Die Föderationskolonien in den Xaridia-Systemen werden von Aliens angegriffen und gnadenlos verwüstet. Als die Enterprise eintrifft, kommt es zum Kampf. Doch Captain Kirk muss die bittere Erfahrung machen, dass sein Raumschiff den kleinen Flitzern und ihren Kamikaze-Piloten kaum gewachsen ist.
Währenddessen erfüllt Lieutenant Uhura mit der Crew der Lexington einen Sonderauftrag: Sie fungiert bei den Verhandlungen auf dem Planeten Rithra als Dolmetscherin. Dabei kommt sie dem großen Tabu der Rithrim auf die Spur. Und plötzlich schlägt die freundliche Atmosphäre in Feindseligkeit um. Spock entdeckt, dass eine der angegriffenen Kolonien vor der Zerstörung geplündert wurde. Dabei wurde Starfleet-Technologie entwendet, die zur Konstruktion einer gefährlichen Waffe verwendet werden kann …
Über das Buch
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
PETER DAVID & MICHAEL J. FRIEDMAN & ROBERT GREENBERGER
DIE ENTERBTEN
Star Trek™
Classic
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
www.diezukunft.de
»Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens.« Jak Eisman bedachte den Mann, der dies gerade gesagt hatte, mit einem schiefen Grinsen. Dann deutete er mit dem Finger auf ihn. »Und du, Delacort«, sagte er, »bist ein Neidhammel.«
Delacort machte einen Schritt zurück und tat so, als habe ihm jemand ins Herz geschossen. Er war zwar ein paar Jahrzehnte älter als Jak, aber dies hinderte ihn nicht daran, sich wie ein Junge aufzuführen. Er schüttelte seine weiße Mähne und legte mit ernster Miene eine Hand auf Jaks Schulter. »Wir haben zusammengearbeitet, und ich habe dich ausgebildet«, erwiderte er. »Ich habe mich bemüht, dich alle Werte zu lehren, die mich durchs Leben gebracht haben. Und was passiert? Du heiratest trotzdem.«
Jak schüttelte den Kopf und tätschelte den vor Delacort stehenden Computerbildschirm. »Glaubst du nicht auch«, sagte er, »dass es besser wäre, wenn du jetzt anfängst zu arbeiten? Wir haben heute eine Menge zu erledigen.« Seine blauen Augen blinzelten heiter. Sein langes rotes Haar war zu einem Zopf gebunden, den er noch nicht lange trug. Zwar hatte der Zopf ihm einige Kommentare seitens der übrigen Angehörigen der kolonialen Forschungsgruppe von Gamma Xaridia eingetragen, aber es störte ihn nicht. Für ihn zählte im Grunde nur eins: dass er L'rita gefiel. Ihrer Ansicht nach wirkte er mit dem Zopf und seinem viereckigen Kinn irgendwie heldenhaft – fast wie ein Pirat aus alter Zeit. Der Klang ihrer Worte hatte ihm gefallen. Jak Eisman, der piratenhafte Adjutant des administrativen Leiters der Kolonie Gamma Xaridia. Klang das nicht toll?
Delacort ließ sich mit einem Seufzer, der wie ein lauer Wind klang, hinter dem Schreibtisch nieder. Sein Büro war das größte nicht nur in diesem Gebäude, sondern auch auf dem gesamten Planeten. Die prächtige Sonne Gamma Xaridias kam gerade über den Horizont, ihre Strahlen fielen durch das Fenster und erhellten eine Vielzahl gläserner Nippsachen, die Delacort mit Hingabe sammelte. Sie standen in Massen in den Regalen, so dass der Morgen in seinem Büro wie üblich sehr beeindruckend ausfiel. Auf sämtlichen weißen Flächen schillerten Regenbogen. Obwohl Jak es nicht ausstehen konnte, so früh aufzustehen, um seinen Pflichten als rechte Hand Delacorts nachzukommen, hatte die Sache doch einigen ästhetischen Reiz.
Delacort warf einen Blick auf seinen Tagesplan. »Das gleiche wie gestern«, sagte er dumpf. »Und das gleiche wie vorgestern: Debatten, Diskussionen. Ich gehe jede Wette ein, dass heute sieben Komiteekonferenzen anstehen.«
»Acht«, korrigierte Jak ihn.
