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Harald Havas

Unglaubliches Wien

HARALD HAVAS

UNGLAUBLICHES

WIEN

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Entdeckungen
für
Fortgeschrittene

METROVERLAG

2. Auflage 2014
© 2012 Metroverlag
Verlagsbüro W. GmbH
info@metroverlag.at
Alle Rechte vorbehalten
Printed in the EU
ISBN 978-3-99300-090-5

Gewidmet meinem Bruder, Alfred Dadisch, einem leider viel zu früh verstorbenen echten Wiener, sowie der Buchhändlerlegende Heinz Kolisch, von dem der Titel dieses Buches fast stammt.

Inhalt

Vorwort

Der Ring, der nie gelungen

Potenzielle U-Bahn-Kollision

Schilda ist überall

Letzte Dinge

Seltsame Nummern

Auf den Hund gekommen

Direttissima

Die Gärten des Dr. Schreber

Unsichtbare Kilometer

Geheimnisvolles Grundstück

Übersinnliches Wien

Wien, unterirdisch

Sprechende Wappen

Hoch hinaus

Wo bitte ist der Schwedenplatz?

Alles Rettung

Die 26 Bezirke von Wien

Ein begnadeter Fälscher

Zahlenspiele

Danksagung

Vorwort

Wie nennt man ein Buch, das seltsame, witzige und weitgehend unbekannte Fakten über die Stadt Wien in einem lockeren Plauderton berichtet oder besser erzählt? Kategorisieren würde man es wohl Neudeutsch als „Infotainment“, aber wie nennt man, also titelt man es? Vor allem, wenn der Markt von anderen – freilich ganz anders strukturierten – Büchern nur so wimmelt, die aber alle ebenfalls schon „Wien“ im Namen führen? Als ich 2005 mein erstes Wienbuch verfasste war das noch relativ einfach. Der damalige Verlag wünschte sich eine Imitation des zu dieser Zeit die Bestellerlisten stürmenden ironischen Sachbuchs „Schotts Sammelsurium“. Zwar wurden auch damals seitenweise alternative Titel diskutiert (etwa „Wiener Melange“), aber als die Rechtsabteilung grünes Licht gab, wurde es dann doch schlicht, deutlich und plagiatorisch ... pardon, emulierend das „Wiener Sammelsurium“.

Als nach mehreren Jahren, nach mehreren anderen (nicht Wien-)Büchern und zwei Verlagswechseln wieder die Idee im Raum stand, ein Buch über Kuriositäten aus und über Wien zu publizieren (allerdings entgegen der Auflistung von Fakten in knapper Form, wie im Sammelsurium-Buch, nun eher in feuilletonstilartigem Erzählton gehalten), rauchten bald wieder die Köpfe, was den Titel betraf. Viele Besprechungen mit meinen über alle Maßen geschätzten und engagierten VerlegerInnen und MitarbeiterInnen vom Metroverlag, unzählige witzige bis abwegige Ideen und viele, viele E-Mails später, einigte man sich schließlich sozusagen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner und somit auf den fast rein deskriptiven Titel „Kurioses Wien“.

Das Buch wurde ein beachtlicher Erfolg und bald stand eine Fortsetzung im Raum. Wieder wurden die verschiedensten Ideen gewälzt, von vollkommen neuen Ansätzen bis hin zu deutlichen Fortsetzungstiteln wie „Kurioses Wien 2“ oder „Kuriose Wiener“. Oder auch „Obskures Wien“, von dem ich mich aber etwas eingeschränkt gefühlt hätte. Bis dann plötzlich, wie ein Dschinn aus der Flasche, der Titel „Furioses Wien“ in der Kommunikation erschien. Und irgendwie allen gefiel. Persönlich kam mir die Titelwahl ganz gelegen, denn ich war mitten im Schreiben an dem Buch und der Titel wirkte in gewisser Weise befreiend auf mich. Denn unter uns: „Furioses Wien“ heißt eigentlich gar nix. Aber es klingt gut.

Allerdings hatten diese Wahl und die eng an den ersten Band angelehnte Umschlaggestaltung einen unerwarteten Nebeneffekt. Trotz oder gerade wegen ganz toller und ausführlicher Berichterstattung in den Medien über das neue Buch (etwa mehrere TV-Berichte) lief der Verkauf von „Furioses Wien“ zwar ganz gut – der vom Backlist-Titel „Kurioses Wien“ explodierte aber! Offenbar fiel es Buchhändlern und Kunden schwer, die beiden auseinanderzuhalten – oder viele entschieden sich im Zweifelsfall für den ersten (und, siehe oben, deutlicher betitelten) Band.

