Die Erste Direktive – Starfleets heiligstes Prinzip der Nichteinmischung in die Entwicklung fremder Welten – wurde verletzt. Leben und Zivilisation des Planeten Talin IV sind in einem nuklearen Inferno verbrannt. Und die Enterprise wurde fast vollständig zerstört. Verantwortlich für diese Katastrophe war ein legendärer Held der Föderation: James T. Kirk, ehemals Captain der Enterprise.
Zusammen mit seinen vier Brückenoffizieren wird Kirk aus den Diensten der Flotte entlassen. Der frühere Raumschiffkommandant muss sich als Gelegenheitsarbeiter durchschlagen. Dabei treibt ihn nur ein Wunsch: Ins Talin-System zurückzukehren und den wahren Ursachen der Katastrophe auf die Spur zu kommen.
Chefingenieur Scott ist der einzige der alten Crew, der auf dem Wrack, das einmal die Enterprise war, ausharrt. Er soll die Instandsetzungsarbeiten leiten. Doch dabei macht er eine Entdeckung, die alle bisherigen Schuldzuweisungen über den Haufen wirft.
Über das Buch
Widmung
Zitat
Historische Anmerkung
Prolog
Erster Teil: Konsequenzen
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Zweiter Teil: Die letzte Mission
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Dritter Teil: Talin
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Vierter Teil: Die neue Mission
Kapitel 1
Kapitel 2
Epilog
JUDITH & GARFIELD REEVES-STEVENS
DIE ERSTE DIREKTIVE
Star Trek™
Classic
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
www.diezukunft.de
Für Peggy
Für unser zweites Zuhause in New York City.
Und dafür, dort gewesen zu sein, als die Inspiration kam.
L. L. & P.
Ewig ist das Weltall,
Ohne Anfang und Ende,
Und alles darin
Beginnt gerade erst.
KOAN DES VULKANISCHEN KINDES
Die in diesem Buch geschilderten Ereignisse finden im letzten Jahr der ersten fünfjährigen Mission der Enterprise statt.
Le Rêve D'étoiles
Auszug aus Eine historische Analyse der fünfjährigen Forschungsmissionen von Admiral Glynis Kestell Tabor, Verlag Stellares Institut, Paris, Erde.
Aus den damaligen Aufzeichnungen wissen wir: Von den ursprünglich zwölf Raumschiffen der Constitution-Klasse, die am visionären Programm der fünfjährigen Forschungsmissionen beteiligt wurden, gingen fünf in den Diensten der Vereinten Föderation der Planeten verloren. Die U.S.S. Constellation wurde das letzte Opfer eines uralten Krieges; die Intrepid erwischte es im System Gamma 7A; Kriegsspiele zerstörten die Excalibur, der tholianische Annex die Defiant; der Zwischenfall von Talin IV sorgte dafür, dass auch der Name Enterprise auf die Verlustliste geriet.
Hunderte von Besatzungsmitgliedern starben, und hinzu kam die Vernichtung von wertvollem Material. Doch bei den Dutzenden von Planungskommissionen, die Richtlinien für langfristige Ziele der Föderation festlegten, herrschte nie Zweifel daran, dass die fünf Jahre dauernden Missionen mit neuen Schiffen und neuen Besatzungen fortgesetzt werden sollten. Jene Forschungen erforderten einen hohen Preis, aber sie brachten dem interstellaren Völkerbund einen noch viel größeren Nutzen.
In nur vier Standardjahren wurden Tausende von fremden Welten und Hunderte von neuen Zivilisationen entdeckt. Die Grenzen der Föderation schoben sich immer weiter in den Kosmos hinaus, bis sie das fünffache Raumvolumen umfassten als bei Sternzeit 00.1. Angesichts solcher Resultate fand man immer eine Möglichkeit, weitere Raumschiffe in Dienst zu stellen, und was ihre Besatzungen betraf: In ihnen verbarg sich das Geheimnis der unglaublichen Kraft von Starfleet und der Föderation.
Es handelte sich um ein Geheimnis, das alle großen politischen Bewegungen in der Geschichte von tausend Welten teilten. Die Föderation wurde nicht mit Gewalt gegründet, und sie verdankte ihre Existenz auch nicht allein den Geboten der Zweckmäßigkeit oder einer Gefahr. Sie basierte vielmehr auf einem Traum – auf dem Traum von Gemeinschaft und Zusammenarbeit, von Frieden und Harmonie. Auf dem Traum, mehr Wissen zu sammeln, die Grenzen des Erforschbaren zu erreichen und sich jenseits von ihnen umzusehen.
Man sprach in diesem Zusammenhang von le rêve d'étoiles – der Traum von den Sternen.
Ein besonderer Reiz ging davon aus, und dieser Tatsache waren sich die Planer in der Föderation durchaus bewusst. Sie erkannten den Traum in den mehr als zwölftausend Personen, die sich in jedem Jahr um einen Studienplatz an der Starfleet-Akademie bewarben. Sie spürten ihn in sich selbst.
Doch Träume allein genügten nicht, um die Ziele der Föderation zu erreichen, und zum Glück hatten sich die Planer auch dieser Erkenntnis gestellt. Ihnen war klar: Auf den vielen Welten des Völkerbunds gab es Individuen, in denen das Licht des Traums besonders hell strahlte, die nur zu den glitzernden Punkten am Nachthimmel emporzublicken brauchten, um zu wissen, was das Schicksal für sie bereithielt. In jeder Sprache lauteten die Worte: der Traum von den Sternen. Er beschränkte sich nicht darauf, zu ihnen zu fliegen oder zwischen ihnen zu reisen; er weckte den Wunsch, immer weiter vorzustoßen.
Wer sich von dem Traum leiten ließ und die Starfleet-Akademie besuchte, bekam es dort mit sorgfältig vorbereiteten Herausforderungen zu tun. Nur die Besten arbeiteten sich ganz nach oben und wurden damit ihrer Bestimmung gerecht, erhielten den Rang des Captains.
Die Raumschiffkommandanten stellten eine Verkörperung des Traums von den Sternen dar und bildeten das Fundament der Föderation und ihrer Zukunft.
Es war kein perfektes System. Als es zur Tragödie von Talin IV kam, wussten die Planer bereits: Für jeden Robert April oder Christopher Pike brachte die Akademie auch einen Ron Tracey oder James T. Kirk hervor. Aber so etwas ließ sich nicht vermeiden, wenn man es mit außergewöhnlichen Personen zu tun hatte, deren komplexe Verhaltensmuster keinen ›normalen‹ Kategorien zugeordnet werden konnten. Im großen und ganzen funktionierte das System, obgleich es ihm an Logik und Rationalität mangelte, wie die Vulkanier feststellten.
Auf diese Weise bestimmten die Planer der Föderation den Weg in die Zukunft. Sie sorgten dafür, dass neue Raumschiffe gebaut wurden, dass man sie mit neuen Missionen ins All schickte. Die Erfahrung lehrte: Nie fehlte es an Freiwilligen, die sofort ihre Bereitschaft erklärten, fremde Welten zu entdecken und zu erforschen. Wenn der Traum von den Sternen erwachte, konnte man ihn nicht leugnen.
