Memory Prime ist das Zentralgehirn der Föderation. Hier laufen die Informationen aus sämtlichen Universitäten, Forschungslabors und wissenschaftlichen Projekten zusammen. Im Innern des Asteroiden wird diese gigantische Datenmenge von künstlichen Intelligenzen, den sogenannten Wegfindern, gespeichert und zu neuen Erkenntnissen verarbeitet.
Auf Memory Prime werden auch die höchsten wissenschaftlichen Auszeichnungen verliehen. Die Enterprise erhält den Auftrag, einige der Wissenschaftler zur Preisverleihung auf den Asteroiden zu bringen. Starfleet fürchtet ein Attentat. Deshalb soll die Starbase-Kommandantin Wolfe Captain Kirk und seine Crew überwachen.
Bei einem Sabotageakt entgeht die Enterprise nur durch einen glücklichen Zufall der Katastrophe. Und der Vulkanier Spock sieht sich plötzlich im Zentrum der Verdächtigungen. Doch der wirkliche Attentäter hat es gar nicht auf die Enterprise abgesehen …
Über das Buch
Widmung
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
GARFIELD & JUDITH REEVES-STEVENS
DAS ZENTRALGEHIRN
Star Trek™
Classic
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
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Für Robin Kingsburgh,
der die letzte Grenze wählte.
Auf dieser Welt gab es nur Fremde. Woher sie auch kamen, aus der Föderation, dem Imperium oder Reich, aus den bündnisfreien Systemen – sie alle waren Besucher auf einem Planeten, der seit fünfhundert Jahren über keine einheimischen Lebensformen mehr verfügte. Das langsame Anschwellen der Sonne hatte sie alle getötet.
Gelegentlich trafen Wissenschaftler ein, um Daten zu sammeln. Andorianer analysierten den verbrannten Boden und suchten nach Hinweisen, um die Pränova in ihrem eigenen Sonnensystem besser zu verstehen. Vulkanier beamten sich auf den Planeten, installierten innerhalb weniger Standard-Stunden ein Netzwerk aus Sensoren und verschwanden wieder. Terraner ließen sich sechs Monate Zeit, um festzustellen, ob eine Kolonisierung der Welt lohnte; die Untersuchungen führten zu einem negativen Ergebnis. Selbst ein schwerbewaffneter wissenschaftlicher Kreuzer der Klingonen schwenkte kurz in den Orbit, hielt mit den Sensoren nach Dilithium Ausschau und setzte den Flug anschließend fort.
Unterdessen drehte sich der leere, von niemandem beanspruchte Planet auch weiterhin um seine eigene Achse, trug dabei die Reste von diversen Erkundungslagern, den Müll hemmungsloser Forschung. Letztendlich bekam er nicht einmal einen Namen und war kaum mehr als eine Fußnote in den Navigationskarten. Man nannte ihn TNK F3459-9-SF-50 – so lautete seine Nummer in T'Lins Neuem Katalog. Niemand interessierte sich für ihn, und das bedeutete: Für gewisse Wesen in jenem Teil der Galaxis war er perfekt.
Diesmal hieß er Starn, und er wählte die Kleidung eines Händlers, der Kevas und Trillium feilbot: ein blaues Hemd, dazu einen burgunderroten Umhang. Mit einer solchen Aufmachung erregte er sicher kein Misstrauen, denn es geschah nicht selten, dass Geschäftsleute ihre interstellaren Reisen unterbrachen, um TNK 50 einen Besuch abzustatten.
Als er durch die schmalen Straßen der Stadt wanderte, prägte er sich alles genau ein, verglich die Umgebung mit den in der Umlaufbahn ermittelten Ortungsdaten und plante bereits seinen Fluchtweg. Die dünnen Nadeln andorianischer Gebetstürme ragten neben blasenförmigen Gebäuden mit tellaritischen Gemeinschaftsbädern auf. Sie projizierten vage Schatten durch dichte, wie zinnoberroter Nebel wallende Wolken aus staubfeinem Sand. Einige orionische Piraten erschienen, die Gesichter halb hinter Atemmasken verborgen. Auf TNK 50 brauchten Piraten, Terroristen oder andere Verbrecher keine Verhaftung zu befürchten. Hier gab es nur ein Gesetz, und Starn war damit vertraut.
Die Orioner zögerten und fragten sich vermutlich, welche Art von Widerstand ein einzelner Händler leisten mochte. Starn zupfte an seinem Mantel und öffnete ihn wie zufällig, zog ihn dann enger um die Schultern. Die Orioner gingen schneller, und jeder von ihnen hob respektvoll einen grünen Finger zur Schläfe. Sie hatten den Iopenschneider unter dem burgunderroten Umhang gesehen, und er bewies, dass auch bei Starn – wie bei den meisten Wesen auf TNK 50 – der Schein trog.
Der Händler schritt weiter, und niemand belästigte ihn. Viele Sauerstoffatmer, denen er unterwegs begegnete, trugen ähnliche Atemmasken wie die Orioner. Andere verzichteten darauf, so wie er. Seine Lungen waren an die von 40 Eridani erhitzte Luft gewöhnt, und deshalb erschien ihm diese öde Welt vertraut.
Als er sich dem Stadtzentrum näherte, spürte er ein leichtes Prickeln, und vor ihm schien eine substanzlose Membran nachzugeben. Er kannte die Ursache: der Transporterschild, von den hiesigen Händlern geschaffen. Ein hochenergetischer Transporterstrahl konnte ihn durchdringen, aber in einem solchen Fall dauerte der Transfer einige Minuten – lange genug, um einen Fliehenden daran zu hindern, seinen Verfolgern zu entrinnen. Wer nach TNK 50 kam, hatte irgendwo Feinde, und die Stadt verdankte ihre Existenz in erster Linie dem Umstand, dass sie Sicherheit gewährte.
Starn näherte sich dem Treffpunkt, als der große rote Sonnenball hinter den Horizont sank. Die Taverne bestand aus Teilen, die früher in verschiedenen wissenschaftlichen Camps Verwendung gefunden hatten. Über dem Eingang hing ein Schild und klapperte im böigen Wind – es wies Starn auf den Inhaber der Schenke hin. Die Angehörigen anderer Völker hätten diesen Namen höchstens geflüstert; nur ein Klingone war unverschämt genug, ihn ganz offen zur Schau zu stellen.
Das Schild zeigte die zweidimensionale Darstellung eines unglaublich dicken Vulkaniers, der zwei orionische Sklavinnen an seine Fettwülste drückte, während das Gesicht eine Grimasse bildete. Darunter, im kantigen pIqaD von Klinzhai, glühte der Tavernenname: Vulqangan Hagh. Starn rückte seinen Mantel zurecht – mit dieser harmlos wirkenden Geste sorgte er dafür, dass er seine Waffe jederzeit ziehen konnte –, bevor er die Schenke betrat.
Rauchschwaden wehten ihm entgegen, und Starn verharrte in einem matten Zwielicht, beobachtete erstaunt die Flammen im Kamin an der gegenüberliegenden Wand. Ein offenes Feuer auf einem Planeten ohne Flora … Daraus ließ sich nur der Schluss ziehen, dass jener Teil der Schenke von einem Terraner oder einem Tellariten stammte. Starn betrachtete den Kamin eine Zeitlang und stellte fest, dass keine nennenswerte Wärme davon ausging. Es handelte sich also um eine holographische Projektion.
