Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Epilog
Glossar
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 1995
Der Tod auf Terra
Eine Kosmische Fabrik im Solsystem – die Erde im Würgegriff des Unheimlichen
von Hubert Haensel
Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
In der Milchstraße konnte ein großer Sieg errungen werden – wenngleich unter hohen Opfern: Die Kosmische Fabrik MATERIA wurde am Schwarzen Loch im Zentrum der Menschheitsgalaxis vernichtet. Damit ist im Frühjahr 1291 Neuer Galaktischer Zeitrechnung eine große Gefahr für die Menschheit und für die gesamte Koalition Thoregon beseitigt.
Thoregon selbst ist immer noch in einem Prozess der Entstehung. Die Koalition aus sechs Superintelligenzen und sechs Völkern aus sechs Galaxien will sich für den Frieden im Kosmos einsetzen. Mächte von gewaltigem Einfluss scheinen etwas gegen diese Pläne zu haben, die auch von Perry Rhodan noch nicht vollständig durchschaut werden können.
Die Kämpfe in der Milchstraße sind nur eine Ebene des Konflikts, der sich seit langem anbahnte. In der Galaxis Chearth steht beispielsweise die letzte Entscheidung zwischen den Algiotischen Wanderern und den Verbündeten aus den Galaxien Chearth, Andromeda und der Milchstraße an.
Für die Menschen auf der Erde ist Chearth jedoch nicht von Bedeutung; die meisten wissen weder etwas von den Guan a Var noch etwas vom Sonnentresor oder den Gomrabianischen Hyperraumhügeln. Die Menschen im Solsystem und auf den zahlreichen Planeten der Liga Freier Terraner werden Zeuge einer neuen Konfrontation.
Eine weitere Kosmische Fabrik erscheint und greift den Heimatplaneten der Menschheit an. Die Kosmische Fabrik WAVE kann nicht gestoppt werden. In einer großen Raumschlacht wird die Wachflotte der Erde vernichtet; den Kämpfen fällt auch die Regierung der Liga Freier Terraner zum Opfer. Die Erde scheint hilflos zu sein – und dann weilt DER TOD AUF TERRA ...
Perry Rhodan – Der Sechste Bote von Thoregon will der Menschheit beistehen.
Ramihyn – Der Diener der Materie hat das ganze Solsystem in seiner Gewalt.
Margret Zhamant – Die Terranerin nimmt den aussichtslosen Kampf gegen den Zyklopen auf.
Startac Schroeder – Ein 17 Jahre alter Terraner in den Trümmern des HQ-Hanse.
»Ist es des Lebens wahrer Sinn,
Vergänglichkeit zu erfahren –
weil nur dann ein neues Dasein
in der Universen Schatten wachsen kann?«
Noman-Hucoc-Saad in 14. Teilung nach Erreichen des Tiefenlandes. Aussehen und Herkunft: Unbekannt.
Die letzten Gedanken eines Sterbenden, anvertraut einer Priorwelle.
*
»... in ein paar Minuten wachen wir auf und werden feststellen, dass alles nur ein böser Albtraum war. Es kann gar nicht anders sein!«
Cistolo Khan hatte seine Fäuste in den unergründlichen Taschen seiner derben Kleidung vergraben. Er war aufs äußerste angespannt; die Bartschatten, seine kantig hervortretenden Wangenknochen und vor allem der fahl-rötliche Widerschein der Hologramme versteinerten sein Gesicht. Zynische Stimmen behaupteten, Khan klebe wie ein ertrusischer Saugwurm an seinem Sessel, und wenn überhaupt, dann sei er nur noch mit Gewalt zu entfernen.
Er hat abgehalftert, in der Dscherro-Krise versagt.
Perry Rhodan beobachtete den fülligen Zwei-Meter-Mann genau. Deutlich glaubte er zu erkennen, was hinter Cistolos Stirn vorging: Der LFT-Kommissar fühlte sich in der Tat verantwortlich; er hatte Fehler begangen, aber das hatten andere auch, und er stand weiß Gott nicht allein im Regen. Niemand hatte vorhersehen können, dass ein Feind wie die Dscherro völlig unerwartet im Herzen der LFT angreifen würde, zwar nicht in einer Zeit des Friedens, aber eben mitten in Terrania City. Sogar NATHAN war davon überrascht worden.