Aber damals, kurz nach der Katastrophe von Talin IV, ahnten die Planer noch nicht: Wer den Traum von den Sternen akzeptierte und zu seinem Lebensinhalt machte, konnte ihn später unmöglich vergessen.
Die Föderation strebte neues Wissen an, und diesem Prinzip waren auch die Planer unterworfen. Das von ihnen strukturierte System hatte einen Mann geschaffen, der ihnen eine wichtige Lektion erteilen würde …
ERSTER TEIL
Konsequenzen
Menschen, dachte Glissa, als sie den unverkennbaren Geruch wahrnahm. Man kann weder mit noch ohne sie leben, aber eins steht fest: Man kann sie riechen.
Die kleine tellaritische Schichtleiterin wandte den Blick vom Bildschirmdiagramm ab, kniff die tief in den Höhlen liegenden schwarzen Augen zusammen und spähte in die Ferne. Um sie herum summte es in der dünnen Luft, die den ausgehöhlten Asteroiden vom Typ S füllte: der Pulsschlag von Maschinen und Arbeitern, die hier eine Welt schufen, ein neues Heim für Tausende. Glissa gab sich gern entsprechenden Vorstellungen hin und fand großen Gefallen an ihrer Tätigkeit. Deshalb bereitete ihr der unerwartete Geruch von Menschen Unbehagen. Sie fürchtete, dass die angenehme Aufregung stumpfsinniger Schufterei wich, wenn Terraner kamen.
Die Tellaritin rümpfte ihre breite, schnauzenartige Nase, als sie schnüffelte und sich bemühte, der Witterung zusätzliche Informationen zu entnehmen. Der dichte Dunst auf ihrer Heimatwelt lichtete sich fast nie und begünstigte eine Evolution, die keinen großen Wert auf gutes Sehvermögen legte. Als erwachsenes Exemplar ihrer Spezies hatte Glissa längst die Fähigkeit verloren, jenseits einer Distanz von zwei Metern Details zu erkennen. Dafür konnte sie besser hören als selbst die meisten Vulkanier. Und sie war imstande, durch die Luft übertragene Aromen und Pheromone mit einer Genauigkeit zu analysieren, die der Präzision eines Tricorders kaum nachstand.
Die Nase bestätigte Glissas Befürchtungen: Der Geruch stammte tatsächlich von diesen schrecklichen Allesfresser-Menschen, von Terranern, die vermutlich zur zweiten Schicht gehörten. Zwar zeigten ihr die Augen nur ein verschwommenes Bild, aber sie bemerkte den gelben Sicherheitsstrang zwischen den schemenhaften Gestalten. Er führte an den ebenfalls gelben Warnmarkierungen vorbei, die auf Überlappungen der künstlichen Schwerkraftfelder hinwiesen. Durch Rotation erzeugte, zentripetale Pseudo-Schwerkraft hätte das Arbeiten im Innern des Asteroiden sicher erleichtert, doch es waren noch nicht alle Stützgerüste montiert, und die Ingenieure wollten zusätzliche Belastungen für die aus Felsgestein bestehende ›Hülle‹ vermeiden. Aus diesem Grund hatte man auf der Oberfläche Gravitationsgeneratoren installiert, die im Innern sowohl Bereiche erhöhter Schwerkraft als auch Null-G-Zonen schufen. Dadurch entstehen sicher genug Belastungen für die Stabilität der Hülle, dachte Glissa.
Sie seufzte, und in ihrer Kehle erklang dabei ein heiserer, gutturaler Laut, wie der Auftakt zu einigen besonders erfrischenden Beschimpfungen. Aber hinter diesem Seufzen verbarg sich keine derartige Freude. Glissa hatte gar nicht gemerkt, dass die erste Schicht bereits zu Ende gegangen war – und die Pfeiler für das Süßwasserbecken fehlten nach wie vor. Sie hatten noch nicht einmal auf der Plattform des großen Frachttransporters am Rand der Baustelle Substanz gewonnen. Wenn wir auch weiterhin so sehr hinter dem Zeitplan bleiben … Glissa stellte sich vor, die Arbeitsperiode um einen zusätzlichen Zehntag zu verlängern, bevor sie endlich Gelegenheit bekam, sich im Gemeinschaftsbad der Freizeit-Station zu suhlen. Schlimmer noch: Der Geruch deutete darauf hin, dass sie den nächsten Zehntag in Gesellschaft von Menschen verbringen musste.
Es gab keinen konkreten Anlass für Glissas Abneigung Terranern gegenüber, aber da sie nicht zu Mirachts Botschafter-Stämmen gehörte, fühlte sie sich in der Nähe von Menschen alles andere als wohl. Immerhin konnten die Bewohner des Planeten Erde nicht zwischen altehrwürdigen, konstruktiven Beleidigungen und unangemessenen Verunglimpfungen in Hinsicht auf die Abstammung unterscheiden. Nur Vulkanier hatten noch weniger Humor. Andererseits: Gerade die Vielfalt machte das Universum so interessant, und das war einer der Gründe, der Glissa hierhergebracht hatte.
Sie seufzte erneut und strich mit der sensitiven Unterseite eines Hufs über das Kontrollsegment des Bildschirms – eine von mehreren Dutzend Projektionsflächen, die den Arbeitsbereich säumten. Als das Diagramm von dem zwei mal ein Meter großen Display verschwand, schnüffelte die Tellaritin erneut, um festzustellen, welche Menschen sie diesmal ertragen musste.
Die zwölf Monteure waren noch zu weit entfernt, um individuelle Merkmale zu erkennen – Glissa sah nur die gelben Sicherheitsharnische und Helme. Aber in den meisten Fällen genügte ihr der Geruch, um einzelne Terraner zu identifizieren. Sie dankte den Monden: Sieben der zwölf Personen stellten sich als Tellariten heraus – Arbeiter aus der Quäker-Gemeinde, die Interworld Construction beauftragt hatte, diesen Asteroiden in eine Lagrange-Kolonie zu verwandeln. Mehr als die Hälfte der Arbeiterschaft stammte aus der Gemeinde, und dadurch sparten die Quäker eine Menge Geld.
Der Geruch verriet die fünf anderen als Menschen, und Glissas Kummer wuchs: Sie hielt Terraner und Asteroidenmontage für eine unglückliche Kombination.
Die Neustrukturierung von Asteroiden zählte zu den wenigen gefährlichen Tätigkeiten in der Föderation, die nicht von Maschinen ausgeführt werden konnten. Dieser Umstand fand sogar Niederschlag in entsprechenden Vorschriften und Gesetzen. Wenn der Föderationsrat jemals beschloss, das Verbot der Sklaverei zu lockern und es synthetischen Selbstsphären – früher als ›künstliche Intelligenz‹ bezeichnet – zu erlauben, Roboter zu steuern … Dann begann für diesen speziellen Industriesektor eine regelrechte Revolution. Aber bis das geschah, blieb die sogenannte Asteroidenmontage zwei Arten von Arbeitern überlassen: den Auftraggeber-Monteuren, die mit viel Engagement kamen und sich über die Chance freuten, mit bloßen Hufen eine neue Welt zu schaffen, und den Leuten, die sich an Interworld wandten, weil es woanders keinen Platz mehr für sie gab.
