Harald Havas
FURIOSES
WIEN
Harald Havas
FURIOSES
WIEN
METROVERLAG
Dank gebührt vielen Anregern, Gesprächspartnern, dem oftmals unfassbar passgenauen Faktor Zufall sowie insbesondere Dr. Christian Blankenstein für die Idee und viele Informationen zu den Kapiteln über die Wiener Rettung und Franz X. Wurm, entnommen seinem Buch „Vergessen, verkannt, verfemt“, sowie Andreas Beer für seine Insiderinformationen über die Pramergasse!
Bildnachweis:
Archiv des Verlags: S. 11, 21, 32, 40, 53, 57, 61, 72, 77, 87, 99, 110, 116, 130,
141, 148, 161, 172, 179, 184
Siver Screen Records: S. 16
Egmont Falog: S. 125
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Harald Havas: S. 25, 96
© 2011 Metroverlag
Verlagsbüro W. GmbH
www.metroverlag.at
Alle Rechte vorbehalten
Gesamtherstellung: CPI Moravia Books Gmbh
Printed in the EU
ISBN 978-3-99300-034-9
Gewidmet meinen Töchtern K. und M.,
die von ihrer Mutter und mir gerade zu
furiosen Wienerinnen erzogen werden
Inhalt
Vorwort
Kanalratten
Big in the USA
Rathausmann im Eisen
Die unsichtbare Invasion
Perfekte Ausrichtung
Rauten-Geschichte(n)
Südosttangente, exterritorial
Wien, eng
Alt, aber veraltet
Wiener Höhen und Tiefen
Kulinarisches Wien
Natürlich Wien
Pizzabotenverwirrung
Wie Wien heißt
Wien am Sand
Da Asterix und seine Hawara
Die Farbe Blau
Ein echter Wiener
Flache Denkmäler
Hofburg gesucht
Sex and the City
Wien, radial und tangential
Augenbrauen und andere Steine
Kunst und Kultur, unterirdisch
Kahlenbergverwirrung
Vorwort
„Bestattung Wien heizt neue Zentrale mit Leichen“ betitelte die Kronen Zeitung im Jänner 2011 einen Artikel. Und fügte noch hinzu: „Zündende Idee?“ Sah man sich die Sache genauer an, war der Schockfaktor der Faktenlage freilich weitaus geringer. Die gerade in Bau befindliche neue Unternehmungszentrale der „Bestattung Wien“, zwischen Zentralfriedhof und Urnenhain gelegen, soll die Abwärme des Krematoriums zu Heizzwecken nutzen. Und wenn man weiß, wie viel Hitze vorab notwendig ist, um einen Sarg plus Verstorbenen zu kremieren, dann weiß man auch, dass die positive Energiebilanz, welche diese beiden Elemente in den Verbrennungsvorgang einbringen, denkbar gering ist. Vor der Verbrennung muss üblicherweise ein sogenannter Muffelofen auf gut 900 Grad vorgeheizt werden, dann verbrennt der Sarg. Danach wird noch ein Gasbrenner mit 1200 Grad dazu benutzt, die letzten Reste zu veraschen. Wer also in Zukunft Wärme (und potenziell auch Strom) in dem neuen Gebäude nutzt, braucht sich nicht dem makabren Gefühl hinzugeben, von Verstorbenen gewärmt und eventuell auch beleuchtet zu werden.
Dennoch zeigt dieses Beispiel sehr schön, dass das Kuriose und – in diesem Fall auch tatsächlich – Furiose sowie natürlich auch das Makabre in Wien definitiv noch lange nicht, pardon, aussterben.
Und so präsentiere ich gerne den geneigten Leserinnen und Lesern nach dem überaus gnädig von ihnen aufgenommenen „Kuriosen Wien“ nun untertänigst die Fortsetzung.
