Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
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Glossar
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 1940
Tanz der Träumer
Jii'Nevever und Guu'Nevever – eine galaktische Entscheidung steht bevor
von Arndt Ellmer
Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
Zu verschiedenen Zeiten verschwanden insgesamt vier Aktivatorträger aus der heimatlichen Milchstraße: zuerst die zwei Terraner Michael Rhodan und Julian Tifflor, dann der Haluter Icho Tolot und der Ilt Gucky. Auf dem Planeten Curayo in der Galaxis Puydor trafen sie sich wieder – sie sollten im Auftrag eines Wesens namens Shabazza ein ebenfalls unbekanntes Wesen namens Jii'Nevever befreien.
Was keiner von den vier Galaktikern wissen konnte: Shabazza ist derzeit der gefährlichste Feind der Menschheit. Sein Ziel scheint zu sein, die Koalition Thoregon zu vernichten, bevor sich diese gründen kann. Und zum sechsten Mitglied Thoregons sollen die Terraner werden, mit Perry Rhodan in der Rolle eines Sechsten Boten.
Shabazzas Aktivitäten brachten Angst und Schrecken über die Milchstraße sowie über andere Galaxien, die von Thoregon-Völkern besiedelt werden. Zuletzt trugen seine Attacken dazu bei, dass Menschen von der Erde nun in der Galaxis DaGlausch um ihr Überleben kämpfen müssen. Dort ist mittlerweile auch Perry Rhodan eingetroffen.
Den vier Aktivatorträgern in Puydor sind diese Geschehnisse alle unbekannt. Es gelang ihnen, Jii'Nevever aus ihrem Zeitgefängnis zu befreien. Dabei konnten sich Icho Tolot, Julian Tifflor und Gucky aus dem Bann Shabazzas befreien. Sie erkannten, dass sie manipuliert worden waren – nur Michael Rhodan blieb auf der Seite Jii'Nevevers, der Träumerin von Puydor.
Während Perry Rhodans Sohn der Träumerin dabei hilft, die ganze Galaxis unter ihre Kontrolle zu bekommen, versuchen seine ehemaligen Freunde alles, um eben dies zu unterbinden. Dabei setzen sie alles auf eine Karte und vertrauen auf den TANZ DER TRÄUMER ...
Jii'Nevever – Die Träumerin von Puydor setzt zum Sturm auf die Milchstraße an.
Guu'Nevever – Der Träumer von Puydor bereitet sich auf die Vereinigung mit seiner »Schwester« vor.
Gucky – Der Ilt wird Zeuge eines unglaublichen Tanzes.
Michael Rhodan – Der Terraner sieht sich als Statthalter Shabazzas in Puydor.
Vorgen-Atta – Der Rawwe baut eine Invasionsstreitmacht auf.
Icho Tolot und Julian Tifflor – Zwei Aktivatorträger wollen die Milchstraße schützen.
»Yamma hade Temverla ui INTAR betar – Yammamihu hat den Tempel verlassen und die INTURA-TAR betreten«, flüsterten die Kontaktstellen in den Korridoren und den Außenbezirken der Tempelanlagen. »Yamma de allma. Yamma de allbar. Yamma de allwins – Yammamihu, der Allmächtige! Yammamihu, der Allerbarmer. Yammamihu, der Allwissende. Iho au Yamma, ugo – Ein Hoch auf Yammamihu, unseren Gott!«
Übergangslos trat in den Räumen der INTURA-TAR Stille ein. Die Orr-Rawwen und Arrorer erstarrten zur Reglosigkeit.
In den Technik-Tempeln des keilförmigen Schiffes kam es zu ersten Speicherüberläufen, da die Zelebranten keine Anweisungen der Positroniken mehr ausführten. Nach und nach hielten alle sekundären Dienstsysteme ihre Abläufe und Prozesse an und gingen in eine Warteschleife, die mit der nächsten Befehlseingabe automatisch enden sollte.