Was die Menschen betraf, die der zweiten Gruppe zugerechnet werden mussten: Einige von ihnen waren vor irgend etwas auf der Flucht, und sie alle wurden von Verzweiflung begleitet. In Hinsicht auf Ehre und Eifer hätte es sich Glissas Meinung nach ebenso gut um Klingonen handeln können. Für Tellariten galt die Konstruktion neuer Welten als ehrenvolle Arbeit, aber sie brachte erhebliche Probleme mit sich, und deshalb akzeptierte Interworld auch Menschen mit ihrer sonderbaren Mischung aus vulkanischer Logik und andorianischer Leidenschaft. Was für Glissa und die übrigen Schichtleiter bedeutete, dass sie mit ihren Worten vorsichtig sein mussten.
Als sie den Bildschirm wieder aktivierte, um die aktuellen Arbeitspläne abzurufen, ertönten die akustischen Signale des Schichtwechsels. Das Schrillen klang aus den Lautsprechern der Lichtmasten, die am Rand der fünfhundert Meter durchmessenden Baustelle aufragten. Glissa blickte zum vier Kilometer entfernten Felsenhimmel empor und sah die vagen Flecken der Lichtmasten, die im atmosphärelosen Teil des Asteroiden glühten: Ihr Flackern wies ebenfalls auf den Schichtwechsel hin und war für die in Schutzanzüge gekleideten Arbeiter bestimmt, die das Heulen nicht hören konnten.
Verwundert überprüfte die Tellaritin ihr Chronometer und stellte fest, dass die akustischen und visuellen Signale genau zum richtigen Zeitpunkt erfolgten. Woraus folgte: Die Monteure der zweiten Schicht trafen pünktlich ein. Glissa war schon seit Jahren für Interworld tätig und wusste daher: Die hiesigen, von Verzweiflung geprägten Menschen kamen immer zu spät – es schien eine Art Religion für sie zu sein.
Einige Sekunden lang empfand die Schichtleiterin Besorgnis angesichts dieser neuen Entwicklung, die sich über alte Traditionen hinwegsetzte und eine vertraute Ordnung zu bedrohen schien – für einen Tellariten gab es kaum Schlimmeres als ungelöste Rätsel. Sie schnüffelte einmal mehr, und der charakteristische Geruch bestätigte die Präsenz von Menschen in der Gruppe. Ein neuerliches und noch aufmerksameres Schnuppern brachte schließlich die Antwort.
Glissa hob den Huf und winkte damit der verschwommenen Gestalt des Menschen zu, der den Trupp anführte. »Sam?«, knurrte sie. »Sam Jameson?«
Der Terraner streckte einen viel zu langen und dürren Arm, um den Gruß zu erwidern, und jähe Hoffnung entstand in Glissa. Wenn Sam Jameson befördert worden war und nun die zweite Schicht leitete … Dann mochte es möglich sein, die verlorene Zeit aufzuholen. Erst seit vier Zehntagen gehörte er zu Interworld, aber er hatte bereits erstaunliche Eigenschaften unter Beweis gestellt.
»Dachte ich mir doch, dass ich den fauligen Gestank Ihrer haarlosen Haut gerochen habe!«, blökte die Tellaritin ohrenbetäubend laut, als Sam näher kam.
»Es grenzt an ein Wunder, dass Sie durch Ihr schleimverkrustetes Skrak-Fell überhaupt irgend etwas riechen können!«, rief der Mann.
Glissa grunzte erfreut. Hier war die Ausnahme von der Regel: ein kultivierter Mensch, der die subtilen Nuancen der Höflichen Sprache verstand. Sie glaubte schon, den warmen Schlamm des Gemeinschaftsbads zu spüren, als sie daran dachte, den Zeitplan zu erfüllen.
Erneut hob sie den Huf, und Sam Jameson griff ohne zu zögern danach, berührte die Sensorknoten an der Unterseite in der richtigen Reihenfolge – was ihm mit den klobigen Fingern sicher nicht gerade leicht fiel. Manchmal wunderte es Glissa, dass Menschen überhaupt mit Werkzeugen umgehen konnten. An den ›Händen‹ jeweils fünf Extremitäten, die sich unabhängig voneinander bewegten … Wie sollte man damit komplizierte Dinge bewerkstelligen?
Die übrigen Monteure der zweiten Schicht lösten den Sicherheitsstrang von ihren Harnischen, und Glissa beschloss, mit einigen Worten aus der Höflichen Sprache auf ihre Freude darüber hinzuweisen, mit Sam zusammenzuarbeiten. Sie musterte den Menschen, strich nervös den goldenen Pelz ihres Bartes glatt und hoffte, dass ihr die richtige Aussprache gelang.
»Verdammt, Sam, beim Teufel in der Höhle: Warum bestraft man mich damit, dass Sie in meiner Abteilung tätig sind?«
Ein Lächeln huschte über Sams Lippen – offenbar war mit der Formulierung irgend etwas nicht in Ordnung. Glissa fand es seltsam, dass man den Gesichtsausdruck dieses Menschen so leicht deuten konnte. Das lange braune Haar und der dichte Bart erwiesen sich in diesem Zusammenhang als vorteilhaft, denn dadurch wirkte er weniger wie eine tellaritische Baumschnecke und mehr wie ein intelligentes Wesen. Hässlich blieb die mickrige, nach unten geneigte Nase. Ganz zu schweigen von den Augen: kleine braune Punkte, umgeben von Weiß – wie bei der mehrere Tage alten Leiche eines Tellariten. Glissa musste sich sehr beherrschen, um nicht zu schaudern.
Sam senkte nun den Kopf, beugte sich vor und sprach so leise, dass ihn nur die Schichtleiterin hörte.
»Hölle«, hauchte er. »Sie meinen keine Höhle, sondern die Hölle.«
Glissa nickte nachdenklich, dankbar dafür, dass Sam ihren Fehler flüsternd korrigierte. »Welcher Begriff steht für den Ort des Verderbens?«
»Hölle. Höhlen empfinden Menschen nicht als besonders schlimm. Dieses Wort eignet sich kaum für Beleidigungen in der Höflichen Sprache.«
Glissa ahnte, dass sie sich bald Notizen machen musste, wenn sie Sam gegenüber nicht ins Hintertreffen geraten wollte. »Aber das Verdammt …«
»Perfekt.« Der Mensch flüsterte noch immer. »Genau an der richtigen Stelle im Satz, genau die richtige Betonung, sehr eindrucksvoll …« Er unterbrach sich, blickte wieder auf und fügte laut hinzu: »Wenn man berücksichtigt, dass Sie ein Bier saufendes, dickbäuchiges Warzenschwein sind.«
Glissas Wangen blähten sich auf, als sie entzückt schnaubte. Fand Sam vielleicht Gefallen an Schlammbädern? Die Tellaritin spielte mit dem Gedanken, ihn zum Suhlen einzuladen. Doch zuerst wartete Arbeit auf sie; geistreiche Konversation und höfliche Gespräche mussten auf später verschoben werden. Erleichterung durchströmte die Tellaritin: Bei der Kooperation mit Sam durfte sie hoffen, sich die Aufregung angesichts der Konstruktion einer neuen Welt zu bewahren. Und er stellte nicht nur das in Aussicht, sondern noch mehr: echte Freundschaft.