Alle Geschichten, von ganz alt bis brandneu, lavieren inhaltlich zwischen erstaunlich, interessant und vielleicht stellenweise auch banal, angesiedelt am Rande des international erfolgreichen literarischen Genres des sogenannten „Nutzlosen Wissens“. Dazu stehe ich auch, ist mein Ziel doch in erster Linie die Unterhaltung und das Staunen der Lesenden. In zweiter Linie finde ich aber, seit ich mich auf diesem Gebiet betätige, immer öfter, dass gerade ein derartig zusammengewürfelter, schräger Blick auf scheinbar Bekanntes und Vertrautes dazu anregt, neue Synapsenverbindungen zu schließen, neue Erkenntnisse vor allem philosophischer Art und neue Querverbindungen zu entdecken. Irgendwo zwischen dem aus der Psychologie bekannten „Aha“- und dem von mir postulierten „No na“-Erlebnis.
In diesem Sinne viel Spaß, gute Unterhaltung und einen lustvollen Erkenntnisgewinn.
Harald Havas
Kanalratten
Wer heute den Begriff Wienfluss hört, denkt in erster Linie an ein seichtes Gerinnsel, das vom Westen kommend unter dem Naschmarkt, genauer gesagt unter dem Flohmarktareal, verschwindet und im Stadtpark wieder auftaucht. Bewohner des westlichen Teils der Stadt kennen die Wien auch als Hindernis, das mithilfe zahlreicher Brücken überwunden werden kann und muss, aber auch als Freizeitzone mit Spazierwegen, wenn auch als eine größtenteils eher uncharmante. Das zu ändern, ist schon seit Jahren ein Bestreben der Stadt. Bis aber das ganze Kanalbett als Erholungsgebiet inklusive Radweg genutzt werden kann, wird wohl noch so einiges an Wasser die Wien hinunterfließen. Aber schon heute treiben sich, zumal nachts, bereits wieder eine erstaunlich große Vielzahl an tierischen Mitbewohnern der Stadt im und um das Flussbett herum. Wie auch immer.
Was man heute kaum mehr ahnt oder weiß: Einst war die Wien ein gefährlicher und zu recht gefürchteter Fluss. Aufgrund seines sehr großen Einzugsgebiets von 230 Quadratkilometern bei nur 34 Kilometern Länge – etwa zur Hälfte in Niederösterreich, zur Hälfte in Wien – und des nur sehr wenig wasserdurchlässigen Bettes kann der Fluss innerhalb von kurzer Zeit auf das 2000-fache (!) anschwellen. Früher führte das entlang der und somit in Wien zu verheerenden Überschwemmungen, bis hin zu veritablen Hochwasserkatastrophen, von denen in der Zeit zwischen 1221 und 1899 insgesamt 24 urkundlich überliefert sind. Heute kann das aufgrund der Staubecken, die nahe der Stadtgrenze angebracht sind, in diesem Ausmaß nicht mehr geschehen. Dennoch ist die Wien auch heute noch bei Hochwasser nicht ungefährlich, denn es kann nicht das ganze Wasser gestaut werden. An den öffentlichen Wegen sind aus diesem Grund Schilder mit Warnlichtern und Lautsprechern und der Aufschrift „Bei Blinken Wienfluss verlassen“ montiert, um Spaziergänger rechtzeitig zu warnen. Auch Kanalarbeiter und Besucher, etwa die der beliebten „Dritte Mann“-Touren, müssen gegebenenfalls schnell die Kanalisation evakuieren. Weshalb auch das Erforschen des Wiener Untergrunds, obschon dieser durch zahlreiche Einstiegsmöglichkeiten recht leicht zugänglich wäre, auf eigene Faust streng verboten ist. Der Wasserpegel steigt nämlich, um es Wienerisch zu sagen „So schnö konnst gor net schaun.“
Im Normalfall bekommt man aber als Wiener nicht viel von einem heutigen Wien-Hochwasser mit. Höchstens wenn man bei einem Stadtparkspaziergang unter dem „Stadtparksteg“ oder der „Kleinen Ungarbrücke“ überraschenderweise keinen nassen Beton, sondern jede Menge schmutzigbraunes Wasser samt Treibgut vorfindet. Scheinbar stehend, weil es nur sehr langsam vom Donaukanal bei der Urania neben der „Strandbar Herrmann“ aufgenommen und noch sehr lange nach dem eigentlichen Regen von den Staubecken gespeist wird.
