Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
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10.
Glossar
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 1982
Gefangene der Algioten
In der Hand der Voranesen – Arkoniden unter religiöser Gehirnwäsche
von Susan Schwartz
Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
In sechs verschiedenen Galaxien entsteht zur Zeit die Koalition Thoregon: ein Bündnis verschiedener Völker, das sich dem Frieden im Kosmos verschrieben hat. Angegriffen wird Thoregon von Shabazza und dessen Hintermännern, die unter anderem an Bord der Kosmischen Fabrik MATERIA operieren.
Vor allem Perry Rhodan und seine alten Weggefährten kämpfen an entscheidenden Stellen gegen die finsteren Machenschaften der Thoregon-Gegner. So versucht der Terraner derzeit mit der SOL, den direkten Widerstand gegen MATERIA im Zentrum der Milchstraße zu organisieren, während sein alter Freund Atlan mit der GILGAMESCH in der fernen Galaxis Chearth gegen die Algiotischen Wanderer agiert. Diese wurden von Shabazza aufgehetzt und mit entsprechenden Mitteln versehen, so dass sie militärisch stark genug sind.
Atlan hat es bei seinem Einsatz nicht nur mit den Algioten und ihren Zigtausenden von Kampfraumschiffen zu tun. Mit seiner vergleichsweise kleinen Truppe muss der Arkonide zudem versuchen, den Sonnentresor gegen Manipulationen abzusichern. Wird dieser Sonnentresor nämlich zerstört, ist damit zu rechnen, dass die Guan a Var – die Sonnenwürmer – ausbrechen und den milliardenfachen Tod über Chearth bringen.
Erste militärische Erfolge konnten errungen werden; die Hilfstruppen aus der Milchstraße und aus Andromeda kamen gerade noch rechtzeitig. Jetzt aber ist die Gegenseite wieder am Zug und startet mit einer großen Offensive. Atlan und einige seiner Begleiter geraten in die Hände der Invasoren – sie sind jetzt GEFANGENE DER ALGIOTEN ...
Rinaher von Sarkand – Die junge Arkonidin wird einer Gehirnwäsche unterzogen.
U'Niboref – Der Voranese versucht sich als Missionar bei Ungläubigen.
Dro ga Dremm – Der Scoctore erweist sich nach wie vor als uneinsichtig.
Myles Kantor – Der Wissenschaftler bekommt alarmierende Ortungsergebnisse.
Hermon von Ariga – Der Arkonide setzt auch in Gefangenschaft auf Durchhalteparolen.
Am Sonnentresor
»Ist alles in Ordnung?« Ronald Tekener, der als Einsatzleiter auf der PYXIS mit in den Sonnentresor geflogen war, musterte den unsterblichen Freund besorgt.
Myles Kantor war bekannt für seine hohe Sensibilität. Er war keineswegs der typische kühle, sachliche Wissenschaftler, auch wenn er manchmal auf den ersten Blick diesen Eindruck erweckte – schon allein durch seine zurückhaltende Art. Doch wer ihn länger kannte, wusste, dass Kantor sich eher aus Selbstschutz zurückhielt und lieber beobachtete, als etwas von sich preiszugeben.
»Aber natürlich«, murmelte Myles. »Wir haben es doch geschafft, oder?«
Der Smiler nickte. Als ehemaliger Spieler, Draufgänger und Abenteurer war er es gewohnt, mit gefährlichen Situationen umzugehen. Er war nicht abgestumpft, doch es belastete ihn nicht so stark wie den Wissenschaftler.
»Ja, gerade mal so, noch im letzten Moment«, sagte er. »Leider nicht alle.«
Myles Kantors blasse Stirn legte sich in tiefe Falten. Nur drei der vier Space-Jets kehrten mit zur GILGAMESCH zurück. Die E-SJ 4, die Kantor von der ENZA zur Verfügung gestellt hatte, war während der Flucht vor den Algiotischen Wanderern abgeschossen worden; sozusagen im letzten Moment, als sich die Besatzungsmitglieder schon fast in Sicherheit wiegten.
»Ja«, sagte er leise. Er fühlte sich für den Tod des Teams in der E-SJ 4 verantwortlich, obwohl jeder Freiwillige im Voraus wusste, dass man bei einem solchen Einsatz sein Leben riskierte. Dennoch konnte Myles nicht anders, er machte sich Vorwürfe. Vielleicht vor allem deshalb, weil dieser Abschuss kurz vor der erfolgreichen Flucht wie ein Hohn war.
Tekener legte ihm leicht die Hand auf die Schulter.