Einige Jahre seines Lebens hätte Khan dafür gegeben, den tausendfachen Tod und das Verschwinden zweier Stadtteile aus Terrania ungeschehen zu machen. Die Mehrzahl der auf der Erde lebenden Menschen und Galaktiker wusste das und akzeptierte es; nur wenige machten ihrem Unmut immer noch Luft und schrien nach Gerechtigkeit. Was sie indes wirklich wollten, war Rache. Für die Panik, die sie empfunden hatten, ebenso wie für ihre durchlittenen Ängste – sie brauchten einen Sündenbock.
Deine Tragik ist, Cistolo, dass du es nie allen wirst recht machen können, dachte Rhodan bitter. Und je hartnäckiger du genau das versuchst, desto einsamer fühlst du dich. Ich kenne das.
»Nach wie vor kein Funkkontakt!«, hallte die Meldung durch die Zentrale. »Das gesamte Solsystem ist hyperenergetisch taub.«
Nur noch eineinhalb Lichtjahre ... Sol stand als winziger gelber Stern auf den Schirmen, doch das von den Optiken der PAPERMOON erfasste Licht war achtzehn Monate alt, ausgesandt zur Zeit des letzten Wahlkampfes auf Terra.
Mit einem unwilligen Kopfschütteln scheuchte Perry Rhodan alle ablenkenden Gedanken beiseite und konzentrierte sich wieder auf das Hauptholo.
Das Wrack eines 200-Meter-Raumers der PROTOS-Klasse hing scheinbar zum Greifen nahe. Ausgedehnte Rumpfsegmente glühten im irrlichternden Atombrand. In spätestens zwanzig Minuten würde sich das Schiff in eine kurzlebige neue Sonne verwandelt haben – ein letztes, endgültiges Aufflackern, das die dann noch an Bord befindlichen Frauen und Männer einen schrecklichen Tod sterben ließ.
»Die Funkverbindung zu den Überlebenden ist endgültig abgebrochen!«
Eine unheimliche Bedrohung lastete auf dem Solsystem, eine Gefahr, die sich noch nicht in Worte kleiden ließ, die Perry Rhodan jedoch liebend gerne ans andere Ende des Universums gewünscht hätte.
Vielleicht ... Er ballte die Fäuste, bis die Fingernägel schmerzhaft in die Handballen einschnitten. Ich habe Fehler gemacht und die Kosmokraten unterschätzt. Aber trotzdem. Hätte ich noch einmal die Wahl, ich würde mich wieder von ihnen lossagen. Vielleicht wollen sie nur mich und lassen die Menschheit ungeschoren ... Ein wahnwitziger Gedanke. Vor allem, weil Wunsch und Realität eine Unendlichkeit weit auseinanderklafften. Rhodan wusste genau, dass er sich in der Situation einer Ameise befand, über der drohend der kantige Stiefel eines Wanderers schwebte. Jeden Augenblick würde diese Zentnerlast alles unter sich zermalmen.
Unnütze, beinahe schon gefährliche Überlegungen waren das. Er hörte den LFT-Kommissar knappe Kommandos geben und sah ein Funkenmeer davonwirbeln. Die Manöver der ausgeschleusten Korvetten und Space-Jets waren präzise. Mit Desintegratoren und Thermostrahlen schnitten sie den glühenden Rumpf des 200-Meter-Wracks auf, hatten Hangars und Laderäume schon skelettiert und versuchten Schneisen zu schaffen, die der Atombrand nicht sofort überspringen konnte. Berstende Druckwassertanks verspritzten ihren Inhalt, der verdampfte und zu bizarren Eisspeeren gefror.
Das Bild spiegelte die Situation der Menschheit wider. Licht und Schatten lagen in scharfer Trennung nebeneinander, vermengt mit dem Glühen des um sich greifenden Atombrandes. All die schaurige Schönheit konnte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dort drüben Menschen für andere Menschen ihr Leben einsetzten. Die ersten Rettungsmannschaften in SERUNS drangen in das Wrack vor; sie wussten wohl, dass ihnen die tödliche Glut jederzeit den Rückweg abschneiden konnte.
Für einen flüchtigen Moment schloss Perry Rhodan die Augen und atmete tief ein. Der Tod, so schien es, war zu einem seiner treuesten Begleiter geworden, zu einem Gefährten, auf dessen Nähe er liebend gerne verzichtet hätte. Die Scherben einer fehlgeleiteten Friedenspolitik häuften sich, der Traum einer geeinten Milchstraße war heute so fern wie schon lange nicht mehr, und Thoregon ...? Noch blieb die Hoffnung, die Koalition möge sich nicht nur als Papiertiger erweisen. War das nicht sogar die einzige Hoffnung?