»Acht. Wie viele wissenschaftliche Komitees gibt es eigentlich in dieser Kolonie?«
Jak wusste ziemlich gut, dass Delacort die Antwort kannte, aber er sprach sie dennoch aus. »Dreiundachtzig.«
»Dreiundachtzig.« Delacort schüttelte ungläubig den Kopf. »Dreiundachtzig«, wiederholte er. »Weißt du was?«, sagte er dann und winkte Jak mit einem fleischigen Finger. »Als ich damals mit dieser Kolonie anfing …«
»Ja, das war noch in der guten alten Zeit«, erwiderte Jak mit äußerster Ernsthaftigkeit. »In der guten alten Zeit, als es noch keine Raumfahrt gab, als man von der Erde aus noch zu Fuß hierherkommen musste. Hundertzwanzig Millionen Kilometer, durch den Schnee. Und immer bergauf.«
»Stimmt«, sagte Delacort todernst. »Und die ganze Zeit über bissen einem die Dinosaurier in die Waden.« Er lächelte kurz und fuhr dann fort: »Aber im Ernst, Jak. Als wir damals hier anfingen, gab es genau ein Komitee. Ich habe es geleitet. Man nannte es ›das Komitee, das alles ankurbelt‹. Damals habe ich mir geschworen, dass wir nicht in diese Falle tappen – dass wir uns schneller teilen als eine Amöbe und jedes Komitee für etwas anderes verantwortlich ist. Und weißt du, was passiert ist?«
»Wir haben es trotzdem getan.«
»Genau«, brummte Delacort. Seine Hände machten eine vage Geste. »Hol's der Henker. In drei Monaten verlasse ich diesen Klotz, dann kannst du alles übernehmen. Dann gehört alles dir – und deiner süßen Braut.«
»Aber sicher«, sagte Jak. »Dann gehst du in Pension. Das hast du voriges und vorvoriges Jahr übrigens auch gesagt.«
Delacort setzte eine erschreckte Miene auf. »Was soll das heißen? Kannst du es etwa nicht erwarten, mich los zu sein?«
Jak machte eine abfällige Geste. Dann ertönte der Türsummer. »Herein«, rief Delacort.
Die Tür ging zischend auf, und L'rita lugte hindurch. Sie wusste, wie hoch Jak Delacort in Wahrheit einschätzte, auch wenn er es hinter seinem gutmütigen Gefrotzel zu verbergen wusste. Sie selbst war als Individuum zu offen, um ihre diesbezüglichen Gefühle zu verbergen. Wenn sie in seiner Nähe war, gab sie sich immer recht schüchtern.
»Störe ich etwa?«, fragte sie zögernd.
Delacort winkte sie herein. »Überhaupt nicht«, sagte er. »Ich habe mich nur gerade mit dem armen Hund da unterhalten.«
»Mit dem armen Hund?« Sie blinzelte, schien ihn nicht ganz zu verstehen. L'rita war zwar absolut kompetent, wenn es galt, über Quantenastrophysik zu diskutieren, aber wenn unterschwelliger Humor und milder Sarkasmus angesagt waren, schien sie schwer von Begriff. »Meinen Sie etwa meinen Verlobten?«
Delacort zuckte die Achseln. »Ist doch das gleiche.«
»Ignoriere ihn einfach, Schätzchen«, sagte Jak. Er gab L'rita mit einer Handbewegung zu verstehen, sie solle zu ihm kommen. Als sie neben ihm stand, streichelte er mit der Hand zärtlich über ihren kahlen Schädel. Er ertastete ein paar Stoppeln und wusste, dass sie sich bald wieder rasieren würde. »Was ist denn?«
»Wir müssen noch ein paar Kleinigkeiten besprechen – wegen des Hochzeitsempfangs heute Abend.«
»Kleinigkeiten?«, sagte Delacort. »Mich trifft der Schlag. Wenn ihr noch länger wartet, besprecht ihr sie erst nach der« – er schüttelte sich leicht – »Hochzeit. Und wenn ich mir vorstelle, dass ich die Zeremonie als Leiter der Kolonie durchführen muss …«
L'rita neigte leicht den Kopf. Ihre pupillenlosen schwarzen Augen musterten Delacort eingehend. »Sie reagieren so negativ auf das Wort Hochzeit, Mr. Delacort«, sagte sie neugierig. »Warum eigentlich?«
»Weil die Ehe ein unnatürlicher Daseinszustand ist, meine Liebe«, erwiderte Delacort dröhnend. »Kennen Sie eigentlich den Unterschied zwischen Ehe und Tod?«
L'rita schaute von Delacort zu Jak. Da Jak den Witz nicht seiner Pointe berauben wollte, sagte er mit einem Seufzer: »Nein, wissen wir nicht. Was ist der Unterschied, Chef?«
»Ich kenne ihn auch nicht«, sagte Delacort. »Aber bevor ich es nicht weiß, habe ich nicht vor, eins von beidem auszuprobieren.«
In diesem Augenblick heulten die Sirenen auf.
