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Inhalt

Tausend Geschichten – eine Vorbemerkung

Es gibt tausend Geschichten über den 1. FC Köln. Und selbst diese Zahl ist untertrieben. Einige Geschichten, erzählt von Exspielern, Trainern, Funktionären ebenso wie von Fans, haben wir in diesem Buch gesammelt. Es sind spannende, rührende, lustige Erinnerungen, und in allen kommt das zum Ausdruck, was auch ich seit meiner Kindheit empfinde: die tiefe Verbundenheit zu diesem ganz besonderen Klub. Der 1. FC Köln lebt in Höhen und Tiefen von dieser Verbundenheit, man könnte fast sagen: Liebe, gerade der Menschen in Köln und dem Rheinland.

Es ist daher zugleich Ehrensache und Herzenswunsch, dass der FC der Region, in der er verwurzelt ist, etwas zurückgibt. Dass er seiner sozialen Verantwortung als ein so großer Verein mit dieser integrativen Kraft gerecht wird. Der FC engagiert sich in mannigfaltiger Weise sozial und gesellschaftlich, mal lange geplant, mal spontan, mal in großem Rahmen, mal im Verborgenen.

Dieses soziale Engagement hat der Verein im November 2009 mit der Gründung der Stiftung 1. FC Köln intensiviert und insbesondere um eigene Projekte erweitert. Die Stiftung kämpft mit dem Projekt »1:0 für deinen Ausbildungsplatz« aktiv gegen Jugendarbeitslosigkeit und sie engagiert sich mit der AG Fankultur in der Gewaltprävention. Neu hinzugekommen ist »kicken & lesen«, ein gemeinsames Projekt mit der SK Stiftung Kultur der Sparkasse KölnBonn und der Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland, in dem es darum geht, die Lesekompetenz von Jungs zu fördern.

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Für diese und weitere gute Ideen und Projekte ist die Stiftung auf Spenden angewiesen. Deshalb veranstaltet der FC jährlich ein zweckgebundenes Golf-Turnier. Und auch dieses Buch dient dem guten Zweck. Zum einen ist es ein Schatz für alle, die diesen Klub mögen. Zum anderen kommt der Erlös dieses Buches der Stiftung 1. FC Köln zugute.

Es ist, wenn Sie so wollen, mit all seinen Geschichten selbst eine weitere gute Geschichte rund um den 1. FC Köln.

 

Claus Dillenburger

(Vorstandsvorsitzender der Stiftung 1. FC Köln)

Vorwort

»Dä Jong jeht met!«, sagte mein Vater mit einem freundlichen Lächeln und zeigte dem Ordner seine Tribünenkarte, während er ihm gleichzeitig eine Mark in die Hand drückte. Der nickte nur und blickte hinunter auf den Stadionrasen, als hätte er den acht Jahre alten »Jong« gar nicht gesehen. So geschehen in der Saison 1957/58 beim Spiel gegen Alemannia Aachen im ganz alten Müngersdorfer Stadion, also dem Vorgänger des Vorgängers des RheinEnergieStadions. 4:0 gewann der FC und damit auch mein Fan-Herz. Bis dato hatte ich überall voller Stolz erzählt, dass mein Heimatverein Düren 99 in der Zweiten Liga West spielte, aber das hier, das war doch eine ganz andere Welt! Noch zwei Mal funktionierte der Trick mit der Mark und dem Spruch, dann musste auch »dä Jong« bezahlen. Und der steuerte gerne einen Teil des Taschengeldes bei, denn er war längst mit Leib und Seele FC-Fan. 56 Jahre später bin ich das immer noch und so habe ich mich mit Begeisterung in die Aufgabe gestürzt, als die Verantwortlichen der Stiftung 1. FC Köln mich fragten, ob ich an diesem Buch mitarbeiten wolle.

