Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
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Glossar
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 1989
Countdown für Chearth
Die Haluter greifen an – die Algioten rüsten zur Entscheidung
von Susan Schwartz
Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
In zwei Galaxien stehen im Frühjahr des Jahres 1291 Neuer Galaktischer Zeitrechnung große Entscheidungen bevor – und beidemal sind Menschen aus der Milchstraße aktiv beteiligt.
So gelang es in der Milchstraße den vereinigten galaktischen Flotten unter tatkräftiger Mithilfe der Superintelligenz ES, die Kosmische Fabrik MATERIA zu vernichten, auch wenn letzten Endes nur ein Trick half. Mit seinem Kunstplaneten Wanderer sowie der SOL brach ES danach auf, während Perry Rhodan vorerst in der Menschheitsgalaxis zurückblieb.
Ganz anders sieht die Situation noch in Chearth aus. Nach wie vor halten die Invasoren aus der Galaxis Algion große Teile der Galaxis besetzt, die – ebenso wie die Milchstraße – zur Koalition Thoregon gehört. Seit einigen Monaten hat Hilfe aus der Milchstraße und Andromeda unter dem Kommando von Atlan in die Auseinandersetzungen mit den Besatzern eingegriffen.
Doch die Manipulationen der Algioten hatten gefährliche Folgen. Längst ist das hyperphysikalische Gleichgewicht im sogenannten Sonnentresor aufs höchste gefährdet; die Guan a Var, die Sonnenwürmer, könnten freigesetzt werden. Dann wäre das Ende der Galaxis Chearth nahe.
Neue Hilfe aus der Milchstraße könnte die Entscheidung bringen: 100.000 Haluter sind in Chearth eingetroffen. Nun läuft der COUNTDOWN FÜR CHEARTH ...
Dao-Lin-H'ay – Die Kartanin tauscht Gefangene aus.
Dro ga Dremm – Der oberste Scoctore setzt auf den totalen Krieg.
Vincent Garron – Der Mutant erlebt erneut einen seltsamen Kontakt.
Icho Tolot – Der Haluter bringt willkommene Verstärkung.
Corr re Venth – Der Tazole entwickelt aufrührerische Gedanken.
Am Sonnentresor
Situationsbericht vom 8. April 1291 NGZ, persönliches Logbuch Dao-Lin-H'ay:
Wir halten immer noch die Stellung am Sonnentresor. Die 13 GILGAMESCH-Module sind nach wie vor im Orbit von Thagarum stationiert und in ständiger Alarmbereitschaft.
Ebenso halten sich hier nach wie vor rund 15.000 Einheiten der Algiotischen Wanderer auf. Sie unternehmen zwar keine kriegerischen Handlungen, aber allein durch ihre Präsenz sind wir gezwungen, die Schaltstation zu bewachen.
Dro ga Dremm will offensichtlich unsere Streitmacht hier binden, um seine Eroberungen anderswo fortzusetzen. Mir kommt es allmählich so vor, als habe die Befreiung Gaintanus bei ihm nicht mehr oberste Priorität. Vielleicht glaubt er inzwischen selbst nicht mehr daran, dass der tazolische Unsterblichkeitsgott hier gefangen ist. Oder will er sich selbst zum Gott erheben, der allmächtig über zwei Galaxien herrscht?
Ich kann natürlich nur Vermutungen anstellen. Nach wie vor sind wir auf aktuelle Informationen von Kurierschiffen angewiesen, es ist kein Hyperfunkverkehr möglich. Wir können froh sein, dass inzwischen nicht schon längst alles zusammengebrochen ist. Der Dimensionsriss, infolgedessen wir unter ständig wiederkehrenden, sich zusehends verstärkenden Hyperbeben zu leiden haben, hat inzwischen einen Umfang von 32 Lichttagen. Unvorstellbar, welche Gewalten dort zugange sein mögen!
Die Schaltstationen Porrista, Thuragur und Boschko existieren nicht mehr. Allein Thagarum arbeitet noch einigermaßen einwandfrei, aber es wird sich nicht vermeiden lassen, dass uns immer wieder Guan a Var entkommen werden, wie das jüngste Beispiel gezeigt hat.
Am meisten Sorgen aber macht uns Wlaschos. Seine Rotationsgeschwindigkeit hat sich auf 83 Umdrehungen pro Sekunde erhöht. Nichts kann ihn stoppen, seit er über 15,24 Umdrehungen pro Sekunden gekommen ist, und er schrumpft weiter. Wir können nichts mehr dagegen tun.