L'rita schnappte nach Luft, trat instinktiv näher an Jak heran und drängte sich an ihn. Sie schaute sich verwirrt um. »Jak?«
Das kameradschaftliche Geplänkel brach augenblicklich ab. Delacort war sofort hinter dem Computerbildschirm. »Computer!«, rief er. »Bildschirm löschen, verdammt! Ich brauche einen umfassenden Report!«
Jak hatte sich an die Kom-Einheit an der Wand begeben und verlangte die aktuellen Zustandsmeldungen. In diesem Augenblick zischte die Tür ohne Vorwarnung auf, und die Wissenschaftler ergossen sich wie Lemminge in Delacorts Büro. Die Luft war von wirren Stimmen erfüllt, die entweder über den neuesten Stand der unerwarteten Situation berichteten oder wissen wollten, was überhaupt los war.
Auf dem Hof tief unterhalb von Delacorts Büro heulte die Sirene weiterhin. Verschiedene Kolonisten wankten in unterschiedlichen Stadien der Zerzaustheit auf die Plätze vor den Gebäuden und zupften an ihren Kleidern und Morgenmänteln, um ihre Schlafanzüge zu bedecken. Nur Irre wie Delacort und sein unmittelbarer Stab waren so verrückt, zu dieser frühen Stunde schon auf den Beinen zu sein.
Delacort schwenkte die Arme. »Klappe halten!«, schrie er aufgeregt. »Klappe halten! Alle Mann!« Da er die Meldung des Computers nicht hören konnte, musste er brüllen. »Computer – wiederholen!«
»Im Umkreis des Planeten sind sechs Schiffe aus dem Warp gekommen«, sagte die Computerstimme mit tiefem Bariton. »Sie nähern sich mit hoher Geschwindigkeit. Die vorläufige Sensorabtastung zeigt, dass ihre Waffen scharf und feuerbereit sind. Allgemeine Größe und Konfiguration der Schiffe besagt mit dreiundneunzig Prozent Wahrscheinlichkeit, dass es sich um die gleichen handelt, die in den vergangenen vier Monaten die Systeme Alpha und Beta Xaridia angegriffen haben.«
»Nächstes planetares Verteidigungssystem?«, fragte Delacort.
»Station Bravo.«
»Direkte Kom-Verbindung«, sagte Delacort. »Sofort!«, fügte er hinzu, als könne sein Gebrüll die Verarbeitungsgeschwindigkeit des Computers beschleunigen.
Kurz darauf meldete sich über Interkom eine schleppende Stimme. »Hier ist Sloan, Station Bravo«, sagte der Mann. »Klingeln Sie an, um mir zu sagen, dass Sie Besuch bekommen haben, Großer Häuptling?«
Delacort wischte sich urplötzlich entstandenen Schweiß von der Oberlippe und sandte ein stummes Dankgebet an Kolkers beschützenden Geist. Sloan war der erfahrenste Mann, den die planetaren Verteidigungsstationen aufzuweisen hatten. Wenn sie wirklich angegriffen wurden, hätte er es nicht besser treffen können. »Yeah, Sloan. Haben Sie schon was?«
»Ich bin ihnen auf der Spur«, sagte Sloan. »Die haben wirklich Laufschuhe an … Es ist aber nichts, womit ich nicht fertig werden könnte. In etwa vier Sekunden haben wir die Zielinformationen.«
Delacort nickte und warf einen raschen Blick auf die in seinem Büro versammelte Menge. Seine Leute. Ihre Gesichter zeigten alle die gleiche Kalkfarbe. Sein Gesicht sah wahrscheinlich nicht anders aus. Da er Jak nirgendwo sah, rief er »Jak, schick einen Notruf an die Flotte! Sag ihnen …«
»Hab ich gerade gemacht«, sagte Jak. »Dachte mir schon, dass es besser wäre. Für den Fall …« Er schaute L'rita an, die einen Arm um seine Taille geschlungen hatte. Sie zitterte; er spürte es deutlich. »… dass es hier Ärger gibt.«
Dies hatte er ursprünglich natürlich nicht sagen wollen. Delacort wusste sehr genau, wie sein Satz hätte enden sollen … dass wir nicht überleben.
