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Die werden lachen in
Teplitz-Schönau!

Anna Lindner
Die werden lachen in
Teplitz-Schönau!
Die wechselvolle Geschichte
der berühmten k.u.k. Städte
METROVERLAG
Bildnachweis:
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© 2013 Metroverlag
Verlagsbüro W. GmbH
www.metroverlag.at
Alle Rechte vorbehalten
Druck: Theiss Druck, St. Stefan im Lavanttal
ISBN 978-3-99300-124-7

INHALT

VORWORT

Vermessung der Städte

TSCHECHIEN

Brno / Brünn

České Budějovice / Budweis

Český Krumlov / Krumau

Františkovy Lázně / Franzensbad

Hradec Králové / Königsgrätz

Hranice / Mährisch Weißkirchen

Karlovy Vary / Karlsbad

Liberec / Reichenberg

Mariánské Lázně / Marienbad

Olomouc / Olmütz

Praha / Prag

Slavkov u Brna / Austerlitz

Teplice / Teplitz

Znojmo / Znaim

SLOWAKEI

Bratislava / Pressburg

Košice / Kaschau

Trenčín / Trentschin

Trnava / Tyrnau

POLEN

Cieszyn / Teschen

Kraków / Krakau

Oświęcim / Auschwitz

UKRAINE

Brody (Броди)/ Brod

Czernowitz (Чернівці) / Cernăuţi

Lwiw (Львів) / Lemberg

RUMÄNIEN

Alba Iulia / Karlsburg

Cluj-Napoca / Klausenburg

Ocna Sibiului / Salzburg

Oravița / Orawitz

Sibiu / Hermannstadt

Timişoara / Temeswar

Tirol / Königsgnad

UNGARN

Budapest

Debrecen / Debrezin

Esztergom / Gran

Győr / Raab

Mohács / Mohatsch

Pécs / Fünfkirchen

Sopron / Ödenburg

Szeged / Szegedin

Székesfehérvár / Stuhlweißenburg

Szombathely / Steinamanger

SERBIEN

Novi Sad (Нови Сад) / Neusatz

Subotica (Суботица) / Szabadka

BOSNIEN-HERZEGOWINA

Sarajevo (Сарајево) / Saraybosna

Tuzla (Тузла) / Salinae

KROATIEN

Dubrovnik / Ragusa

Opatija / Abbazia

Rijeka / Fiume

Split / Spalato

Varaždin / Varasd

Zagreb / Agram

SLOWENIEN

Ljubljana / Laibach

Maribor / Marburg an der Drau

Piran / Pirano

ITALIEN

Duino / Thübein-Nabreschin

Gorizia / Görz

Grado

Merano / Meran

Solferino

Trieste / Triest

Quellen

Reiseinformationen

VORWORT

Vermessung der Städte

In einem Feuilleton, das er 1924 für die Frankfurter Zeitung verfasste, schreibt Joseph Roth: „Die Städte überleben Völker, denen sie ihre Existenz verdanken, und Sprachen, in denen ihre Baumeister sich verständigt haben.“ Was Roth so apodiktisch formuliert, trifft sicher nicht auf alle Städte zu: Viele überlebten ihre Gründer nicht, manche scheinbar altehrwürdige Stadt besteht erst seit Kurzem. Und die Baumeister der wenigsten Städte haben sich in nur einer einzigen Sprache verständigt. Letzteres gilt ganz besonders für die Städte der ehemaligen Habsburgermonarchie: Bis 1918 Teil eines Vielvölkerstaats, waren die meisten zum einen ebenfalls multiethnisch und multikulturell geprägt. Zum anderen haben neben den unterschiedlichen lokalen Baumeistern auch solche aus der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien oder der Hauptstadt der transleithanischen Reichshälfte, Budapest, ihre Spuren hinterlassen. Gerade daraus ergibt sich das spezifische Flair und natürlich eine wechselvolle Geschichte – schließlich sind Roths „Baumeister“ auch metaphorisch zu verstehen.