Übrigens, was auch nicht viele wissen: Strenggenommen heißt nur der zum ersten Bezirk gehörende Park am linken Wien-Ufer „Stadtpark“. Der Teil am rechten Wien-Ufer, der zum dritten Bezirk gehört, hieß ursprünglich „Kinderpark“. Diese Bezeichnungen findet man etwa noch auf den beiden großen Säulen an der Johannesgasse neben dem Eingang der U4-Station „Stadtpark“.
Tor zur Wiener Unterwelt
Doch zurück zum Hochwasser. Diese Überflutungen sind derart massiv, dass sie nicht einmal die Ratten überleben. Womit wir beim Kapiteltitel angelangt wären. Gemeint sind aber nicht die unvermeidlichen tierischen Begleiter jeder Großstadt, sondern die menschlichen „Kanalratten“, an die heute nur noch ein selten gehörtes und noch seltener verstandenes Wort gemahnt: die Strotter.
Fast bekannter als der Begriff Strotter, der heute noch gelegentlich im Sinne von Vagabund oder Sandler verwendet wird, ist das jazzige Wienerlied-Duo „Die Strottern“. Andere mögen „Strotter Inst.“ kennen, einen Vertreter der elektronischen Musik. Zweiterer bezieht sich mit seinem Namen vermutlich auf das ostösterreichische Verb „strottern“, was so viel wie „nach (im Abfall) Verwertbarem suchen“ bedeutet. Schließlich bedient sich „Strotter Inst.“ ja auch der Sampling-Technik … Erstere Musiker beziehen sich aber doch wohl eher auf jene Gruppe Menschen, die in Wien einst eben als Strotter bekannt waren.
Und das waren im Untergrund und hier vor allem in der Kanalisation des Wienflusses lebende „Miststierler“. Diese spezialisierte Gruppe von meist Obdachlosen und auf alle Fälle Armen kam unmittelbar mit der Kanalisierung Wiens um die Jahrhundertwende (um 1893) auf. Ihr Geschäftsmodell war einfach und logisch: Mit der Kanalisation wurde auch so manches Wertvolle oder zumindest Verwertbare durch die Wiener Wasserklosetts und andere Abwässer gespült. Dies galt es zu finden und in Geld umzuwandeln.
Neben Wertsachen wie Schmuck und Geld, naturgemäß sehr seltene Funde, sammelten die Strotter alles nur Mögliche für sie und andere noch Brauchbare ein. Eine noch spezialisiertere Untergruppe, mit guten Magennerven gesegnet oder aus besonderer Verzweiflung dazu getrieben, waren die sogenannten „Fettfischer“. Die Fettfischer sammelten Knochen, Fleisch- und Fettreste ein – um sie dann an die Seifenfabriken zu verkaufen …
Einige der Strotter wohnten auch in der Kanalisation, so wie es – allerdings unbestätigterweise – auch heute vereinzelt noch Obdachlose tun. Damals schlugen dort jedoch sehr viele ihre Zelte auf, sodass schon jeder seinen eigenen angestammten Platz hatte. Eine dieser Gemeinschaftsunterkünfte war die sogenannte „Zwingburg“, gelegen unter dem Schwarzenbergplatz. Das war eine trockene Kammer, die mit einem Brett gut verschlossen werden konnte, um etwa vor Razzien der Polizei zu schützen. Zusätzlich führten noch einige Fluchtwege in umliegende Kanäle und Schächte. Heute wäre das Strottern kein Geschäft mehr. Der wohl einzige Grund, dass es diesen „Berufsstand“ nicht mehr gibt. Der letzte noch aktive Strotter wurde jedenfalls noch 1950 gesichtet.
Big in the USA
Zum kollektiven und einbetonierten österreichischen Allgemeinwissen gehört die Tatsache, dass es Falco als erster Österreicher auf Platz 1 der US-Charts schaffte. Nun ist das sicher eine gigantische Leistung und es stimmt natürlich auch, dass Falco diesen Platz erreicht hat. (Übrigens 1986 mit „Rock Me Amadeus“, nicht mit „Der Kommissar“, wie viele glauben. „Der Kommissar“ von Falco schaffte es trotz weltweiten Erfolgs im Original nie in die US-Charts. Allerdings erreichte 1983 die britische Band „After the Fire“ mit ihrer englischen Coverversion Platz 3.)
