Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
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Glossar
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 1944
Hass gegen Alashan
Eine junge Frau entdeckt ihr Talent – ein Fremdwesen will Vergeltung
von Susan Schwartz
Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
Seit Perry Rhodan zum Sechsten Boten von Thoregon ernannt worden ist, handelt er im Auftrag der nach wie vor etwas mysteriösen Koalition Thoregon, der insgesamt sechs Völker angehören. Eines dieser Völker sind die Terraner – oder sollen sie sein, wenn die Koalition endlich ihre Arbeit voll und ganz aufgenommen hat.
Dagegen arbeitet jedoch ein Wesen namens Shabazza, das an vielen Fronten gleichzeitig angreift. So verwüsteten die Tolkander und die Große Mutter Goedda die Milchstraße, und die Hauptstadt der Erde wurde von Weltraumbarbaren weitestgehend in Schutt und Asche gelegt. Auch die Attacken gegen die Baolin-Nda, die Galornen und die Nonggo gingen auf das Konto Shabazzas.
Um diesem gefährlichen Feind der Menschheit das Handwerk zu legen, muss Perry Rhodan zuerst einmal dessen Schlupfwinkel ausfindig machen. Deshalb ist er in der Doppelgalaxis Whirlpool unterwegs. Dort hat man zuletzt das Hantelraumschiff SOL gesichtet, mit dem Rhodan selbst schon durchs All gereist ist. Als offizielles Schiff des Sechsten Boten ist die SOL vorgesehen – dazu muss sie aber noch »erobert« werden.
Immerhin gelang es Rhodan mit einem kleinen Einsatzkommando in Shabazzas Zentrale vorzustoßen. Auf dem Planeten Century I fand der Terraner nicht nur gigantische Industrieanlagen, sondern auch 22.000 Raumschiffe, mit denen es Shabazza im Zweifelsfall möglich ist, jede Welt in DaGlausch zu vernichten.
Damit ist die kleine terranische Kolonie in der Doppelgalaxis noch gefährdeter als bisher angenommen. Zu allem Überfluss gibt es einen weiteren Gegner – und dieser pflegt seinen HASS GEGEN ALASHAN ...
Tess Qumisha – Jahrelang hielt die junge Frau ihre Gabe streng geheim.
Gia de Moleon – Die Vorbereitung auf den Krisenfall Robinson ist für die Geheimdienstchefin das Wichtigste.
Perry Rhodan – Der Sechste Bote von Thoregon berichtet über Shabazzas Umtriebe.
Benjameen von Jacinta – Der junge Arkonide sucht die Frau aus seinen Träumen.
Stendal Navajo – Der Bürgermeister der Nation Alashan bleibt kritisch.
Saewena – Ein Wesen schwört tödliche Rache.
Verlassen
Ich bin allein. Abgeschnitten von meinem Volk, meinen Angehörigen, für immer. Es war nur ein Zufall, dass ich als einziger zurückblieb. Ich weiß nicht, wo die anderen sind. Ich weiß nicht, wie es ihnen geht. Von einer Sekunde zur nächsten hat sich alles verändert. Sie waren fort, und ich blieb zurück.
Vielleicht sind sie vernichtet worden.
Sie sind so weit entfernt, dass jegliche emotionale Verbindung abgerissen ist. Und es gibt keine Chance festzustellen, was mit ihnen geschehen ist.
Ich weiß nur, dass ich in mir eine entsetzliche Leere fühle. Das Wort Allein hat eine eigene Dimension bekommen. Keiner von uns ist je allein gewesen, wir haben einen starken Verband. Wir sind gesellig. Wir leben, arbeiten, essen und schlafen gemeinsam. Es ist unvorstellbar, dass einer von uns seine eigenen Wege geht.
Zuerst habe ich geglaubt, verrückt zu werden. Leider ist es mir nicht gelungen.
Wie kann ich jetzt weiterleben? Allein, auf mich gestellt? Unter Feinden? Sie sind nicht nur Fremde, sie sind Feinde. Sie würden mich sofort töten, wüssten sie von meiner Anwesenheit.
Aber ich war schlau. Ich habe mich nicht von der allgemeinen Verwirrung, als das Unglück passierte, anstecken lassen. Ich habe mir sofort ein Versteck gesucht und die wenigen technischen Hilfsmittel, derer ich habhaft werden konnte, dorthin gebracht. Das Versteck befindet sich in ausreichender Höhe, so dass eine zufällige Entdeckung weitgehend ausgeschlossen ist.