Aber so weit würde es nicht kommen.
»Sagen Sie doch was, Sloan«, sagte Delacort.
Eine ganze Weile verging, in der Delacort sein Leben an sich vorbeiziehen sah, dann dröhnte Sloans beruhigende Stimme erneut durch das Büro. »Ziel erfasst«, sagte er. »Wir haben positive Feuersignatur.«
Delacorts Reaktion war kurz und bündig. Nach dem, was schon auf Alpha und Beta Xaridia passiert war, durfte man kein Risiko eingehen. Keine Vermutungen äußern. Und wenn die Eindringlinge nur feindselig rochen – man musste davon ausgehen, dass sie es auch waren.
Er befeuchtete seine Lippen. »Schicken Sie sie in die Hölle«, sagte er.
»Schaut!«
Einer der Komiteevorsitzenden deutete durch Delacorts großes Erkerfenster. Weit, sehr weit im Osten, konnte man kleine Feuerbälle sehen, die den Himmel erhellten. Die am Boden postierten Phasergeschütze ließen ihre ganze Kraft auf den sich nähernden Feind los. Kurz darauf wurde der Anblick des Geschützfeuers von einem Krachen begleitet, das aber über die Kom-Leitung des Computers kam. Das schrille Winseln der Bodenphaser hatte Delacort früher stets Kopfschmerzen bereitet, doch nun erzeugten sie das herrlichste Geräusch, das er je vernommen hatte.
Und dann hörte er etwas, das weniger lieblich war.
»Gottverdammt!«, sagte Sloan wütend. »Wie schnell die kleinen Wichser sind! Ich geb's ihnen! Stoner! Dini! Ziel neu erfassen, verdammt! Schnappt sie euch, bevor …«
Dann tauchte an der Horizontlinie, wo die Station Bravo auf die sich nähernden Schiffe schoss, plötzlich ein Feuerball auf und jagte in die Höhe, als wolle er den Himmel ergreifen und ihn mit glühenden Hitzefingern berühren. Man hörte nichts – nur einen plötzlichen statischen Ausbruch über die Kom-Leitung.
»Verbindung abgebrochen«, sagte der Computer mit leidenschaftsloser Gelassenheit.
Zuerst sagte niemand etwas, dann brachte Delacort eine Frage heraus. »Grund für den Abbruch?«
»Vernichtung der Station Bravo.«
Die Anwesenden im Büro hatten kaum Zeit, die knappe Information zu verdauen, dann sahen sie sie schon: Es hatte den Anschein, als kämen die Angreifer direkt aus der nun aufgehenden Sonne. Es war, als schössen sie geradewegs aus dem Tor zur Hölle hervor.
Jak, der hinten stand, sagte mit einer Lautstärke, die kaum mehr als ein Flüstern war: »Del … Was tun wir jetzt?«
Als Delacort antwortete, hatte er den Eindruck, mit der Stimme eines Fremden zu sprechen. Und aus einer Million Kilometer Entfernung.
»Jak … Auf allen Frequenzen senden, damit diese Hundesöhne uns hören können.«
»Bereit, Chef.«
Delacort sagte mit lauter Stimme: »Hier spricht Administrator Delacort. Brechen Sie den Angriff sofort ab. Die Flotte wurde über Ihre feindlichen Aktivitäten informiert. Sie haben keine Chance. Bitte, antworten Sie.«
Er wartete auf eine Reaktion – auf irgend etwas. Auf Prahlereien. Drohungen. Forderungen. Irgend etwas.
Doch er hörte nur das Kreischen der Luft, denn nun flogen die Schiffe tiefer. Sie fegten niedrig über ihnen dahin, so dass die Wände bebten und die stille Morgenluft um sie herum donnerte. Der Boden unter Delacorts Füßen erbebte; seine Glas- und Kristallsouvenirs fielen scheppernd aus den Halterungen. Der Raum war vom Geräusch zerbrechender Dinge erfüllt. Skulpturen, dachte Delacort. Und Träume.
