Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
1.
Zwischenspiel
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Epilog
Glossar
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 2293
Ein Held für alle Fälle
Es geschieht auf Luna – ein Terraner wächst über sich hinaus
Horst Hoffmann
Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
Die Bewohner der Erde leben unter der neu errichteten Herrschaft des angeblichen Gottes Gon-O, der aus der Verbindung eines wahnsinnigen Nocturnenstocks mit einem unsterblichen Kunstgeschöpf entstanden ist. In einer Verzweiflungstat opfern Myles Kantor und sein Wissenschaftler-Team ihr Leben, um den drohenden Untergang des gesamten Solsystems aufzuhalten.
Tatsächlich zeitigt das Opfer mehrfache Wirkung, denn auch Gon-O ist mehrfach präsent: Zum einen legt sich an seinem Entstehungsort, auf Parrakh in der Großen Magellanschen Wolke, Verwirrung über die Streitkräfte der Kybb. Nur dank der Kybb-Titanen bleibt Satrugars Leib dort unangreifbar. Allerdings gibt es seit einiger Zeit einen zweiten Schwerpunkt von Gon-Os Macht: das »Relais« am Fuße des Vesuv, bei Neapel auf Terra.
Vielleicht kommt jetzt endlich die Gelegenheit für die unterdrückte Bevölkerung des Solsystems, dem Usurpator entgegenzutreten. Mit welchen Schwierigkeiten man dabei allerdings rechnen muss, das erlebt EIN HELD FÜR ALLE FÄLLE ...
Carlosch Imberlock – Der Verkünder erhascht einen Zipfel der Wahrheit.
Jack C. Reuter – Der Reinigungstechniker mit einem Faible für Französisch und Hamster eignet sich weder zum Frauen- noch zum echten Helden.
Brad Hinx – Jacks bester Freund steht auf Agentenfilme.
Mardi Dice – Eine junge Frau beginnt zu »hamstern«.
4. Mai 1333 NGZ
Das bist du? Wirklich du?
Carlosch Imberlock sah sein Gesicht in dem Spiegelfeld. Dieses so unfassbar fremde Gesicht! Voller Entsetzen wich er einen Schritt zurück. Er hatte Mühe, sein Gleichgewicht zu halten. Die Beine schienen ihm nicht mehr gehorchen zu wollen.
Wer bist du? Wer?
Das Gesicht starrte ihn an. Die dunklen Augen lagen tief in ihren Höhlen, zwei schwarze Löcher, aus denen Verzweiflung und tiefes Unverständnis schrien. Sie schienen ihn anspringen zu wollen, heraus aus dem eingefallenen, bebenden Schädel, der nicht seiner sein konnte.
»Nein!«, schrie Imberlock und desaktivierte das Feld mit einem heiser gebellten Befehl. »Ich will es nicht mehr sehen! Hörst du? Ich will nicht! Du bist nicht ich!«
Er hatte es immer noch vor sich, die unheimlichen, düsteren Augen, die scharfrückige Nase, den halb aufgerissenen Mund und die eingefallenen Wangen im Schatten des dunklen Vollbarts und des schulterlangen Haars, das sein Gesicht umrahmte wie eine düstere Aura.
Die spröde gewordene Haut glänzte von Schweiß. Kaltem Schweiß. Schweiß der Angst.
Das war nicht er!
Carlosch Imberlock taumelte zu einem Sessel und ließ sich ächzend hineinfallen. Er zitterte am ganzen Leib. Er hob die Hände und starrte sie an. Er versuchte, ruhig zu atmen und das Hämmern des Blutes in seinem Kopf zu ignorieren. Er konnte es nicht.
Das Medium eines schweigenden Gottes stieß einen Schrei aus und presste beide Fäuste gegen die Schläfen. Der mentale Druck auf seinen Geist schien kein Ende nehmen zu wollen. Es war, als wolle etwas sein Gehirn zermahlen, langsam ausquetschen, ausbrennen! Imberlock stieß ein fast tierisches Krächzen aus. Er wollte kämpfen, sich noch einmal aufbäumen, aber es war stärker als er. Es kam von allen Seiten. Es war überall. Es gab kein Entrinnen.