Woraus folgte: Die Vorrichtung musste terranischen Ursprungs sein. Tellariten hätten pflanzliche Materialien importiert, um sie hier zu verbrennen. Starn nahm an, dass der Kamin nicht nur dekorativen Zwecken diente, sondern auch dazu, Sensoren zu verbergen. Meine Ankunft ist bereits gemeldet worden, dachte er.
Starn trat an die Theke heran. Ein vielbeiniges Geschöpf schnüffelte übertrieben und wich zur Seite – er achtete nicht darauf.
Hinter dem Schanktisch stand ein ziemlich alter Klingone. Er zog das eine Bein nach – eine billige oder beschädigte Prothese –, und in der leeren linken Augenhöhle funkelte der rubinrote Ehrenstein eines Veteranen. Vage Besorgnis erfasste Starn. Ein Klingone, der einen Ehrenstein besaß, durfte erwarten, auf Klinzhai besondere Hochachtung zu genießen, Land und das Recht zu bekommen, eine eigene Familiendynastie zu gründen. Ein derartiger Veteran ließe sich nie dazu herab, in irgendeiner schäbigen Taverne die Aufgaben des Wirts wahrzunehmen. Mit anderen Worten: Dieser Bursche hatte den Ehrenstein gestohlen. Ein ehrloser Klingone … Diese Vorstellung war mindestens so beunruhigend wie der lachende Vulkanier auf dem Schild.
Die Gestalt hinter der Theke ignorierte den neuen Gast zunächst, doch schließlich schlurfte sie zu ihm. »NuqneH, vulqangan?«, knurrte der Veteran.
Starn hielt den traditionellen klingonischen Gruß für angebracht, insbesondere unter den gegenwärtigen Umständen. »bIQ«, zischte er.
Der Wirt zögerte – Starns perfekte Aussprache schien ihn zu überraschen. Dann erfüllte er den Wunsch des Händlers nach Wasser, indem er auf den Tresen spuckte.
Einige andere Gäste in der Nähe hatten den kurzen Wortwechsel gehört und erstarrten nun. Wenn auch Starn Klingone gewesen wäre … Vielleicht hätte dann eine mehrere Generationen lange Blutfehde begonnen. Aber Starn war kein Klingone, obgleich er die imperialen Bräuche gut kannte.
Der Veteran wartete gespannt auf eine Reaktion, und in seinem Auge blitzte es. Starn schob die Hand langsam unter den Mantel, und ebenso langsam kam sie mit einem sorgfältig gefalteten weißen Tuch zum Vorschein. Sein Blick klebte an dem Wirt fest, als er das Tuch in den Speichel tupfte und es anschließend zur Stirn hob.
Der Wirt erzitterte, als Starns Hand auch weiterhin in Richtung Stirn kroch. Zwei in der Nähe stehende klingonische Söldner kicherten. Nur noch wenige Zentimeter trennten das Tuch von der Stirn, als der Veteran plötzlich nicht mehr an der Entschlossenheit des Fremden zweifelte.
»Ghobe!«, fauchte er und griff nach dem Tuch. Starn saß völlig reglos, als der Wirt den restlichen Speichel vom Tresen wischte und dann forteilte, wobei seine Wut fast komisch anmutete. Die Söldner lachten schallend, winkten einem Kellner zu, der ein Antigravtablett mit Speisen und Getränken von Tisch zu Tisch dirigierte. Wenige Sekunden später hielt der Kellner das Tablett neben Starn an und reichte ihm eine versiegelte Blase mit Stasiswasser.
»Mit den besten Empfehlungen der beiden Offiziere, Händler«, sagte der namenlose Mann.
Starn drehte sich halb um und blickte zu den klingonischen Söldnern. Sie lächelten und versuchten unbeholfen, ihn zu grüßen, indem sie Mittel- und Ringfinger spreizten. Starn nickte, woraufhin die Offiziere erneut lachten. Dann brach er das Siegel und wartete, bis das Kraftfeld verschwand.
Was auch immer Starn sonst noch sein mochte: Er war ein Kenner. Der spezielle Duft des Wassers verriet ihm, woher es kam: von einem Wüstenplaneten mit komplexen Oxiden. Schon der erste Schluck klammerte TNK 50 als Herkunftsort aus. Das Wasser war einst Teil eines auf Photosynthese basierenden Ökosystems gewesen, und auf diesem Planeten gab es kein Leben. Der zweite Schluck genügte – die Flüssigkeit stammte von Vulkan. Die Söldner hatten ihn damit ehren wollen. Starn legte die Blase auf den Tresen und rührte sie nicht noch einmal an.
Eine hellblaue Hand streckte sich neben ihm der Theke entgegen. Es war eine vorsichtige, behutsame Bewegung, und Starn drehte neugierig den Kopf, begegnete dem nervösen Blick einer jungen Andorianerin. Sie trug einen alten, wahrscheinlich geschmuggelten Starfleet-Overall, der ihrer Hautfarbe entsprach. Starn bemerkte einen verkümmerten Hörfühler und wusste: Diese junge Frau musste sich mit einem nach andorianischen Maßstäben schrecklichen Schicksal abfinden – sie war allein.
Er begrüßte sie in einwandfreiem Föderationsstandard, und wie zuvor erklang dabei nicht der geringste Akzent.
Die Andorianerin sah unruhig nach rechts und links. »Hat ein Geschenk Sie hierhergeführt, Händler?«, fragte sie leise.
Starn nickte. Keiner der anderen Gäste lauschte dem Gespräch, aber die junge Frau stand so, dass er das Gesicht den im holographischen Feuer versteckten Sensoren zuwandte. Er bot sich ihnen bereitwillig dar.
»Und woher kommt das Geschenk?«, fragte die Andorianerin. Sie verlagerte das Gewicht aufs andere Bein und sah über die Schulter. Der verkümmerte Fühler zuckte kurz; Schmerz zeigte sich in ihren Zügen.
»Von Iopen«, antwortete Starn. Noch eine tote Welt, deren ausgestorbene Bewohner eindrucksvolle Waffen konstruiert hatten. Selbst im Imperium waren Iopen-Relikte verboten; nur die erhabensten Häuser bildeten Ausnahmen. Das ›Geschenk‹ des Iopenschneiders hatte Starn veranlasst, der Einladung nach TNK 50 zu folgen.
»Hier entlang«, sagte die junge Frau und schritt zum rückwärtigen Bereich der Taverne. Starn folgte ihr und hörte, wie die Söldner einmal mehr lachten.
Die Andorianerin hastete durch einige dunkle Korridore, und Starn blieb dabei dicht hinter ihr, zog den Kopf ein, um nicht an die niedrige tellaritische Decke zu stoßen. Sie kamen am Eingang eines zweiten, kleineren Schankraums vorbei, und Starn hörte sowohl orionische Musik als auch die lauten Stimmen des Publikums. Er roch die Aromen von Drogen, deren Besitz auf hundert Welten als schweres Verbrechen galt, vernahm nicht nur das Summen kranialer Stimulatoren, sondern auch Schreie des Vergnügens und des Schmerzes. Während er einen Fuß vor den anderen setzte, merkte er sich alle Einzelheiten, jede dunkle Ecke, jede schmale Treppe.