Die Schiffe wendeten, und diesmal eröffneten sie im Anflug das Feuer. Delacort schloss die Augen. Aber er konnte die Ohren nicht verschließen, als das Krachen der Strahler den Hof draußen erfüllte. Aus der Tiefe kamen die Schreie seiner Leute – jener Leute, die er nicht hatte beschützen können. Auch sein Büro war von Rufen und Schreien erfüllt, vom Gedonner der Füße und dem Geruch nach Schweiß und Tod. Er hörte Gebäude zusammenkrachen, die unter dem Angriff zerbarsten. Er trat ans Fenster und presste sich an die Scheibe, als wolle er das größtmögliche Ziel darstellen.
Unter ihm stand die Kolonie in Flammen. Er sah Mütter, die sich an die zerfetzten Leiber ihrer Kinder klammerten, dann kippten die Gebäude nach vorn und begruben sie unter sich. Er sah Jahrzehnte seines Lebens in brennenden Ruinen vergehen. Tränen liefen über seine Wangen, und als er sich umdrehte, war sein Büro bis auf Jak und L'rita leer. L'rita hatte das Gesicht an Jaks Brust vergraben; sie weinte so heftig, dass sie sich schüttelte. Jak nagte an seiner Unterlippe, streichelte ihren Kopf und gab sich Mühe, ihr zu sagen, dass alles schon irgendwie in Ordnung kommen würde.
Delacort schaute die beiden an.
Auch dieses Mal sagte er mit einer Stimme, die einem anderen zu gehören schien: »Willst du, Jak, L'rita zu deiner rechtmäßig angetrauten Ehefrau nehmen und sie lieben und ehren, bis dass der Tod euch scheidet?«
Die beiden schauten zu ihm auf, als hätte er den Verstand verloren. Delacort lächelte. »Nun?«
»Del … Bist du …«
»Ich glaube, wir haben nicht mehr viel Zeit«, sagte Delacort sanft drängend.
»Ja, er will«, sagte L'rita schnell. »Und ich will es auch.«
Jak schaute auf sie hinab. Eine Sekunde später küsste er sie hungrig und verzweifelt, wie ein Ertrinkender.
»Dann erkläre ich euch kraft des mir verliehenen …«, sagte Delacort.
Die Fensterscheibe zersplitterte, und rings um sie her kochte die Luft. Die Explosion warf Delacort nach vorn, und er wunderte sich über den stechenden Schmerz in seiner Brust. Er blickte nach unten und sah, dass eine riesige Glasscherbe aus ihm herausragte. Er starrte sie verblüfft an. Dann fiel er zu Boden.
Jak machte einen Schritt auf ihn zu, doch dann wurde das Gebäude erneut getroffen. Dieses Mal war der Einschlag stärker. Nun explodierte die Decke; Trümmer regneten auf ihn hinab. L'rita schrie seinen Namen und warf sich in seine Arme. Dann fiel die Decke an einem Stück auf sie herab. Der Boden brach unter ihnen ein und sackte fünf Stockwerke in die Tiefe.
Die fremden Schiffe kreuzten noch fünf Minuten über der Kolonie. Sie schossen auf alles, was sich bewegte. Sie zogen immer wieder über den Gebäuden dahin, bis sich nirgendwo mehr etwas regte.
Und dann …
Dann nahmen sie …
Nichts.
Die Aggressoren umkreisten ihr Werk lediglich. Ihre schlanken, dreieckigen Schiffe glitzerten im Morgenlicht, das Delacort so sehr geliebt hatte. Sie jagten zur aufgehenden Sonne empor und ließen Tod und Zerstörung zurück, aber nicht das geringste Motiv für das Massaker.
Der Notruf war längst zur Flotte unterwegs. Aber er war den unbekannten Angreifern nicht besonders wichtig.
Ihnen waren andere Dinge wichtig.
Und dann, vom Tod umgeben, trennten sie sich.
Die Kom-Einheit an Uhuras Wand piepste einmal. Sie ging zu ihr hinüber und drückte mit der Handkante auf den Knopf. »Lieutenant Uhura«, sagte sie.
»Lieutenant, kommen Sie kurz in mein Quartier, damit wir die letzten Einzelheiten Ihres Einsatzes durchgehen können?«
»Jawohl, Captain«, sagte sie. »Sofort.«
»Nehmen Sie sich Zeit, Lieutenant. Wir begegnen der Lexington erst in fünf Stunden.«
»Jawohl, Sir.«
Uhura trat in den Gang hinaus und machte sich auf den Weg zur Kabine des Captains. Dabei nickte sie lächelnd den Mannschaftsangehörigen zu, die ihr begegneten. Sie tat dies auf eine Art, die die anderen dazu brachte, sich fast auf der Stelle zu entspannen.