Sechzig solcher k.u.k. Städte werden in diesem Buch vorgestellt. Ihre facettenreichen, heutige Grenzen überschreitenden und in vielen Zügen auch einander ähnelnden Gesichter werden porträtiert; ihrer manchmal komischen, manchmal düsteren, manchmal glorreichen, manchmal eigenartigen Vergangenheit und Gegenwart wird nachgespürt; Wissenswertes und Kurioses zu Tage gefördert und in vielen Fällen nicht zuletzt die Frage beantwortet: Wie heißt diese Stadt heute? Die Auswahl der Städte ist subjektiv: Natürlich dürfen weder Karlsbad noch Budapest fehlen, manch bekannte Stadt kann nicht berücksichtigt werden, dafür finden sich Orte, von den kaum jemand etwas gehört haben wird, weil sie auf typische oder ungewöhnliche Weise von ihrer – ein halbes Jahrtausend oder kein Jahrhundert währenden – Zugehörigkeit zur Habsburgermonarchie geprägt sind.

Im schon erwähnten Feuilleton, das er über eine Reise nach Galizien verfasste, reflektiert Joseph Roth – geboren und aufgewachsen in Brody in der heutigen Ukraine und einer der wichtigsten literarischen Erkunder der späten k.u.k. Zeit – auch, welche Schwierigkeiten sich demjenigen stellen, der einen Ort gültig beschreiben will, noch dazu, wenn dafür nicht hunderte Seiten zur Verfügung stehen: „Es ist eine große Vermessenheit, Städte beschreiben zu wollen. Städte haben viele Gesichter. Viele Launen, tausend Richtungen, bunte Ziele, düstere Geheimnisse, heitere Geheimnisse.“

Sich mit Roth zu vergleichen, wäre natürlich eine ebenso große Vermessenheit. Der Gültigkeit seiner Überlegungen tut das keinen Abbruch – im Gegenteil. Die Geschichte der Städte kann zwangsläufig nur angerissen, ihr Gepräge nur skizziert werden. Es würde mich freuen, wenn die hier versammelten Texte Neugier wecken. Wer die Städte wirklich kennenlernen möchte, muss hinfahren!

Anna Lindner

TSCHECHIEN

BRNO
BRÜNN

Krokodil und Verbrechen

Was für Wien der Basilisk ist, ist für Brünn ein Drache: das legendenumwobene lokale Monster mit Platz im Herzen der Stadt. Doch während Wien die Erinnerung an das Ungeheuer nur in Form eines Reliefs bewahrt, hat Brünn dem leibhaftigen Drachen einen prominenten Platz reserviert. Er hängt im Alten Rathaus, gleich in der gewölbten Einfahrt des mittelalterlichen Gebäudes. Dorthin wurde er gebracht, nachdem die Brünner – nach unzähligen erfolglosen direkten Konfrontationen mit tödlichem Ausgang – auf eine List verfallen waren. Sie servierten dem Drachen, der sich gerne am Vieh der Bauern aus der Umgebung gütlich tat, eine mit ungelöschtem Kalk gefüllte Kuhhaut und erledigten ihn auf diese Weise. Gleichzeitig mit seinem Durst löschte er auch den Kalk.