Doch es kam keine Eingabe. Nach dem Zwanzigstel einer Arbeitsphase gaben die Systeme eine erste Warnmeldung an den Kommando-Tempel ab. Sie blieb unbeantwortet. Die Positroniken ließen daraufhin den sogenannten Yammamihu-Check ablaufen. Der Check stimmte mit den Zählungen der Schleusenautomatiken überein.
Daraufhin prüften die Positroniken des Schiffes alle bisher abgearbeiteten Programme, verglichen die Ist-Werte mit den Soll-Werten und stießen auf einen Widerspruch. Die Laienpriester hatten vor etlichen Tagen Bordzeit ausgeschleust. Es war nicht vorgesehen, dass sie in die INTURA-TAR zurückkehrten. Ihre Aufgabe lag in den Tiefen des Vulkans, wo sich die Tempelanlage ihres Gottes befand.
Wieder richteten die Positroniken eine Warnung an den Kommando-Tempel. Auch jetzt erhielten sie keine Antwort. Sie lösten stillen Alarm aus. Niemand nahm ihn zur Kenntnis, niemand schaltete ihn ab. Nach der vorgeschriebenen Frist endete er von allein.
Noch etwas stellten die Positroniken fest: Ein Fremder hielt sich im Schiff auf. Er war durch keine Schleuse hereingelangt. Es handelte sich um ein Wesen von exzentrischer Gestalt.
Eine Eingabe des Yamma-Hüters bezeichnete das Wesen kurz und bündig als Yammamihu, den Gott. Entsprechend nahmen die Kontaktstellen ihre Verkündung auf. Nichts deutete jedoch darauf hin, zu welchem Volk das Wesen gehörte und ob es eine Erlaubnis besaß, an Bord zu sein. Der Yamma-Hüter hatte eine entsprechende Präzisierung seiner Angaben unterlassen.
Der Fremde konnte nicht Yammamihu sein. Über Yammamihu gab es exakte Angaben, dass er Rawwen-Gestalt besaß, im Tempel unter dem Vulkan lebte, ihm Opfer in Form von Tronium-Azint gebracht wurden und er immer wieder zum Dank als schemenhafte Erscheinung durch die Tempelanlage geisterte.
Folglich handelte es sich bei dem Fremden um einen Eindringling, einen Feind, der sich als Yammamihu ausgab. Die Wahrscheinlichkeit, dass er für die Stille im Schiff verantwortlich zeichnete, lag ziemlich hoch, nahe bei hundert Prozent.
Die Positroniken konstatierten, dass ein solcher Fall in der Geschichte des Schiffes seit dem Verlust des Heckteils noch nie eingetreten war. Nach dem Verlust des Heckteils waren die Positroniken ohnehin komplett erneuert worden; sie entsprachen dem Stand der Technik aus jener Zeit.
Nun aktivierten sie geheime Programme, die aus jener Zeit für solche Fälle vorhanden und nicht einmal dem Yamma-Hüter bekannt waren. Folgerichtig lösten sie in diesem Augenblick den Countdown für die Selbstzerstörung der INTURA-TAR aus.
Niemand an Bord merkte etwas davon. Die Versorgung funktionierte wie gehabt, lediglich auf einem der Kommunikationsgeräte im Kommando-Tempel blinkte ein greller blauer Fleck und wies die Priester darauf hin, dass das Schiff in dreihundert Zeiteinheiten explodierte.
Ungenutzt verstrich die Zeit. Die Orr-Rawwen in den einzelnen Sektionen der INTURA-TAR lösten sich irgendwann aus ihrer Starre, nahmen aber noch immer nicht die Arbeit wieder auf. Ununterbrochen murmelten sie Gebete und bedienten sich dabei der verklausulierten Ritualsprache. Aus ihren Formeln und Worten ging hervor, dass sie sich über Yammamihus Anwesenheit freuten.