Doch dann runzelte sie die Stirn, denn sie vernahm etwas, das man in den Gängen der Enterprise nur sehr selten hörte – das Geräusch laufender Füße. Einen kurzen, albernen Augenblick lang nahm sie an, das Schiff stünde unter Alarmstufe Rot und sie habe das Signal aus irgendwelchen Gründen einfach übersehen. Doch nein, auch die anderen, denen sie begegnete, hörten die Schritte und tauschten leicht überraschte Blicke mit ihr aus.
Und dann, hinter der nächsten Ecke, begegnete sie einem heftig schnaufenden Fähnrich. Er bemerkte erst im letzten Augenblick, dass er sich geradewegs auf Kollisionskurs mit ihr befand. Seine Arme fuhren zurück, und er legte, ohne sich um die Fliehkraft zu scheren, den Rückwärtsgang ein. Das Ergebnis bestand darin, dass seine Beine unter ihm wegflogen und er mit dem Hinterteil schmerzhaft auf dem Boden landete.
Uhura ragte vor ihm auf. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und spitzte leicht die Lippen. Ihr Instinkt sagte ihr, dass sie sich bücken und ihm helfen sollte, wieder auf die Beine zu kommen, aber sie ahnte, dass sie ihn nur noch mehr erschrecken würde, wenn sie dies tat. Er stand schnell auf, klopfte sich den Staub von den Kleidern und murmelte geistesabwesend eine Entschuldigung.
»Sind Sie in Ordnung?«, fragte Uhura in dem Bemühen, ihre Erheiterung niederzuringen.
Der Fähnrich blinzelte so überrascht, als sei sein eigenes körperliches Wohlergehen von äußerst geringer Bedeutung. »Oh. Aber ja. Ist mir nie besser gegangen.«
Seine Füße scharrten unruhig auf dem Boden; es war klar, dass er am liebsten gleich weitergelaufen wäre, wo sein Ziel auch liegen mochte. Doch das Protokoll verlangte, dass er stehenblieb, bis seine Vorgesetzte – immerhin hatte sie ihn angesprochen –, ihm klarmachte, dass sie mit ihm fertig war.
»Fähnrich Chekov«, sagte Uhura, wobei sie auf eine Art und Weise, die sie Spock abgeschaut hatte, leicht eine Braue hob. »Sie haben es wohl sehr eilig, was? So kann man aber auch Unfälle provozieren.«
»Jawohl, Lieutenant«, sagte Chekov und bewegte nervös den Kopf.
»Wohin wollen Sie denn so eilig?«
»Auf die Brücke, Ma'am. Auf meinen Posten.«
»Hatten Sie den Eindruck, Sie könnten sie irgendwie verfehlen?«, fragte sie. »Dass sie ohne Sie von Bord gehen könnte?«
»O nein, Ma'am«, sagte Chekov in äußerst ernstem Tonfall. »Keinesfalls. Aber ich hatte mich … habe mich verspätet. Ich muss mich zum Dienst melden.«
»Um wie viel haben Sie sich verspätet?«
»Um fünfundvierzig Sekunden, Ma'am«, sagte Chekov. Dann fügte er hinzu: »Tja … nun sind es eine Minute und fünfundvierzig Sekunden.«
»Nun ja, Fähnrich«, sagte Uhura, die sich alle Mühe gab, sich das Grinsen zu verkneifen, »hätten Sie sich unterwegs ein Bein oder einen Knöchel gebrochen, hätten Sie sich noch mehr verspätet. – Gehen Sie also beim nächsten Mal etwas früher los.«
»Jawohl, Ma'am. Ich wollte nicht, dass der Captain bemerkt, dass …«
»Der Captain ist in seinem Quartier und wartet auf mich«, sagte Uhura. »Er weiß also noch nichts von Ihrer … Unpässlichkeit.«
Chekov schaute sie ängstlich an, und so fügte Uhura hinzu: »Von mir wird er es auch nicht erfahren, falls Sie sich darüber Sorgen machen.«
Chekov nickte dankbar. »Vielen Dank, Ma'am.«
Sie schauten sich einen kurzen Augenblick an, dann neigte Uhura leicht den Kopf, um anzudeuten, dass Chekov seiner Wege gehen könne. Er brach sofort auf. Er wollte losrennen, doch dann, bevor Uhura etwas sagen konnte, hielt er sich zurück. Er ging, die Hände zu Fäusten geballt, mit schnellen Schritten los. Seine Füße standen immer kurz davor loszulaufen. Es war eindeutig: Er gab sich größte Mühe, sich im Zaum zu halten.