Nun ja, ganz so hat sich die Geschichte natürlich nicht zugetragen. Der Brünner Drache ist in Wirklichkeit ein ausgestopftes Krokodil. Aber welche mitteleuropäische Stadt kann sich schon rühmen, ein Krokodil in einem seiner Amtsgebäude hängen zu haben? Und die Legende vom Brünner Drachen kann durchaus als Metapher dafür interpretiert werden, wie dieses Krokodil wirklich in die mährische Stadt kam. Da war zwar keine Überlistung eines gefräßigen Monsters im Spiel, aber es ging darum, auf nicht ganz geradem Wege etwas zu erreichen: Das Krokodil ist ein Geschenk Matthias II., der sich damit die Brünner im Zwist mit seinem Bruder Rudolf II. um die Kaiserkrone gewogen machen wollte. Schon im Jahr des Drachen – nach herkömmlicher Zeitrechnung 1608, Erde-Affe im 72. Zyklus des chinesischen Kalenders – war Brünn eine bedeutende Stadt. Siedlungen gab es in dem Gebiet vermutlich schon in prähistorischer Zeit. Anfang des elften Jahrhunderts wurde eine Burg gebaut, in deren Umfeld eine Ortschaft entstand. 1243 wurde sie zur Königsstadt ernannt. Während des Dreißigjährigen Kriegs ließ Ferdinand III. die politischen und administrativen Einrichtungen von Olmütz (siehe Seite 39) nach Brünn verlegen. Mit dem Spielberg, auf Tschechisch Špilberk, verfügte die Stadt über eine mächtige Festung. Und während Olmütz von den Schweden eingenommen wurde, konnte Brünn sich der Belagerung widersetzen. Nach dem Krieg blieb Brünn Hauptstadt und seine Bedeutung wuchs.

In den kommenden Jahrhunderten wurde auch der Špilberk noch weiter ausgebaut. Berüchtigt geworden ist er aber weniger als Festung, als Gefängnis. Schon im Dreißigjährigen Krieg wurden protestantische Aufständische hier gefangen gehalten, Ende des 18. Jahrhunderts wurde in der Festung ein ziviles Gefängnis für die Schwerverbrecher des ganzen Reichs untergebracht. Die Kasematten, die unterirdischen Gewölbe, die ursprünglich für den Unterstand der Soldaten gedacht waren, wurden zu Zellen umfunktioniert. Die größten Kriminellen wurden in die tiefsten Kasematten gebracht und dort an die Wand geschmiedet. Aber auch in den oberen Stockwerken herrschten Zustände, die man sich heute kaum vorstellen kann.

Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Gefängnis am Spielberg aufgelassen und 1880 die Festung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war einer der berühmtesten Söhne der Stadt, der sich später mit dem Verbrechen auseinandersetzen sollte, zehn Jahre alt. Freilich war seine Beschäftigung nicht praktischer Natur und auch gänzlich unkriminologisch: Adolf Loos, einer der Begründer, wichtigsten Vertreter und zweifellos der polemischste Theoretiker der modernen Architektur, unter anderem Verfasser der Schrift „Ornament und Verbrechen“.

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Loos hat viel gebaut, in seiner Heimatstadt allerdings nicht. Dafür steht in Brünn eines der Hauptwerke eines anderen wichtigen Vertreters der architektonischen Moderne: Die Villa Tugendhat des deutschen Architekten Mies van der Rohe. Überhaupt weist Brünn – neben mittel alterlichen Gebäuden, wie dem Alten Rathaus mit seinem hohen Turm und dem obligaten habsburgischen Barock – viele Architekturdenkmäler aus der Zwischenkriegszeit auf. Etwa die 1928 entstandene Werkbundsiedlung im Bezirk Žabovřesky oder das schmale Hotel Avion von Bohuslav Fuchs in der Innenstadt.

Die Bauherren der von van der Rohe entworfenen Villa, die Industriellen familie Tugendhat, konnten nicht einmal zehn Jahre in ihrem Haus wohnen. Als Juden mussten sie nach dem Einmarsch der Nazis fliehen. Dem Großteil der jüdischen Bevölkerung von Brünn gelang das nicht. Von etwa 12.000 in der Stadt lebenden Juden wurden zirka 9000 deportiert, nur 700 überlebten. 1945 wurde der Großteil der deutschen Einwohner vertrieben. Schon am 31. Mai wurden ungefähr 27.000 Menschen zu Fuß Richtung österreichische Grenze geschickt. Viele überlebten diesen sogenannten „Brünner Todesmarsch“ nicht – ob über 5000 starben oder etwa 2000, darüber gibt es unterschiedliche Angaben. Nach dem Krieg verlor Brünn auch seinen Status als mährische Hauptstadt.