»Wie hättest du es verhindern wollen?«, fragte er. »Es hätte genauso gut uns alle erwischen können. Belaste dich nicht damit, Myles!«
»Ich kann nicht so leichthin darüber hinweggehen!«, gab der Wissenschaftler beinahe aggressiv zurück.
Tekener hob eine Braue. »So, denkst du das also von mir?« Ein scharfer Unterton schwang für einen Augenblick in seiner Stimme mit.
Myles zuckte zusammen. »Selbstverständlich nicht«, sagte er schnell. »Tut mir leid, Tek. Es ist eher so, dass ich mir wünsche, besser damit umgehen zu können – wie du beispielsweise.«
»Nur, weil ich meine Gefühle nicht zeige, heißt es nicht, dass ich keine besitze«, erwiderte Tek. »Wie du auch, erlebe ich solche Situationen nicht zum ersten Mal, und es macht mich betroffen. Aber ich kann damit leben. Das mag hart gesagt sein, aber so ist es nun mal. Ich weiß genau, was in dir vorgeht. Und dabei kann dir niemand helfen. Du trägst nun einmal die Verantwortung, also musst du auch lernen, nicht unter ihrem Gewicht zusammenzubrechen. Das heißt – konzentriere dich auf die akuten Probleme, und nimm dir Zeit für deine Trauer, wenn der Moment passend ist. Deswegen brauchst du kein schlechtes Gewissen zu empfinden. Es ist einfach notwendig. Du lebst lange genug als Unsterblicher, um das zu wissen.«
Myles Kantor fühlte sich plötzlich getröstet und nicht mehr so allein. Es war eine ungewöhnlich lange Rede für einen normalerweise wortkargen Mann wie Ronald Tekener gewesen. Der Aktivatorträger hatte ihm behutsam mitteilen wollen, dass er sich nicht zu sehr in Selbstvorwürfen vergraben sollte, weil sie letztlich nur zum zerstörerischen Selbstmitleid führten. Damit war niemandem geholfen.
Tek hatte ihm deutlich gezeigt, dass er Freunde hatte, die zu ihm standen. Damit war Myles verpflichtet, diese Freundschaft zu erhalten.
»Noch einer der Gründe, der uns von den Normalsterblichen trennt, nicht wahr?«, meinte Myles mit einem schwachen Lächeln. »Keine noch so schlimme persönliche Erfahrung kann alles andere für uns bedeutungslos werden lassen. Wir sind dafür da, niemals aufzugeben und immer nur nach vorn zu sehen.«
»Das klingt doch schon wieder beinahe zuversichtlich.« Tek grinste kurz.
»Wenn wir wenigstens einen Grund dafür hätten«, murmelte Myles. »Im Augenblick sehe ich nur mal wieder eine Katastrophe galaktischen Ausmaßes auf uns zurasen.«
*
In den gut zwei Wochen, die die PYXIS innerhalb des Sonnentresors verbracht hatte, hatten Myles Kantor und sein Team eine Menge beunruhigender Dinge entdeckt. Der Dimensionsriss bei der blauen Sonne Yponiko hatte inzwischen eine Länge von 24 Lichttagen erreicht. Er dehnte sich weiter aus, wenngleich nicht mit der immensen Geschwindigkeit der ersten Tage. Ständige Hyperbeben waren die Folge, die eine Erforschung selbst mit dem Hyperraum-Resonator erheblich erschwerten und Hyperfunk unmöglich machten.
Natürlich waren die Flüge davon betroffen. Vor dem Eintauchen in den Hyperraum musste oft das Abklingen der Schockwellen abgewartet werden, um Zwischenfälle zu vermeiden – welcher Art die auch sein mochten. Bisher war es noch zu keinem größeren Unglück gekommen, aber es war nie vorherzusehen, inwieweit die Hyperbeben die Syntronik-Steuerungen der Schiffe plötzlich beeinflussen konnten.
Es war unmöglich, eine potentielle Gefahr vorauszuberechnen und dementsprechend entgegenwirken zu können. Der harmloseste »Unfall« bei den Sprüngen war noch, dass man lediglich das Ziel verfehlte.
Die PYXIS und die Space-Jets hatten während der Flucht Glück gehabt, in einem gerade passenden Moment eingetaucht zu sein. Doch bereits nach wenigen Lichtminuten hatten sie die Etappe abbrechen müssen, da die Flugsteuerung unter dem Einfluss eines weiteren Bebens verrückt spielte. Sie mussten in den Normalraum zurückkehren, die Koordinaten neu berechnen und erneut eintauchen. Die andauernden Hyperbeben veranlassten Tekener, vorsichtshalber weitere Etappen anzuordnen und Kurskorrekturen vorzunehmen.