Die Positroniken schalteten die Kontaktstellen um und versuchten, mit den vorbeigehenden Besatzungsmitgliedern in Kunios zu kommunizieren. Es führte zu keinem brauchbaren Ergebnis. Keiner kümmerte sich um das Geflüster, weil die Besatzung auf Klartextmeldungen aus Gewohnheit nicht achtete. Es hatte sie seit vielen Jahrtausenden nicht mehr gegeben.
Die Automaten beschränkten sich in der Folge darauf, die Meldungen nur im Kommando-Tempel auszugeben. Sie erhöhten die Lautstärke, bis die Steuerzentrale dröhnte und die ersten Orr-Rawwen sich auf die Suche nach einem Gehörschutz machten. Auf die Idee, mit den Positroniken zu sprechen, kamen sie nicht.
Zehn Zeiteinheiten vor der Explosion der INTURA-TAR setzte der akustische Alarm ein. Kurz darauf tauchte aus dem Nichts ein pelziges Wesen im Kommando-Tempel auf. Es handelte sich um das Wesen Gucky, das als »Gast« der INTURA-TAR geführt wurde; eine Kategorie, die den bekannten Kategorien Besatzungsmitglied und Laienpriester nicht entsprach.
Gucky benötigte nicht lange, bis ihm das blinkende Blaulicht auffiel. »Positronik, was geht hier vor?«, fragte er mit schriller Stimme.
Eine Antwort war nicht möglich, denn der Countdown blockierte die Sprachausgabe.
Die Finger des Pelzwesens fuhren über die Bedienungskonsole und probierten mehrere Schaltungen aus. Sie funktionierten nicht. Er versuchte es mit einer Befehlseingabe über die Kunios-Tastatur. Auch sie funktionierte nicht.
»Da ist irgendeine Schweinerei im Gange«, murmelte der Mausbiber. »Verflixt, was kann ich bloß tun? Am besten wird es sein, von hier zu verschwinden. Ich muss Tiff und Icho informieren.«
Er wandte sich ab, hielt einen Augenblick lang inne und fuhr dann blitzartig herum. Sein Blick wanderte an den Schaltleisten entlang und blieb auf einem Knopf hängen, der dieselbe Farbe wie das Blinklicht besaß und im selben Rhythmus pulsierte. Wie von Geisterhand bewegt sank der Knopf in seine Vertiefung.
»Eingabe verstanden«, lautete die Klartextmeldung aus einem Lautsprecher. »Du bist autorisiert, da du im Augenblick anscheinend das einzige Lebewesen im Kommando-Tempel bist, dessen Sinne funktionieren. Zudem bist du offiziell in meinen Speichern als Gast eingetragen, und nach den alten Programmen entspricht dieser Status einer zusätzlichen Autorisierung.«
»Schön, das freut mich«, sagte das Pelzwesen auf kunios. »Was hatte das Pulsieren zu bedeuten?«
»Du hast drei hundertstel Zeiteinheiten vor der Auslösung der Selbstvernichtungsanlage den Countdown gestoppt. Das Programm wurde daraufhin beendet und aus dem Arbeitsspeicher gelöscht.«
»Drei hundertstel Sekunden? Blechhaufen, willst du damit sagen, dass die INTURA-TAR ein paar Atemzüge später in die Luft geflogen wäre?«
»Ja. Du hast richtig verstanden.«
»Und der Planet? Eine solche Explosion hätte angesichts der Energiereserven an Bord der INTURA-TAR eine Kettenreaktion auslösen und den Planeten mit seinen Bewohnern vernichten können.«
»In meinem Programm ist nicht vorgesehen, solche Dinge zu berücksichtigen.«
»Da soll doch ...« Das Pelzwesen stampfte wütend mit dem Fuß auf.