MATERIA, die gigantische Fabrik der Kosmokraten, war am Zentrums-Black-Hole der Milchstraße vernichtet worden. Rhodan empfand deshalb keinen Triumph, schon gar nicht Zufriedenheit. Inzwischen erschien es ihm, als hätte die Flotte unter viel zu großen Opfern doch nur einen Pyrrhussieg errungen, als hätte sich von allen unbemerkt eine nicht geringere Bedrohung manifestiert.
Verhaltener Jubel brandete auf. Die ersten Mitglieder eines Rettungstrupps erschienen mit mehreren verletzten Besatzungsmitgliedern in einem der aufgebrochenen Hauptkorridore des Wracks. Nur wenige Meter von ihnen entfernt fraß sich die Glut schon durch die Zwischendecks.
Nach wie vor keine Spur von Hektik. Die Männer und Frauen der PAPERMOON verstanden ihr Handwerk, und Cistolo Khans gelassene Überlegenheit hatte längst auf sie abgefärbt.
Erste medizinische Daten der Verletzten wurden übermittelt. Teils stammten sie von den Pikosyns ihrer SERUNS, teils war es erforderlich geworden, Medocheck-Einheiten in die beschädigten Anzüge einzuschleusen. Quetschungen und Risse innerer Organe, ebenso das Bild diffiziler Brüche ließen auf einen Ausfall der Andruckabsorber schließen. Die SERUNS waren außerdem hochgradig strahlenverseucht.
»... eine Dekompression, Herzstillstand vor knapp sieben Minuten eingetreten. Achtung: Transmitterabstrahlung des Patienten Mervin erfolgt nach Medosektion B ...«
»Neurologische Betreuung ist bereit!«
Die Piloten der Beiboote riskierten Kopf und Kragen, um die nacheinander zurückkehrenden Rettungsmannschaften rasch an Bord nehmen zu können. Nahezu auf Tuchfühlung senkten sich einige Space-Jets auf das glühende Wrack herab.
Etwas mehr als fünf Minuten seit Beginn der Rettungsaktion.
Die Ortungen hatten außerhalb des Solsystems weitere Schiffe erfasst, die im freien Fall durch den Raum trieben. Die Vermutung lag nahe, dass auch sie nur mehr Wracks waren.
Acht Minuten seit dem Rücksturz der PAPERMOON aus dem Metagravflug. Die Zweite Pilotin Serah Jennin war eine der wenigen, die sich von Anfang an nicht um die Rettungsaktion gekümmert hatten.
»Sieh dir das an!«
Rhodan schreckte zusammen, als die Plophoserin ihm eine Holofolie so dicht vor die Augen hielt, dass er gezwungen war, den Kopf zurückzulegen. Von hinten war sie an ihn herangetreten, und als er den Blick wandte, starrte ihr schmales Gesicht ihn herausfordernd an. Ein hageres Raubvogelgesicht, ausgezehrter als früher, mit zusammengekniffenen Brauen und loderndem Blick. Kein Wunder, dass sie bei der Besatzung wenig beliebt war.
»Um die Sache sollten wir uns vordringlich kümmern!« Ihre Betonung war eine harsche Kritik und zugleich Aufforderung, ohne weitere Verzögerung ins Solsystem einzufliegen.
»Ich bin noch nicht kurzsichtig.« Rhodan schaffte es nicht, ihr die Folie abzunehmen oder den Arm ein Stück weit wegzuschieben. Ihre Finger verkrampften sich um den Rand der Folie, deren Wiedergabe jetzt wechselte.
»Acht Ortungen, die mit großer Wahrscheinlichkeit auf Wracks schließen lassen«, stellte die Plophoserin fest. »Ich habe ihre Kursvektoren zurückverfolgt – jedes der Schiffe muss zwischen Erdumlaufbahn und Asteroidengürtel in den Hyperraum gegangen sein, und zwar in dem Raumvektor, in dem Terra derzeit steht. Plus/minus eineinhalb Lichtminuten.«
Er hatte es geahnt. In Erdnähe schien eine vernichtende Raumschlacht stattgefunden zu haben. Über ihren Ausgang brauchte er nicht zu spekulieren. Auch den Gegner glaubte er zu kennen. Das Störfeld unbekannter Natur, das überlichtschnelle Ortungen ebenso unterband wie jeden Hyperfunk, entstammte hochwertigster Technik.