Von hier oben aus kann ich sie gut beobachten. Ich bekomme Brechreiz, wenn ich ihnen zusehe. Sie sind verabscheuungswürdig.
Sie sind nämlich schuld an allem.
Ich bin allein.
Sie sind meine Feinde. Ich hasse sie!
Ich werde sie vernichten.
Nicht heute und nicht morgen, aber hoffentlich bald. Ich habe Zeit. Ich habe Geduld. Ich werde alles daransetzen, Rache zu nehmen. Mein Hass hält mich am Leben.
Terra, vor einigen Jahren
Irgendwann fing es an. Rückblickend konnte Tess nicht mehr genau feststellen, wann es ihr bewusst geworden war. Anfangs, als kleines Kind, hatte sie eher instinktiv reagiert, ohne darüber nachzudenken.
Damals war es auch noch ganz harmlos gewesen. Es spielte sich aufgrund ihres zarten Alters nur auf der emotionalen Ebene ab – also im Grunde nichts Besonderes. Wenn man sensibel war und eine besondere Beziehung zu jemandem hatte, war es schon fast normal, dass zwei Gedanken wie einer waren. Man wusste, was der andere gerade dachte und kam ihm zuvor, indem man als erster darüber sprach.
So etwas funktionierte auch über Entfernungen. Man rief beispielsweise jemanden übers Trivid an: »Hör mal, eigentlich habe ich keine Lust, transpulmines Gotcha zu spielen. Gehen wir doch lieber ...«
»Stynigisch essen!«, käme dann die prompte Antwort. »Gerade wollte ich dich deswegen anrufen!«
Schlichtere Gemüter nannten das eine Art Telepathie. Dabei war es nichts anderes als die Harmonie zwischen gut aufeinander eingespielten, zueinander passenden Menschen, die eine enge Beziehung hatten – durch Verwandtschaft oder Zuneigung. Man stellte sich auf den anderen ein, versetzte sich fast in ihn.
Manche Leute nutzten vor Jahrtausenden dieses Gespür, perfektionierten es und machten es zu ihrem Beruf. In der Kriminologie des 20. Jahrhunderts hatte man solche Leute als »Profiler« bezeichnet, die auf nahezu unheimliche Weise die Gedanken anderer nachvollziehen konnten. Trotzdem waren diese Menschen keine echten Mutanten gewesen. Sie besaßen lediglich eine erhöhte Sensibilität und einen scharfen, logischen Verstand, der selbst ein noch so kompliziertes Puzzle zusammensetzen konnte.
Ende des fünften Jahrtausends gab es unter den Menschen wiederum so gut wie keine Mutanten. Ausnahmen wie Mila und Nadja Vandemar waren so selten, dass sie vom »Normalbürger« kaum registriert wurden. Die erfolgreichen Zeiten des terranischen Mutantenkorps unter Perry Rhodan waren vergangen; der nichthumanoide Mausbiber Gucky war der einzige Überlebende jener Zeit. Namen von Terranern wie Tanaka Seiko, Iwan Iwanowitsch Goratschin oder Anne Sloane waren sogar nur noch Historikern geläufig.
Eine einzige, unheimliche Ausnahme hatte es im Frühjahr des Jahres 1273 NGZ gegeben, als ein Mann namens Vincent Garron sein Unwesen trieb. Aufgrund eines Unfalls hatte er entsetzliche Psi-Kräfte erhalten, mit denen er in knapp zwei Wochen eine blutige Spur bis nach Terra zog, bis er außer Gefecht gesetzt werden konnte. Die Vorfälle waren schrecklich gewesen, doch danach hörte man nichts mehr von dem sogenannten Todesmutanten. Von den »normalen« Einwohnern Terras dachte schon zwei Jahre später wieder kaum jemand über PSI nach.
Auch Tess Qumishas Vater dachte sich anfänglich nicht viel dabei, als seine dreijährige Tochter manchmal ganz unerwartet auf bestimmte Aufforderungen reagierte. Sie schien genau zu wissen, wann er etwas absolut ernst meinte – und wann nur halbherzig.