»Was ist das?«, entrang es sich seiner brennenden Kehle. »Was geschieht mit mir?«
Plötzlich begann sich alles um ihn zu drehen. Er klammerte sich an den Lehnen des Sessels fest, weil er das Gefühl hatte, aus ihm herausgerissen und in die Höhe gewirbelt zu werden. Für einige schreckliche Momente schien es kein Oben und Unten mehr zu geben. Die Welt, seine Welt, war aus dem Gleichgewicht geraten. Alles um ihn herum löste sich auf. Ein starker mentaler Sog ergriff ihn, zerrte an ihm, tobte und ...
... erlosch.
Carlosch Imberlock sank in sich zusammen. Er lag halb im Sessel. Mit geschlossenen Augen wartete er auf das, was als Nächstes geschehen würde. Aber da war nichts mehr. Plötzlich gab es nur noch die Ruhe und das Gefühl, aus einem tiefen Morast aufgetaucht zu sein.
Stille.
Doch was nicht nachließ, war dieser furchtbare Druck ...
Es war wie Schweben über dichten Wolken, aus denen er emporgestiegen war; die seinen Geist verdunkelt hatten – bis jetzt. Ein langer, böser Traum, aus dem er erwacht war.
Er schlug die Augen wieder auf. Die Umgebung, seine Wohnkabine, erschien ihm fremd. Die Kabine im ... Tempel der Degression!
Der Gott – Gon-O ...
Neapel, Terra, ein ganzer Planet, den er verwaltet hatte, er und die anderen Jünger des Gottes Gon-O ...
»Nein«, murmelte er. »Kein Traum ...«
Es war Wirklichkeit. Er, seine vierzehn Adjunkten und all die vielen tausend Jünger, sie hatten die Macht an sich gerissen, im Auftrag ihres Gottes. Sie hatten Gon-Os Wort verkündet, viele Monate lang.
Und nun? Wieso konnte er daran, an seine Arbeit, an das, was sein Leben ausgemacht hatte, auf einmal so denken, als wäre es nur eine Erinnerung aus weiter Ferne?
Imberlock beugte sich vor und legte den Kopf in die Hände. Alles drehte sich. Die ganze Welt schien zu explodieren und in Millionen winziger Stücke zu zerspringen.
Was bedeutete das alles? Was passierte mit ihm? War vielleicht alles doch nur ein Traum gewesen? Und falls ja – wollte er daraus erwachen?
Durfte er es?
Sein tiefer Glaube an Gon-O, seinen Gott, dessen gewaltiger Geist das Universum ausfüllte – es konnte nicht nur Illusion gewesen sein! Es war alles, wofür er gelebt hatte.
Doch auf der anderen Seite fühlte er sich merkwürdig frei. Als ob eine Zentnerlast von seiner Seele gefallen wäre.
Konnte es sein, dass er gar nicht mehr er selbst gewesen war?
Gon-O, sprich zu mir!
Dass alles ein fremder Zwang gewesen war? War er unterjocht gewesen?
Von Gon-O? War er ein falscher Gott?
Er hörte ein Signal, hob den Kopf und sah das helle Blinken der Rufanlage. Er aktivierte sie mit einem Krächzen. Ein Holofeld baute sich vor ihm auf. Einer seiner Adjunkten sah ihn mit schmerzverzerrtem Gesicht an und schrie etwas. Imberlock konnte es kaum verstehen. Er musste es sich mehr zusammenreimen.
»Die Jünger sind außer Kontrolle! Es herrscht das Chaos!«
Imberlock riss sich zusammen. Er desaktivierte die Verbindung und stemmte sich aus dem Sessel.
Er musste zu sich kommen. Er hatte keine Ahnung, welch teuflisches Spiel hier im Gange war, aber er musste sich ihm stellen, was immer es war. Und wenn etwas ihn geistig manipuliert hatte, vielleicht sogar versklavt, dann wollte er das wissen! Er würde dagegen kämpfen. Er war immer ein Kämpfer gewesen, auch bevor ...
Bevor was? Er wusste es nicht mehr. Es quälte ihn und ließ sein Herz noch schneller rasen. Wenn er jetzt nichts tat, was ihn ablenkte, dann würde er den Verstand verlieren.
Carlosch Imberlock verließ seine Kabine und trat hinaus auf den Korridor. Er hörte die Schreie sofort. Irgendwo wurde gekämpft. Und er fühlte in sich den Drang, selbst irgendwo hineinzuschlagen. Er konnte es kontrollieren, aber die Aggression war da. Sie lauerte wie ein zum Sprung bereites Raubtier.