Nach Jahrzehnten als »normaler« Anhänger hatte ich schon einmal einen Schritt ganz nahe hin zum Geißbockklub gemacht. Ich weiß es wie heute: Der Tag hatte mit irgendeinem Missgeschick begonnen und auch meine Arbeit in der Presseabteilung von Ford lief an diesem Morgen nicht zum Besten, als mein Chef mich rief, weil der damalige Vorstandsvorsitzende Albert Caspers uns sehen wollte. Mit dem mulmigen Gefühl, was dieser gebrauchte Tag denn jetzt wohl bringen würde, betraten wir sein Büro und ich entdeckte sofort diverse Dinge in Rot-Weiß, auf denen teilweise auch ein Geißbock zu sehen war. Und dann kam es: »Ford wird Trikotsponsor des FC, wir müssen eine Pressekonferenz vorbereiten. Setzen Sie sich bitte mit den Verantwortlichen beim Verein zusammen und bereiten Sie alles vor.« Zack, war aus dem gebrauchten Tag ein nagelneuer geworden. Noch am gleichen Nachmittag saß ich im Geißbockheim und eine tolle Zeit mitten im FC-Leben begann. Glücklicherweise war ich so ziemlich der Einzige in der Abteilung mit echter Fußballbegeisterung und Hintergrundwissen zum FC. So standen nun Spielbesuche mit Motorjournalisten, Treffen mit den Spielern bei ihren Ford-Auftritten und vieles mehr an. Und als Albert Caspers dann FC-Präsident wurde, habe ich an mehreren seiner Reden vor den Mitgliederversammlungen mitgewirkt.

So kam es, dass man sich bei den ersten Planungen für dieses Buch an mich erinnerte. Ich gestehe, dass ich zu diesem Zeitpunkt von der Stiftung noch nichts gehört hatte. Nachdem ich mich über ihre Ziele und ihr Engagement informiert hatte, war ich mir sicher, dabei sein zu wollen. Ich hatte das Glück einer sorgenfreien Jugend mit allen Bildungschancen und jeglicher Unterstützung in meinem Elternhaus. Wer so sorglos groß werden konnte, hat meines Erachtens die Pflicht, sich für Dinge wie Aktivierung und Motivation von Jugendlichen, Unterstützung junger Leute beim Einstieg ins Arbeitsleben, Sicherung eines langfristigen Erfolgs durch Angebote über den Berufsstart hinaus oder Vermittlungen in Praktika, Einstiegsqualifizierungen, Ausbildungs- und Arbeitsverhältnisse einzusetzen.

Deshalb war es schön, zu erleben, wie bereitwillig und mit wie viel Spaß all meine Interviewpartner ihre Geschichte für dieses Buch erzählten. Ich selbst habe dadurch manchen Spieler und viele interessante Leute aus dem Umfeld des FC getroffen oder zumindest mit ihnen geredet, denen ich ohne diese Aufgabe wohl niemals begegnet wäre. Einer aus dieser Riege hat mich besonders beeindruckt: Jupp Röhrig, der seine ersten Erfolge mit dem FC feierte, als ich drei oder vier Jahre alt war. Mit welcher Inbrunst der alte Herr noch immer an seinem Verein hängt, den er nie verlassen hat, wie seine Frau ihn aus tiefster FC-Fanschaft darin bis heute unterstützt, wie das Kinderzimmer mit Geißbockartikeln von Fotos und Schals bis zu Fahnen geschmückt erst dem eigenen Sohn als Zuhause diente und heute Gästezimmer für die Enkel ist, das alles belegt in eindrucksvoller Weise, wie ein Kölner Leben für und mit dem 1. FC Köln aussehen kann.