Nach einer Weile verharrte die Andorianerin vor einer schlichten Tür und schloss die Finger um einen goldgelb glänzenden Knauf. Sie zitterte, als die integrierten Sensoren Handlinien scannten und Schweiß analysierten. Ein leises Klicken wies auf ein entriegeltes elektronisches Schloss hin. Die junge Frau betrat das Zimmer und forderte Starn mit einer stummen Geste auf, ihr zu folgen.
Ein junger Klingone saß hinter einem einfachen Schreibtisch. Direkt über ihm leuchtete ein Deckensegment, und der vorgewölbte Brauenwulst beschattete seine Augen. Die Andorianerin eilte in eine Ecke, und der Klingone erhob sich geschmeidig, deutete auf einen Sessel vor dem Tisch.
»Es freut mich, dass Sie gekommen sind, Händler Starn«, sagte er und sprach Standard. »Ich bin Karth.«
Starn nahm Platz – Form und Polster wiesen darauf hin, dass er für Humanoiden bestimmt war – und musterte sein Gegenüber. Der Mann erschien ihm groß, selbst für einen Klingonen, und das Hemd spannte sich über einer muskulösen Brust. Starn betrachtete die Kleidung und suchte daran nach Anhaltspunkten, die über Karths Rang Auskunft gaben. Nach einigen Sekunden stellte er sich einer überraschenden Erkenntnis: Offenbar war dieser Klingone kein Krieger, sondern Zivilist.
»Möchten Sie etwas?« Karth deutete zu einem Serviergerät an der Wand. »Vielleicht … Wasser?« Er lächelte und achtete darauf, nicht die Zähne zu zeigen.
»Es befinden sich Sensoren im Kamin, nicht wahr?«, fragte der vermeintliche Händler.
»Natürlich. Die Kriminalitätsrate in der Stadt gehört zu den niedrigsten der ganzen Föderation.«
»Und wie ist sie im Vergleich mit dem Imperium beschaffen?«
»Händler Starn«, sagte Karth ernst, »alle wissen, dass es im Imperium keine Kriminalität gibt.« Dann lächelte er erneut. »Allerdings: Wenn Sie sich das Tuch mit dem Speichel des Wirts an die Stirn gepresst hätten, um dadurch vor Zeugen zu seinem Verlobten zu werden, so wäre es vielleicht notwendig gewesen, ihn als Kriminellen zu bestrafen. Ein kluger Ausweg angesichts einer gefährlichen Situation. Kai dem Händler.«
»Kai dem Karth, der sehr großzügig ist, wenn es um Geschenke geht.«
Der Klingone lehnte sich zurück. Er saß auf einem recht massiv wirkenden Stuhl, doch Starn hörte trotzdem ein Knacken.
»Im Imperium gibt es Geschenke ebenso wenig wie Kriminalität«, sagte Karth. »Bei dem Iopenschneider handelt es sich um einen Vorschuss.«
»Ich verstehe. Und welche Dienste wünschen Sie von mir?«
Der Klingone schüttelte den Kopf. »Ich verabscheue Standard. Weil es in dieser Sprache zu viele Möglichkeiten gibt, indirekt zu sein. Welche Dienste vermuten Sie, Händler?«
»ChotneS«, erwiderte Starn sofort.
Karth sah zu der Andorianerin. »Diese Tera'ngan wird uns auch weiterhin Gesellschaft leisten. Sie spricht Hol viel besser als Standard.« Die junge Frau starrte ins Leere, und Karths Blick kehrte zu Starn zurück. »Mir liegt nichts am Tod irgendwelcher Staatsoberhäupter und Präsidenten. Ein Mord, Händler – kein Attentat.«
»Am Ergebnis ändert sich nichts, ganz gleich, welche Bezeichnung Sie wählen.« Starn zuckte mit den Schultern. »Wer soll das Opfer sein?«
»Möchten Sie wissen, was Sie dafür bekommen?«
»Nachdem ich in Erfahrung gebracht habe, wer das Opfer ist.«
Karth schüttelte erneut den Kopf, und seine Hände glitten zur Schreibtischkante. »Sie müssen den Auftrag jetzt annehmen, das Honorar jetzt akzeptieren. Sobald Sie das Opfer kennen, sind Verhandlungen ausgeschlossen.«
Starn überlegte. Vielleicht konnte er ablehnen und hoffen, diesen Ort lebend zu verlassen. Andererseits boten sich ihm hier gute geschäftliche Chancen. Und wenn er den Auftrag annahm, so hatte er später immer noch Gelegenheit zu entscheiden, wer das Opfer sein sollte: die bisher noch unbekannte Person – oder ein gewisser klingonischer Zivilist.
»Na schön«, sagte Starn. Karths Hände krochen zur Mitte des Tisches. »Aber da ich nicht weiß, welchen Aufwand – auch in finanzieller Hinsicht – diese Angelegenheit erfordert, muss ich mich auf die klingonische Ehre berufen, um unsere Vereinbarung zu besiegeln. Nennen Sie das Honorar.« Es verblüffte Starn, dass er keine physiologischen Reaktionen auf diese subtile Beleidigung erkennen konnte. Wenn sich ein Nicht-Klingone auf die klingonische Ehre berief, so bedeutete das: Entweder war der Nicht-Klingone einem Klingonen ebenbürtig, oder er hielt nichts von der imperialen Ehre. Karth hätte zumindest eine Erklärung verlangen sollen, aber statt dessen blieb er völlig ruhig und gelassen. Er atmete nicht schneller als vorher, und Starn beobachtete keine Veränderungen der Hautfarbe.
»Zweihundert Iopenschneider, komplett mit Abschirmmodulen.«
Zweihundert! Es fiel Starn ziemlich schwer, sich nichts anmerken zu lassen. Mit einigen Iopenschneidern konnte man ganze Planeten kaufen – oder sie erobern. Ihre Strahlen waren imstande, jeden energetischen Schild zu durchdringen, indem sie die Energie des betreffenden Kraftfelds für eine perfekte Gegenphase nutzten.
»Ich wusste gar nicht, dass so viele Schneider existieren«, sagte Starn leise. Zweihundert!
»Zweifeln Sie an meinen Angaben?« Diesmal kam es zu einer Reaktion: Die Abstände zwischen den einzelnen Atemzügen verkürzten sich, und Karths Gesicht wurde noch etwas dunkler.
»Ich habe nur eine Tatsache erwähnt. Nun, für ein solches Honorar bin ich bereit, den Auftrag zu akzeptieren. Um die Frage noch einmal zu wiederholen: Wer ist das Opfer?«
Karth bedeutete seinem Gesprächspartner, an den Schreibtisch heranzutreten. Er betätigte einige Tasten, und Bilder formten sich in einem Projektionsfeld. Starn sah aufmerksam zu.
Zuerst war er verblüfft, dann beeindruckt. Die Aktion basierte auf einer ausgezeichneten Idee und konnte Starfleet in ein heilloses Durcheinander aus hilflosen Schiffen und Raumbasen verwandeln. Vielleicht gelang es damit sogar, den ganzen interstellaren Völkerbund in die Knie zu zwingen. Eine gute Gelegenheit, um Vergeltung zu üben. Starn hätte diesen Auftrag auch ohne Honorar angenommen …
Er beugte sich über den Schreibtisch, las Worte, betrachtete Diagramme und Zeittabellen, begann schon damit, einen Plan zu entwickeln. Ja, es ließ sich bewerkstelligen. Er wollte zum Sessel zurückkehren, als er Karths Hand an den Kontrollen der kleinen Schalteinheit bemerkte.