Die Vernichtung von MATERIA entpuppte sich damit als Pyrrhussieg, für den ein verdammt hoher Preis zu zahlen war.
»Hast du nichts dazu zu sagen, Perry Rhodan?«, stieß die Zweite Pilotin hervor. »Du schwebst längst in höheren Gefilden. Was interessieren dich noch ein paar Galaktiker, solange du irgendwo weit draußen ...«
»Halt die Luft an, Serah!« Rhodans Linke schoss vor und umklammerte das Handgelenk der Plophoserin. »Terra ist meine Heimat und wird das immer bleiben, und ob du es glauben willst oder nicht, ich fühle mich im Moment, als wäre ich zwischen zwei Mühlsteine geraten.«
Verständnislos starrte sie ihn an. »Zwischen was?«, fragte sie verwirrt.
Natürlich hatte sie keine Ahnung. Woher auch. Bestenfalls kannte sie hochfrequenzgereinigtes und aufgespaltenes Getreide, aber heute noch zu wissen, was Mühlsteine waren ...
»Was ist das hier?« Rhodans Zeigefinger schien den Folienrand durchbohren zu wollen.
Verwaschene Signaturen, undeutlich und einander überlagernd, lagen außerhalb des Störfeldes.
Die Pilotin zuckte mit den Achseln. »Eine Überlappungsfront möglicherweise, hochgespannte Energiefelder ...«
»Paratronschirme«, sagte Rhodan. »Mit einiger Phantasie lassen sich die Verzerrungen in der Wiedergabe als Wechselwirkung interpretieren, ausgelöst durch die unbekannten Energien, die das Solsystem abschirmen. Ich gehe jede Wette ein, dort stehen einige größere Schiffe in Warteposition. Vermutlich Einheiten der LFT-Heimatflotte.«
Der aufheulende Distanzalarm übertönte Serah Jennins halbherzige Zustimmung. Gleißende Helligkeit sprang von den Bildschirmen herab, als das Wrack des 200-Meter-Raumers in einer unerwarteten Glutwoge explodierte. Der einsetzende Trümmerhagel, viele Wrackteile waren größer als mehrstöckige Wohngebäude, ließ die Schirmfeldstaffel der PAPERMOON sekundenlang aufflammen.
»Schadensmeldungen?«
»Negativ, Sir!«
Für einen Augenblick war es wie früher, als die Schiffe noch größer und ein Teil der Mannschaften noch Individualisten gewesen waren, Menschen mit Ecken und Kanten, deren Sehnsucht dem Abenteuer gegolten hatte.
Sir! Wie lange hatte Rhodan diesen Ruf nicht mehr gehört? Eine kleine Ewigkeit, schien es ihm.
Zwei oder drei Männer kamen als Urheber in Frage – wahrscheinlich der mit dem bürstenkurzen Silberhaarschnitt vor dem Interkom. Er schien Rhodans Blick zu spüren, denn er wandte kurz den Kopf, grinste verlegen und salutierte halbwegs missglückt.
Die Menschen haben sich nicht verändert, schoss es dem Terraner durch den Sinn, es ist die Zeit, die heute vieles in einem anderen Licht erscheinen lässt.
Stets hatten Menschen für eine bessere Zukunft gekämpft. Und daran änderte sich nichts, egal wie gewaltig jede neue Bedrohung auch sein mochte.
»Notruf von der SJ-13!«, übertönte eine Meldung die anschwellende Geräuschkulisse. »Sirras meldet den Ausfall aller Defensivsysteme. Muss ein gewaltiger Brocken gewesen sein, der ihm den halben Rumpf weggerissen hat.«
In der Optik erschien die abdriftende Space-Jet als Glutball unter vielen. In der ersten Phase des Einschleusmanövers begriffen, hatte sie der Kollision nicht mehr ausweichen können – aber weitaus schlimmer hätte sich eine Explosion im Hangarbereich der PAPERMOON ausgewirkt.
Alle anderen an der Rettungsaktion beteiligten Beiboote waren inzwischen ohne weiteren Zwischenfall eingeflogen. Nur mit halbem Ohr hörte Rhodan noch dem Funkverkehr mit der Space-Jet zu – es genügte ihm zu wissen, dass keine Menschenleben in unmittelbarer Gefahr waren. Material ließ sich ersetzen, aber Leben hatten die letzten Jahre genug gekostet.
Es reicht!, dachte er bitter. Doch tief in seinen Gedanken brannte die Ahnung, dass die Zeit des Leidens für die Milchstraße noch lange nicht zu Ende war.