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Auf der anderen Seite lernt der Amerikaner Todd M. Beutler, der kaum ein Wort Deutsch spricht, die FC-Hymne auswendig. Solch eine fast magische Anziehungskraft kann – zumindest aus kölscher Sicht – nur der FC ausstrahlen. Komisch nur, dass ich selbst noch immer nicht Mitglied bin. Aber das hat einen Grund, den jeder Fußballer versteht: Ein Freund von mir meldete sich 1998 nach dem 1:1 in Stuttgart als Mitglied an, weil »wir jetzt nicht mehr absteigen können«. Pustekuchen: Am Ende ging es nach Platz 17 in Liga zwei. Deshalb bin ich aus Aberglauben bis heute »nur« Fan. Aber meinem Sohn finanziere ich dessen Mitgliedschaft. Den habe ich übrigens zum ersten Mal zu einem Heimspiel mitgenommen, als er acht Jahre war. Leider funktionierte da der Trick mit der Mark für den Ordner schon lange nicht mehr.

 

Axel Keldenich

Der Jubel auf der Stadiontoilette in Hannover

Lieber Fußballgott, dass es im Fußball ähnlich viele Konfessionen wie Fußballvereine gibt, haben wir in der Vergangenheit schon ausreichend geklärt. Problematisch wird es, wenn sich die Konfessionsunterschiede quer durch eine Familie ziehen. Meine Großtante Else musste sich zeitlebens vorwerfen lassen, als gute Katholikin einen »Blaustrumpf«, also einen Protestanten, geheiratet zu haben. Besser hätte man ihr freilich vorhalten sollen, einen fanatischen Nazi geheiratet zu haben. Aber einen »Blaustrumpf«, das war wirklich schlimm.

In den vergangenen Jahren habe ich des Öfteren solche konfessionellen Risse in einer Familie bei Heim- und Auswärtsspielen mit dem FC beobachten können. Besonders beliebt scheint die BVB/FC-Zusammenführung. Mutter mit FC-Schal, Vater mit Borussia-Trikot, Sohn mit dem Plüsch-Geißbock in der Hand, Tochter BVB-Fan. Das sind doch zerrüttete Familienverhältnisse, da hat doch selbst die Super-Nanny keine Chance!

Aber auch in meiner Familie findet sich ein trauriger Fall von fußballkonfessioneller Verirrung. Mein Cousin Carsten ist, da er in Hannover studiert hat, 96er-Fan. Schweigen. Ja, ich weiß, lieber Fußballgott, ich höre an deinem Schweigen, dass auch du einigermaßen entsetzt bist. Aber was soll man machen? Der Carsten ist ja ganz nett, wenn da nicht seine Vorliebe für einen von Grund auf »falschen« Verein wäre. Was sollen die blöden Anführungszeichen rund um »falsch«? Weg damit! Er ist Fan eines falschen Vereins.

Dann das Frühjahr 2010. Eine Woche vor Ostern. Hannover in höchster Abstiegsgefahr, auch der FC alles andere als gerettet. Ein Abstiegskrimi an der Leine war im Spielplan angesetzt. Ich entschloss mich, mit Carsten zusammen die 3oo Kilometer von Köln nach Hannover zurückzulegen. Warum startete Carsten genau wie ich in Köln? Nun, Ironie der Fußballgötter, er hat seit Jahren eine Anstellung als Lehrer in der Domstadt gefunden. Und Carsten fühlt sich in Köln auch wohl. Nur fußballkonfessionell ist er wie gesagt immer noch uneinsichtig. Samstagvormittag, Köln-Ehrenfeld, 10 Uhr, es konnte losgehen. Schon der Gang zu Carstens Auto kostete mich größte Überwindung, war doch an der Heckscheibe mit Saugnäpfen eine Fahne mit dem Slogan »Die Roten kommen« angebracht. Ich blieb standhaft wie mein Glaube an die richtige Religion und stieg in den Golf des andersgläubigen Verwandten.

