grink erkannte er, wer die Fäden wirklich in der Hand hielt; es war eben keine Altersfrage, sondern eine Frage der Persönlichkeit. Grink hatte eine gute Zukunft vor sich. Aber das war in diesem Augenblick nichts, was Myles Kantor interessierte.
Er starrte auf das Abbild einer wirbelnden Kugel, die für Trokan stand. Es war ein Bild, das er sich nicht zu erklären vermochte.
»Ich frage nochmals. Was ist mit Boris Siankow?«
Und die kommissarische Leiterin antwortete: »Siankow befand sich an Bord der POLYAMID, Myles.«
Als ob das alles erklärte.
In der Folge hörte er eine Geschichte, wie sie sonderbarer nicht sein konnte. Gerade zwei Wochen war es her, dass auf Trokan der ominöse Bohrkopf aus dem Erdreich gekrochen kam; am selben Tag waren Boris Siankow und Geo Sheremdoc verunglückt. Kantor brauchte ein bisschen, um die Nachricht zu verarbeiten. Sheremdoc hatte er mehr oder weniger nicht gekannt. Der Stern des LFT-Kommissars war erst richtig aufgegangen, als er sich mit der BASIS wieder auf großer Fahrt ins Universum befunden hatte.
Aber Siankow … Er hatte niemals gedacht, dass ein weltfremder Spinner dieser Art sich jemals in Gefahr begeben und darin umkommen konnte.
Kantor ließ sich die Ereignisse um Trokan als holografische Aufzeichnung vorspielen. Er sah zu, wie sich der Planet in eine mit Überlichtgeschwindigkeit rotierende Kugel verwandelte. Die POLYAMID, ein Forschungsraumer unter Führung von Siankow und Sheremdoc, wurde in den geheimnisvollen Prozess miteinbezogen. Kurz darauf war Trokan von einem undurchdringlichen Feld umgeben, das keine Beobachtungen mehr zuließ.
Dort, wo die POLYAMID sich befunden hatte, zeigten die Orter eine heftige Explosion. Es war das letzte Ortungsergebnis. Danach kamen nur noch unerklärliche Werte, die nach Menschenermessen nicht der Wahrheit entsprechen konnten.
»Was ist über dieses Feld bekannt, in das sich Trokan hüllt?«
Kantor schaute die Leiterin des Forschungszentrums fragend an.
Doch es war Benito Grink, der Mann mit dem Furchengesicht, der unverblümt antwortete: »Gar nichts. Wir vermuten lediglich, dass es sich um eine Art Temporalfeld handelt. Aus irgendwelchen uns vollständig unbekannten Gründen läuft die Zeit auf Trokan schneller ab als im Rest unseres Universums.«
»Vermutungen?«
»Keine stichhaltigen. Wir entnehmen zwar den vorliegenden Informationen, dass sich auf Trokan uralte Ayindi-Archive befunden haben müssen. Es lässt sich demnach nicht ausschließen, dass wir es mit einer Ayindi-Langzeitwaffe zu tun haben. Aber NATHAN sagt, die Wahrscheinlichkeit dafür sei sehr gering.«
»Was meint NATHAN denn?«
»Dass auf Trokan eine fremde Macht eingegriffen hat.«
»Hmm. Und … wie sieht meine Rolle in der Geschichte aus?«, fragte Kantor.
»Du bist der fähigste Wissenschaftler, den wir derzeit haben. Hilf uns, alles über Trokan und das Feld herauszufinden. Deine Funktion wird etwas anders sein als in der Vergangenheit. Wir tun, was du sagst. Du erhältst faktische, aber keine offizielle Befehlsgewalt.«
Myles Kantor nickte. »Gut. Ich mache es.«
Ob er nur faktisch oder offiziell die Linie vorgeben durfte, das bedeutete keinen Unterschied. Er strebte nicht nach Amt und Würden, das hätte er in der Vergangenheit oft genug haben können. In diesem Augenblick wollte er nur noch wissen, was das mit Trokan zu bedeuten hatte.