Aber: So ganz richtig ist diese vermeintliche Tatsache dennoch nicht. Falco war nämlich nicht der erste Österreicher auf Platz 1 der US-Charts, sondern der dritte. Und der zweite Wiener.
Wer aber war es dann? Nun, um die Spannung ins schier Unerträgliche zu treiben, hier erst die Auflösung, wer die Nummer zwei war. Zwar stammt die betreffende Person nicht aus Wien, aber Erfolg ist Erfolg, da wollen wir mal nicht so sein. Außerdem handelt es sich dabei um eine Dame. Ihr Name: Gertrude Wirschinger, 1946 in Klagenfurt geboren. Klingelt da was? Wohl kaum. Denn bekannt wurde Frau Wirschinger erst unter ihrem Bühnennamen Penny McLean. Dieser sollte einerseits Kindern der 70er-Jahre etwas sagen, denn damals war sie solo, etwa mit den internationalen Hits „Lady Bump“ und „1,2,3,4 ... Fire!“, die unangefochtene Disco-Queen Österreichs. Andererseits wird der Name Penny McLean auch für Freunde esoterischer Bücher eher unbekannt sein, denn solche schreibt sie seit dem Ende ihrer Musikkarriere. Bevorzugterweise handeln diese von Numerologie und Schutzgeistern. Und wem ihr Name dennoch nichts sagt, der kann sich vielleicht an die Band „Silver Convention“ erinnern, ein Damentrio, das bevorzugt in goldfarbenen Overalls auftrat und die Disco-Welle mitauslöste, wenn nicht gar miterfand. Die im Hintergrund waltenden Macher der Band waren übrigens der Produzent, Udo-Jürgens-Texter und Musical-Übersetzer Michael Kunze sowie der bis heute erfolgreiche Komponist Sylvester Levay (u. a. Schöpfer der Wiener Musicals „Elisabeth“, „Mozart!“ und „Rebecca“), auf den auch der Name der Band zurückgeht. Frau Wirschinger-Lean nahm nun mit „Silver Convention“ nicht nur am Songcontest teil (1977 für Deutschland, Rang 8 mit dem Lied „Telegram“), sondern … erreichte 1975 mit „Fly Robin Fly“ elf Jahre vor Falco auch den Platz 1 der US-Charts! Das Lied kommt übrigens mit sechs Worten aus (fly, Robin, up, to, the und sky), die immer in der Phrase „Fly, Robin, Fly, Up, up to the sky!“ wiederholt werden. Auch die Nachfolge-Single „Get Up and Boogie“ erreichte lichte amerikanische Höhen, Platz 2 um genau zu sein.
Aber nun (Trommelwirbel) zu demjenigen Wiener, der als erster Österreicher die Nummer 1 der US-Billboard-Charts erreichte: *bumbumbumbumbumbumbumbum* Anton Karas! Sein Instrument: die Zither. Sein Lied: „Das Harry Lime Thema“ aus dem Film „Der dritte Mann“. Mit dieser Nummer führte Karas 1950 ganze elf Wochen lang die US-Hitparade an. Und sorgte für einen weltweiten deutlichen Anstieg der Zither-Verkäufe. Und begründete die Tradition, Musik aus Filmen als Singles auszukoppeln. Die Platte ging damals in den USA sensationelle 500.000 mal über den Ladentisch, und nach Brancheneinschätzungen haben sich die verschiedenen Versionen des Liedes, unter anderem von Guy Lombardo, Herb Alpert, The Band und The Shadows bis heute an die 40 Millionen mal verkauft. Sogar die Beatles haben es einmal aufgenommen, aber auf keiner ihrer Platten veröffentlicht.
Orson Welles, inspired by Anton Karas
Über das „Harry Lime Thema“, Anton Karas’ internationalen Erfolg und die vielen Wien-Aspekte des Films wurde andernorts schon so oft und so viel geschrieben, dass ich es mir hier verkneife. Nur ein Gustostückerl vielleicht noch: Die auch als „The Third Man Theme“ bekannte Melodie von Anton Karas ist das offizielle musikalische Thema der Tokyoter Bahnstation Ebisu, dessen erste Takte jedes Mal ertönen, wenn sich die Türen eines Zuges schließen. Denn in Japan haben fast alle Bahnstationen eigene Einstiegsmelodien. Karas’ Melodie ist in Japan allgemein als „Ebisu-Thema“ bekannt, weil es früher in der Werbung für Ebisu-Bier verwendet wurde. Und die Ebisu-Bierfabrik befand sich früher an dem Ort, an dem heute die Bahnstation gleichen Namens zu finden ist... Die – sehr – vereinfachte Anton-Karas-Version sowie andere der sogenannten „Train Station Tunes“ kann man sich auch im Internet anhören, etwa auf der Website des japanischen Kulturmagazins „The Nihon Sun“ (www.nihonsun.com).