Es kann nicht mehr lange dauern, bis er endgültig zu einem Schwarzen Loch kollabieren wird. Und dann werden die Tazolen ziemlich schnell feststellen, was an ihrem Glauben dran ist – nämlich nichts. Wie werden ihre Hilfsvölker reagieren? Ich bin mir sicher, dass Dro ga Dremm dann einiges wird erklären müssen.
Für uns kann es nur von Vorteil sein, wenn die Algioten untereinander das Streiten anfangen. Und das ist unweigerlich der Fall, wenn Gaintanu sich nicht zeigt und die Tazolen nicht gleich aus Dankbarkeit zu Unsterblichen macht. Vielleicht ziehen sie sogar ab, und wir hätten dann die Chance, uns ausschließlich auf die Bekämpfung der Sonnenwürmer zu konzentrieren.
Drei sind uns bereits vor fünf Wochen entkommen. Myles Kantor versuchte danach, sie mit der PYXIS aufzuspüren. Längst wissen wir, dass die Sonnenwürmer die Sonne Eleprysi befallen und mittlerweile auch vernichtet haben. Immerhin konnten Atlan und seine Begleiter von der ANUBIS auf dem Planeten Holter gerettet werden.
Trotzdem sind von den Aktivatorträgern hier bei Thagarum nur noch Tek und ich übrig.
Tek macht die Ignoranz der Algioten halb verrückt. »Diese algiotischen Idioten und ihr oberster Knallkopf!«, pflegt er zu sagen, wenn es wieder eine Hiobsbotschaft gibt.
Immerhin sind die SHE'HUAN und 800 halutische Kugelraumer in Chearth eingetroffen. Dro ga Dremm hat sich von dieser Flotte überhaupt nicht beeindrucken lassen. Der oberste Scoctore leugnet weiterhin die Existenz der Sonnenwürmer. Und führt weiter Krieg.
Ich kann das einfach nicht verstehen, sosehr ich mich bemühe. Als Unsterblicher sammelt man im Lauf des Lebens ja viele Erfahrungen, und natürlich sind wir Kartanin ebenfalls nie Heilige gewesen.
Trotzdem stehe ich – von meinem rein persönlichen Verständnis aus gesehen – solchen Geschehnissen hilflos gegenüber.
Wie verabscheuenswert sind solche Leute, die nichts als Macht im Sinn haben! Ohnmächtige Wut empfinde ich da, ich wetze meine Krallen und wünschte mir, der Verursacher dieses Krieges würde vor mir stehen und ich könnte ihn ...
Ich werde diese Bemerkung nachher löschen, sie ist natürlich unangebracht. Aber zwischendurch muss ich meinem Zorn Luft machen, und es ist ja sonst niemand da.
Von uns Aktivatorträgern erwartet man immer, dass wir jede Situation beherrschen und einen kühlen Kopf bewahren. Egal ob Gegner oder Freund – jeder stilisiert uns zu unwirklichen Wesen, die alles können, alles wissen und gefälligst alle Probleme lösen können. Dass wir aus Fleisch und Blut sind, Gefühle haben und ebenso fehlbar sind wie jeder andere, will keiner wissen. Nicht einmal unsere Gegner, die uns für machthungrig oder überaltert halten.
Ich will nicht hoffen, dass wir diesen Ansprüchen eines Tages nicht mehr genügen können.
*
Ich musste unterbrechen, denn soeben erreichte mich die Nachricht, dass die Algioten dem Austausch zugestimmt haben.
Endlich einmal eine gute Nachricht! Wir werden die 17 Tazolen, die Tek mit der PYXIS vom Sonnentresor mitgebracht hat, endlich los. Sie sind Fanatiker und blieben allen Kommunikationsversuchen gegenüber absolut unzugänglich.
Sie haben sogar versucht, Vil an Desch zu töten – was mir persönlich nichts ausgemacht hätte. Er ist und bleibt für meine Begriffe eine ungenießbare Dagrug-Ratte. Auch wenn er nunmehr auf unserer Seite ist, wir ihn brauchen und er begriffen hat, worum es am Sonnentresor geht, bleibt er ein mieser Charakter.
Natürlich konnten wir nicht zulassen, dass Vil an Desch umgebracht wurde. Selbst wenn er als Verräter an seinem Volk gilt, ist er für uns nach wie vor sehr wichtig und die Schlüsselfigur in diesem Spiel um zwei Galaxien.
Zusammen mit Tek habe ich eine Botschaft an die im Bereich von Thagarum stationierten Algioten-Einheiten übermittelt, dass wir zum Gefangenenaustausch bereit seien. Seien wir gespannt, was passiert.
Ich habe Tek gefragt, ob er den Austausch vornehmen will, aber er hat dankend abgelehnt. Er meint, ich sei in dieser diplomatischen Mission besser am Platz als er. Ich weiß, wie sehr es ihn umtreibt, er wird zusehends ungeduldiger und wütender.