Die folgenden Stunden brachte er damit zu, seine Mannschaft zusammenzustellen. In den Jahren seiner Abwesenheit hatte sich auf dem Titan vieles geändert. Benito Grink als Emporkömmling gab das beste Beispiel ab.
Trokan. Ein interessanteres Rätsel vermochte sich Kantor kaum vorzustellen.
Ihm war deutlich bewusst, dass von ihrer Arbeit die Sicherheit des Solsystems direkt abhängen konnte. Wenn jemand oder etwas in der Lage war, einen ganzen Planeten in ein verändertes Zeitfeld zu schieben, dann war dieser Jemand oder dieses Etwas auch zu anderen Maßnahmen fähig.
Was, wenn die Erde als nächster Kandidat an der Reihe war?
»Benito?«
»Ja?«
Der andere, der mit der unaufdringlichen Beharrlichkeit eines Schattens hinter ihm gestanden hatte, neigte den Kopf und horchte auf das, was Kantor sagte.
»Benito, ich mache mir Sorgen. Auf Trokan vergeht die Zeit. Keiner weiß, wie schnell. Wenn für uns ein Tag vergeht, vergeht auf der anderen Seite vielleicht ein Jahrhundert. Aber was geschieht hinter der Barriere? Was, wenn sie auf der anderen Seite eine Kriegsmaschinerie bauen? Vielleicht haben sie hunderttausend Jahre Zeit. Vielleicht auch eine Milliarde.«
»Sie?«
»Das könnte doch sein, oder?«
»Natürlich, Myles. Natürlich …«
In den nächsten Tagen erfüllte Benito Grink jeden Wunsch. Was immer Kantor äußerte, der Mann mit dem Furchengesicht machte es möglich. Er war ein großes Organisationstalent.
Um Rhodan und die anderen sorgte sich Kantor nur ganz zu Anfang. Von den neuesten Entwicklungen waren die Aktivatorträger mehr oder weniger abgeschnitten. Aber sie besaßen die Möglichkeit, sich aus den öffentlichen Medien zu informieren. Auch wenn es für Unsterbliche, die viele Jahrhunderte als Entscheidungsträger hinter sich hatten, ein sonderbares Gefühl sein musste.
*
Das Feld, das Trokan umgab, ließ sich mit keinem bekannten Ortungsinstrument des Jahres 1222 NGZ durchdringen. Dabei blieb es, und auch Kantor vermochte nichts daran zu ändern.
Trokan rotierte mit relativer Überlichtgeschwindigkeit. Das Standarduniversum ließ jedoch keine Überlichtgeschwindigkeit zu. Überlicht verstieß gegen die Naturgesetze.
Der Planet hatte sich demnach in sein eigenes Universum begeben, in dem ein anderer Zeitablauf herrschte. Und Beobachtungen vom Normaluniversum in eines, das sich davon abgespalten hatte, waren offensichtlich nicht so einfach möglich.
Das Wirbelfeld stellte eine Art Librationszone dar, eine Trennschicht zwischen beiden Welten.
Immer wieder versuchten sie, automatische Sonden ins Innere des Feldes zu schießen. Aber sie kehrten niemals zurück. Es war, als stürzten sie unter den Ereignishorizont eines schwarzen Loches.
Als Ansatzpunkt blieb demnach nur die optische Beobachtung. Die Orter lieferten ein vollständig chaotisches Bild: Verschiedenste Strömungen, Wirbel, Strudel und Söge mischten sich.
Es erwies sich als notwendig, eine neue Chaostheorie zu entwickeln, die auf den Fall Trokan zugeschnitten war. Eine Theorie, die fünf- und sechsdimensionale Komponenten einbezog … Das Problem war nur, dass die terranische Wissenschaft keine sechsdimensionalen Messgeräte besaß, die wirklich funktionierten. Man konnte solche Beobachtungen nur ableiten, niemals direkt anstellen. Alles, was aus tiefster Vergangenheit noch vorhanden war, hatte sich mit der Zeit als technologische Sackgasse erwiesen.