»Kann ich mir noch einmal die erste Zeittabelle ansehen?«, fragte er.
Karth nickte, und Starn beobachtete, wie sich seine Hand bewegte. Wenige Sekunden später trat er fort vom Schreibtisch.
»Ich bin Ihnen gern zu Diensten«, sagte Starn. »Aber ich möchte eine Frage stellen.«
»Ich habe mehrere erwartet.«
»Die Behörden der Föderation werden alles versuchen, um den oder die Verantwortlichen zu identifizieren.«
»Das ist keine Frage.«
»Was sollen die Ermittler herausfinden?«
»Wie meinen Sie das?«
»Soll ich Spuren hinterlassen, die in Richtung Imperium weisen?«
Karth lehnte sich zurück, schnaubte und deutete auf sein dunkles Gesicht. »Wer wünscht dieses Verbrechen, Händler? Was glauben Sie?«
Starn zögerte nicht. »Ich finde es bemerkenswert, den Auftrag von einem Roboter zu erhalten, der die Rolle eines Klingonen spielt.«
Karths Hände zuckten unter den Schreibtisch, und Starn neigte sich zur Seite, griff nach seiner Waffe. Nur einen Sekundenbruchteil später sprang der ›Klingone‹ zurück und hob einen Intervaller. Der Partikelstrahl des Iopenschneiders zischte durch den Raum, desintegrierte Staub- und Rauchmoleküle. Aber Karth wich aus! Die Entladung traf ihn nicht mitten auf der Brust, sondern nur an der Schulter.
Starn stieß gegen seinen Sessel, und der Schneider summte – er brauchte mehrere Sekunden, um sich wieder aufzuladen. Blaue Kühlflüssigkeit tropfte aus Karths Schulter; die klaffende ›Wunde‹ offenbarte Drähte und Transtatoren. Die Maschine schwang den Intervaller herum und feuerte. Starn rechnete damit, getroffen zu werden, aber er fühlte keinen Schmerz, sah statt dessen, wie die Andorianerin von einem orangefarbenen Blitz erfasst wurde und zu Boden sank.
Der Roboter legte den Strahler beiseite.
Starn starrte zu der jungen Frau. Ihr Körper hatte sich nicht aufgelöst, und sie atmete noch. Ein auf Betäubung justierter klingonischer Intervaller? Was hatte das zu bedeuten?
»Nur Nervensystem und Gehirn sind betroffen«, erklärte Karth. »Sie wird sich nicht an die Ereignisse der vergangenen zwölf Stunden erinnern. Davon weiß sie nichts.« Er zeigte auf die Schulter.
Der Iopenschneider in Starns Hand piepte ein Bereitschaftssignal.
»Sie brauchen ihn nicht«, sagte der Roboter und schob dünne, silbrig glänzende Kabel in das Loch dicht neben seinem Hals. Der Arm zuckte mehrmals, bevor er erschlaffte.
Starn verstaute die Waffe unter dem Mantel. »Warum haben Sie die Frau nicht getötet?«, fragte er und blieb beim ›Sie‹, obgleich er mit einer Maschine sprach.
»Wegen der geringen Kriminalität auf dieser Welt. Man hätte die Andorianerin vermisst und Fragen gestellt. Wichtig ist nur, dass es keine Zeugen gibt.« Karth hob den anderen Arm, und eine in der Hand verborgene Düse sprühte fleischfarbenen Schaum auf Schaltkreise in der offenen Schulter. »Weder jetzt noch während der Durchführung des Auftrags.«
Starn beobachtete fasziniert, wie sich die Maschine selbst reparierte. Plötzlich bezweifelte er, ob die Klingonen irgend etwas mit dieser Angelegenheit zu tun hatten.
»Das klingt … logisch«, erwiderte er. Das Schild über dem Eingang der Taverne fiel ihm ein, und er lachte laut.
Selbst ohne Logik wusste Spock, dass ein neuerlicher Versuch bevorstand. Die Frage lautete nur: Wer begann damit – Captain Kirk oder Dr. McCoy? Vermutlich derjenige, der den Freizeitraum der Enterprise als letzter betrat. Zufrieden mit dieser Einschätzung wandte sich Spock wieder der Mahlzeit zu. Kurze Zeit später wurde seine Theorie widerlegt, als Jim und Leonard gleichzeitig hereinkamen. Sie stecken beide dahinter, dachte der Vulkanier. Was den Schluss zuließ, dass es um eine große Sache ging.
»Was dagegen, wenn ich mich zu Ihnen setze, Mr. Spock?« Kirk saß bereits, bevor Spock schlucken und antworten konnte. McCoy nahm neben dem Captain Platz und verzichtete darauf, um Erlaubnis zu bitten. Damit saßen jetzt acht Personen am Tisch, ebenso wie an den beiden nächsten. Der Umstand, dass die zwei Stühle ihm gegenüber bisher frei geblieben waren, während so viele Besatzungsmitglieder die Nähe des Vulkaniers suchten, wies Spock auf folgendes hin: Die Männer und Frauen hatten Kirk und McCoy erwartet. Alles schien gut vorbereitet zu sein.
»Nun, Captain?« Spock beschloss, den Vorteil des Eröffnungszugs zu nutzen.
»Nun was?«, erwiderte Kirk. Sein übertrieben unschuldiger Tonfall bestätigte, dass er etwas plante.
»Ich nehme an, Sie möchten mir irgend etwas mitteilen.«
Kirk schürzte die Lippen. »Ach?« Er sah zu McCoy. »Haben wir ihm etwas mitzuteilen, Pille?«
Leonard lächelte ein wenig zu fröhlich. »Nicht dass ich wüsste, Jim.«
Captain und Arzt schmunzelten. Spock nahm eine neuerliche Situationsanalyse vor. Er konnte sich entschuldigen und zur Brücke zurückkehren, musste allerdings damit rechnen, dass man ein solches Verhalten als ein Zeichen der Kapitulation interpretieren würde. Die Alternative bestand darin, zunächst abzuwarten.
Er stopfte sich Salat in den Mund.
»Schmeckt's?«, fragte Kirk.
Spock kaute sorgfältig und nickte, während er den Captain musterte und sich innerlich auf den nächsten Gegenzug vorbereitete. Doch Jim wandte sich an McCoy.
»Wer hat deiner Meinung nach den Nobel- und Z-Mag'nees-Preis für Medizin verdient?«
Darum geht es also, dachte Spock. Um die Preisverleihung. Aber in welchem Zusammenhang? Er selbst war nicht nominiert worden, und wahrscheinlich blieb seine Arbeit auch in Zukunft zu spezialisiert. Sein Vater Sarek hatte vor mehr als zwanzig Jahren den Friedensnobelpreis bekommen, doch Spock sah keine Verbindung zu sich selbst. Worauf wollten Jim und Leonard hinaus?