Daher stimmte ich ihm zu, dass er auf der MERLIN bleibt und den Siganesen über die Schulter schaut, die sich mit dem Netz-Neutralisator beschäftigen. Nicht mehr lange, und die Tazolen können ihre Netze hoffentlich in den nächsten Mülleimer werfen. Ein weiterer kleiner Lichtblick in diesem sinnlosen Krieg.
Die undankbare Aufgabe der Übergabe obliegt also mir. Ich muss meine Krallen einziehen und ein zahmes Kätzchen spielen, das zierlich über rohe Eier spaziert. Eine Rolle, die mir bei solchen Gelegenheiten sonst nicht sehr steht.
Doch ich werde mich fügen. So habe ich die Situation wenigstens im Griff und muss nicht nervös abwarten, ob Tek plötzlich einen seiner berüchtigten »Einfälle« bekommt.
Ein einziger Zwischenfall, und hier bricht die Hölle los!
Rendezvouspunkt Leerraum
Die Besatzung der DOLAMO erwartete das Eintreffen der Kartanin. Aranda Norrand, die 39-jährige, stämmige Kommandantin, hatte alles zum Transport der gefangenen Tazolen veranlasst. Damit es zu keinem Zwischenfall kam, wurden sie einzeln in Fesselfelder gehüllt und zusätzlich als »Gesamtpaket« von einem Paratronschirm umgeben, als sie an Bord gebracht wurden. Ein spezieller Sektor der DOLAMO in der Nähe des Hangars war abgeriegelt worden.
Dorthin wurden die Tazolen gebracht.
»Dro ga Dremm wird euch zur Rechenschaft ziehen!«, zeterte einer, der sich in letzter Zeit immer mehr als Wortführer aufgespielt hatte. »Niemand entgeht der Strafe der Götter, und der oberste Scoctore ist ihr Sprachrohr, ihr materieller Aspekt zur Ausführung ihrer Wünsche! Seid verdammt, Ungläubige!«
Sie wurden allein gelassen, nur draußen vor dem Eingangsschott wurden einige Wachen postiert.
»Ganz im Vertrauen«, sagte Hagbert Brühl, Chef der Sicherheit, zu seiner Kommandantin, »ich bin heilfroh, wenn wir diese Blödmänner endlich los sind!«
»Nicht nur du«, versetzte sie seufzend. »Diese Tazolen sind vielleicht anders als wir, was wir respektieren müssten ...«
»Trotzdem sind sie durchgeknallt«, vollendete Brühls Assistentin Nora Kumt auf ihre Weise den Satz. »Fanatiker wie diese sind meiner Ansicht nach alle nicht in Ordnung. Sie sind ignorant, rassistisch, stellen sich absichtlich dumm und halten sich für die Größten.«
»Reißt euch zusammen!«, wies Aranda die beiden zurecht. »Ich will solche Bemerkungen nicht in Dao-Lins Anwesenheit hören, verstanden? Ihr kennt die moralische Einstellung der Unsterblichen, die ich für bewunderns- und nachahmenswert halte. Ihr schert alle über einen Kamm mit solchen Äußerungen, und das passt mir nicht. Ihr fällt ein Urteil, das euch nicht zusteht.«
»War doch nicht so gemeint«, murmelte Nora. »Man wird doch wohl noch was sagen dürfen.«
»Denken ja, sagen nein, nicht hier an Bord und nicht im Dienst«, ordnete die Kommandantin an. »Wir haben uns jederzeit neutral zu verhalten, selbst wenn wir unsere Ziele verteidigen. Wir tun unsere Pflicht nicht aus emotionalen Gründen, weil uns die Nase von jemandem nicht passt, sondern um anderen beizustehen und ihnen die Unabhängigkeit zu bewahren.«
»Also genau das Gegenteil von dem, was die Tazolen wollen«, meinte Hagbert.
Dem konnte die Kommandantin nichts entgegenhalten. Sie wusste natürlich, dass ihre Leute nicht grundsätzlich so dachten. Sie ereiferten sich so, weil ihnen das in ihren Augen uneinsichtige tazolische Gebaren an den Nerven zerrte.
Aranda wusste, dass sie ihrer Mannschaft vertrauen konnte. Sie war ein eingeschworenes Team, in dem jeder für den anderen da war. Alle waren darum bemüht, Dao-Lins hohen Ansprüchen zu genügen; sie verehrten die charismatische Kartanin geradezu.
Aranda ging es nicht anders. Die ehrgeizige Frau sah sich als überzeugte Cameloterin, deswegen war sie jedoch keineswegs blind ergeben.