»Es ist ein Fremder an Bord, der nicht in meinen Speichern geführt wird«, sagte die Positronik. »Du musst ihn unschädlich machen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist er für den Zustand der Besatzung verantwortlich.«
»Der Fremde ist Yammamihu, der Gott, auch als Guu'Nevever bezeichnet. Eigentlich ein altes Besatzungsmitglied dieses Raumschiffes.« Das Pelzwesen pfiff kurz. »Er hat nichts mit dem Zu... Warte, du bringst mich auf einen Gedanken! Vielleicht hast du sogar recht. Ich werde der Sache nachgehen. Gib mir freie Hand!«
»Das Schiff steht zu deiner Verfügung.«
*
Nach annähernd dreitausend Jahren war Tiff immer noch ein Mann von fünfunddreißig und dazu groß und schlank wie eh und je.
Mit gleichmäßigen Schritten ging er die verwinkelten Korridore in dem fremdartigen Schiff entlang und lauschte dem Geflüster aus den Kontaktstellen. Dass er sich nicht verirrte, verdankte er seinen mathematischen Fähigkeiten und dem damit verbundenen stark entwickelten Orientierungssinn. Dieser erübrigte den Einsatz seines SERUNS.
Julian Tifflor hörte den Alarm und versuchte, sich mit dem Kommando-Tempel in Verbindung zu setzen. Er erhielt keine Antwort. Achselzuckend setzte er seinen Weg fort. Kurz darauf meldete sich Gucky.
»Da soll meinereiner nicht verrückt werden«, erklang die Stimme des Ilts aus dem Akustikfeld neben Tiffs Kopf. »Wenn ich es nicht gerade selbst erlebt hätte, würde ich es nicht glauben.«
»Wovon sprichst du eigentlich?«, fragte Tiff.
»Von der Besatzung. Die Rawwen und Arrorer hängen herum, als sei mit der Ankunft Guu'Nevevers der große Schlaf ausgebrochen.«
»Ganz so schlimm wird es nicht sein«, meinte der Terraner. »Vermutlich gilt es nur für die Sektionen des Schiffes rund um den Kommando-Tempel. Aber hast du den Alarm gehört? Ich frage mich, ob er damit zusammenhängt.«
»Irgendwie schon – vermutlich. Schlag ihn dir am besten schnell aus dem Kopf, Tiff! Was den Schlaf der Gerechten angeht, muss ich dich enttäuschen. Ich treibe mich gerade in ein paar technischen Abteilungen im Randbereich des Schiffes herum. Überall dasselbe Bild.«
Tiff schüttelte den Kopf. »Das verstehe ich nicht.«
»Es hängt mit Guu'Nevever zusammen. Hätte mich auch gewundert, wenn der Friedensträumer keinen Pferdefuß besäße. Er bringt anscheinend das Vergessen über das Schiff. Hast du eine Ahnung, wo er sich aufhält?«
»Er wird in seiner Unterkunft stecken.«
»Er ist nicht da. Und die Positroniken dieses Schrottkübels sind nicht in der Lage, mir Informationen über seinen Aufenthaltsort zu geben. Es ist zum Aus-dem-Pelz-Fahren!«
»Das hört sich an, als stünde die Existenz des Schiffes in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Träumer.«
»Du triffst den Nagel auf den Kopf, Tiff.«
»Moment mal, Kleiner! Was willst du damit sagen?«
Der Ilt ging nicht darauf ein.
»Wenn mein Pikosyn das Gebrabbel dieser Ritualsprache richtig versteht, ist Guu'Nevever gerade in das Schiff zurückgekehrt«, sagte Gucky. »Wir treffen uns in seinem Domizil. Ich gebe Icho Bescheid.«
»Ja, ist gut.« Julian Tifflor war irritiert. Wieso redete Gucky um den heißen Brei herum?