ČESKÉ BUDĚJOVICE
BUDWEIS

Katholische, barocke Bierstadt

Selten wird auf Deutsch der Zusatz „Böhmisch“ gebraucht, wenn von Budweis die Rede ist. Auf Tschechisch muss man ihn verwenden, will man České Budějovice nicht mit Moravské Budějovice verwechseln. Wobei: Mährisch Budwitz, wie der Ort auf Deutsch heißt, kann mit der 100.000-Einwohner-Stadt in Südböhmen eigentlich nicht verwechselt werden. Will man Budweis unbedingt ein Attribut anfügen, könnte man es allerdings auch „Katholisch Budweis“ nennen.

Nicht weil die Stadt aus einer Klostergründung hervorgegangen wäre – Ottokar II., aus der Dynastie der Přemysliden, König von Böhmen, Herzog von Österreich, der Steiermark, Kärntens und der Krain, hat Budweis gegründet. Er suchte sich die Mündung der Maltsch in die Moldau aus, um hier eine Burg errichten zu lassen, von der aus er im Süden Böhmens ein fürstliches Gegengewicht zu den mächtigen Rosenbergern aufrechthalten wollte. Durch die königliche Unterstützung und ihre Lage an Fernhandelsrouten entwickelte sich Budweis schnell und gehörte bald zu den größeren Städten des Landes. Ihr Wohlstand stieg im 16. Jahrhundert noch einmal durch den Silberabbau in den nahegelegenen Bergwerken.

Die Geschichte Böhmens war im vorangegangenen 15. Jahrhundert von den Hussitenkriegen geprägt. Anders als viele andere böhmische Städte stellte Budweis sich nicht auf die Seite der Nachfolger des Reformators Jan Hus, sondern blieb in dieser Zeit katholisch. Zweihundert Jahre später – während des Dreißigjährigen Kriegs – war es ähnlich. Während ein großer Teil der böhmischen Adeligen protestantisch war und den Aufstand gegen die Herrschaft übte, blieb Budweis auf Seiten Habsburgs und der römischen Kirche. Gut befestigt wie sie war, wurde sie zu einem strategisch wichtigen Ort für die katholische Liga.

Durch den Krieg selbst nahm die Stadt kaum Schaden, wurde aber 1641 durch ein Feuer weitgehend zerstört. In den folgenden Jahrzehnten bekam die Stadt ein überwiegend barockes Gesicht. Eindrucksvollstes Beispiel ist der nach dem Stadtgründer benannte Přemysl-Otakar II.-Platz, der von barocken Bürgerhäusern umsäumt ist. Der quadratische, etwa einen Hektar große Platz ist, bis auf einen ebenfalls barocken Brunnen in der Mitte, vollkommen leer. Der Brunnen zeigt Samson, der mit dem Löwen kämpft.

„Samson“ ist auch einer der Namen, unter denen Budweiser Bier verkauft wird. Genauer gesagt: Das Bier des ehemaligen Budweiser Bürgerbräus. some_text Diese Brauerei wurde 1795 von deutschen Einwohnern Budweis’ eingerichtet. Das heute als „Budweiser“ firmierende Bier braut hingegen die Brauerei Budějovický Budvar. Sie wurde Ende des 19. Jahrhunderts als Český akciový pivovar gegründet, als immer mehr Tschechen aus dem Umland nach Budweis zogen. Zu dieser Zeit hatte sich die Stadt an der Moldau schon zu einem wichtigen Industriezentrum entwickelt. Dazu hatte ab dem Jahr 1832 die Pferdebahn beigetragen, die – als zweite in Kontinentaleuropa überhaupt – zwischen Budweis und Linz verkehrte und ursprünglich für den Salztransport aus Oberösterreich nach Böhmen eingerichtet worden war.