»Nun, Jim, ich glaube, Lenda Weiss hat Erstaunliches vollbracht. Durch sie verstehen wir Resonanzfelder weitaus besser als vorher. Die meisten meiner tragbaren Scanner sind erst durch ihre Arbeit möglich geworden. Ich schätze, sie steht ziemlich konkurrenzlos da.«
»Und Forella?«, fragte Kirk. »Die von ihm entwickelten strukturierten Stasisfelder sorgen angeblich dafür, dass der Protoplaser in einigen Jahren überholt sein wird.«
»Das glaube ich erst, wenn ich's mit eigenen Augen sehe«, brummte McCoy. »Dr. Weiss ist der absolute Favorit. Daran kann überhaupt kein Zweifel bestehen.«
»Die von Stlur und T'Vann erzielten Leistungen sind es ebenfalls wert, vom Preisverleihungskomitee in Erwägung gezogen zu werden«, sagte Spock. Vermutlich wäre es besser gewesen, auch weiterhin zu schweigen, aber die Logik verlangte von ihm, einen Diskussionsbeitrag zu leisten: Captain Kirk und Dr. McCoy waren schlecht informiert. »Durch sie ist eine ganz neue wissenschaftliche Disziplin entstanden: Chirurgie mit Hilfe der Transportertechnik. Bald sind Chirurgen in der Lage …«
»Stlur und T'Vann?«, unterbrach Jim den Ersten Offizier. »Ein vulkanisches Team?«
»In der Tat«, bestätigte Spock. »Es sind Fakultätsleiter an der Akademie der Wissenschaften.«
»Die Preisverleihung interessiert Sie also, oder?«, erkundigte sich McCoy.
»Doktor, die Gruppe der Nobel- und Z-Mag'nees-Preisträger repräsentiert die Avantgarde der Föderationswissenschaft. Ihre heutige Arbeit gibt Aufschluss darüber, wie die nahe Zukunft beschaffen sein wird. Es handelt sich um die besten Denker in unserem Teil der Galaxis. Natürlich wecken sie mein Interesse.«
Kirk und McCoy wechselten einen kurzen Blick. Spock gewann den unangenehmen Eindruck, dass eine gut vorbereitete Falle zuschnappte – auf diese Weise empfand er, wenn Jim beim dreidimensionalen Schach ein intuitives Schachmatt erzielte –, aber er wusste noch immer nicht, was die beiden Offiziere ihm gegenüber beabsichtigten.
»Ich nehme an, Sie kennen auch die letzten Neuigkeiten in Hinsicht auf die Preisverleihung, oder?«, fragte Kirk.
Ein oder zwei schreckliche Sekunden lang befürchtete Spock, dass Dr. McCoy zu den nominierten Kandidaten gehörte, aber diese Vorstellung war natürlich absurd. Das Komitee wahrte ein gewisses Niveau, nicht zuletzt deshalb, weil ihm Vulkanier angehörten.
»Ich versuche, auf dem laufenden zu bleiben, Captain«, entgegnete Spock.
»Sie wissen also über die bevorstehenden Zeremonien Bescheid?«
»Ich habe darüber gelesen.«
»Oh, gut. Dann dürfte ja alles klar sein. Komm, Pille.« Kirk stand auf, und McCoy folgte seinem Beispiel.
Das ist alles?, dachte Spock verwirrt. Welchen Sinn hatte ein solcher Aufwand, wenn es nur um die Feststellung ging, ob er alle Neuigkeiten in Hinsicht auf die Preisverleihung kannte? Habe ich vielleicht etwas übersehen?
»Entschuldigen Sie bitte«, sagte Spock. Eine innere Stimme warnte ihn, doch er ignorierte sie. »Was sollte klar sein?«
»Das mit den Zeremonien«, erwiderte Kirk.
»Sie wissen sicher, welche Wissenschaftler dabei zugegen sind«, fügte McCoy hinzu.
»Und wo die Preisverleihung stattfindet.«
»Und wie die Teilnehmer jenen Ort erreichen.«
»Sie haben doch davon gehört, nicht wahr, Spock?«
Der Vulkanier machte sich auf das Schlimmste gefasst. »Ich fürchte, mir fehlen bestimmte Daten. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir die entsprechenden Informationen zur Verfügung stellen könnten.«
Kirk und McCoy wechselten erneut einen Blick.
»Selbstverständlich«, sagte Jim und zögerte. Alle Anwesenden beobachteten Spock gespannt.
»Die Enterprise hat neue Einsatzorder erhalten. Wir sollen sechzig nominierte Wissenschaftler nach Memory Prime bringen, damit sie dort an den Preisverleihungszeremonien teilnehmen.«
Einmal mehr Schachmatt, fuhr es Spock durch den Sinn. »Das freut mich sehr«, kam es ruhig und gelassen von seinen Lippen.
Kirk wandte sich an McCoy. »Nun?«
»Er hat geblinzelt, Jim. Ich bin ganz sicher.«
»Was ist mit einem Lächeln? Vielleicht ein angedeutetes Schmunzeln?«
»Möglich wär's. Wie dem auch sei: Das Blinzeln habe ich deutlich gesehen. Ich glaube, er ist aufgeregt. Stell dir das vor, Jim: ein aufgeregter Vulkanier! Dass wir so etwas erleben durften …«
Spock stand auf. »Wenn Sie mir diese Frage gestatten, Captain: Wie sollen die Passagiere an Bord untergebracht werden?«
»Ich gestatte Ihnen die Frage, aber leider kann ich keine Antwort darauf geben. Die verantwortliche Person muss mir erst noch Bericht erstatten.«
»Ich verstehe. Und wer ist die verantwortliche Person?«
»Sie.« Und zu McCoy: »Hat er noch einmal geblinzelt, Pille?«
»Ja. Ein denkwürdiger Tag.«
Kirks Blick kehrte zu Spock zurück. »Sind Sie damit einverstanden, sich um unsere Gäste zu kümmern?«
»Es ist mir eine Ehre, Captain.«
Diesmal verbarg sich nichts hinter Jims Lächeln. »Ich weiß, Spock. Wir alle wissen es.«
»Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden … Es wartet eine Menge Arbeit auf mich.«
»Natürlich, Mr. Spock. Gehen Sie nur.«
Der Vulkanier nickte, trug sein Tablett zum Recycler und verließ den Freizeitraum. Als er in den Korridor trat, hörte er McCoys klagende Stimme.
»Ich war sicher, ihm diesmal ein Lächeln zu entlocken. Zugegeben, zweifaches Blinzeln ist ein guter Anfang, aber …« Der Rest verlor sich in einem dumpfen Zischen, als das Schott zuglitt.
Spock ging mit gemessenen Schritten und dachte über seine Gefühle nach. Im Gegensatz zu der Überzeugung vieler Besatzungsmitglieder mangelte es Vulkaniern keineswegs an Gefühlen – sie achteten nur darauf, ihre Emotionen immer unter Kontrolle zu halten, sie nicht offen zu zeigen. McCoy ahnte nicht, dass Spock im Freizeitraum tatsächlich fast gelächelt hätte.
Unter anderen Umständen wäre er aufgrund der erfreulichen Mitteilung vielleicht zu einem Schmunzeln bereit gewesen, doch das Gebaren der beiden Offiziere weckte Argwohn in Spock – was ihn in die Lage versetzte, an seiner Gelassenheit festzuhalten. Vielleicht hat mich Jim auf diese Weise warnen wollen, überlegte der Vulkanier. Um mich vor ungebührlichem Verhalten zu bewahren.