Tess war ein Einzelkind, das von beiden Elternteilen nach Strich und Faden verwöhnt wurde, wobei die Erziehung allerdings nicht zu kurz kam. So entwickelte sie sich schon sehr früh zu einem aufgeweckten, lebensfrohen und wissbegierigen Kind. Tess wusste genau, wie sie ihre Eltern um den Finger wickeln konnte, um ihren Willen zu bekommen. Auf der anderen Seite aber war sie überaus aufmerksam und überraschte Vater und Mutter Qumisha nicht selten mit kleinen Geschenken oder Aufmerksamkeiten, wie etwa dem scheinbar unmotivierten Aufräumen des Kinderzimmers, bevor es ein bereits geplantes Donnerwetter setzte.
»Dieses Kind erstaunt mich immer mehr«, sagte Torr Qumisha eines Tages zu seiner Frau Sandra. »Woher konnte sie wissen, dass ich gerade jetzt Lust auf einen Kuschta-Tee hatte?«
»Sie ist eben sehr sensibel«, meinte Sandra achselzuckend. »Sie kann gut beobachten.«
»Aber sie ist doch erst fünf!«
»Tess ist in dieser Hinsicht wohl frühentwickelt, na und? Wir haben Glück gehabt, mit einem so gesunden und fröhlichen Kind gesegnet zu sein. Nur weil deine Freunde fette, freche Kröten in die Welt gesetzt haben und unfähig zu einer anständigen Erziehung sind ...«
»Ich finde, wir sollten das trotzdem beobachten.«
»Wozu?«
»Na, weil es ungewöhnlich ist! Als ob sie Ereignisse vorausahnen könnte!«
Das war kurz vor Tess' sechstem Geburtstag gewesen.
*
Zu ihrem zehnten Geburtstag wünschte sich Tess einen Einkaufsbummel mit ihrer Mutter. Sie hatte sich eines der drei Einkaufszentren ausgesucht und schien genaue Vorstellungen zu haben, was sie wollte.
Sandra bemühte sich, mit mütterlichen Ratschlägen zur Seite zu stehen, die selbstverständlich ignoriert wurden.
»Ich verstehe gar nicht, weswegen du dir immer so eintönige Sachen aussuchst!«, seufzte sie. »Immer nur diese langweiligen Grauschattierungen, Weiß und Schwarz! Du bist doch so jung, weswegen wählst du nicht mal was Farbenfrohes?«
»Ich trage doch nicht, was jeder trägt«, erwiderte Tess. Es war derzeit absolut nicht Mode, in ihrem Alter möglichst farbenarme Kleidung zu tragen.
»Und was sagst du hierzu? Das ist doch ein toller Schnitt!« Sandra Qumisha hielt einen metallisch schimmernden Hosenanzug in Arkonidisch-Rot hoch.
»Zuviel Grün«, lehnte Tess ab.
Sandra blinzelte verwirrt. »Aber der Anzug ist doch rot ...«
Tess stutzte und kniff die Augen zusammen. Sie betrachtete das Kleidungsstück intensiv. »Für einen Moment hat ein grünes Schillern darübergelegen, je nach Lichteinfall«, meinte sie dann und wandte sich wieder ihren bisherigen Fundstücken zu.
Sandra machte ein nachdenkliches Gesicht. Dann wählte sie über das holographische Auswahlmodul einen gestreiften Rock in vier verschiedenen, selbst bestimmten Farben. Der Servo brachte kurz darauf das gewünschte Stück, und Sandra nickte zufrieden. Sie setzte eine harmlose, lächelnde Miene auf.
»Und wie wäre es mal mit einem Rock?«, fragte sie. »Verschiedene Schattierungen, das müsste dir doch zusagen!«
Tess sah mehr gelangweilt als wirklich interessiert zu dem Angebot und setzte schon zu einer Antwort an, als sie dem Blick ihrer Mutter begegnete. Für etwa eine Sekunde empfand Sandra ein seltsames Kribbeln im Nacken.
»Was soll das, Mama?«, prustete Tess los. »Willst du mich auf die Probe stellen, ob ich einen Geschmack für Farben habe? Der Rock ist grässlich! Rot und Pink, dazu Himmelblau und ein throzinisches Beige – ich bitte dich!«
Sandra rieb sich den Nacken. »Ach, stimmt ja«, lachte sie gekünstelt. »Ich habe mich bei den Farbentasten vertan ... entschuldige, Tess.«
Danach mischte sie sich nicht mehr in die Auswahl ein. Tess ließ sich mit dem größten Vergnügen den ganzen Tag Zeit und durchstöberte die Auslagen einiger Boutiquen. Es war ihr zu langweilig, immer nur die elektronischen Kataloge in Anspruch zu nehmen – sie wollte das fertige Produkt sofort sehen, fühlen und anprobieren.