Das versetzte der Idee, später aus den zwei Büchern eine Trilogie zu machen, und dabei den dritten Teil ebenfalls akustisch anzulehnen, einen schweren Dämpfer. (Ich hätte da übrigens „Glorioses Wien“ präferiert, obwohl es auch Stimmen für „Dubioses Wien“ gab.) Um potenzielle Neu-Leser nicht zu verwirren, entschied man sich dann aber für einen neuen und in gewisser Weise auch alten Weg, nämlich der Benennung mit einem selbsterklärenden Adjektiv. Und so wurde das „Unglaubliche Wien“ schließlich zum „Unglaublichen Wien“. Obwohl, Ihnen kann ich’s ja verraten, „Unglaublich, aber Wien“ hätte mir fast noch besser gefallen ...

Aufgrund des Inhalts vieler der folgenden Kapitel hätten wir das Buch allerdings auch getrost „Unsichtbares Wien“ nennen können. Wieso das, lesen Sie aber am besten selbst.

Harald Havas

Der Ring,
der nie gelungen

April 2012: Nach langen Diskussionen und politischen Querelen wurde endgültig beschlossen, eine der zentralen Straßen der Wiener Innenstadt umzubenennen. Also, nur einen Teil der Straße. Denn die Ringstraße stellt ja namenstechnisch wie geografisch einen Straßenzug dar, der aus verschiedenen Teilen mit verschiedenen Namen besteht. Welche Wiener Kinder in der Volksschule erlernen müssen – um sie in den meisten Fällen sogleich wieder zu vergessen. Und die auch keinen Ring ergeben. Denn wenn man den Stadtplan genauer betrachtet, wird man feststellen, dass der Ring eigentlich eher ein asymmetrisches, sechseckiges U darstellt. Nimmt man den Kai dazu, ein asymmetrisches Achteck. Und die Ecken sind außerdem, abgesehen vom Kai, nur ein einziges Mal gleichbedeutend mit dem Namenswechsel der Straße! Echt, überprüfen Sie’s.

Doch zurück zum Thema. Es geht also um den Teil, der nun umbenannt wird. Da der bei nochmaliger Überlegung aber eh einen eigenen Namen hat, wurde also eigentlich doch beschlossen, eine der zentralen Straßen der Wiener Innenstadt umzubenennen, nicht einen Teil. Außer man rechnet die Ecken mit ein, dann ... Aber egal.

Auch wegen dieser verwirrenden Tatsachen rund um den Ring wird die Umbenennung des Dr.-Karl-Lueger-Rings, von dem nämlich hier die Rede ist, weiten Teilen der Bevölkerung nicht besonders auffallen. Allerdings ist diese Umbenennung, in Universitätsring, natürlich sinnvoll. Denn das Problematische an der Gestalt des Namensgebers Dr. Karl Lueger ist ja, dass er nicht nur ein sehr populärer, sondern auch ein sehr populistischer Bürgermeister war. So sind ihm zwar eindeutig auch viele Verdienste um den Ausbau und Umbau Wiens in eine modernere und auch sozialere Stadt zuzuschreiben. Gleichzeitig bediente er aber die antisemitischen Gefühle seiner Zeit mit markigen Sprüchen und spielte auf den Vorurteilen der Bevölkerung wie auf einer Orgel sein eigenes Stück. Da nach wie vor viele andere Bauwerke und Orte in Wien seines Namens gedenken, unter anderem eine Kirche am Wiener Zentralfriedhof, können wohl auch eingefleischte Lueger-Fans, die es noch immer gibt, den Verlust der Bezeichnung des Ring-Teils verschmerzen. Denn es steht ja auch noch das Lueger-Denkmal am Rande des Parkrings, auf dem Dr.-Karl-Lueger-Platz. Ideen, dieses Denkmal nicht zu entfernen, sondern einfach leicht nach rechts zu neigen, um einerseits die rechte Neigung des Bürgermeisters zu demonstrieren und andererseits die Schieflage der heutigen Politik im Umgang mit seiner Person, werden wohl nicht in absehbarer Zeit realisiert werden. Obwohl das schon nett wäre.