Das mit den »Roten« als Spitzname von Hannover ist so eine Sache. Hannover 96 ist nämlich der Fußballverein der Uneindeutigkeiten. Das fängt bei den Vereinsfarben an. Eigentlich sind sie schwarz-weiß-grün, aber die Heimtrikots sind in kommunistischem Rot gehalten. Das geht mit dem Namen weiter. Vor einigen Jahren staunte ich nicht schlecht, als die Fans aus Niedersachsen ihren Verein in Köln mit »HSV«-Chören nach vorne peitschten. Hatten die sich nicht in der Stadt und im Verein vertan? Nein, der Hannoversche Sportverein wird auch HSV abgekürzt, wie der Klub aus der Hansestadt. Aber gleichzeitig nennen sie sich »Die Roten« und gerne auch die 96er. Zu der Zahl 96 erzählt man sich in Fankreisen die Schnurre, dass Braunschweiger Fans, die den Hannoveranern seit Menschengedenken in innigem Hass zugetan sind, jede Supermarktrechnung ablehnen, die mit 96 Cent endet. Dann wird schnell noch ein Kaugummi oder ein leckeres Überraschungsei gekauft, damit bloß nicht die böse 96 auf dem Kassenzettel erscheint.

Die Hannoveraner mögen umgekehrt natürlich auch die Braunschweiger nicht. Carsten berichtete von einer Begebenheit im Fanshop von Hannover 96, in der ein verzogenes Kind in einem fort quengelte, jenen Schal haben wollte und dieses Trikot. Der entnervte Vater schnauzte den Filius (»Von wem hat er das bloß?«) schließlich an, er würde ihn unverzüglich als Mitglied bei Eintracht Braunschweig anmelden, wenn er nicht mit dem Theater aufhöre. Die kleine Nervensäge blieb ruhig, aber alle Umstehenden waren sich einig, dass eine gescheite Tracht Prügel humaner gewesen wäre, als dem eigenen Fleisch und Blut eine derartige Ungeheuerlichkeit anzudrohen.

Ach ja, zwischen Hannover und Braunschweig liegt noch eine Stadt, in der seit Kurzem Fußball gespielt wird, und man ist in Hannover schon etwas traurig, dass das ganze schöne Geld aus dem VW-Konzern nach Wolfsburg fließt und nicht zum Fußballverein der Landeshauptstadt von Niedersachsen. Schließlich ist VW Miteigentümer des Landes Niedersachsen. Oder war es umgekehrt?

 

Nach 200 Kilometern auf der Autobahn ein traumatischer Schock für mich. Ein Uralt-Mercedes überholt uns, auf der Heckscheibe stand nicht »Böse Onkelz« oder »Bose«, sondern »Mailand, wir kommen«. Klar, Fans mit einer derart realistischen Lebenseinstellung können nur aus Köln kommen. Doch wie groß war mein Schreck, als uns alle fünf männlichen Mitfahrer des Mailand-Mercedes im Vorbeifahren mit unflätigen Gesten bedachten. Doppelter Stinkefinger und angekündigter Fellatio waren noch das Harmloseste. Daran war diese doofe »Die-Roten-kommen«-Fahne an unserer Heckscheibe schuld. Ich war erschüttert, den Tränen nahe. Sahen denn die potenziellen Mailand-Fahrer nicht, dass ich FC-Fan war? Ich wies Carsten an, das Gaspedal durchzudrücken und dem Mercedes hinterherzujagen. Diesmal überholten wir, fuhren eine Zeit lang auf einer Höhe. Ich hatte zwar meinen FC-Schal daheim gelassen (aus Gründen, die ich noch erklären werde), hatte aber die Postille des Kölner Fanprojekts dabei. Diese presste ich nun gegen die Scheibe der Beifahrertür und stellte mit wilden Gesten klar, auf welcher Seite ich stand. Die Intellektuellen aus dem Mailand-Fahrzeug verstanden blitzschnell und überschütteten mich mit Liebesbeweisen wie Kusshändchen und thumbs up. So schnell können sich die Sympathiewerte ändern, das ist nicht nur in der Politik so.