Aber es war so: Die Unsterblichen waren anders, sie besaßen eine große Ausstrahlung und eine besondere Aura, der man sich nicht entziehen konnte. Das lag nur zum Teil an ihrem Alter und ihrer daraus resultierenden Erfahrung; in erster Linie war es ihr grundsätzliches Wesen, eine besondere Befähigung, die sie über die Masse hinaushob.
Dao-Lin, stets höflich, aber zurückhaltend, war eine überaus faszinierende Persönlichkeit; katzenhaft im Aussehen und den Bewegungen, katzenhaft auch in ihrer Körpersprache. Sie hatte sich zwar einigermaßen den menschlichen Verhaltensweisen angenähert und sogar Gesten übernommen, dennoch blieb ihr Wesen fremd. Wenn die Kartanin schnurrte, bedeutete das noch lange nicht, dass sie gut gelaunt war. Und ihre scharfen Krallen waren furchterregend, wenn sie sie langsam ausfuhr, ins Licht hielt und die Finger bewegte; eine Geste, aus der jeder selbst herauslesen durfte, was sie wohl ausdrückte. Wenn Dao-Lin einen ansah, hatte man das Gefühl, als blickte sie tief in einen hinein, lotete jeden Winkel aus und erkannte selbst das Verborgene.
Aranda Norrand hatte es noch nie geschafft, diesem Blick länger als ein paar Sekunden standzuhalten.
*
Als Treffpunkt war der Leerraum in etwa fünfzehn Lichtminuten Entfernung zu Thagarum vorgesehen.
Der Vesta-Kreuzer wurde von einem gut zwanzig Meter langen Beiboot des Walzenraumers DSOOBRATH begleitet, denn gegen die Tazolen sollten neun gefangene Maahks getauscht werden, die den Algioten bereits bei den Kämpfen um Thagarum in die Hände gefallen waren. Die Tazolen hatten nur diese beiden Schiffe zugelassen; kein GILGAMESCH-Modul durfte als Begleitschutz mitfliegen.
»Es ist eine heikle Mission«, sagte Dao-Lin-H'ay zu Aranda Norrand. Die Kartanin stand mit verschränkten Armen neben der Cameloterin in der Kommandozentrale und beobachtete die Vorgänge über das große Holorama. »Wir müssen uns zwischen den feindlichen Schiffen hindurchschlängeln und darauf hoffen, dass niemand angreift.«
»Wir senden ständig die uns übermittelten Friedenssignale auf den algiotischen Frequenzen«, entgegnete die Kommandantin. »Sie wissen, in welcher Mission wir unterwegs sind.«
»Die Historie, auch die terranische, beschreibt eine Fülle von Missverständnissen bei solchen Missionen, die einen Krieg oft erst so richtig ausbrechen ließen«, argumentierte die Kartanin. »Wir stehen hier nicht einem einzigen, sondern vielen Völkern gegenüber. Jedes von ihnen verfolgt andere Rituale. Während wir dem einen Volk die Hand zum Gruß reichen, kann das bei einem anderen eine tödliche Beleidigung sein. Die Tazolen halten ihre Verbündeten durch Zwang bei sich, aber sie konnten ihnen natürlich nicht das Verständnis ihrer ursprünglichen Kultur nehmen.«
»Dann wollen wir hoffen, dass die Botschaft von uns korrekt wiedergegeben wird ...«
»Da bin ich sicher. Doch es heißt nicht, dass sich alle daran gebunden fühlen. Ein Profilierungssüchtiger sucht vielleicht gerade die Konfrontation, um uns zu einer Reaktion zu verleiten. Daher dürfen wir uns unter gar keinen Umständen provozieren lassen, egal was sie tun. Wenn sie angreifen, fahren wir alle Schutzschirme hoch, aber keine Offensivwaffen. Wir werden ausweichen und versuchen, trotzdem auf Kurs zu bleiben. Wenn wir fliehen, bedeutet das nämlich ebenso das Scheitern unserer Mission.«
»Wenigstens das sollten wir hinbekommen«, murmelte Aranda. »Ich bin trotzdem zuversichtlich, immerhin werden kleinere Schiffe schon seit längerer Zeit nicht mehr angegriffen, sondern können die Gegend ungehindert verlassen.«
Dennoch ergriff sie ein mulmiges Gefühl, als sie direkt in den Pulk der feindlichen Schiffe hineinflogen. Tausende Pfeil- und Knotenschiffe sowie unzählige Beiboote und Ortungsbojen bildeten ein Netz im ganzen Lhanzoo-System, vor allem um die Schaltstation Thagarum auf dem gleichnamigen fünften Planeten.