Sogar ein Wienerlied, meist „Lueger-Lied“ genannt, gibt es über den Bürgermeister, das ausgerechnet von Hans Moser (eigentlich Johann Julier, nein, nicht Jean Julier oder Jean Juliet, wie oft fälschlicherweise behauptet), populär gemacht wurde. Derselbe Moser, dem es nur mit vielen Verrenkungen und diplomatischem Geschick gelang, seine jüdische Frau unbeschadet durch die Nazizeit zu bringen; und das außerdem aus der Operette „Essig und Öl“ stammt, die von Robert Katscher, der auch viele bekannte Lieder wie „Wenn die Elisabeth nicht so schöne Beine hätt“ komponierte, verfasst wurde. Der als Jude im Jahr 1938 in die USA emigrieren musste, wo er auch starb. Besagtes Lied nun wird oft auch „Der Doktor Lueger hat mir einmal die Hand gereicht“ genannt und enthält unter anderem folgende Textzeilen:

„Der Doktor Lueger hat mir einmal die Hand gereicht, er hat gesagt: Mein lieber Freund, mein braver Steuerträger, ich fürchte nicht für diese Stadt, solang sie solche Bürger hat. Dann hat er mir die Hand gereicht, der Doktor Lueger.“

Die Umbenennung des Dr.-Karl-Lueger-Rings, die auch damit zu tun hatte, dass Lueger eine Art Bildungsgegner war und die an der Straße gelegene Hauptuni schon länger darunter gelitten hat, seinen Namen in der Adresse führen zu müssen, war aber nicht die erste solche der bekannten Prachtstraße. Zur Zeit der Fertigstellung der Ringstraße und noch einige Zeit darüber hinaus herrschte nämlich bekanntermaßen die Monarchie absolut in Österreich. Und das spiegelte sich natürlich auch in der Benennung von Straßen wieder. Auch in der Zwischenkriegs-sowie der Nazizeit kam es zu – kurzfristigen – Umbenennungen. Weiters änderte sich die Länge der Abschnitte gelegentlich, was die historische Aufarbeitung der Veränderungen nicht gerade vereinfacht. Hier dennoch der Versuch eines Überblicks über die Namensund Längenwandel – beginnend bei der Urania, im Uhrzeigersinn und der heutigen Einbahn folgend:

Zu der auch nicht besonders bekannten Tatsache, dass ein Teil des heutigen Franz Josefs-Kais bis zu Kriegsende einen ganz anderen Namen trug, sowie zum ebenfalls am Kai gelegenen ehemaligen auch dynastisch benannten „Kaiser Ferdinands-Platz“, kann man in diesem Buch im Kapitel „Wo bitte ist der Schwedenplatz?“ nachlesen.

Apropos vergessenes Wien-Schulwissen: In der USFernsehserie „Friends“ gab es eine Episode, in der die Protagonisten ein Spiel spielten. Sie sollten alle US-Bundesstaaten auswendig auf ein Papier schreiben. In der Comedy-Serie verzweifelt der intellektuellste Charakter, Ross, an der Aufgabe und schaffte es trotz stundenlanger Versuche nicht, auf den letzten Bundesstaat zu kommen. Angelehnt daran habe ich einmal im Freundeskreis den Versuch unternommen, geborene Wiener die Namen der 23 Wiener Bezirke aufzählen zu lassen. Erschwerend kommt hier natürlich dazu, dass man in Wien – wie auch in Budapest oder Paris – die Bezirke meistens nicht beim Namen nennt, sondern ihre numerische Bezeichnung verwendet. Wie in „Früher habe ich im Dritten gewohnt, aber jetzt bin ich in den Zehnten gezogen“. Die Ergebnisse des Spiels waren je nach Sichtweise erschütternd, ernüchternd oder amüsant. Niemandem gelang es, alle 23 Bezirke zu nennen, einige Bezirke wurden vergessen, einige wurden falsch benannt ... und einige wurden dazuerfunden! Falls Sie nun das Buch weglegen wollen, um das Spiel einmal selbst zu probieren, ein kleiner Tipp aus dem damaligen Versuch: Nein, Sievering ist kein eigener Bezirk ...

Da wir hier aber eigentlich von Umbenennungen von Straßen sprechen, möchte ich noch eine Art Postscriptum oder Ergänzung zum Kapitel „Von der Falcogasse und anderen“ aus dem Buch „Kurioses Wien“ bringen.