Nach Falco schaffte es übrigens nur noch eine weitere österreichische Musikgruppe auf einen höheren Platz der US-Charts: 1991 erreichten die Bingo Boys mit „How To Dance“ den Platz 25 der Billboard-Charts – und den Platz Nummer 1 der Dance Charts.
Obwohl dritter und nicht erster Platz ist Falcos Erfolg mit „Rock Me Amadeus“ in den USA aber keineswegs zu unterschätzen. Zum einen war er der erstedeutschsprachige Künstler, der beide großen US-Hitparaden (Billboard Hot 100 und Cashbox Top 100 Singles) anführte, zum anderen erreichte er auch einen für einen weißen Künstler extrem seltenen Top-Platz, nämlich Rang 6 in den „Billboard Top R&B Singles Chart“, damals noch „Black Singles-Charts“ genannt. In diesen Bereichen bewegten sich vor ihm nur Blondie und nach ihm Eminem.
Und noch etwas kann man dem Wiener Falken nicht rauben: Er war und ist der einzige Künstler, der die US-Charts mit einer deutschsprachigen Musiknummer anführte. Denn „Fly, Robin, Fly“ war eng-lischsprachig und „Das Harry Lime Thema“ eine instrumentale Nummer.
Rathausmann
im Eisen
Zwei seltsame, aber touristisch umso interessantere teil-metallene Objekte standen und stehen oft im Fokus herkömmlicher Wien-Bücher und Reiseführer: der Rathausmann und der Stock im Eisen.
Durchaus zu Recht, stellen doch beide eine Fundgrube an interessanten, obskuren und auffallenden, aber eben meist weithin bekannten Details dar. Seltener fällt der touristische – und einheimische – Blick aber auf ein drittes ehernes Denkmal, das quasi eine Synergie aus den beiden bekannteren darstellt.
Aber zuerst zu bekannten und weniger bekannten Fakten rund um die bekannteren Objekte:
Die ältere der beiden Metall-Sehenswürdigkeiten, nach Meinung mancher die älteste Sehenswürdigkeit Wiens überhaupt, befindet sich – obwohl es sich dabei ursprünglich schlicht und einfach nur um einen Baum, der vor den einstigen Stadttoren stand, handelte – schon seit langem in der Stadtmitte, an dem nach ihr benannten Stock-im-Eisen-Platz. Dieser Platz stellt übrigens ein weiteres Wiener Kuriosum dar, denn, obwohl es ihn als Adresse noch gibt, wird man heute so seine Mühen haben, ihn „räumlich“ zu finden. Hört sich etwas geheimnisvoll an, erklärt sich aber ganz einfach durch den Verlauf der Geschichte: Denn im Laufe der Zeit sind die ihn begrenzenden Häuser schlicht und einfach verschwunden, sodass mittlerweile der Graben und die Kärntner Straße gewissermaßen unbehindert in den Stephansplatz münden. Wodurch der ehemalige Platz zu einem Platz ohne klar erkennbaren Platz wurde. Denn der nun quasi vergrößerte Stephansplatz wird in seiner räumlichen Ausdehnung durchaus als einheitlicher Platz wahrgenommen, wenn auch nicht alles Stephansplatz ist, was danach aussieht. Wie eben der heute „unsichtbare“ Vorplatz namens Stock im Eisen.