Das verzögerte die Rückkehr allerdings und machte Myles Kantor zusehends nervöser – er konnte seine neuesten Erkenntnisse erst mitteilen, wenn sie die im Lhanzoo-System stationierte GILGAMESCH erreichten.
Das war nicht leicht für ihn, denn jede Stunde war kostbar. Der Pulsar Wlaschos hatte seine Taktzahl inzwischen weiterhin erhöht und pulsierte nun 16,3435mal pro Sekunde. Die letzten Vermessungen hatten ergeben, dass er bereits zu schrumpfen anfing – die Verdichtung seiner Masse hatte begonnen und würde unaufhaltsam bis zum kritischen Punkt voranschreiten, an dem der Pulsar zu einem Schwarzen Loch kollabierte.
Zwar würde sich bis dahin die Rotationsgeschwindigkeit weiterhin drastisch erhöhen, was einige Zeit in Anspruch nahm, aber der Kollaps war dennoch nicht mehr aufzuhalten. Es ging sozusagen nur noch um die Verlängerung der Galgenfrist.
Alle bisherigen Bemühungen, die Katastrophe am Sonnentresor zu verhindern, waren vergebens gewesen, und die Tazolen begriffen immer noch nicht, was vor sich ging.
Abgesehen von Vil an Desch, aber der war ja nun ein Ausgestoßener. Dro ga Dremm war jetzt der oberste Scoctore, ein Fanatiker der harten Linie.
Ronald Tekener hegte die – sehr geringe – Hoffnung, dass wenigstens einer der gefangenen Tazolen auf der PYXIS den Argumenten der Galaktiker zugänglich werden würde und möglicherweise doch ein Kontakt zu den Algioten hergestellt werden konnte.
Allerdings hatten diese Gefangenen zu den Überlebenden einer total vernichteten »Befreiungsflotte« für den Unsterblichkeitsgott Gaintanu gehört. Nach Auffassung der Tazolen wurde Gaintanu im Roten Riesen Skoghal, dem Zentralgestirn des Sonnentresors, gefangen gehalten. Dass es aber nicht der Gott, sondern vielmehr die bedrohlichen Sonnenwürmer waren, die die Tazolen befreien wollten, konnte ihnen nicht begreiflich gemacht werden.
Der Smiler blieb einigermaßen zuversichtlich. Die Tazolen waren schließlich nicht dumm, nur eben verblendet in ihrem Fanatismus. Was mit Vil an Desch gelungen war, konnte vielleicht auch mit anderen Tazolen gelingen, vielleicht sogar mit einigen ihrer Anführer, den Scoctoren, wenn schon Dro ga Dremm selbst nicht von den nüchternen, wissenschaftlichen Tatsachen zu überzeugen war.
Die letzte Etappe endete wenige Lichtminuten vor Thagarum, um eine erneute Kurskorrektur vorzunehmen und eventuell feststellen zu können, ob sich die Lage im System inzwischen dramatisch verändert hatte. Die Auswirkungen des Dimensionsrisses machten eine Ortung auch jetzt zunichte; die holographische Ausgabe zeigte nur einen unentwirrbaren Datensalat an. Ein Funkruf wurde lediglich mit einem Rauschen und Knistern beantwortet.
»Wir können nur hoffen, dass noch alle da sind«, orakelte Tek.
»In zwei Wochen wird schon nicht so viel passiert sein!«, versuchte Myles ihm und vor allem sich selbst Optimismus einzureden.
*
Schließlich schlug die Ortung doch an und meldete die Ankunft eines Schiffes. Die Abtastung war leicht verzerrt, aber Tekener erkannte die ungewöhnliche Bauweise sofort.
»Das ist ein Modul der GILGAMESCH!«, rief er. »Können wir Funkkontakt aufnehmen?«
Kurz darauf erklang Dao-Lin-H'ays vertraute Stimme in der Zentrale des Vesta-Raumers. »Die VINAU grüßt die PYXIS. Willkommen zurück!«
Ihr katzenhaftes Gesicht erschien undeutlich, von Wellen und Streifen durchzogen, auf einem Holo. Selbst in so unmittelbarer Nähe kam es immer noch zu Störungen.