Diesmal dauerte die Arbeitseinteilung nicht annähernd so lange wie sonst – Sam konnte den menschlichen Mitgliedern seiner Gruppe das Schicht-Soll besser erklären als Glissa –, und kurz darauf summte der Frachttransporter. Das Surren klang dumpfer als bei anderen Transportersystemen, denn in diesem Fall handelte es sich um eine Anlage, die im unteren Frequenzbereich funktionierte. Dadurch wurden Kosten eingespart, was jedoch nicht ohne Folgen für die Sicherheit blieb: Mit dem Frachttransporter durften nur Objekte transferiert werden, keine Lebewesen. Glissa beobachtete, wie mehrere zwanzig Meter lange, aus schwarzem Kunststoff bestehende Pfeiler materialisierten, und plötzlich zweifelte sie nicht mehr daran, dass wenige Schichten genügten, um den Erfordernissen des Zeitplans zu genügen. Sam Jameson würde sie gewiss nicht enttäuschen.
Er trieb die tellaritischen Arbeiter mit passenden höflichen Beschimpfungen an, benutzte bei seinen menschlichen Kollegen einen behutsameren Tonfall und half ihnen, die Pfeiler mit kleinen Antigrav-Einheiten auszustatten. Die Plattform des Frachttransporters war in Rekordzeit leer. Glissa staunte darüber, wie bereitwillig die Monteure Sams Befehle ausführten. Vielleicht bestand sein Geheimnis darin, jede Person ein wenig anders zu behandeln, mit individuellem Respekt. Vielleicht lag es daran, dass er im Gegensatz zu anderen Gruppenleitern keine schwere Arbeit scheute. Wie auch immer die Erklärung lautete: Glissa war sowohl beeindruckt als auch betrübt. Denn ganz gleich, was Sam gewesen sein mochte, bevor er nach Interworld kam – er hatte bestimmt nicht als Asteroidenmonteur gearbeitet.
Bis zur Pause für die Hauptmahlzeit war unter Sams Anleitung bereits das Werk einer ganzen Schicht vollbracht. Und die Arbeiter schienen versessen darauf zu sein, noch mehr zu erledigen. Diesmal konnte Glissa Tak und Blutschwarten genießen, ohne in Panik zu geraten, weil die Arbeitszeit so schnell verstrich. Sie wünschte sich Sams Gesellschaft – die Tellaritin hatte sich inzwischen eine besonders unflätige Beschimpfung einfallen lassen und hoffte auf eine schlagfertige Antwort –, aber er nahm die Mahlzeit abseits der anderen ein, und irgend etwas in seiner Haltung verkündete, dass er nicht gestört werden wollte.
Die übrigen Menschen saßen zusammen und sprachen miteinander, blickten gelegentlich zu Sam, der mit dem Rücken an einem Felsen lehnte. Die Tellariten hingegen standen, starrten in die Ferne und schnupperten immer wieder. Einer der vielen visuellen Sensoren, die den Projektionsflächen Bilder übermitteln, zeigte Glissa, was die Aufmerksamkeit ihrer Artgenossen geweckt hatte.
Zwei tellaritische Kinder – sie schienen geradewegs aus der Wurf-Suhle zu kommen – watschelten über den Sicherheitspfad und folgten einem etwa hundert Zentimeter langen Transportwagen mit Schüsseln und Tellern, der sie durch das Gewirr aus Grav-Warnungen geleitete. Auf dem Bildschirm vor Glissa waren deutlich die Sicherheitsleinen zwischen den Harnischen und dem Wagen zu sehen.
Die Mutter der Kinder gehörte zu Sams Gruppe und begrüßte ihre beiden Sprösslinge stolz, als diese den tellaritischen Monteuren Essen brachten. Mit großem Ernst trugen sie die Halstücher der Gemeinde, deren Rot einen auffallenden Kontrast zum weißen Flaum an ihren rundlichen Leibern bildete. Glissa verglich sie mit kleinen Wolken, die blaue Overalls trugen.
Sie blickte noch immer auf den Schirm, als sie das Geräusch vertrauter Schritte hörte. Sam näherte sich.
»Sind unsere Kinder für Menschen ebenso niedlich wie für uns?«, fragte Glissa, als sie bemerkte, dass auch Sam die jungen Tellariten beobachtete.
»Babys sind immer niedlich, ganz gleich, aus welchem Volk sie stammen«, erwiderte Jameson. »Aber ich finde es sehr bedauerlich, dass diesen beiden Exemplare als Erwachsene ebenso hässlich sein werden wie Sie.«
Glissa brummte fröhlich und forderte den Mann mit einer Geste auf, neben ihr Platz zu nehmen. »Nie zuvor bin ich einem Menschen wie Ihnen begegnet.« Sie sprach jetzt ohne den Tonfall der Höflichen Sprache.
Sam zögerte kurz, bevor er sich setzte, die Arme auf die Knie stützte und den Helm hin und her baumeln ließ, während er zu den Kindern sah. Sie rauften jetzt, quiekten und schnauften dabei. »Ich schätze, dann kennen Sie nicht sehr viele Menschen.«
Glissa erinnerte sich daran, dass manche Terraner mit Übelkeit auf den Anblick von Blutschwarten reagierten. Sie klappte ihr Tablett zusammen. »Ich bin hier vielen Menschen begegnet. Sie unterscheiden sich von ihnen.«
Sam zuckte mit den Schultern und schwieg, hob stumm den Kopf und prüfte die Zeitanzeige eines Bildschirms. Ihnen blieben noch einige Minuten bis zum Ende der Pause.
»Warum sind Sie hier, Sam Jameson?«
Diesmal veränderten sich die Züge des Mannes auf eine Weise, die Glissa nicht zu deuten vermochte. »Warum sind Sie hier?«
»Um neue Welten zu bauen«, erwiderte sie stolz.
Erneut kam Bewegung in Sams Miene, und Glissa erkannte so etwas wie Kummer. »Als gäbe es nicht schon genug davon«, murmelte er.
Mit diesen Worten wusste die Tellaritin kaum etwas anzufangen. »Sie sind nicht auf der Flucht«, sagte sie.
Der Mensch lächelte traurig, und seine Züge offenbarten auch noch andere, weitaus rätselhaftere Empfindungen. »Was veranlasst Sie zu einer solchen Vermutung?«
»Interworld stellt nicht viele Fragen, wenn jemand Arbeit sucht. Jene Menschen, die zu uns kommen … Sie scheinen fast bereit zu sein, mit einem orionischen Frachter durchs All zu fliegen.« Der Tellaritin fiel plötzlich ein, wie wenig Humor Terraner hatten. »Vielleicht sollte ich dem Wort Frachter eine sarkastische Betonung verleihen, damit der Witz logischer wird.«
Sam wandte den Blick von ihr ab, und der Feuchtigkeitsgehalt seiner Augen schien zuzunehmen, was ihn nachdenklicher erscheinen ließ.
»Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte Glissa.