»Leben bedeutet Kampf – ohne Kampf kein Leben.« So pathetisch dieser Satz auch klang, den er seit seiner Kindheit mit sich herumschleppte, es war die Wahrheit.
*
Fünfzehn Schiffe standen nur wenige Lichtminuten außerhalb des ortungstechnisch nicht mehr erfassbaren Bereichs ...
Trotz eines kurzen Hyperfunkkontakts mit der PAPERMOON reagierten die Kommandanten überreizt, als das 800 Meter durchmessende Flaggschiff der LFT den Hyperraum verließ. Der verwehende Glutball einer Transformexplosion nicht einmal zweieinhalb Kilometer querab verriet, wie es um die Nerven der Waffenleitoffiziere bestellt war. Sie hatten sogar die Syntrons der Freund-Feind-Erkennung desaktiviert.
Eine hektisch hervorgestoßene Entschuldigung folgte auf dem Fuß.
»Hier spricht Kommandant Rocci von der KNIGHT. Mir ist schleierhaft, wie das geschehen konnte, Cistolo. Für den Vorfall übernehme ich selbstverständlich die volle Verantwortung ...«
»... und der zuständige Schütze wird streng bestraft?«, unterbrach der LFT-Kommissar.
Sein Gesprächspartner missverstand ihn gründlich. Falls es noch eines Puzzleteils bedurft hätte, das Bild eines Sonnensystems zu zeichnen, in dem nichts mehr so war wie bis vor kurzem, dann hätte dieses nun vorgelegen.
»Paragraph achtzehn der Dienstvorschriften besagt ...«
»Halt die Luft an, Rocci!« Mit einer heftigen Handbewegung schnitt Khan dem Kommandanten das Wort ab. »Mich interessiert, was geschehen ist – alles andere erscheint denkbar unwichtig.«
Roccis Adamsapfel hüpfte; sekundenlang wurde sein Blick glasig und verlor sich irgendwo in weiter Ferne, erst dann gab er sich einen Ruck.
Den besten Eindruck machte er ohnehin nicht. Seine Wangen waren eingefallen, die Lippen bleich und rissig, und unter den Augen hingen aufgequollene, blutgeränderte Tränensäcke. Mit einer unkonzentrierten Bewegung massierte er sich die Nasenwurzel. Sein hastiges Blinzeln verriet, dass er Mühe hatte, Khan zu fixieren.
Er hat mit seinen Kräften Raubbau betrieben, seit mindestens 48 Stunden keinen Schlaf mehr abbekommen und steht unter starken Aufputschmitteln, stellte Rhodan fest. Zweifellos geht es den Mannschaften nicht besser.
»Wir sind am Ende!«, stieß Rocci gepresst hervor. »Diesmal gibt es keinen Ausweg, und an Wunder glaube ich nicht.«
»Jammern oder Selbstmitleid bringen uns nicht weiter«, wehrte Cistolo Khan ab. »Was ist geschehen?«
Eindringlicher hätte seine Frage kaum sein können. Einige der Geretteten hatten inzwischen wirre Aussagen von sich gegeben, aber schon die Vorstellung dessen war ungeheuerlich:
Eine Kosmische Fabrik im Solsystem?
Jeder, der die Raumschlacht gegen MATERIA miterlebt hatte, wusste, welche Bedrohung sich manifestierte. Ein einziger Feuerschlag genügte, um Sol und alle Planeten auszulöschen.
Roccis Antwort ließ auf sich warten.
»Was ist los mit den Ortungen?«, protestierte Serah Jennin. »Scheut ihr euch vor der Wahrheit? Irgendein Planet muss doch zu erfassen sein: Uranus, Neptun vielleicht ...? Beeilt euch, die Konstellationen auf den Schirm!« Sie starrte Khan herausfordernd an, streifte dann Rhodan mit wütendem Gesichtsausdruck. »Ist das ein Schiff der LFT oder ein lausiger Ausbildungskreuzer?«
»Wir haben verloren«, sagte Rocci tonlos. »Etwas Vergleichbares hat keiner von uns je gesehen – und, beim Teufel persönlich, wir wollen es auch nie wieder erleben. Das ... das Ding hat unsere Schiffe abgeschüttelt wie lästige Mücken, die Transformsalven sind verpufft, ohne jede Wirkung.« Alles, was sich angestaut hatte, sprudelte endlich aus ihm hervor. Ohne Punkt und Komma. Und niemand unterbrach ihn.
»... unsere Transformforts –––