Eines ließ sich schon nach kurzer Zeit sagen: Trokan war keineswegs vollständig abgekapselt. Man konnte durchaus ins Innere des Feldes schauen – aber nur, wenn man lernte, die Beobachtungen auch korrekt zu deuten.
NATHAN rechnete permanent mit einem großen Teil seiner Kapazität immer neue Modelle durch.
Am Anfang stand das Schild aus Chaos und Dunkelheit. Dann erhielten sie einen sich lüftenden Schleier, in dem sich Objekte der verschiedensten Formen und Größen zu tummeln schienen. Und zum Schluss, als man beinahe nicht mehr daran glauben mochte, produzierte NATHAN das Abbild einer Kugel. Die Kugel stellte einen Planeten dar.
Mathematisch befanden sie sich auf einem guten Weg. Sie wussten nun, dass Trokan immerhin noch existierte.
Wenn es gelang, die Gleichungen zu verfeinern, die der speziellen, n-dimensionalen Chaostheorie zugrunde lagen, war es vielleicht möglich, ein genaues Abbild des Planeten zu erhalten.
Myles Kantor fieberte diesem Tag entgegen.
Die wenigen privaten Augenblicke, die er sich gönnte, verbrachte er auf Mimas. In einer der am besten ausgerüsteten Kliniken, die das Solsystem besaß, lag Kallia Nedrun. Die Frau, die er liebte, lag nach einem Unfall mit den Spindelwesen immer noch im Koma. Sie war körperlich vollständig wiederhergestellt. Aber es war unmöglich, sie aufzuwecken.
Kantor ertappte sich mehrfach dabei, wie er vor ihrem geöffneten Antigravtank im Sitzen einschlief.
Er träumte dann von einem öden, zernarbten Planeten, der Trokan hieß … Aus dem Weltraum trat ein schlitzäugiges, reptilienhaftes Wesen – riesengroß – mit einer so finsteren Ausstrahlung, dass man Angst bekommen musste.
Das Wesen hielt Trokan in grünen Krallenhänden. Kein Zweifel, dass es die Ödwelt zerdrücken und sich dann der Menschheit zuwenden würde.
Und dann wachte Kantor auf. In seinem Traum gab es niemals Tote, immer nur die Drohung. Das Reptil als Feindbild war eine typisch menschliche Vorstellung. Fürchten, was man nicht versteht. So wie das Zeitraffer-Phänomen.
Oder wie das Koma, das Kallia Nedrun umfangen hielt. Kantor brauchte sie, aber er konnte sie nicht zurückbekommen.
Wahrscheinlich gab es in ihrem Geist einen Knopf, den man nur zu drücken brauchte, und sie wäre wieder bei ihm. Solange aber dieser Knopf nicht gefunden war, hatte alles keinen Sinn. Indem er Kallia anstarrte, konnte er ihr auch nicht helfen. Er quälte sich nur, und er verlor wertvolle Energie, die am Trokan-Projekt besser verwendet wäre.
Benito Grink hielt ihm die Organisationsarbeit vom Hals.
Einen Helfer dieser Art zu haben, bedeutete höchste Effektivität. Hier der Gedanke, dort die Ausführung. Das Forschungszentrum Titan verwandelte sich in eine perfekt funktionierende Maschinerie, die nur für ein einziges Ziel zu existieren schien.
*
Gia de Moleon war eine gutaussehende, offenbar liebenswerte Frau von 64 Jahren. Ihr Teint wirkte blass, sie trug unauffällige graue Kleidung. Auf den ersten Blick war sie sympathisch, auf den zweiten beunruhigend, und auf den dritten Blick gebot sie Distanz.
Haltet euch fern. Tut, was ich euch sage.