Tiff konnte es sich nur so erklären, dass es mit Guu zu tun hatte. Wenn der Träumer sich außerhalb des Schiffes aufgehalten hatte, war er vermutlich für kurze Zeit in das Heckteil der INTURA-TAR zurückgekehrt. Dank der großen Vorräte an Tronium-Azint konnte er jederzeit teleportieren, trotz der starken hyperphysikalischen Störungen auf Smyrno und der merkwürdigen Strahlung der planetaren Intelligenz.
Tiff betrat einen Antigravschacht und wechselte das Stockwerk. Er selbst war es gewesen, der das Tronium-Azint aus dem TA-Auflader, dem Tronizator, entfernt hatte. In der Folge hatte sich Guu'Nevever quasi neu aus einem Berg von Howalgonium geformt und war dadurch aus seinem Gefängnis befreit worden.
Seither lagerten die Schwingquarze einschließlich der neu herbeigeschafften Mengen nahe der Tempelhalle. Nachdem der Terraner und seine Gefährten den Bruder von Jii'Nevever über die Lage in Puydor und die Funktion der INTURA-TAR aufgeklärt hatten, war Guu in das Schiff gewechselt. Der anfänglich frenetische Jubel der Orr-Rawwen und Arrorer war bedrückender Stille gewichen.
Die Erfahrung sagte dem Terraner, dass sie auf der Hut sein mussten. Irgend etwas entwickelte sich in der INTURA-TAR. Gucky schrieb es Guu'Nevever zu. Aber auch der Gedanke, dass sich mit der Ankunft Guu'Nevevers etwas in das Schiff geschlichen haben könnte, war nicht sonderlich abwegig.
Julian Tifflor blieb vor einem der verschnörkelten Zierelemente stehen. Er schloss die Augen und lauschte dieser Mischung aus verballhorntem Kunios und geschraubten, verschlüsselten Redewendungen, die den Orakeln des terranischen Altertums alle Ehre gemacht hätten. Die Botschaften waren bei gleichbleibenden Inhalten in ihrer Bedeutung verständlicher geworden.
»Yamma i Guu. Jeli Zenui-vesa iu Midi«, lautete die Botschaft in der Ritualsprache der Orr-Rawwen. Dreimal hörte Tiff sich den Spruch an, bis er ihn verstand: »Yammamihu ist Guu'Nevever. Jetzt liegt das Zentrum des Universums in unserer Mitte.«
Tiff beschleunigte seinen Gang. Das Flüstern aus den Kontaktstellen begleitete ihn durch die Korridore und Schächte und nahm in Richtung zur zentralen Tempelanlage zu. Wenn Gucky mit seinem Verdacht recht behielt, hatten sie mit Guu'Nevever ein Trojanisches Pferd an Bord geholt.
Der Terraner war kein Schwarzseher. Aber jetzt malte er sich die Zukunft der INTURA-TAR in recht düsteren Farben aus.
*
Lärm kam auf, dessen Herkunft er nicht sofort ausmachen konnte. Irgendwo in dem verwinkelten Schiff schrien Rawwen. Das Getrampel von krallenbewehrten Füßen näherte sich, vermischt mit schrillen Zurufen.
»Wisi da ui-vesa Yammas. Seg ü Puy! – Wir sind das Universum Yammamihus. Segen über Puydor!«, riefen sich die Diener und Priester Yammamihus zu.
Aus einem Seitenkorridor tauchte eine Gruppe von Echsenwesen auf. Den Symbolen auf ihren Gewändern nach gehörten sie zu den Techno-Zelebranten aus den Maschinensektoren. Als sie den Terraner entdeckten, hielten sie ruckartig an. Ihre schuppigen Gesichter befanden sich in ständiger, zuckender Veränderung. Tiff konnte die Unruhe spüren, die diese Wesen erfüllte.
»Einer der Begnadeten Yammamihus«, stieß der Vorderste hervor. »Verneigt euch, ihr Unwürdigen!«
Die Rawwen knickten in der Taille ein und stießen mit den langen Schnauzen gegen den Fußboden. Ebenso ruckartig fuhren sie wieder empor und umringten Tifflor.