»Ja.« Jameson lächelte, während in seinem Gesicht ein Schatten von Melancholie verharrte. »Sie haben mich nur an jemanden erinnert, den ich kannte, vor langer Zeit.«
»Ein guter Freund?«
»Ich glaube schon. Obgleich er es nicht zugegeben hätte.«
»Die hiesigen Menschen erwecken den Eindruck, überhaupt keine Freunde zu haben, Sam.«
Der Terraner atmete tief durch und starrte zum massiven ›Himmel‹ empor. Doch sein Blick reichte noch viel weiter in die Ferne. »Vor einigen Jahrhunderten gab es auf der Erde eine Organisation, die Interworld ähnelte.«
»Eine Organisation, die Dinge baute? Bestimmt wurden damals noch keine Welten konstruiert, aber vielleicht Kontinente?«
»Es handelte sich um eine militärische Institution.«
»Typisch für Menschen. Womit ich Ihnen nicht zu nahe treten möchte«, fügte Glissa hastig hinzu, denn dies war kein Höfliches Gespräch.
»Schon gut«, sagte Sam. »Der Name lautete La Légion étrangère – die Fremdenlegion. Sie nahmen Personen auf, für die es sonst nirgends einen Platz gab. Sie stellte keine Fragen und ließ es sogar zu, dass man falsche Namen verwendete.«
»Manchmal … scheint so etwas wünschenswert zu sein«, kommentierte Glissa so diplomatisch wie möglich. »Ist es wünschenswert für Sie?«
Jamesons Gesichtsausdruck blieb undeutbar für die Tellaritin. »Keine Fragen«, wiederholte er.
»Schade. Ich halte Sie für jemanden, der viele Antworten hat.«
Er schüttelte den Kopf. »Eine Antwort würde genügen, Glissa. Und sie fehlt mir.« Er hob den Helm. »Deshalb bin ich hier. Deshalb gehöre ich zu den Verzweifelten und Ausgestoßenen.«
Die Schichtleiterin legte ihm tröstend den Huf auf die Schulter. Nach welcher Antwort suchte dieser Mensch? Was mochte ihn hierhergebracht haben? »Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann, Sam …«
Der Asteroid erbebte.
So fühlte es sich jedenfalls an. Instabilität erfasste das Schwerkraftfeld im Bereich der Baustelle, und Glissa sah, wie die Lichtmasten flackerten, als lokale Gravitationskonstanten jäh fluktuierten. Sie hielt sich am Felsgestein fest, glaubte dabei zu spüren, wie sie auf einer imaginären Woge tanzte. G-Alarm heulte aus hundert Lautsprechern, und das Schrillen hallte durch den ganzen Asteroiden.
»Was ist passiert?«, knurrte die Tellaritin.
Sams starke Arme schoben sie zwischen zwei kleine Stahlgerüste. Er hatte instinktiv die Füße unter einen Träger geschoben, als die Vibrationen begannen. »Harmonische Interferenzen«, erklärte er. »Offenbar ist einer der Gravitationsgeneratoren ausgefallen, und die anderen konnten nicht schnell genug kompensieren.«
Jameson schlang eine Sicherheitsleine um die nächste Gerüststrebe und befestigte das andere Ende an Glissas Harnisch. »Keine Sorge. Die Sache bringt sich selbst in Ordnung. Nach einigen weiteren Fluktuationen stabilisieren sich die einzelnen Schwerkraftfelder.«
»Die Kinder …«, quiekte Glissa. Sie konnte nicht den Kopf drehen, um zu den Bildschirmen zu sehen – ihr Gewicht schien sich plötzlich zu verdreifachen und presste sie an den Boden.
Sam reckte den Hals und sah dorthin, wo die Tellariten aus der Gemeinde ihre Mahlzeit eingenommen hatten. »Es ist alles in Ordnung mit ihnen. Ihre Sicherheitsleinen sind noch immer mit dem Wagen verbunden.« Er griff nach Glissas Arm, als ihn Niedrigschwerkraft erfasste und einen halben Meter aufsteigen ließ. »Na bitte. Es ist schon nicht mehr so schlimm.«
»Wieso kennen Sie sich so gut mit künstlichen Schwerkraftfeldern aus?«, fragte die Tellaritin.
Sam bekam gar keine Gelegenheit, darauf zu antworten. Neuerliche Vibrationen schüttelten den Asteroiden, als ein weiterer Gravitationsgenerator versagte – und dann noch einer. Die übrigen Felder zerrten den ausgehöhlten Himmelskörper in zwei verschiedene Richtungen. Ein dumpfes Knirschen erklang, und das Knacken von berstendem Metall gesellte sich hinzu. Sam sah in die entsprechende Richtung und riss die Augen auf. »Das Fundament des Sees!«
Innerhalb eines Sekundenbruchteils reifte eine schreckliche Erkenntnis in Glissa heran. »Die Pfeiler müssen erst noch installiert werden. Der See …«
Neuerliches Heulen übertönte die G-Warnungen: Druckalarm.
»Nein!« Sam beobachtete etwas, das die Schichtleiterin nicht sehen konnte.
»Was ist?«
»NEIN!« Der Mensch wandte sich von Glissa ab und zog die Füße unter dem Träger hervor.
»Was ist los, Sam?«
»Die Kinder!« Jameson sprang über die Tellaritin hinweg, und gleichzeitig begann der Wind.
Glissa versuchte, sich aufzusetzen. Die um sie herum immer lauter zischende Luft konnte nur eins bedeuten: Aufgrund der Gravitationsfluktuationen waren im Fundament des Sees Risse entstanden, und dahinter gab es nur … die Leere des Alls.
Sie hörte, wie sich die Schreie der Arbeiter mit dem Fauchen der entweichenden Luft und dem Heulen der Sirenen vermischten. Entschlossen klopfte sie mit dem Huf auf das Kontrollsegment des nächsten Bildschirms und rief verschiedene Szenen ab, bis sie einen Sensor fand, der ihr den See zeigte.
»Bei Kera«, flüsterte sie, als sie die Kinder sah: Sie hingen am Ende ihrer Sicherheitsleinen, nur zehn Meter von einem Loch im Boden des geplanten Sees entfernt. Das Vakuum saugte Luft und diverse Objekte in den Weltraum. »Bei Phinda!«, entfuhr es der Tellaritin, als sie Sam Jameson bemerkte: Er kauerte an einer dicken Stahlstange und befestigte eine Leine daran.
Glissa aktivierte das Kom-Modul des Senders, um die Bilder der Frachtsektion zu übermitteln. Der Transfer im unteren Frequenzbereich war zweifellos riskant – aber jenseits des Risses im Fundament des Sees lauerte der Tod. Die Tellaritin hoffte inständig, dass die Sicherheitsleinen der beiden Kinder hielten, dass Sam an Ort und Stelle blieb.
Doch die Stränge waren an einem kleinen Wagen befestigt, der dem Sog nachzugeben begann. Und ganz gleich, wie wenig Glissa über den wahren Sam Jameson wusste: Er würde bestimmt nicht tatenlos zusehen, wie die Kinder ins All gezerrt wurden.
Die Schichtleiterin nannte der Frachtsektion die Koordinaten, als Sam den relativen Schutz der Stahlstange verließ und sein Leben der Leine anvertraute, die sich hinter ihm spannte.