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ČESKÝ KRUMLOV
KRUMAU

Malerisches Städtchen mit
blutigem Schloss

In den Jahren 1910 und 1911 verbrachte Egon Schiele den Sommer in Böhmisch Krumau, woher seine Mutter stammte. Ihn interessierten die kleinen Häuser, die sich spitzdachig an der Moldauschleife, an der krummen Au, die der Stadt ihren Namen gab, drängen. Auf den Bildern, die er während seines Aufenthalts skizzierte, scheint es manchmal, als würden sie nicht neben- und hinter-, sondern übereinander stehen.

Weniger Eindruck scheint auf Schiele das Krumauer Schloss gemacht zu haben. Das war zu jener Zeit zwar keine Residenz mehr – die Besitzer, die Schwarzenbergs, hatten die ihre einige Zeit davor ins nahegelegene Fraunberg verlegt –, aber noch immer, wie auch heute, der zweitgrößte Repräsentationsbau in Böhmen, nach dem Hradschin natürlich (siehe Seite 43). Und mit seinem runden, seltsam gedrungenen Renaissanceturm, dessen in einer langen Spitze endendem Dach wiederum vier Kleinsttürme entwachsen, erscheint er durchaus pittoresk. Sein Vorläufer wurde schon im 13. Jahrhundert, nicht lange nachdem an dem Ort die erste Burg gebaut worden war, errichtet. Ab 1302 gehörte Krumau den Rosenbergern, die im 15. Jahrhundert zum besitzreichsten Adelsgeschlecht auf dem Gebiet des heutigen Tschechien aufstiegen. Sie ließen die Burg prächtig um- und ausbauen und deren Turm erhöhen. 1602 musste der letzte Rosenberger die Herrschaft an den Kaiser verkaufen. Er war stark verschuldet.

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Damit wurde Krumau zum Schauplatz des wohl grausigsten Ereignisses, das sich im Hause Habsburg, wenigstens im Hause eines Habsburgers, zugetragen hat. Der Kaiser, es war Rudolf II., gab die Stadt an seinen unehelichen Sohn Julius d’Austria weiter. Der nahm seinen Wohnsitz im Schloss, machte eine junge Einheimische zu seiner Geliebten und ließ an ihr seine Launen aus. Höchstwahrscheinlich ist, dass er geisteskrank war. Während eines Anfalls jedenfalls, some_text warf er das Mädchen aus dem Fenster. Sie fiel in den Burgteich und überlebte. Der Vater weigerte sich verständlicherweise, seine Tochter wieder in die Burg gehen zu lassen. Julius ließ ihn in den Kerker werfen und drohte, ihn zu töten, wenn sie nicht zurückkäme. Als sie dann wieder bei ihm im Schoss war, steckte er das Mädchen in ein pelzgefüttertes Gewand und, man kann es nicht anders sagen, schlachtete sie ab: Er stach mit seinem Schwert auf sie ein, schnitt ihr die Ohren ab, riss ihr ein Auge aus und spaltete ihr den Schädel. Dann ließ er ihr ein pompöses Begräbnis ausrichten. Er selbst lief noch vier Tage blutverschmiert durch die Stadt. Erst einen Monat später schritt sein Vater ein und ließ ihn im Schloss gefangen setzen. Dort blieb Julius bis zu seinem Tod ein Jahr später.

Knapp fünfzehn Jahre nach dem blutrünstigen Mord durch habsburgische Hand, gab denn auch Rudolfs Nachnachfolger Krumau wieder aus der Hand der Habsburger: 1622 schenkte Ferdinand II. die Stadt seinem Ratgeber und Hofkammerpräsidenten Hans Ulrich von Eggenberg für dessen Einsatz beim Kampf gegen den Protestantismus.