Der Captain konnte auf eine sehr unlogische Art logisch sein. Wie oft Spock auch darüber nachdachte: Er war ziemlich sicher, dass er diesen Wesensaspekt Kirks nie ganz verstehen konnte. Aber spielte es eine Rolle? Seine persönlichen Beziehungen zu dem Captain erforderten überhaupt keine erklärbare Logik.
»Fehlfunktion des Transporters!«
Es gab nicht viele Worte, die den Chefingenieur der Enterprise von einer Sekunde zur anderen aus dem Schlaf reißen konnten, aber diese drei erzielten eine nachhaltige Wirkung.
Scott sprang aus dem Bett, streckte ruckartig die Hand aus und aktivierte das Tisch-Interkom – die Zimmersensoren reagierten bereits auf seine Bewegungen und schalteten das Licht ein. Seltsam: Nicht etwa Kyles Stimme hatte die kurze Meldung formuliert, sondern eine andere, die ebenfalls vertraut klang. Er betrachtete das nervöse Gesicht auf dem Kom-Schirm.
»Hier Scott … Sulu?« Wieso befand sich Sulu im Transporterraum? »Statusbericht!« Scott hüpfte durch die Kabine und versuchte, Hemd und Stiefel gleichzeitig anzuziehen.
»Der … der Sender für die Trägerwelle hat sich deaktiviert, Mr. Scott«, erwiderte Sulu besorgt. »Die Transferfelder funktionieren nicht mehr.«
»O nein!«, stöhnte der Chefingenieur. Vor einigen Jahren, an Bord eines anderen Schiffes, war er Zeuge geworden, wie die Mitglieder einer Landegruppe durch einen solchen Vorgang starben. Er hatte dafür gesorgt, dass sich so etwas an Bord der Enterprise nicht wiederholen konnte, ganz gleich, was McCoy glaubte.
»Nennen Sie mir den Fehlercode«, sagte Scott ruhig. Es gab jetzt keinen Grund mehr zur Eile. Was auch immer in der Matrix gewesen war, als sich das Transferfeld durch die deaktivierte Trägerwelle auflöste – es existierte nicht mehr. Scotty verdrängte den Gedanken daran, wer oder was diesem Zwischenfall zum Opfer gefallen sein mochte. Die Enterprise befand sich noch immer im Orbit von Centaurus. Der Captain verfügte dort über Grundbesitz und wollte den Planeten besuchen …
»Der Fehlercode, Mr. Scott?«
»Unter den Lokalisierungskomponenten, Mr. Sulu.« Wo steckte Kyle?
»Äh … eins zwei sieben«, las Sulu unsicher.
Selbst der Chefingenieur wusste nicht sofort, was diese drei Zahlen bedeuteten. Als er sich schließlich erinnerte, reagierte er mit einer Mischung aus Erleichterung und Ärger. Wenigstens war niemand während des Transfers verlorengegangen. Und dem Schiff drohte keine Gefahr, bis Scott den Trägerwellengenerator manuell rejustierte.
»Mr. Sulu, ich weiß nicht, was Sie in den Transporterraum geführt hat, aber ich rate Ihnen, die Datei des technischen Handbuchs zu öffnen und sich über den betreffenden Fehlercode zu informieren. Ich bin in einigen Minuten bei Ihnen, und bis dahin …«
»J-ja, Sir?«
»Rühren Sie nichts an!«
Der Chefingenieur unterbrach die Verbindung und öffnete einen anderen Kom-Kanal. »Scott an Sicherheitsabteilung. Schicken Sie eine Einsatzgruppe zum Transporterraum und geben Sie dem Captain Bescheid, falls er an Bord ist. Und stellen Sie den Aufenthaltsort von Mr. Kyle fest!«
Scott trat vor den Spiegel, strich Uniformpulli und Haar glatt. Dann verließ er sein Quartier, um herauszufinden, wer versucht hatte, die Enterprise zu vernichten.
Als Sulu den Chefingenieur sah, begann er sofort damit, sich zu entschuldigen.
»Es tut mir leid, Mr. Scott. Was den Transporter betrifft, beschränkt sich meine Ausbildung auf Stufe Drei. Im Simulator habe ich nur die ersten fünfzig Fehlercodes kennengelernt.« Sulu wich rasch beiseite, als Scott zur Konsole stapfte.
Erneut öffnete sich das Schott, und vier kräftig gebaute Sicherheitswächter kamen herein, gefolgt von Captain Kirk.
»Eine Fehlfunktion, Scotty?« Kirk blickte zur Transferplattform und atmete erleichtert auf, als er sah, dass sie leer war.
»Das ganze System hat sich automatisch abgeschaltet, Sir. Fehlercode eins zwei sieben.«
Kirk kannte sie alle und riss die Augen auf. »Jemand hat versucht, ein Beschleunigungsfeld an Bord zu beamen?«
»Aye. Noch dazu während der Betriebsbereitschaft des Warptriebwerks. Wenn der Computer nicht die Beschleunigungsstruktur in der Matrix erkannt und den Transporterstrahl umgelenkt hätte … Stellen Sie sich eine Kettenreaktion zwischen dem Beschleunigungsfeld und unseren Dilithiumkristallen vor, durch die alle Schaltkreise in den Cochrane-Generatoren überlastet werden, was wiederum die Freisetzung von Antimaterie zur Folge hat.« Scott schnitt eine Grimasse, während er mehrere Tasten drückte und sich bemühte, die Koordinaten des unterbrochenen Transfers festzustellen.
Kirk bemerkte Sulu neben der Konsole. »Hat Mr. Kyle derzeit dienstfrei?«
»Äh, nein, Captain. Aber als Dr. T'Vann und Dr. Stlur eintrafen, zusammen mit ihren chirurgischen Instrumenten, deren Funktion auf der Transportertechnik beruht … Kyle bat mich, ihn zu vertreten, während er …«
»Während er den beiden Ärzten dabei hilft, ihre Geräte zu kalibrieren?«, fragte Kirk. »Oder wollte er ihnen ihr Quartier zeigen? Vielleicht ging es ihm auch darum, für die beiden Vulkanier eine Datenverbindung zum Bordcomputer herzustellen. Nun?«
»Er erwähnte die Installation der Geräte im Laboratorium«, erwiderte Sulu.
Kirk schüttelte den Kopf. »Lieber Himmel, Scotty … Seit die ersten Nominierten an Bord gekommen sind, schwänzen immer mehr Besatzungsmitglieder. Um zur Schule zurückzukehren.«
»›Schwänzen‹, Captain?« Spock hatte den Transporterraum betreten und blieb neben Scott an der Konsole stehen.
»Unerlaubtes Fernbleiben, Mr. Spock. Meistens geht es allerdings darum, die Schule zu schwänzen.«
Spock wölbte eine Braue. »Warum sollte jemandem daran gelegen sein?« Als der Captain nicht antwortete, wandte er sich an den Chefingenieur. »Worin scheint das Problem zu bestehen, Mr. Scott?«
»Der Anschein spielt dabei überhaupt keine Rolle. Irgendein Idiot wollte ein aktives Beschleunigungsfeld an Bord beamen, und ich versuche gerade, die Koordinaten festzustellen.«
Spock streckte die Hand aus, und Tasten klickten unter seinen Fingerkuppen.
Scott starrte auf die Anzeigen der Lokalisierungskomponenten. »Das ist die Cochrane-Universität für angewandte Warp-Physik«, brachte er hervor.