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Hingeschummelter Mikroplatz an der Landstraße (wenn auch gut gemeint),

 

Darin berichtete ich von seltsamen Umbenennungen von Verkehrsflächen. Tatsächlich sind echte Straßenumbenennungen in Wien selten. Deswegen wird in den letzten Jahren zu würdigenden Personen meist eine Straßenecke oder bislang unbenannte Sackgasse ihnen zur Ehre zugeteilt. „Mikroplätze“ habe ich das damals genannt. Und genau einen solchen möchte ich nachtragen. Einen, der dem Konzept irgendwelche Straßenecken zu Plätzen mit eigenem Namen zu erklären, dem Fass die Krone ins Gesicht schlägt. Denn seit 2011 heißt ein gerade mal 30 m langer Streifen der Landstraßer Hauptstraße – nicht mehr Landstraßer Hauptstraße. Gleich neben dem ehemaligen bis 2004 existierenden „Eos-Kino“, für die älteren Jahrgänge hier. Der leicht nach hinten versetzte Eingang zur Herz-Jesu-Kirche (Teil des gleichnamigen Spitals) ergibt optisch zwar durchaus einen etwas breiteren Streifen Gehweg, aber nur mit sehr viel Fantasie einen Platz. Ähnliche zurückgebaute Hauseingänge finden sich auf vielen breiteren Straßen Wiens. Dennoch trägt dieser Streifen Gehsteig nunmehr den Namen „Victor-BraunPlatz“. Zu Ehren von Victor Braun, Priester und Ordensgründer der Herz Jesu Schwestern (eigentlich: „Kongregation der Dienerinnen des Heiligsten Herzens Jesu“). Nun will ich dem guten Pater, der sich stets um die besonders vernachlässigten Randgruppen der Gesellschaft bemühte, nicht absprechen, dass ihm eine eigene Verkehrsfläche zum Gedenken zusteht, aber ein Stück Straße quasi zu unterbrechen und einfach zu einem Platz zu erklären, ist schon ein wenig frech von der Stadtplanung. Würde es sich hier nicht um eine katholische Person handeln, könnte man auf gut Wienerisch sogar von einer Chuzpe sprechen. Anfangs war die Tafel, die diesen Platz zu einem solchen macht, sogar Richtung Landstraßer Hauptstraße gedreht. Dass dies der Verwirrung zu viel werden könnte, wurde dann aber vonseiten der Stadt wohl eingesehen, und das Straßenschild weist nunmehr in Richtung Eingang der Kirche. Womit es nur noch aufmerksame Passanten verwirren kann.

Potenzielle
U-Bahn-Kollision

Die Geschichte der Wiener Stadtbahn und ihrer Nachfolgerin, der Wiener U-Bahn, ist eine spannende und abwechslungsreiche, nicht nur für Ferrophile. Sie reicht von der Gegenwart und der Frage, wieso es zwar eine U6 gibt, aber keine U5, bis zu der historischen Bedeutung der Stadtbahn als ursprüngliche Truppentransportstrecke der k. u. k. Monarchie (beides siehe „Kurioses Wien“, Kapitel „Unterirdisch unterwegs“).

Es gibt allerdings auch eine Stelle in Wien, an der Vergangenheit und Gegenwart sich auf überraschende Weise begegnen. Um zu erklären, wieso hier einige Gleise der alten Stadtbahn heute unvermittelt in einem Bürohaus enden, muss jedoch ein wenig ausgeholt werden.

Die dampfbetriebene Stadtbahn der Donaumonarchie bestand im Wesentlichen aus drei Trassen. Die eine, hier vereinfacht „Wientallinie“ genannt (tatsächlich bestehend aus „Donaukanallinie“ sowie „Unterer“ und „Oberer Wientallinie“), entspricht der heutigen U4 und verband schon damals Hütteldorf mit Heiligenstadt. Bis zum Umbau Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre trug diese Linie dann die Namen D und W.

Die zweite, „Gürtellinie“ genannt und heute der Mittelteil der U6, begann und endete jeweils bei einer Station der Wientallinie, nämlich Meidlinger Hauptstraße einerseits und Heiligenstadt anderseits. Später, in der Zeit der Elektrifizierung, wurde das nördliche Ende zweigeteilt und eines über den sogenannten „Verbindungsbogen“ zur Station Friedensbrücke geführt, beide Teile nannte man Linie G. Womit sich in der Nachkriegszeit als Streckennetzplan ein hatscherter Kreis mit zwei Schwanzerln ergab.