Die Gravitation war inzwischen wieder stabil, aber das änderte nichts an dem enormen Sog. Der Mensch stapfte durchs Chaos, näherte sich langsam den Kindern. Steine und andere Dinge flogen an ihm vorbei. Einige trafen ihn. Er achtete nicht darauf, ignorierte auch das Blut, das aus kleinen Wunden quoll. Bisher hatte Glissa nicht genau feststellen können, was der Mensch empfand, aber als sie ihn nun beobachtete, war sie ganz sicher, dass keine Furcht in ihm wohnte: Er widmete seine ganze Willenskraft der Aufgabe, die beiden Kinder zu retten.
Schließlich erreichte Sam den Wagen. Die Aktivitätssensoren leuchteten nicht mehr – der Apparat hatte seine ganze Energie dabei vergeudet, dem Wind Widerstand zu leisten. Jameson schlang die Arme um das Steuerungsmodul und trachtete danach, die Maschine festzuhalten. Glissa schaltete auf eine andere Übertragungskomponente um und sah, dass sich die Leine des Menschen nicht noch weiter dehnen konnte. Sams Arme zitterten, als er sich bemühte, das Bewegungsmoment des Wagens zu neutralisieren, aber der Sog erwies sich als stärker: Die Distanz zwischen den quiekenden Kindern und der hungrigen Leere verringerte sich.
Es blitzte in Sams Augen, und Glissa wusste: Jetzt brodelte Zorn in dem Mann. Er tastete nach einer bestimmten Stelle seines Harnisches und löste die Leine. Entsetzen prickelte in der Tellaritin, und aus einem Reflex heraus beugte sie sich vor, um eine Warnung zu rufen, die Sam überhaupt nicht hören konnte.
Der Wagen ruckte einen Meter in Richtung Loch, als Jameson ihn losließ und an den Sicherheitsleinen entlangkroch. Er gelangte zu den Kindern, als sie nur noch drei Meter von dem Riss im Boden trennten – von einer Öffnung, die allmählich breiter wurde. Wann setzte die Frachtsektion endlich den Transporter ein?
Die Entfernung zum Loch schrumpfte auf zwei Meter, als Sam die beiden kleinen Tellariten umarmte. Er stemmte sich dem Sog entgegen … Wohin wandte er sich jetzt? Wenige Sekunden später verstand Glissa die Absicht des Terraners: Ein Vorsprung aus Metall befand sich in unmittelbarer Nähe. Mit schier übermenschlicher Kraft drückte Jameson die Kinder dagegen – wenn sie sich nicht von der Stelle rührten, waren sie dort sicher, solange es genug Luft zum Atmen gab. Aber der Vorsprung bot keinen Platz für ihn.
Glissa stöhnte unwillkürlich, als sie beobachtete, was der Mann nun unternahm. Er streifte seinen Harnisch ab – ohne ihn hatte er praktisch keine Überlebenschance –, wickelte ihn um die Kinder und zog die Riemen fest.
»Nein, bitte …« Die Schichtleiterin betete zu den Zwei Monden, als sie sah, wie Sams Finger an dem metallenen Vorsprung nach Halt suchten. Sie betete zum Dunst und zum Schlamm, zu allen Würfen des Himmels – doch gerade der Himmel war es, der nun Anspruch auf Jameson erhob.
Zentimeter um Zentimeter rutschte er fort, ohne die Möglichkeit, dem Sog noch länger standzuhalten. Er fiel dem Riss entgegen, dem Weltraum, der tödlichen Leere zwischen den Sternen.
Am Rand der Öffnung klammerte er sich fest und gewann auf diese Weise eine letzte Gnadenfrist.
Glissa veränderte die Justierung des Sensors, und Hunderte von Bildschirmen im Innern des Asteroiden zeigten eine Nahaufnahme vom Gesicht dieses heldenhaften Mannes – niemand sollte seine Selbstaufopferung vergessen.
Das Erstaunen der Tellaritin wuchs immer mehr, und sie fragte sich, was für ein Mensch Jameson war, was für ein Wesen. Es gab keine Hoffnung mehr für ihn, aber trotzdem kapitulierte er nicht, kämpfte weiter. Der endlose Sturz durch die ewige Nacht des Alls stand nun unmittelbar bevor, doch Sams Gesicht zeigte noch immer keine Furcht.
Tränen strömten Glissa aus den kleinen Augen, denn sie begriff nicht, was sich ihren Blicken darbot. Der Mann trotzte dem Tod mit einer für die Tellaritin völlig unverständlichen Mischung aus Tapferkeit und Starrsinn. Man sollte diese Welt nach dir benennen, fuhr es ihr durch den Sinn. Ich schwöre dir, dass ich einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten werde, Sam. Sam Jameson. Mein Freund.
Die Hände des Terraners glitten am Rand des Risses ab.
Die Sterne errangen den Sieg.
Doch ganz plötzlich verklang das Heulen der entweichenden Luft, und ein fast ohrenbetäubend lautes Transportersurren übertönte den noch immer schrillenden Druckalarm.
Glissa starrte auf den Bildschirm, als sich Sam von der Öffnung fortrollte. Im Innern des Loches spiegelte sich das Funkeln eines Transferfelds an silbrig glänzenden Metallwänden wider. Die Frachtsektion hatte nicht etwa Sam und die tellaritischen Kinder fortgebeamt, sondern Versiegelungsmasse transferiert.
Die Schichtleiterin dankte den Monden, indem sie sich mit den Hufen an die Stirn klopfte. Dann löste sie die Sicherheitsleine vom Harnisch und eilte zum Fundament des Sees, um Sam zu seinem zweiten Leben zu beglückwünschen. Doch andere erreichten ihn vor ihr, und verblüfft sah sie Abscheu in den Mienen der übrigen Personen.
Die schluchzenden Kinder befanden sich bereits in der Obhut ihrer Mutter und einiger Monteure. Der Riss im Boden präsentierte sich jetzt nur noch als eine lange Narbe aus dem gehärteten blauen Schaum der Versiegelungsmasse. Sam hockte an dem stählernen Vorsprung, der die kleinen Tellariten geschützt hatte: Seine Arbeitskleidung war an mehreren Stellen zerfetzt, und Blut tropfte aus einem Dutzend Wunden. Doch die Menschen in der Nähe boten ihm keine Hilfe an, flüsterten nur miteinander.
Glissa bahnte sich einen Weg durch die Menge und trat zu Sam.
»An Ihrer Stelle würde ich ihm nicht helfen«, brummte einer der Terraner. Er war größer und schwerer als Sam; am Arm zeigte sich eine Tätowierung, die darauf hinwies, dass er einige Jahre in einer Strafkolonie verbracht hatte.
»Was soll das heißen?«, erwiderte Glissa. Sie kniete nieder und griff mit den Hufen nach Jamesons Händen. »Er hat die Kinder gerettet.«
»Haben Sie keine Augen im Kopf?« Diese Worte stammten von einer Frau, die fast ebenso groß war wie der Mann mit der Tätowierung. »Oder hatten Sie keine Gelegenheit, ihn auf den Bildschirmen zu sehen?«
»Doch, natürlich«, entgegnete Glissa unsicher.