Er war immer noch willensstark, aber weniger robuste Menschen konnten dem Drang schnell erliegen und sich auf alles stürzen, was ihnen im Weg war.
Selbst auf andere Menschen, die eben noch wie Schwestern und Brüder gewesen waren.
Imberlock schritt entschlossen aus, den Schreien entgegen. Er suchte immer noch nach einem geistigen Halt, etwas, an das er sich klammern konnte. Vielleicht sein wirkliches Ich. Mit dem Gedanken, von etwas Fremdem beherrscht worden zu sein, wuchs in ihm der Wunsch, sich ganz davon zu befreien.
Gon-O, der Mittelpunkt seines Seins. Plötzlich wirkte der Gott nicht mehr wie ein strahlendes, helles Licht, sondern wie ein düsterer Schatten.
Die ersten Kämpfenden tauchten vor auf. Er kannte sie. Sie waren Jünger oder vielmehr solche gewesen. Nun stürzten sie sich aufeinander wie wilde Tiere. Sie brüllten einander an und gingen mit den Fäusten aufeinander los.
Imberlock trat entschlossen dazwischen und versuchte, sie zu trennen. Dabei spürte er, dass die Aggression allgegenwärtig war. Es musste mit dem mentalen Druck zusammenhängen, den sie alle spürten. Er wirkte sich offenbar direkt auf das Aggressionszentrum aus. Wer zu schwach war, unterlag ihm und wurde zur Bestie. Wer stark genug war, konnte den Zwang besiegen. Er selbst vermochte es noch, aber es kostete Kraft.
Carlosch Imberlock musste mehr sehen. Er überließ die Kämpfenden sich selbst und ging weiter, zielstrebig auf die nächste Nebenzentrale zu.
Er begegnete Menschen, Männern und Frauen fast jeden Alters, die, wirr vor sich hin stammelnd, mit leeren, fiebrigen Augen durch die Gänge taumelten und offenbar Halt suchten. Andere wanden sich wie unter Krämpfen. Und wieder andere waren ruhig und kamen zu ihm, um ihn mit Fragen zu bestürmen, auf die er noch keine Antwort wusste.
Es waren anscheinend die weitaus meisten.
In dem Schaltraum saßen Jünger völlig emotionslos an ihren Terminals und arbeiteten – scheinbar völlig normal. Erst ein Blick in ihre Augen verriet, dass sie wie weggetreten waren.
Andere Plätze waren verlassen. Jene, die dort gesessen hatten, waren draußen und kämpften, rannten gegen Wände oder tobten ihre Aggressionen anderswie aus.
Carlosch Imberlock erkannte den Adjunkten, der ihn gerufen hatte, und ging auf ihn zu. Der Mann war vollkommen verstört. Erst als er seinen Meister erkannte, beruhigte er sich etwas.
»Was geschieht mit uns?«, fragte er stockend. »Ich spüre, dass ich frei bin. Alles, was vorher war ...«
Imberlock konnte ihm keine Antwort auf die Frage in seinem Blick geben. Er verließ den Schaltraum und sah sich weiter in seinem Tempel um, hin und her gerissen zwischen widersprüchlichen Gefühlen. Dabei verfestigte sich der Eindruck, dass die meisten der Jünger ganz ruhig geblieben waren und nicht verstanden, was um sie herum vorging. Sie spürten auch die gesteigerte, ziellose Aggressivität, aber sie konnten sie kontrollieren – und standen in Festigkeit zu ihrem Gott. Sie agierten weiterhin in dessen Sinn.
Andere, wie der Adjunkt, fühlten wie er und bestürmten ihn mit Fragen. Er hatte inzwischen keine Zweifel mehr, dass er sich aus einem geistigen Zwang hatte befreien können – oder befreit worden war.
Nur, wenn er es zeigte ...
Es war gefährlich, begriff er. Denn mit einem Mal wurde ihm klar, in welcher Gefahr er schwebte. Wenn die anderen, Gon-O treu ergebenen Jünger begriffen, dass er frei war, ausgerechnet er, ihr Meister, würden sie nicht zögern, sich gegen ihn zu stellen und ihn zu bestrafen – so, wie Verräter an Gon-O bestraft werden mussten: mit dem Tod.