Zusätzlich führte die auch heute noch sogenannte „Vorortelinie“ vom Endpunkte aller drei Linien, Heiligenstadt, in einem nach außen verlagerten Bogen nach Penzing. Diese Stadtbahn wurde als einzige der drei in den 20er-Jahren nicht von der Stadt Wien übernommen und zum Besitz der ÖBB. Lange nur als Güterverkehrsstrecke genutzt, wurde die Vorortelinie erst in den 80er-Jahren als Schnellbahn (S45) wieder Teil des öffentlichen Verkehrsnetzes der Stadt und bis Hütteldorf verlängert. Soweit dazu.

(Bevor ich wilde Briefe, E-Mails und Anrufe bekomme. Diese obere Darstellung ist eine zum Zweck der Einführung und Hinleitung zum eigentlichen Thema stark vereinfachte und verkürzte Darstellung der historischen Tatsachen.)

Durch die Zweiteilung der Linie G am nördlichen Ende des Gürtels ergab sich in der Trassenführung ein kleines geschwungenes Dreieck beim heutigen Knotenpunkt Spittelau.

Da die heutige U6 dort aber nun die alte Wiental-Trasse kreuzt und sich in Richtung Floridsdorf fortsetzt, blieben einige Teile der alten Strecke verwaist zurück. Allerdings befinden sich große Teile auch der heutigen Streckenführung der U6 und U4 vor allem im Bereich der Hochführung am Gürtel auf baudenkmälerisch geschützten Bauten. So auch die heute aufgelassenen Stücke am Döblinger Gürtel. Diese letzten paar Dutzend Meter der alten Gürtelstrecke einfach so vor sich hin rosten zu lassen, war allerdings auch nicht im Sinne der Stadtplaner. So entschloss man sich, die hochgeführte Trasse, welche ja auch hier die beiden Fahrbahnen des Gürtels voneinander trennt, zwar zu belassen ... aber zu bebauen!

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„Tatort Döblinger Gürtel: Gleise von Haus verschluckt!“

 

Die moderne Nutzung der kilometerlangen Bauten der Stadtbahnstrecke quer durch Wien hatte ja bereits Ende der 90er-Jahre begonnen. In den sogenannten „Stadtbahnbögen“, früher hauptsächlich als Lagerstätten und von Auto-Mechanikern genutzt, entstand seitdem eine komplett neue hochkarätige Flaniermeile der Stadt. Zahlreiche Restaurants, Bars und Veranstaltungsorte finden mittlerweile in den Stadtbahnbögen ihre Heimat. Dazu kommen Supermärkte, Schnellrestaurants und Handwerksbetriebe, vor allem in der Nähe der Haltestationen. Zu dieser Nutzung unterhalb der Trasse gesellte sich nun aber im Jahr 2008 auch eine Nutzung oberhalb derselben. Nördlich der Nussdorfer Straße, genau ab der Sommergasse, wurde ein „Skyline“ genanntes, geschwungenes Gebäude entlang und auf der Trasse errichtet. Die Benennung passt, und von oben betrachtet erinnert das Skyline-Gebäude sogar ein wenig an das Pfeilsymbol der Austrian Airlines. Das Haus endet bei der Heiligenstädter Straße abgestuft, und wirkt ein wenig wie die Vorderseite eines Kreuzfahrtschiffes. Danach: Gleise.

Die Mitarbeiter und Besucher des Skyline-Hauses, in dem unter anderem die Wiener Gebietskrankenkasse und eine Filiale des Reiseveranstalters TUI untergebracht sind, nutzen die nun dort befindliche Terrasse hauptsächlich als Outdoor-Raucherraum mit Aussicht. Wer sich die kuriosem Schienen, die scheinbar im Haus münden, selbst ansehen möchte, muss sich nicht unbedingt Zutritt zum Skyline-Gebäude verschaffen. Über den Fußgänger- und Radfahrer-Zugang beziehungsweise -Brücke, den sogenannten „Skywalk“, von der Guneschgasse über die Heiligenstädter Straße zum Bahnhof Spittelau hin, hat man einen einigermaßen guten Blick auf das Schienenendstück. Oder man sieht sich das Ganze auf Google Earth an.

Die Bebauung beziehungsweise Überbauung alter Stadtbahn-Trassen stellt hier übrigens keinen Einzelfall dar. Ein anderes prominentes Beispiel kann man ebenfalls auf der ehemaligen Wientallinie, auf der anderen Seite der Müllverbrennungsanlage, zwischen den heutigen Schienen der U4 und dem Donaukanal bewundern. Derart schlanke, schnittige, dafür lang gezogene Gebäude finden sich sonst (mangels Bedarf und entsprechender Baugründe), kaum in Wien.