»Ja«, bestätigte Spock. »Sie werden vermutlich feststellen, dass Ihr ›Idiot‹ der Professor emeritus für Multiphysik ist. Ich meine Professor Zoareem La'kara.«
Scott kniff die Augen zusammen. »Gerade er sollte wissen, was passiert, wenn man ein beschleunigtes Zeitfeld in Interaktionsreichweite mit synchronisiertem Dilithium bringt.«
»Natürlich, Mr. Scott. Aus diesem Grund hat man ihn für den Nobel- und Z-Mag'nees-Preis in Multiphysik nominiert.«
Ein rhythmisches Pfeifen drang aus den Kom-Lautsprechern, und Uhuras Stimme erklang. »Brücke an Captain. Eine Nachricht von der Cochrane-Universität, Sir. Professor La'kara teilt mit, dass er noch immer darauf wartet, zusammen mit seiner Ausrüstung transferiert zu werden.«
»Danke, Uhura«, entgegnete Kirk. »Antworten Sie, dass wir an einer Lösung des Problems arbeiten.« Zu Spock und Scott: »Wir arbeiten doch daran, oder?«
»Solche Beschleunigungsfelder sind verdammt gefährlich, Captain«, ließ sich der Chefingenieur vernehmen. »Wenn ein vierdimensionaler Dilithium-Ausläufer auf einen Bereich künstlich beschleunigter Entropie einzuwirken beginnt … Nun, dann müssten wir damit rechnen, dass die gesamte Energie des Warptriebwerks angesaugt, durch die Kristalle geleitet und anschließend zurückgesaugt wird. Es käme zu einem unendlichen Feedback.« Scotty schauderte, als er an die völlige Zerstörung der Triebwerksaggregate dachte.
Spock räusperte sich. »Wir sollten auch folgenden Umstand berücksichtigen, Captain. Professor La'kara hat den Prototyp eines abgeschirmten Beschleunigungsfelds entwickelt – die Interaktionsreichweite mit synchronisiertem Dilithium beträgt nur noch wenige Meter statt Kilometer. Woraus folgt: Für das Schiff besteht keine Gefahr.« Er sah Scott an. »In diesem Zusammenhang sind viele Fachartikel veröffentlicht worden.«
»In der Theorie klingt alles gut, aber ich habe nie von den Resultaten eines stabilen abgeschirmten Beschleunigers gelesen, und solange ich Chefingenieur der Enterprise bin, wird es an Bord nicht mehr als ein beschleunigtes Zeitfeld geben, das seine Existenz meinen Dilithiumkristallen verdankt.« Scott verschränkte die Arme, Spock ebenso. Kirk seufzte und begriff, dass die Umstände eine Kommando-Entscheidung erforderten.
»Mr. Scott, Sie beamen Professor La'kara und seine Ausrüstung an Bord, abgesehen von dem Generator des Beschleunigungsfelds.« Der Chefingenieur lächelte triumphierend. »Mr. Spock, Sie und Professor La'kara erklären Mr. Scott anschließend die technischen Einzelheiten des Beschleunigers und beantworten alle seine Fragen. Wenn dann kein Grund mehr besteht, irgendwelche Einwände zu erheben … In dem Fall transferieren Sie auch das entsprechende Gerät, woraufhin wir den Flug zur Starbase Vier fortsetzen, um dort die letzten Nominierten abzuholen. Alles klar?«
»Wenn Sie mir einen Hinweis gestatten, Captain …«, begann Spock.
»Captain, wollen Sie etwa riskieren …«
»Gut. Freut mich. Mr. Sulu, wenn ich mich recht entsinne, haben Sie auf der Brücke zu tun.« Kirk und Sulu gingen zur Tür. Scott trommelte mit den Fingern auf die Konsole, und Spock wölbte gleich beide Brauen. Am Schott drehte sich der Captain noch einmal um.
»Muss ich hier Sicherheitswächter postieren, um Sie beide überwachen zu lassen?«, fragte er.
»Das ist nicht nötig«, erwiderte Scott.
Kirk forderte die vier Männer mit den roten Uniformpullis auf, den Transporterraum zu verlassen, trat dann ebenfalls in den Korridor, zusammen mit Sulu. Scott löste die transparente Schutzkappe über dem Rejustierungsschalter für die Trägerwelle, gab einen Code ein und lenkte den Transferstrahl zu La'karas Koordinaten. Das Signal des Beschleunigungsfelds filterte er heraus. »Wie heißt es so schön? ›Heute hätte ich im Bett bleiben sollen.‹«
»Warum? Benötigen Sie eine längere Ruhephase, um Ihre geistigen Kräfte zu erneuern?«
Das Summen des Transporters übertönte Scotts Stöhnen. Er wusste schon jetzt, dass mal wieder ›eine jener Missionen‹ begann.
Starfleet-Blau. Himmel, wie sehr er das Starfleet-Blau hasste!
Hauptverwalter Salman Nensi blickte über den Schreibtisch hinweg zur Wand und wünschte sich ein Fenster oder wenigstens einen anständigen Bildschirm. Statt dessen bot sich ihm leeres, den allgemeinen Vorschriften entsprechendes Blau dar. Nun, in Hinsicht auf Innenarchitektur mangelte es Starfleet ganz offensichtlich an Phantasie, aber wenigstens gab sich die Flotte Mühe, aus ihren Fehlern zu lernen.
Der Hauptverwalter musste auf ein Fenster verzichten, weil diese Basis – Memory Prime – zu den sichersten Stützpunkten gehörte, die jemals von der Föderation konstruiert worden waren. Die ursprüngliche Idee sah offene Bibliotheken vor, deren Daten jedem zur Verfügung standen, doch die Katastrophe von Memory Alpha hatte dieses Konzept über Bord geworfen. Nensi bezweifelte, ob das bald eintreffende Raumschiff Enterprise in der Lage war, die hochenergetischen Schilde von Prime zu durchdringen, ganz zu schweigen von einer zwölf Kilometer dicken Barriere aus Nickeleisen, unter der sich – im Zentrum des Asteroiden – die zentrale Interface-Kammer mit den Wegfindern befand. Nein, die Photonenbatterien der Basis hätten das Schiff in Atome zerblasen, bevor es imstande gewesen wäre, irgendeinen Schaden anzurichten. Kein Wunder, dass man diesmal Memory Prime als Ort für die alle vier Jahre stattfindende Verleihung der Nobel- und Z-Mag'nees-Preise gewählt hatte. Bei dieser Zeremonie hätte eine gut platzierte Implosionsbombe ausgereicht, die Wissenschaft der Föderation um Jahrhunderte zurückzuwerfen. Nensi gestand sich widerstrebend ein, dass Sicherheit wichtiger war als Fenster.
Das Tisch-Interkom summte, und der andorianische Assistent erschien auf dem Bildschirm. Blaue Fühler neigten sich nach vorn, und dünne Lippen versuchten, mitfühlend zu lächeln. »Ihr Zehn-Uhr-Termin ist da, Sal.«
»Geben Sie mir eine Minute Zeit, bevor Sie ihn hereinschicken«, sagte Nensi zu H'rar.
»Äh, ich fürchte, diesmal handelt es sich nicht um einen Ihn, sondern um ein Es.« Der Schirm wurde wieder grau.