Carlosch Imberlock wollte nur noch aus dem Tempel der Degression heraus. Er konnte nicht warten, bis er verstand, was vielleicht nicht zu verstehen war. Er musste hinaus ins Freie. Hier ging es um sein nacktes Überleben!
Nur dieser eine Gedanke beherrschte ihn noch. Aber es war ein Weg wie durch Spießruten. Er musste Bereiche umgehen, in denen heftig gekämpft wurde. Er musste tobenden Menschen ausweichen und immer so tun, als sei alles mit ihm in Ordnung. Er war hier der Mittelpunkt. Von ihm erhofften sich alle Rat. Und ausgerechnet er konnte ihn ihnen nicht geben.
Er wollte nur frei sein, so lange wie möglich. Denn er ahnte, dass dies nicht von Dauer sein konnte – wenn er es sich nicht erkämpfte.
Endlich erreichte er den Ausgang. Er war erschöpft, und in dem Moment, in dem er ins Freie trat, wusste er, dass seine Ahnung ihn nicht getrogen hatte.
Es dauerte nur einen kurzen Moment. Ein letztes Aufflackern seines Willens, ein letzter Versuch, die so unverhofft gewonnene Freiheit zu verteidigen. Dann senkte sich der Schleier wieder über ihn und schenkte ihm warmen, wohligen Trost und gnädiges Vergessen.
Carlosch Imberlock war wieder der ergebene Diener, das überragende Medium seines Gottes Gon-O. In einem letzten halb lichten Moment der Erkenntnis begriff er, dass Gon-O stärker war als er – nein, nicht Gon-O, sondern der Glaube. Er hatte ihn zurückgeholt in die wohlige Wärme der Geborgenheit. Jeder Gedanke an Rebellion und Kampf war vergessen.
Carlosch Imberlock schaute sich um. Das Stock-Relais, an dessen Fuß der Tempel der Degression erbaut war, irrlichterte in gleißenden Farben. Imberlock war irritiert und beunruhigt. Er verstand es nicht, aber konnte das Phänomen nicht mit dem mentalen Druck zusammenhängen, den er nach wie vor schwer auf sich lasten fühlte? Oder gar die Ursache sein?
Er legte den Kopf in den Nacken und starrte hinauf zu dem alles verdeckenden, gewaltigen Schatten des Kybb-Titanen – der in diesem Moment in Bewegung kam!
Carlosch Imberlock hielt den Atem an. Was bedeutete das? So vieles entspann sich, was er nicht verstand. Der Kybb-Titan verließ seine Position und stieg höher, immer weiter in den Himmel hinauf. Verließ er Neapel? Die Erde? Stieg er bis in den Weltraum?
Imberlock verdrängte die Fragen und kehrte in den Tempel zurück. Es gab viel zu tun. Er wusste nicht, was vorging, aber er und die anderen Jünger brauchten jetzt einen Halt. Was immer geschah, sie mussten einen klaren Kopf bewahren und sich ihm gemeinsam stellen. Nur so waren sie stark.
Imberlock versuchte sich, so gut es ging, jenen zu widmen, die ihn um Rat und Hilfe baten. Er war der Turm, der Fels in der Brandung. An wem, wenn nicht an ihm, sollten die Brüder und Schwestern sich aufrichten?
Er versuchte, sie zu beruhigen. Er nahm sich Zeit, obwohl die Neugier ihn dazu verleiten wollte zu rennen. Mit erzwungener Gelassenheit besah er sich die Situation: Immer noch wurde gekämpft, liefen einzelne Sektenmitglieder Amok. Er gab den Versuch auf, die Streitereien zu schlichten. Er allein konnte es nicht. Es musste einen anderen Weg geben, die Jünger zu erreichen, die von den freigesetzten Aggressionen überwältigt worden waren.
Als er endlich eine Zentrale erreichte, sah er, dass der Titan in einer Höhe von dreißig Kilometern zum Stillstand gekommen war. Dort verharrte er, als ob er auf Befehle wartete.
Oder war es nur eine Vorsichtsmaßnahme? Aber gegen wen oder was?
Wenn es eine Antwort darauf gab, dann nur von Gon-O, aber darauf konnte er nicht bauen – jetzt nicht mehr. Dies war die Hiobsbotschaft, mit der er von den Besonnenen empfangen worden war, als er in den Tempel zurückkehrte. Er hatte sich selbst davon überzeugen wollen, und nun »sah« er es:
Es gab keine Verbindung mehr ins Stock-Relais. Weder Gon-Orbhon noch die Techniten – niemand meldete sich mehr.