»Und trotzdem erkennen Sie ihn nicht? Sein Gesicht erschien immer wieder in den Holo-Nachrichten. Allerdings ohne Bart.«
Die Tellaritin wandte sich an Sam. »Was hat das zu bedeuten?«
Die Frau trat einen Stein in Jamesons Richtung. »Na los. Sagen Sie ihr, was es zu bedeuten hat. Oder fehlt Ihnen der Mumm dazu?«
»Sam?«
»In Wirklichkeit heißt er anders, Boss«, ließ sich ein dritter Mensch vernehmen. Er war kleiner und breiter, stammte ganz offensichtlich von einem Planeten mit hoher Schwerkraft. Seine Bewegungen wirkten sehr kraftvoll, als er näher kam, vor Sam und Glissa stehenblieb. Er starrte auf den verwundeten Terraner und die Tellaritin neben ihm herab.
»Sie sind Kirk, nicht wahr?«, fragte er. Glissa schnaubte unwillkürlich, als sie diesen schrecklichen Namen hörte. »Früher Kommandant der Enterprise, stimmt's?«
Die Schichtleiterin musterte Sam, sah ihm tief in die Augen. »Nein«, hauchte sie. »Nein …«
Sein Schweigen genügte als Antwort.
Glissa zog die Hufe zurück.
»Mörder!« Die Frau trat einen weiteren Stein zum Verletzten.
»Schlächter!« Der kleine Mensch spuckte auf Sams Stiefel.
Glissa rang mit ihrer Bestürzung und erinnerte sich daran, dass Arbeit und Pflicht an erster Stelle kamen. »Das genügt!«, brummte sie und maß die Monteure mit warnenden Blicken. »Es liegt noch eine halbe Schicht vor uns, und ich möchte, dass Sie jetzt sofort an die Arbeit zurückkehren.«
Sie zögerten, doch das Knurren der Schichtleiterin genügte als Hinweis – Menschen und Tellariten schlurften fort, verließen das Fundament des Sees.
Der Mann, den Glissa als Sam Jameson gekannt hatte, sah zu ihr auf und schien etwas sagen zu wollen, doch sie kam ihm zuvor, indem sie den einen Huf hob. Man hat eine Welt nach diesem Ungeheuer benannt. »Weitere Worte erübrigen sich. Ich werde dafür sorgen, dass Sie den noch ausstehenden Lohn bekommen, und außerdem buche ich Ihnen einen Platz an Bord des nächsten Shuttles. Sie sollten … Sie sollten so schnell wie möglich von hier verschwinden. Bevor noch mehr Leute herausfinden, wer Sie sind.« Die Tellaritin wandte sich halb ab. »Interworld kann Ihre Sicherheit nicht garantieren.«
Der Mensch gab keinen Ton von sich. Glissa stand auf und ging zu den Quäker-Arbeitern, um die jüngsten Ereignisse jenen Monteuren zu erklären, die kein Standard verstanden – obgleich der Name Kirk kaum eine Übersetzung erforderte. Er war auf Hunderten von Welten als Fluch bekannt.
Während Glissa und die übrigen Tellariten leise miteinander sprachen, näherten sich die beiden Kinder dem Verletzten. Sie beobachteten ihn besorgt, als er mühsam aufstand und sein Blut zu Boden tropfte.
Einer der beiden kleinen Tellariten schien etwas mutiger zu sein als der andere, trat vor und löste das Tuch vom Hals. Mit winzigen Hufen bot er es dem Menschen an, der zögerte und sich offenbar fragte, ob er ein solches Geschenk annehmen konnte.
»Bitte«, sagte der Tellarit. »Ich möchte helfen.«
Der Mann zuckte zusammen, und blickte so in die ernsten Augen des Kindes, als sähe er dort eine ganz andere Person, als hörte er Worte, die jemand anders an ihn gerichtet hatte, irgendwann in der Vergangenheit. Er antwortete mit sanfter, leiser Stimme, nahm das Halstuch entgegen und hielt es an eine Wunde. Dann drehte er sich um, ging mit hoch erhobenem Kopf und sicheren Schritten fort.
Glissa fühlte, wie ihr unerwartete Tränen über die Wangen rollten, als sie dem Menschen nachsah. Sie zweifelte nicht daran: Für James T. Kirk gab es keinen Ort mehr, an dem er Ruhe finden konnte.
Die Enterprise war nicht auf eine ehrenvolle, saubere Weise gestorben. Wenn der Chefingenieur an ihr Ende dachte, hatte er sich häufig vorgestellt, wie sie von einer Nova verschlungen wurde, oder vielleicht von den unergründlichen Tiefen eines schwarzen Lochs. Er dachte daran, wie sie sich selbst opferte, um Leben zu retten.
Statt dessen wurde sie hingeschlachtet: Sie verlor Energie und Geschwindigkeit, musste es hinnehmen, zwischen den entgegengesetzten Unendlichkeiten des Normalraums und der Cochrane-Teilmenge deformiert zu werden. Ein großer Teil des Schiffes existierte noch, aber Herz und Seele waren verloren.
Gelegentlich bedauerte Montgomery Scott, dass die Enterprise nicht ganz gestorben war – und er mit ihr.
Er stand jetzt in der Beobachtungskammer – so früh am ›Morgen‹ hielt sich außer ihm niemand in ihr auf – und lehnte die Stirn ans glatte Panoramafenster. Nach einigen Sekunden schloss er die Augen und dachte an damals, als es genügt hatte, irgendeinen Teil des Raumschiffes zu berühren, um den Pulsschlag des Materie-Antimaterie-Wandlers zu spüren. Jetzt blieben Vibrationen aus; es steckte kein Leben mehr im Schiff. Die wenigen hier und dort installierten Notlichter an Bord bezogen ihre Betriebsenergie aus Batterien. Ab und zu kam es zu Erschütterungen, aber sie gingen nicht auf kurze Schubphasen der Manövrierdüsen zurück; mangelndes Geschick der Schlepper-Piloten trug die Verantwortung dafür.
Nach einer Weile hob Scott die Lider. Sein Atem kondensierte an der Scheibe, und die dunstige Patina aus Feuchtigkeit glänzte silbrig-weiß, als die Enterprise über den Terminator des Mondes glitt, den sie umkreiste – das reflektierte Licht der Sonne von Talin gleißte ihr entgegen, und einmal mehr sah der Chefingenieur die luftlose Wüste fünfhundert Kilometer unter dem Schiff. Auch diesmal ging ein blendendes Schimmern von ihr aus und entriss die Außenhülle des Schiffes der Nacht.
An vielen Stellen zeigten sich dunkle Streifen: Sie stammten von energetischen Entladungen, die überlastete Deflektoren durchdrungen hatten, um sich in den Rumpf des Raumschiffs zu fressen. Eine Zeitlang beobachtete Scott die kleinen, käferartigen Wartungsshuttles, die notdürftige Reparaturen vornahmen, damit die Enterprise zum Raumdock der Starbase 29 geschleppt werden konnte. Erst dort sollte entschieden werden, ob sich eine komplette Instandsetzung lohnte.