FRANTIŠKOVY LÁZNĚ
FRANZENSBAD

Der Kaiser,
die Weiber und das Moor

Schon seit dem Mittelalter gab es in der Franzensbader Gegend eine kleine Siedlung. Spätestens seit Ende des 14. Jahrhunderts waren die mineralischen Quellen bekannt. Franzensbad selbst wurde aber erst im Jahr 1793 gegründet. Benannt wurde es nach Kaiser Franz II., der die Gründung und den Ausbau zum Kurort förderte.

Von den Einheimischen wurde das nicht ungeteilt aufgenommen. Schon um 1700 hatte sich ein kleiner Kurtourismus im späteren Franzensbad etabliert. In dem sumpfigen Gebiet gab es eine Gastwirtschaft mit angeschlossenem Bad. Es kamen aber hauptsächlich Bewohner der Umgebung, um sich an der später ebenfalls nach dem Kaiser benannten Quelle behandeln zu lassen. Deren Wasser wurde allerdings auch verkauft: Auf dem Markt von Eger, auf Tschechisch Cheb, der etwa fünf Kilometer entfernten, nächsten größeren Stadt. Als der aus Cheb stammende Arzt Bernhard Adler, der in Wien über die mineralischen Quellen seiner Heimat promoviert hatte, nach seiner Rückkehr begann, die Quellen einzufassen und mit hölzernen Pavillons zu überdachen, legte er den Grundstein für die spätere Entwicklung zum Kurort. Für die Bewohner der Gegend bedeutete das aber auch, nicht mehr nach belieben aus den Quellen schöpfen zu können. Daraufhin kam es zum sogenannten Egerer Weibersturm. Die Frauen, die davon lebten, das Quellwasser in Eger zu verkaufen, marschierten ins spätere Franzensbad und zerstörten Adlers Konstruktion.

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Das nutzte allerdings nicht viel. Der Egerer Stadtrat befürwortete Adlers Vorhaben. In den folgenden Jahren wurde Franzensbad, damals hieß der Ort eigentlich noch Kaiser-Franzensdorf, zu einem gehobenen Kurort ausgebaut: Mit Kolonnade, Kasino und Kaiserbad. Letzteres wurde allerdings erst etwas später errichtet und zu Ehren von Franzens Nachnachfolger Franz Joseph benannt, der wie die meisten kakanischen Bäder so auch dieses besuchte und Franzensbad 1865 zur Stadt erhob.

HRADEC KRÁLOVÉ
KÖNIGGRÄTZ

Niederlage
im Männer-Städtchen

Wie wahrscheinlich keine andere Stadt in der ehemaligen k.u.k. Monarchie, wenn nicht gar auf der Welt, ist der Name Königgrätz mit der patriarchalen Gesellschaft verbunden. Das hat nichts mit der Schlacht, die hier am 3. Juli 1866 den Deutschen Krieg zwischen Preußen und Österreich entschied, zu tun – in der nahmen selbstredend nur Männer (und Pferde) teil –, sondern mit dem Namen der Stadt: Grätz. Das leitet sich – genauso wie das tschechische Hradec – von einer Verkleinerungsform des altslawischen grad ab und bedeutet soviel wie „kleine Burg“ oder „Städtchen“. So hieß die Stadt an der Elbe seit ihrer Gründung im Mittelalter. Dann ließ sich hier Elisabeth Richza, zweifache Witwe der Polen-und Böhmen-Könige Wenzel II. und Rudolf I., in Hradec nieder. Von da an wurde die Stadt Hradec Králové genannt: Königingrätz. Doch auf Deutsch setzte sich die maskuline Variante durch, 1804 wurde sie offiziell.

Bei der Schlacht, die 42 Jahre später bei Königgrätz stattfand, siegte das Königreich Preußen gegen Österreich. Das Telegramm, mit dem das Festungskommando Königgrätz Wien über die Niederlage informierte und das am 4. Juli 1866, am Tag nach der Schlacht, in der Neuen Freien Presse abgedruckt wurde, formuliert es folgendermaßen: „Der Erfolg der heute zwischen Königgrätz und Josephstadt gelieferten Schlacht war bis 2 Uhr Nachmittags den österreichischen Waffen günstig. Nach dieser Zeit begann der Feind uns zu überflügeln und zurückzudrängen.“ Ein Grund für die österreichische Niederlage war das Gewehr der preußischen Armee, ein Hinterlader, der zwar weniger gezielt, dafür schneller schoss und einfacher zu handhaben war. Entscheidend waren außerdem eigenmächtige Vorstöße von Unteroffizieren auf österreichischer Seite.