Carlosch Imberlock spürte, wie die Unsicherheit wieder gekrochen kam und sich in Verzweiflung zu verwandeln drohte.
Er war der Turm, der Fels in der Brandung. Er war der Halt – aber wer war dies für ihn?
Luna
Jetzt lass dich nicht hängen, mach bloß nicht schlapp! Sie ist auch nur ein Mensch, Jack!
Natürlich, das wusste er ja. Aber sie war auch eine Frau.
Jack C. Reuter stand mit klopfendem Herzen vor der Wohnungstür. Es hatte zwei Anläufe gebraucht, bis er es hierher geschafft hatte. In seinen leicht zitternden Händen hielt er die Plastikbox mit dem kleinen Tier, von dem vielleicht sein Glück abhing. Er hielt sie so fest, als hinge sein Leben davon ab.
Vielleicht stimmte es ja sogar, in gewissem Sinn. Wenn es auch diesmal in die Hose ging ... Aber daran durfte er gar nicht denken.
Komm schon, seufzte er lautlos. Bitte komm ...
Er starrte die Tür an, als wolle er sie hypnotisieren, und knirschte nervös mit den Zähnen. Sein Haar. War es in Ordnung? Und roch er nicht mehr aus dem Mund? Er konnte nur hoffen, dass sie den Knoblauchgeruch nicht bemerkte. Wie hatte er auch nur so leichtsinnig sein können.
»Mach auf, Mardi«, flüsterte er und trat von einem Fuß auf den anderen.
»Ich weiß doch, dass du da bist.«
Bitte!
Aber sie kam nicht.
Er betätigte nochmals den Summer. Seine Hand war feucht. Der Finger rutschte ab. Fast hätte er die Box fallen lassen. Er zählte die Sekunden, und als er bei fünfzig war, tat er einen tiefen Seufzer und schüttelte den Kopf.
»Es wäre ja auch zu schön gewesen, Winky. Aber ich hätte es wissen müssen. Sie will uns nicht.«
Er wollte sich schon umdrehen und unverrichteter Dinge leise davonschleichen, als das Wunder doch noch geschah.
Sein Herz machte einen Sprung. Die Kabinentür fuhr seitlich in die Wand, und im Rahmen stand sie. Seine stille Angebetete. Die Göttin seiner Träume. Die Wonne seiner kühnsten Fantasien.
Mardi Dice! Technikerin und süße 38 Jahre jung! Die Blume des Mondes!
»Ja?«, fragte sie und sah ihn aus ihren großen schwarzen Augen an. »Jack, du bist es. Hast du dich verirrt?«
Sie lächelte freundlich und sah flüchtig zurück über die Schulter. Hatte sie Besuch? Störte er sie? Wenn nicht das, was könnte es sonst sein?
»Ich ... äh, komme ich ungelegen?«, fragte er und versuchte, seiner Stimme einen beherrschten Klang zu geben. Mein Gott, Jack, diese Chance bekommst du nicht mehr. Versau dir das nicht! Nicht auch diesmal! Er hob die Schultern und sah auf die Box. Dann schaffte er es, sie leicht zu heben. »Bitte entschuldige. Ich, wir dachten uns nur, du würdest vielleicht ...«
»Wir?«, fragte sie.
Diese Augen! Es waren die schönsten, die er je gesehen hatte. Und erst ihr dunkelbraunes Haar, das verspielt auf die Schultern fiel. Die Nase, der Mund – alles war perfekt, wie aus dem Katalog. Sie war so schön. Sie war ...
... unerreichbar für ihn. Was war er doch für ein Narr gewesen. Der Hamstertrick hatte noch nie funktioniert. Wie hatte er annehmen können, dass er damit ausgerechnet bei ihr ankommen würde?
Er wollte schon den taktischen Rückzug antreten, als sie hell auflachte und sich eine dunkle Strähne aus dem Gesicht strich. »Oh, Jack!« Sie verdrehte die Augen. »Wie dumm von mir. Das ist Winky, da in der Box. Du bringst ihn mir wirklich? Und ich hatte gedacht, du machtest nur Spaß.«
»N... nein«, stammelte er. »Mardi, wenn du ... Ich meine, wenn es dir nichts ausmacht ...«