»Wir bringen leider keine guten Nachrichten, Dao-Lin«, fiel der Smiler gleich mit der Tür ins Haus. »Hoffentlich ist bei euch alles in Ordnung.«
»Wie man's nimmt, Tek. Ihr wart kaum weg, als 15.000 Knoten- und Pfeilschiffe der Algiotischen Wanderer hier eintrafen und uns seither festhalten. Sie lassen sich zwar nicht mehr auf die ständige direkte Konfrontation ein; unsere Waffen und ihre hohen Verluste haben ihnen einen gehörigen Respekt verschafft. Sie bemühen sich auch nicht um die Rückeroberung Thagarums, haben wohl erkannt, dass das ein aussichtsloses Unterfangen ist und nur weitere unnötige Verluste bringen würde. Dennoch lassen sie es immer wieder auf Geplänkel ankommen und belagern mit ihrer Armada Thagarum – mit einiger Sicherheit vor allem deshalb, um unsere Schiffe zu binden und zu verhindern, dass wir den Chearthern anderswo zu Hilfe kommen können.«
»Was ist mit den Maahks?«, fragte Tek.
»Nun, es gibt ja nur noch drei Schiffe«, sagte Dao-Lin. »Die DSOOBRATH mit Grek-1 ist zur Betreuung der auf Thagarum stationierten Maahk-Truppen geblieben; die THESGOOTH und die RHATAMOGH sind im Raggan-System. Daher sind unsere GILGAMESCH-Module gezwungen, weiterhin bei Thagarum zu bleiben. Immerhin – die 20.000 überlebenden Maahks haben inzwischen auf verschiedenen Gharrer-Welten Asyl gefunden, womit wir wenigstens eine akute Sorge weniger haben.«
»Und was machst du hier, dass du ausgerechnet unseren Weg kreuzt?«
»Es ist nicht ganz zufällig, ich fliege bereits seit fast einer Woche hier Patrouille. Außerdem habe ich immer wieder nach euch Ausschau gehalten, nachdem wir keinen Hyperfunkkontakt zu euch herstellen konnten. Wir sind inzwischen auf Boten angewiesen. Deiner Bemerkung nach zu urteilen, Tek, wird die Lage wohl schlimmer?« Dao-Lin sah dabei jedoch Myles an.
»Ja, leider. Deshalb müssen wir so schnell wie möglich zur MERLIN«, antwortete der Wissenschaftler nervös und ungeduldig.
Der Funkkontakt verschlechterte sich, und Dao-Lin machte es kurz: »Ich komme nach. Ich will hier nicht vorzeitig abbrechen, um den Algioten keinen Anlass für eine Provokation zu geben.«
Ronald Tekener, der den Eindruck hatte, dass sie noch etwas mitteilen wollte, rief: »Dao, wolltest du ...?«
In diesem Augenblick überlagerten die Störgeräusche die Kommunikation so sehr, dass sie notgedrungen abbrechen mussten.
»Na ja, das hat sicher noch Zeit, bis wir bei der MERLIN eintreffen«, meinte der Smiler achselzuckend.
Die PYXIS unternahm mit den durch Traktorstrahlen gefesselten Space-Jets die letzte kurze Etappe. Nachdem sie die MERLIN erreicht hatten, berief Myles Kantor sofort eine Krisensitzung ein.
Sämtliche Chefs der medizinischen, technischen und wissenschaftlichen Teams sowie die Kommandanten der MERLIN und der anwesenden GILGAMESCH-Module erwarteten Myles Kantor und Ronald Tekener im großen Konferenzraum. Es gab jede Menge Platz, eine große Tischfläche mit an den Syntronverbund angeschlossenen Terminals, und mehrere Servos, die eilig herumsausten.
Sobald die beiden Unsterblichen den Raum betreten hatten, nahmen die Wartenden ihre Plätze ein, und eine ungewöhnliche, angespannte Stille breitete sich aus. Viele Gesichter zeigten Erwartung, noch mehr aber deutliche Spuren der Besorgnis.
Myles Kantor fiel die deutliche Lücke sofort auf. Zudem war der große Sessel am Tischende frei; niemand schien dort Platz nehmen zu wollen. Damit wurde die Lücke um so deutlicher.
Kantor warf Tekener einen ratlosen Blick zu. »Wo ist denn Atlan?«, fragte er und blickte in betretene Gesichter.
Gefangen
Rinaher kam zu sich. Für einen Moment wurde die Arkonidin von dem hoffnungsvollen Gefühl getragen, nur in einem langen, quälenden Albtraum gefangen gewesen zu sein.
Bis sie sah, wo sie sich befand. Ein Raum – nein, eine Zelle –, vielleicht drei mal vier Meter lang. Nüchtern ausgekleidet mit Metall, indirekt beleuchtet. In einer Ecke stand ein seltsam konstruiertes Maschengerüst mit einer Liegefläche wie eine Hängematte, ohne Kissen oder Decke.