Für die Geschichte Europas blieb die Schlacht bei Königgrätz nicht ohne Konsequenzen. Der Norddeutsche Bund entstand, aus dem schließlich – nach dem Hinzutreten der Königreiche Bayern und Württemberg sowie des Großherzogtums Baden, die in Königgrätz noch Verbündete Österreichs gewesen waren – das deutsche Kaiserreich, das Österreich zusehends von seiner Position im Großmachtgefüge verdrängte, hervorging. In Österreich führte die außenpolitische Schwächung nach der Niederlage nicht zuletzt zum Ausgleich mit Ungarn im Jahr 1867, um innenpolitischen Druck abzubauen.

Aber Kakanien wäre nicht der Vorläufer des heutigen Österreich gewesen, hätte der preußische Sieg nicht Auswirkungen auf das österreichische Selbstbild und im gleichen Moment auch darauf gehabt, was man von dem nun immer größer werdenden deutschen Bruder zu halten hatte: Denn einerseits wurde infolge der Schlacht bei Königgrätz in der Habsburgermonarchie beschlossen, die Wehrpflicht einzuführen, was im militaristischen Preußen schon zur Zeit der napoleonischen Kriege geschehen und – um wieder darauf zurückzukommen – nicht ohne Auswirkungen für das Männlichkeitsideal der damaligen Zeit geblieben war. Andererseits nannte man in Österreich – so lautet jedenfalls eine Theorie – die Deutschen fortan „Piefke“ und verachtete ihre sprichwörtliche Tugenden, die sich unter anderem darin geäußert hatten, dass ein Militärmusiker mit Namen Johann Gottfried Piefke noch auf dem Schlachtfeld zu Ehren des preußischen Sieges den Königgrätzer Marsch komponiert haben soll.

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Hradec Králové ist im Übrigen – ganz gegen seinen verniedlichenden Namen – kein Städtchen, sondern hat über 90.000 Einwohner. Dreihundertmal mehr als Sadová. So heißt das fünfzehn Kilometer entfernte Dorf, wo die Königgrätzer Schlacht in Wirklichkeit stattgefunden hatte. Im deutschen Sprachraum kennt man es kaum, weder in Österreich noch in Deutschland. In Frankreich wurde dagegen bald „Revanche pour Sadová!“ gefordert – weniger aus Sympathie für l’Autriche, als aus Furcht vor dem erstarkten deutschen Nachbarn.

HRANICE
MÄHRISCH WEIßKIRCHEN

Stadt berühmter Schüler

Es war ein eher wenig einladendes Bild, das sich 1894 demjenigen, der in Hranice aus dem Zug stieg, präsentierte: „Eine kleine Station an der Strecke, welche nach Rußland führt. Endlos gerade liefen vier parallele Eisenstränge nach beiden Seiten zwischen dem gelben Kies des breiten Fahrdammes; neben jedem wie ein schmutziger Schatten der dunkle, von dem Abdampfe in den Boden gebrannte Strich.“

So jedenfalls hat es Robert Musil ein Jahrzehnt später beschrieben. Hranice wurde schon in den 1840er-Jahren an die k.k. privilegierte Kaiser-Ferdinands-Nordbahn angeschlossen; im Tal der Mährischen Pforte, durch die die östliche Bernsteinstraße führte, gelegen, war der Verkehr schon immer wichtig für die kleine Stadt an der Bečva. Um 1200 wurde sie gegründet und nach der damaligen Grenze – auf Tschechisch Hranice – zu Schlesien benannt. In der Zeit, als sie Herrschaftsbesitz des Ordens der Prämonstratenser war, erhielt sie den Namen „Alba ecclesia“, der später zum deutschen „Weißkirchen“ wurde. Später gehörte die Stadt diversen Adelsgeschlechtern, Herrschaftsbesitz blieb sie noch bis 1848. Das Spätrenaissance-Schloss aus dem 16. Jahrhundert, mit seinem imposanten Arkadenhof, zeugt von dieser Epoche.