Erst als sie auf dem Weg zur Rohrbahn waren, sagte Tess: »Was bedrückt dich, Mama?« Sie hatte sich bei der Mutter eingehängt und bemühte sich, Gleichschritt zu halten.
»Du hast Geburtstag und bist zehn Jahre alt«, meinte Sandra leichthin. »Das ist bestimmt kein Grund für mich, bedrückt zu sein.«
»Aber ich merke es doch.«
»Nun ja ... vielleicht sollten wir deine Augen einmal gründlich untersuchen lassen.«
Tess blieb stehen. »Es ist alles in Ordnung, und das weißt du genau! Ich habe manchmal eine leichte Farbschwäche, aber das ist doch nichts Schlimmes! Nichts, das korrigiert werden müsste!«
Sandra machte eine entschuldigende Geste. »Ja, tut mir leid, ich bin schon wieder überängstlich.«
»Das stimmt! Immer beobachtest du mich und siehst mich manchmal so merkwürdig an!«
»Du bist mein einziges Kind, Tess. Ich bin eben unverbesserlich. Ich scheine mich nicht daran gewöhnen zu können, dass ich mit einem so gesunden und intelligenten Kind beglückt wurde.«
Sandra wand sich unter dem wütend funkelnden Blick ihrer Tochter. In diesem Moment kam die Rohrbahn, und Sandra war froh über die Ablenkung.
*
Tess wuchs zu einem intelligenten und sportlichen Teenager heran. Sie hatte einen großen Freundeskreis – allerdings nur wenige wirklich Vertraute. Sie war sehr beliebt, trotzdem vergab sie ihre Freundschaft nicht leicht.
Torr hatte längst vergessen, dass er einmal etwas Ungewöhnliches bei seiner Tochter vermutet hatte. Sandra jedoch nicht. Sie spürte genau, dass in Tess etwas vorging, das sie sehr beschäftigte und vielleicht auch ängstigte.
Es kam vor, dass ihr geselliges Kind aus heiterem Himmel niemanden sehen wollte. Tess klagte dann über Kopfschmerzen und zog sich in ihr Zimmer wie in ein Schneckenhaus zurück. Dort hörte sie Musik und schottete sich völlig von der Außenwelt ab.
Nach solchen Phasen war sie wieder so quirlig und gut gelaunt wie gewohnt.
»Vielleicht sollten wir zu einem Arzt gehen«, schlug Sandra einmal vor.
»Hast nicht du selbst mir gesagt, dass solche Dinge ganz normal sind, wenn man zur Frau wird?«, hatte Tess entgegnet.
Danach klagte sie nie mehr über Kopfschmerzen. Wenn Sandra sie darauf ansprechen wollte, lachte sie darüber und sprach von »vergangenem Mist«.
»Du weißt doch, wir Mädchen haben jeden Tag etwas anderes. Frag doch mal die Mütter meiner Freundinnen! Die sind noch viel schlimmer dran als du!«
Das stimmte; Tess war weiterhin kerngesund und widerstandsfähig. Abgesehen von ein oder zwei Erkältungen hatte sie noch nie eine Krankheit gehabt, auch keinen Unfall, bei dem sie sich etwas hätte brechen können.
»Aber du hörst auch gar nicht mehr Musik wie früher, bist immer unterwegs ...«
»Ich könnte dauernd Bäume ausreißen! Es macht mir Spaß, Sport zu treiben! Und unterwegs in der Rohrbahn oder im Luftbus kann ich genug Musik hören. Warum machst du dir immer so viele Gedanken, Mama?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht, weil du mein einziges Kind bist.« Sandra strich der Tochter über die Haare. »Für mich bist du etwas ganz Besonderes, deswegen muss ich mir Gedanken machen.«
Das Gesicht des jungen Mädchens wandelte sich plötzlich, es wurde hart und abweisend. Fast schroff sagte es: »Das stimmt nicht. Ich bin überhaupt nichts Besonderes! Du redest dir das nur ein. Ich bin wie jeder andere, nicht mehr und nicht weniger!«
Dann lief das Mädchen davon.