»Auch das noch«, ächzte Nensi. Drei Monate, dachte er. Nur noch drei Monate bis zu meiner Pensionierung. Dann kehre ich heim, um von morgens bis abends zu angeln. Die Aussicht, zum Mars zurückzukehren, war verlockender als jemals zuvor. Er setzte sich auf und zwang einen freundlichen Ausdruck in sein Gesicht, als das Schott beiseite glitt und der Zehn-Uhr-Termin hereinkam.
Der Besucher erwies sich als gewöhnlicher Forschungshelfer: ein rechteckiger, zwei Meter langer und ein Meter breiter Kasten, der durch das abgeflachte vordere Ende wie ein kleines Shuttle aussah. Hunderte von solchen Helfern rollten durch Kuppelkorridore und unterirdische Tunnel, trugen Ausrüstungsmaterialien in ihren Greifwerkzeugen oder zogen Wagen mit Geräten. Sie kümmerten sich um Wartungsarbeiten und erledigten einfache Forschungsaufträge, was den Gelehrten die Möglichkeit gab, sich mit wichtigeren Dingen zu beschäftigen.
Natürlich waren auch die Helfer blau. Den Design-Komitees gehören zu viele Vulkanier an, dachte Nensi. Sie achten darauf, dass alles logisch und kostengünstig ist – und langweilig.
Der Helfer verharrte vor dem Schreibtisch, und ein Augenstiel wuchs aus dem Gliedmaßenbündel auf ihm. Ein rotes Licht blinkte daran.
»Ich habe einen Gesandten der Interface-Gruppe erwartet«, begann Nensi.
»Dieses Modul ist autorisiert, das Ersuchen der Interface-Gruppe zu übermitteln und die Antwort der Verwaltung entgegenzunehmen.« Die Stimme des Helfers hörte sich bemerkenswert natürlich an. Ihr fehlte der bewusst programmierte blecherne Klang der meisten anderen mit Sprachprozessoren ausgestatteten Maschinen. Eine inoffizielle Programmierung, vermutete Nensi. So etwas könnte gefährlich sein.
»Da ich die Verhandlungen mit einem Helfer führen muss, kann bei dem Disput leider keine endgültige Einigung erzielt werden«, sagte Nensi diplomatisch, obwohl er in diesem Fall nicht auf irgendwelche Gefühle Rücksicht nehmen musste. Sein Gesprächspartner war schließlich kein Wegfinder.
»Eine Einigung ist möglich. Indem Sie sich bereit erklären, die Forderungen der Interface-Gruppe zu erfüllen.«
»Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie auch autorisiert sind, meine Forderungen zu akzeptieren?«
Der Helfer brauchte einige Sekunden für eine Datenelaboration, und offenbar lautete die Antwort nein, denn er wiederholte seine frühere Bemerkung.
Nensi fand sich damit ab, dass die Unterredung ohne konkretes Ergebnis blieb. Er bat die Maschine, das Ersuchen der Interface-Gruppe in Worte zu kleiden.
»Erstens: Alle Interface-Konsolen, die einen direkten Kontakt mit den Wegfindern ermöglichen, werden durch neue Schnittstellen mit der bereits vorgeschlagenen Struktur ersetzt. Zweitens: Die an der Preisverleihungszeremonie teilnehmenden Wissenschaftler bekommen keinen primären Zugang zu den Datenbanken; Ausnahmen bilden einzig und allein akkreditierte Delegationen, die bereits betreffende Anträge gestellt haben. Drittens: Der Starfleet-Cheftechniker wird unverzüglich durch ein Komplexmitglied der Interface-Gruppe ersetzt. Ihr Korrespondenzspeicher enthält Namen geeigneter Kandidaten.« Die Maschine summte kurz. »Wie lautet die Antwort der Verwaltung?«
Sie lautet: Ich werde um vorzeitige Pensionierung bitten, dachte Nensi. Aber eine solche Antwort konnte er natürlich nicht geben. »Erstens: Die existierenden Interface-Konsolen sind weniger als ein Standard-Jahr alt, und mein Etat ist nicht groß genug für einen neuerlichen Austausch. Zweitens: Die Interface-Gruppe sollte daran denken, welche Vorteile sich ergeben, wenn alle Teilnehmer der Preisverleihungszeremonie Gelegenheit erhalten, das volle Potenzial von Memory Prime kennenzulernen – obgleich dadurch der normale Betrieb gestört wird. Wenn die Wissenschaftler nach Hause zurückkehren, wollen sie neue Projekte mit Hilfe der Datenbanken dieser Basis planen, und dadurch fällt es uns leichter, eine großzügigere Finanzierung durchzusetzen, was wiederum Ausbau und Modernisierung ermöglicht. Drittens: Ich bin ein Beauftragter der Föderation, und die Position des Cheftechnikers fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich. In dieser Hinsicht muss sich die Interface-Gruppe an Starfleet wenden. Ich sorge dafür, dass alle notwendigen Formulare in Ihrem Korrespondenzspeicher abgelegt werden.«
Offenbar hatte die Gruppe mit solchen Hinweisen gerechnet, denn der Helfer summte nicht einmal. »Dieses Modul ist autorisiert, folgendes zu verkünden: Um sechsundzwanzig Uhr beginnt die Interface-Gruppe mit einem nicht geplanten Kernspeicher-Dump{1}, um die Backup-Integrität{2} des Systems zu testen. Dieser Vorgang hat die Unterbrechung aller derzeit laufenden Projekte zur Folge.« Der Augenstiel sank ins Gliedmaßenbündel zurück.
Nensi spürte, wie ein enormes Gewicht von seinen Schultern wich. Seit über dreißig Jahren war er in der Föderationsverwaltung tätig; mit bürokratischer Erpressung kannte er sich bestens aus.
»Ich bin noch nicht fertig«, sagte er.
Sofort wuchs der Augenstiel wieder nach vorn, und das Bereitschaftslicht blinkte schneller, was wahrscheinlich auf einen Programmkonflikt hinwies. Die Maschine war zu dem Schluss gelangt, dass Nensi eine vollständige Antwort gegeben hatte, woraufhin es das vorgesehene Ultimatum präsentierte – was sich jetzt als Fehler herausstellte. Nensi gab sich einer nostalgischen Vorstellung hin und dachte an Rauch, der aus den Belüftungsöffnungen eines überhitzten elektronischen Gehirns quoll.
»Fahren Sie fort«, erwiderte der Helfer nach einer Weile.
»Ich habe nur die offizielle Antwort der Verwaltung genannt. Andererseits: Meine Aufgabe besteht in erster Linie darin, das reibungslose Funktionieren von Memory Prime zu gewährleisten. Deshalb bin ich befugt, von der offiziellen Administrationspolitik abzuweichen, wenn damit meiner Ansicht nach den Interessen der Personen gedient ist, die hier arbeiten. Stimmen Sie dieser Beschreibung meiner Pflichten zu?«
Der Helfer summte, und Nensi vermutete, dass er nun Informationen aus jenen Datenbanken abrief, die elektronische Personalakten enthielten. »An Ihrer Synopsis gibt es nichts auszusetzen.«
»Dann dürfte Ihnen klar sein, dass ich erst dann zu einer endgültigen Antwort in der Lage bin, wenn ich mit den Repräsentanten aller hier tätigen Gruppen gesprochen habe.« Nensi versuchte, nicht zu lächeln, als er die Schlinge zuzog.