Hranice ist eine hübsche Stadt, aber sicher nicht die interessanteste, weder geschichtlich noch kunsthistorisch. Wie in vielen Städten der Donaumonarchie hat die Gegenreformation auf dem Hauptplatz eine barocke Kirche und eine Pestsäule hinterlassen; wie in vielen tschechischen Orten ist der Hauptplatz heute nach dem ersten Präsidenten der Tschechoslowakei, Tomáš Garrigue Masaryk, benannt. Noch zu erwähnen sind die recht eindrucksvolle Synagoge und der jüdische Friedhof aus dem 17. Jahrhundert. Letzterer galt als besonders schön, wurde jedoch in den 1980er- Jahren teilweise zerstört.

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Aber auch wenn Weißkirchen sonst keine allzu große Bedeutung erlangte – für eine Einrichtung war „die kleine Stadt […] weitab von der Residenz, im Osten des Reiches“, wie es Robert Musil formulierte, berühmt: Die 1856 gegründete Militär Oberrealschule: „Denn hier erhielten die Söhne der besten Familien des Landes ihre Ausbildung, um nach Verlassen des Institutes die Hochschule zu beziehen oder in den Militär- oder Staatsdienst einzutreten, und in allen diesen Fällen sowie für some_text den Verkehr in den Kreisen der guten Gesellschaft galt es als besondere Empfehlung, im Konvikte zu W. aufgewachsen zu sein.“

Zu diesen Söhnen vornehmer Familien gehörten mehrere Habsburgersprößlinge, wenn auch nicht aus dem regierenden Zweig der Familie. Dafür war auch der nachmalige österreichische Bundespräsident Theodor Körner – der es im Übrigen (dank der Weißkirchner Erziehung?) in der k.u.k. Armee bis zum Oberst gebracht hatte – darunter, und einige Jahre davor Rainer Maria Rilke. Robert Musil war drei Jahre Kadett an der Militär Oberrealschule. In seinem 1906 erschienenen Debütroman „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“ hat er Erfahrungen aus dieser Zeit verarbeitet. Und auch wenn er die Militärschule zu einem Konvikt stilisierte und den Namen der Stadt mit W. abkürzte, wusste jeder kakanische Leser, was damit gemeint war …

KARLOVY VARY
KARLSBAD

Royal, russisch, republikanisch

>Schon bei seiner Gründung zeichnete sich die herausragende Stellung ab, die Karlsbad in den kommenden Jahrhunderten unter den Kurorten dieser Welt einnehmen würde. Kaiser Karl IV. persönlich soll auf dem Gebiet der heutigen Stadt eine Quelle entdeckt haben. Oder vielmehr: Als Karl mit seinem Gefolge in den wildreichen Wäldern um die Täler der Tepl und der Eger auf der Jagd war, soll einer der Hunde plötzlich in einen kleinen Abgrund gefallen sein. Der Hund heulte laut auf, die Jäger eilten herbei. Doch statt, wie vermutet, das Tier schwer verwundet zu finden, war es nur erschrocken, denn neben ihm schoss heißes Wasser aus dem Stein. Der flugs informierte Kaiser bemerkte, solch Wasser könne heilend und stärkend wirken. Mit seinem kranken Bein probierte er dessen Kräfte gleich selbst aus und verzeichnete tatsächlich eine Besserung. Daraufhin ordnete er an, an der Quelle eine Stadt zu gründen. Natürlich bekam der Ort seinen Namen.