Doch genug der räumlichen Verwirrung und zurück zu seinem Namensgeber. Die Geschichte von den Handwerksgesellen, die am ehemaligen Stadttor jeweils einen Nagel in einen Baum schlugen, sodass nach und nach der ganze Baum ein eisernes Gewand erhielt und so zum „Stock im Eisen“ wurde, ist wohl jedem Wiener hinlänglich bekannt. Wenn man auch nicht genau weiß, weshalb der Baum ursprünglich „benagelt“ wurde. Denn der Beginn der Beschlagung des alten – vermutlich – Grenzbaums, etwas vor 1440, liegt wesentlich länger zurück als der Brauch der wandernden Schmiede und Schmiedegesellen, der erst ab etwa 1715 belegt ist.
Auch nicht allgemein bekannt dürfte sein, dass es sich bei dem Original-Stock um den mittleren Teil einer zweiwipfeligen Zwieselfichte handelt. Oder dass sich sein Name nicht von den Nägeln, die in ihn geschlagen wurden, abwandelt, sondern von den den Stamm umgebenden eisernen Bändern. Der Stamm wird nämlich scheinbar von einem Schloss zusammengehalten, das jedoch nur eine Attrappe ist, da es kein Werk enthält, also leer ist. Die Sagen, dass niemand einen Schlüssel fertigen konnte, um das Schloss zu öffnen, dürfte also einen ganz pragmatischen Hintergrund haben: wo kein (echtes) Schloss, da kein Schlüssel um es zu öffnen. Zum Schutz vor Wind, Wetter und vor allem Millionen von Touristenfingern ist der vernagelte Stock übrigens seit längerem durch eine Plexiglaswand geschützt.
Nicht so sein um einiges jüngerer und fast gänzlich unbekannter Bruder: Wiens zweiter Stock im Eisen. Der steht nämlich im achten Bezirk, passenderweise am Schlosserplatzl (der eigentlich nicht so heißt, sondern eine Fläche vor der Wickenburggasse 1 ist), wird nicht von Plastik umgeben - und ist auch noch in Funktion. 1988 wurde er hier, direkt vor der Landesinnung der Wiener Schlosser, aufgestellt, und seit dieser Zeit darf jeder frischgebackene Jungmeister einen Nagel einschlagen, auch heute noch. Meist zu Sammelterminen als kleine Festivität.
Wie man sieht, unsichtbar: der Platz „Stock im Eisen“
Das zweite eherne Wahrzeichen der Stadt, den Rathausmann, gibt es auch gleich zwei Mal. Das Original steht ganz oben auf der Spitze des Rathauses, wo es auch hingehört. Die Kopie findet sich zu seinen Füßen im Rathauspark, um die Ecke der Figuren-Allee, damit man ihn besser betrachten, bestaunen und ja, fotografieren, kann. Denn diese Kopie, angefertigt während Restaurierungsarbeiten am Original, steht ja seit 1985 extra zum Knipsen vor dem Rathaus. Den echten Wächter, der über den Dächern von Wien thront, könnte man auch mit extremen Teles nicht so gut erfassen. Das Original ist inklusive Standarte 5,4 Meter hoch, wiegt 1800 Kilogramm, hat Schuhgröße 63 und wird mithilfe einer 800 Kilogramm schweren Stahlkugel, die unter ihm als Pendel angebracht wurde, an seinem Platz gehalten. Kann aber trotzdem um bis zu 25 Zentimeter schwanken. Seine Anbringung war übrigens gewissermaßen ein anti-monarchistischer Schildbürgerstreich. Verbat Kaiser Franz Joseph I. doch, dass die Türme des Rathauses die nahegelegene Votivkirche überragen. Vermutlich deshalb, weil die Kirche eine sogenannte Votivgabe des Kaisers war, also ein Geschenk, das seinen Dank über das Misslingen des Attentats, das an ihm im Jahre 1853 verübt worden war, zum Ausdruck bringen sollte. Seit dieser Zeit erinnert die Votivkirche ebenso an das Attentat wie die Ettenreichgasse, die nach einem der beiden Retter des Kaisers, einem Fleischhauer, benannt ist. Wie auch immer, den Architekten blieb nichts anderes übrig, als sich den Anweisungen des Kaisers zu beugen und der Turm wurde mit 98 Metern um einen Meter niedriger als die Kirche errichtet. Ein bisschen geschummelt haben sie dann aber doch noch, denn mit dem schmückenden Mann auf seiner Spitze, wurde das Rathaus dann doch noch um einiges höher ...