Alashan, 12. Juli 1290 NGZ
Sie haben immer noch nichts von mir bemerkt, nach all den Monaten nicht. Ich habe einen sicheren Weg gefunden, um nachts an Nahrungsmittel heranzukommen. Das Zeug ist ekelhaft, aber es erhält mich am Leben.
Obwohl es nichts gibt, für das es sich zu leben lohnt. Im Grunde habe ich nur noch ein einziges Ziel: Rache! Ich hasse sie alle, und ich werde sie vernichten.
Ich habe einen Weg gefunden, meinen Mikro-Hypersender mit den jämmerlichen Hilfsmitteln, die ich bei der Katastrophe retten konnte, zu verstärken. Seine Reichweite dürfte jetzt groß genug sein, dass ich einen Kontakt herstellen könnte – mit wem auch immer. Es ist mir völlig gleich, wer mir zu Hilfe kommt. Jeder kann mir nützlich sein in meinem Kampf.
Ich sende meinen Ruf, warte und beobachte von hier oben. Es fällt mir schwer, meine Waffen nicht zu benutzen und sie einzeln niederzustrecken, einen nach dem anderen. Das wäre natürlich töricht, doch ich male es mir gern in Gedanken aus. Das hilft mir über die Zeit des Wartens hinweg.
Heute Nacht werde ich wieder hinausgehen. Ich muss meine Vorräte erneuern. Obwohl ich ohnehin kaum etwas zu mir nehme. Aber ich brauche meine Kräfte für meine Rache. Das Warten fällt mir so schwer. Wenn ich nur endlich Kontakt bekäme!
*
»Nun, inwieweit sind wir für den Krisenfall Robinson inzwischen gewappnet?«, erkundigte sich Gia de Moleon, Chefin des Terranischen Liga-Dienstes, per Funk beim Cheftechniker Howard Kurtz.
Der Mann hatte das Pech gehabt, als erster den Ruf zu beantworten. Alle anderen hatten wohl schon geahnt, wer anrief, und sich erst recht in ihre Arbeit vertieft.
Aber Howard Kurtz geriet nicht in Panik. Ein Strahlen erhellte sein breites, freundliches Pfannkuchengesicht. »Möchtest du dich persönlich von unseren Fortschritten überzeugen?«
»Aber gern«, antwortete Gia verdutzt. Die stets liebenswert erscheinende, mit über 130 Jahren bereits vorzeitig ergrauende, leicht gebeugte Dame, konnte sehr resolut werden, wenn sie nicht schnell genug ihren Willen bekam. Verhalten und Kleidung waren stets unauffällig, nach außen hin zeigte sie selten heftigere Gefühle. Aber ihr Tonfall konnte sehr ungemütlich werden, und das genügte in den meisten Fällen, um ihr Heer von Agenten auf Trab zu bringen.
Oder die Techniker. Gia hatte sich schon beinahe gewundert, dass ihr Anruf überhaupt so schnell beantwortet wurde. Meistens gab es Ausreden wie »ich konnte gerade nicht weg«, »ich habe nichts mitbekommen, weil ich so beschäftigt war« und ähnliches. Das hatte sich vor allem in letzter Zeit gehäuft, als die Arbeit immer mehr und die Zeitvorgabe immer knapper wurde.
Howard Kurtz strahlte noch heller. »Du kannst gleich vorbeikommen, wenn du Zeit hast«, fügte er auffordernd hinzu.
Die Marsgeborene deutete ein anerkennendes Nicken an. »Ich mache mich umgehend auf den Weg.«
Der Cheftechniker erwartete die TLD-Chefin in der Werft, wo die GOOD HOPE III derzeit nach ihrer schweren Havarie, die sie nach dem Rückflug von dem Korrago-Planeten Kre'Pain erlitten hatte, instand gesetzt wurde. Der 120-Meter-Kugelraumer zeigte äußerlich kaum mehr Beschädigungen, nur hier und da musste noch Hand angelegt werden, um die Wandung wiederherzustellen. Im Innern des Schiffes ging es zu wie in einem Bienenschwarm.
»Das Metagrav-Triebwerk wird keine Mucken mehr machen«, erläuterte Kurtz betont lässig. »Sämtliche Anlagen sind in den nächsten beiden Tagen wieder voll einsatzfähig. Darüber hinaus aber haben wir noch ein paar kleine Wunder vollbracht.«