In der gegenüberliegenden Ecke gab es ein Loch im Boden, mit einer beweglichen Metallplatte abgedeckt. An der Wand dahinter leuchtete in Rot ein daumengroßes Sensorfeld. Als Rinaher daraufdrückte, zog sich die Platte von dem Loch zurück, und Wasser sprudelte aus einer Düse unter dem Feld. Das sollte wohl die sanitäre Anlage darstellen.
Rinaher schüttelte sich vor Ekel und kroch zu der Hängematte. Das war allerdings eine kühne Bezeichnung, wie sie sogleich feststellte, denn das Metallnetz gab keinen Millimeter unter ihrem Körpergewicht nach, als sie versuchte, sich einigermaßen bequem darauf niederzulassen.
Ich bin gefangen, dachte sie in erneut aufkeimender Panik. Ich habe nicht geträumt, ich bin wirklich gefangen ...
Allmählich kehrten die Erinnerungen wieder. Die Algioten hatten die chearthische Rüstungswelt Chattago angegriffen und den gesamten Planeten mit seiner Millionenbevölkerung eingeäschert.
Obwohl die gerade eingetroffene ANUBIS zusammen mit der URANIA augenblicklich die Flucht ergriffen hatte, wurden auch sie unter Beschuss genommen. Damit hatten sie nicht gerechnet, da sie nur zwei an sich unbedeutende Kleinraumer in dieser Schlacht waren.
Vor allem die ANUBIS war ein Ziel der Algioten gewesen. Und letztlich hatten Raumlandetruppen das Schiff gestürmt, nachdem es schwer beschädigt worden war.
Viele von der Besatzung hatten den Tod gefunden. Auch Junkeron war dabei umgekommen ...
Rinaher vergrub das Gesicht in den Händen.
»Oh, Bruder ...«, stöhnte sie. »Weshalb musstest gerade du sterben?« Ihre Schultern bebten.
Wenn sie je wieder nach Camelot zurückkehrte – wie sollte sie es Navira und Lundom, ihren Eltern, begreiflich machen? Die vierköpfige arkonidische Familie war 1281 von Sarkand nach Camelot gekommen. Es war eine Flucht gewesen, denn die politischen Ansichten der adligen Eltern und ihre Treue zu Atlan waren im neuen Imperium absolut nicht erwünscht. Kurz vor der Verhaftung hatte die IPRASA die gesamte Familie in Sicherheit gebracht.
Navira und Lundom ließen kein Heimweh aufkommen; sie integrierten sich rasch in das neue Leben. Sie hatten dem Sohn und der Tochter vorgeschlagen, sich für die Aufnahmeprüfung als Kadetten zu melden. Nur so, sagten sie, hätten sie die Möglichkeit, sich aktiv an den politischen Entwicklungen zu beteiligen und Atlan zu unterstützen. Nur durch ihr Beispiel konnten die übrigen Arkoniden vielleicht eines Tages begreifen, dass sie mit ihrem strengen nationalen Verhalten den falschen Weg eingeschlagen hatten.
Als der Aufruf für den Flug nach Chearth veröffentlicht wurde, hatten Junkeron und Rinaher sich sofort freiwillig gemeldet – zusammen mit ihren etwas jüngeren Freunden Gerenger und Viliona, die ebenfalls ein aufregendes Abenteuer unter dem Vorwand der »arkonidischen Sache« erleben wollten. Vor allem war es ihnen wichtig, in die Mannschaftsliste des GILGAMESCH-Moduls RICO, dem Flaggschiff des von allen arkonidischen Kadetten gleichermaßen hochverehrten Atlan, aufgenommen zu werden.
Somit war es auch keine Frage gewesen, sich erneut freiwillig zu melden, als Atlan mit der ANUBIS einen Rundflug durch die fremde Galaxis plante, unter anderem, um die Chearther auf die Ankunft der Haluter vorzubereiten und über die geänderte Taktik der Invasoren zu informieren.
Junkeron war gut eineinhalb Jahre älter als Rinaher gewesen, aber man hätte die beiden äußerlich fast für Zwillinge halten können. Sie galten als unzertrennlich. Von Anfang an hatten sie dieselben Pläne gehabt und waren sich einig, eine gemeinsame berufliche Karriere anzustreben.
Der eine konnte nicht ohne den anderen sein, daran änderten nicht einmal gelegentliche Affären etwas. Keiner der jeweiligen Partner hatte akzeptieren können, dass die Geschwister absolut unzertrennlich waren, und gab meistens nach wenigen Wochen auf. Jedes Geschwisterteil tröstete dann das andere; diese uneingeschränkte Freundschaft und Zuneigung schmiedete sie nur noch fester aneinander.