»Gnadenvoller, sprich zu uns!«, kreischte einer aus ihrer Mitte. »Beschreibe uns die Farben und Düfte in den Tiefen der göttlichen Heimstatt!«
Gierig bleckten sie ihre Gebisse. Tiff drehte sich einmal um seine Achse und musterte sie der Reihe nach. Die Gliedmaßen der Rawwen zuckten unkontrolliert. In rasendem Rhythmus dehnten sich ihre Pupillen und zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen. Diese Wesen standen kurz davor, die Kontrolle über sich selbst zu verlieren.
»Huldigt eurem Gott Yammamihu, der Guu'Nevever heißt!«, sagte er leise, aber eindringlich. »Wenn ihr dies tut, wird sein Licht ewig über euch leuchten.«
Die Rawwen fuhren zurück, als habe sie der Schlag getroffen.
»Wir sind unwürdig. Du hingegen bist der Duft und das Licht Yammamihus. Die Gnade des Allmächtigen leuchtet über dir. Strafe uns nicht durch Schweigen, denn wir haben keine Schuld auf uns geladen.«
Im Bruchteil von Sekunden analysierte Tiffs Verstand die Widersprüchlichkeit in den Aussagen des Echsenwesens. Er entdeckte unterschwelligen Neid, aber auch Verunsicherung. Früher hatte die Gnade Yammamihus allein den Dienern aus der Sippe der Orr-Rawwen gehört. Jetzt mussten sie sie mit drei Fremden teilen, die erst vor kurzem auf die INTURA-TAR gekommen waren.
Der Terraner konnte nur hoffen, dass sich die Rawwen dieses Umstandes nicht richtig bewusst waren und es verdrängten, weil es ihren Horizont überstieg. Vielleicht hielten sie es aber auch für eine göttliche Fügung. Yammamihu lenkte alles, also auch das.
Das eigentlich Bedenkliche an der Situation sah Tiff darin, dass diese Wesen die Anwesenheit ihres Gottes nicht verkrafteten. Seit unzähligen Generationen hatten sie ihm in immer derselben Weise gedient und waren zu ihrem Zentrum des Universums gepilgert. Jedes Mal hatten sie große Mengen Tronium-Azint auf die Oberfläche Smyrnos hinabgeschafft und neue Diener auf den Weg zum Vulkan geschickt, damit sie Yammamihu das wertvolle Mineral opferten.
Die Hintergründe waren Tifflor, Gucky und Tolot inzwischen einigermaßen bekannt. Die Orr-Rawwen wussten jedoch so gut wie nichts darüber. Und genau darin lag neben Guus Anwesenheit die Hauptursache für die augenblickliche Lage an Bord des Schiffes. Man musste kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass sie langsam, aber sicher eskalierte.
»Natürlich habt ihr keine Schuld auf euch geladen«, beschwichtigte er die Orr-Rawwen. »Geduldet euch eine kleine Weile! Yammamihu wird zu euch sprechen und euch erleuchten.«
»Ist Guu'Nevever wirklich Yammamihu?«, rief einer der Techniker überlaut. »Wer ist dieser Guu'Nevever überhaupt?«
»All das wird er euch persönlich erzählen. Ihr werdet seine Ausstrahlung und seine Gedanken noch selbst spüren, wie es euer Anführer auch empfunden hat« Tiff trat zur Seite und deutete den Korridor entlang.
Zögernd setzten sich die Rawwen in Bewegung und verschwanden kurz darauf hinter einer Biegung. Erleichtert blickte der Terraner ihnen nach.
»Erschrick nicht!«, hörte der Terraner eine vertraute Stimme hinter sich sagen. »Ich bin es nur.«
Julian Tifflor wandte sich um und sah Gucky stehen. Der Ilt entblößte seinen Nagezahn und grinste.
»Noch mal gutgegangen, was?«, spottete er.