Der Chefingenieur blickte zum sekundären Rumpf, betrachtete die alles andere als elegante Anordnung aus Druckplatten und Verbindungselementen. Solche Unvollkommenheit veranlasste ihn dazu, eine Grimasse zu schneiden. Kein Besatzungsmitglied hätte es gewagt, die Enterprise auf diese Weise zu behandeln, so rücksichtslos und unaufmerksam, als sei sie nur eine Ansammlung aus Metall und Kunststoff, nicht mehr als eine komplexe Maschine. Manchmal vertraten neue Fähnriche eine solche Einstellung, während der ersten Wochen an Bord. Aber nach etwa einem Monat mussten nicht einmal die grünsten Rekruten darauf hingewiesen werden, welches Verhalten das Schiff erforderte. Sie spürten und wussten es, im Gegensatz zu den Starbase-Mechanikern, die von Job zu Job eilten und jetzt in sowie an der Enterprise arbeiteten. Von der ursprünglichen Besatzung waren nur Scott und einige andere übrig.
Der Steuerbord-Verbindungsstutzen hatte sich um mindestens acht Grad zur Seite geneigt, und der Chefingenieur seufzte, als die stählernen Greifarme der Wartungsshuttles die schwarzen Platten von Traktorstrahlkollektoren daran befestigten. Die Mechaniker wollten den Stutzen biegen, um dem Schiff Warp-Balance zurückzugeben – damit es mit Überlichtgeschwindigkeit abgeschleppt werden konnte. Aber Scott sah keinen Sinn darin. Die Steuerbord-Warpgondel existierte nicht mehr – Spock hatte sie rechtzeitig abgesprengt. Im Gegensatz zur Backbord-Gondel.
Jene Einheit war der Grund dafür, warum sich die Enterprise noch immer im Orbit von Talins Mond befand – damit sie dort untersucht werden konnte, mit dem gleichen Eifer, den Leichenkäfer von Karunda beim Sezieren einer Leiche entfalteten. Kein anderes Schiff hatte den Warptransfer diesseits der Danylkiw-Grenze eines planetaren Gravitationsschachtes eingeleitet und ein solches Manöver zumindest teilweise überstanden. Noch vor dreieinhalb Monaten war Scott der Ansicht gewesen, dass sich so etwas unmöglich bewerkstelligen ließ. Ein duales Warptriebwerk musste sorgfältig justiert und balanciert werden, bevor man es wagen konnte, damit innerhalb eines Sonnensystems – geschweige denn in der Nähe eines Planeten der Klasse M – in den Transit zu gehen. Zwar wurden die Kalibrierungsverfahren ständig weiterentwickelt und verbessert, aber nach Scotts Schätzung würde es noch mindestens zehn Jahre dauern, bis ein Warptransfer in der Nähe eines Sterns stattfinden konnte, ohne dass der betreffende Raumer riskierte, in ein Einsteinsches Wurmloch zu fallen oder in eine Danylkiw-Singularität zu geraten.
Nun, moderne ÜL-Triebwerke konnten durchaus innerhalb eines Gravitationsschachtes aktiviert werden, wobei die minimale Entfernung vom Planeten der Höhe eines Standardorbits entsprach, doch es blieb unvorstellbar, mit dem Warptransfer innerhalb einer planetaren Atmosphäre zu beginnen. Aber genau das war geschehen, damals, vor dreieinhalb Monaten. Die Enterprise hatte den Transit in der Atmosphäre von Talin IV eingeleitet. Darauf wiesen die albtraumhaften Reste der Backbord-Gondel deutlich hin.
Ihr vorderes Segment war noch immer in Ordnung. Kurz vor dem Zwischenfall hatte man das gewölbte Entladungselement auf eine Routinewartung vorbereitet, und daher existierte es nach wie vor. Doch dreißig Meter dahinter zeigten sich die ersten Deformationen in der zylindrischen Masse. Nach noch einmal zwanzig Metern sah die Gondel aus wie gedehntes Toffee – wie jene Süßigkeiten, die Sulu sechs Monate lang verwendet hatte, um kleine Vögel und Drachen aus ihnen zu modellieren. Nach sechzig Metern schien sich die Gondel einfach aufzulösen: Vermutlich war sie dort zu einem Punkt zusammengepresst, im Innern einer multidimensionalen Sphäre, die sich jenseits des Normalraums erstreckte, in jenem Bereich, der Warpgeschwindigkeiten zuließ.
Man diskutierte noch immer darüber, wo sich der Gondelrest tatsächlich befand. Zwölf Fachleute vom Cochrane-Institut auf Centaurus hatten zusammen mit Starfleet-Spezialisten der Abteilungen Wissenschaft, Technik und Sicherheit umfangreiche Analysen durchgeführt. Zwei Wochen lang fanden sorgfältige Sensorsondierungen statt und führten zu folgendem Ergebnis: Die Gondel wurde nach wie vor in den Warpraum gezogen, mit einer Geschwindigkeit von einem Atomdurchmesser pro Tag. Scott hielt diese Interpretation der Untersuchungsergebnisse für unsinnig: Jedes Kind wusste, dass der Warptransit in Nullzeit erfolgte – man war entweder hier oder dort, aber nie auf halbem Wege dazwischen. Er versuchte, die angeblichen Experten davon zu überzeugen, dass die Phänomene mit den energetischen Entladungen in Verbindung standen, oder vielleicht mit dem rätselhaften Subraum-Impuls, der alle Transtator-Schaltkreise im Schiff zerstört hatte. Die Reaktion der Spezialisten bestand darin, dass sie bei ihren nächsten Besprechungen auf die Präsenz des Chefingenieurs verzichteten und auch weiterhin das langsame Verschwinden der Enterprise maßen, Molekül um Molekül.
Daraufhin konnte Scott zwar nicht mehr feststellen, worüber sich die Starfleet-Fachleute berieten und was sie planten, aber Gerüchte und Indiskretionen vermittelten folgende Botschaft: Bei der gegenwärtigen Debatte ging es um die Frage, ob die Backbord-Warpgondel vom Rest der Enterprise gelöst werden konnte, ohne dadurch einen Katapult-Effekt auszulösen, der das Wrack zerstörte. Oder sollte das Schiff aufgegeben, außer Dienst gestellt und in ein wissenschaftliches Opferlamm verwandelt werden, um zu beobachten, wie es allmählich im Nichts verschwand?
Scott rieb sich die Wangen und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Zorn quoll in ihm empor, wenn er an die unwissenden, bornierten und eingebildeten Hampelmänner dachte, die nun über das Raumschiff Enterprise entschieden. Nie zuvor hatte er sich so hilflos gefühlt. Wenn ich doch nur auf der Brücke gewesen wäre, dachte er einmal mehr. Dann hätte ich die Sache ebenso hinter mir wie der Captain. Armer Kerl. Wo er jetzt wohl sein mag?
Der Chefingenieur strich mit den Fingerkuppen über die Scheibe des Panoramafensters – nur wenige Zentimeter trennten ihn vom Vakuum des Alls. James Kirk weilte irgendwo dort draußen, ebenso weit entfernt wie die Sterne.
Hinter Scott öffnete sich das Schott der Beobachtungskammer mit einem leisen Zischen. Er seufzte erneut, als er bereits vertraut gewordene Schritte hörte – ein Geräusch, in dem er Arroganz zu erkennen glaubte.
»Guten Morgen, Mr. Scott. Die Arbeiten kommen zügig voran, nicht wahr?«