Uhura empfand kaum anders. Sie konnte es kaum erwarten, dass der junge Chekov aus ihrem Blickfeld verschwand. Erst dann brach sie in ein lautes Lachen aus.
Auch wenn sie der Vorfall erheitert hatte, wurde sie schnell wieder ernst. Die beiläufige Begegnung hatte sie mit Nachdruck daran erinnert, dass sie bald von Bord gehen würde, um auf einem anderen Schiff zu dienen. Egal wie dicht bevölkert Raumschiffe auch waren, es konnte äußerst schmerzhaft sein, wenn sich 429 Fremde an Bord befanden.
Kirk schaute nicht von der Arbeit auf, als er den Summer an der Kabinentür vernahm. »Herein«, sagte er einfach.
Die Tür ging zischend auf. Er brauchte sich auch nicht die Mühe zu machen, den Blick zu heben. Wer eingetreten war, sagten ihm der Duft eines bestimmten Parfüms und das leise Klirren der Ohrringe, die sein Kommunikationsoffizier gelegentlich trug. Wenn ein Mann seine Kabine betrat, musste er hin und wieder aufschauen, aber für Frauen hatte er eine Art sechsten Sinn. »Nehmen Sie Platz, Lieutenant«, sagte er. »Ich bin gleich fertig.«
Uhura ihrerseits war überrascht über die beiläufige Art, mit der der Captain sie identifizieren konnte, ohne sie anzusehen.
Sie setzte sich gehorsam hin. Sie war anfangs ziemlich unsicher, wo sie die Hände hintun sollte. Dann legte sie sie in den Schoß.
Kirk schaltete den Computerbildschirm aus, wandte sich um und schaute sie an. »Nervös?«, fragte er.
Uhura seufzte. »Ein bisschen, Captain«, sagte sie. »Wenn man von zu Hause weggeht …«
»Ist nicht die Erde Ihr Zuhause?«, fragte Kirk.
Uhura zuckte leicht die Achseln. »Seit einiger Zeit nicht mehr«, gab sie zu. »Und wie sehen Sie es, Captain?«
Kirk spitzte die Lippen. »Sie war nicht mal mein Zuhause, als ich noch auf ihr gelebt habe«, sagte er offen. Er stand auf. »Aber Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, Lieutenant. Ich kenne Commodore Wesley seit Jahren. Ein guter Mann. Man könnte fast sagen, er ist der zweitbeste Raumschiffkommandant der gesamten Flotte.«
»Der zweitbeste?«, fragte Uhura. »Wer ist denn der beste?«
Kirk lächelte. »Was wäre das Leben ohne Geheimnisse, Lieutenant? Raten Sie mal.« Er gab den scherzhaften Ton auf und wurde ernst. »Die Lexington ist ein verdammt gutes Schiff. Wäre ich nicht dieser Meinung, würde ich keinen meiner Offiziere dort hinschicken.«
»Mit allem gebührenden Respekt, Captain … Sie schicken mich doch zur Lexington, weil Starfleet es anordnet.«
Kirk zuckte leicht die Achseln. »Es gibt solche und solche Befehle, Lieutenant. Als Captain hat man ein gewisses Maß an Spielraum, wenn es darum geht, Personal abzukommandieren. Hat ein Captain das Gefühl, die Kommandierung steht im Widerspruch zu den Interessen des Kommandierten, hat er mehrere Möglichkeiten, der Flotte begreiflich zu machen, wohin sie sich den Befehl stecken kann. Bei der Lexington-Sache würde es mir freilich schwerfallen, eine Versetzung zu hintertreiben.«
Er umrundete den Schreibtisch und nahm auf seiner Kante Platz. »Sehen Sie, Lieutenant … In neun von zehn Fällen können Sie auf der Enterprise doch nur einen Bruchteil Ihrer wahren Fähigkeiten einsetzen. Aber die diplomatische Konferenz bei den Rithrim, zu denen die Lexington unterwegs ist, wird eine echte Herausforderung für Sie sein. Die Mischung aus verbalen und Zeichenelementen, aus denen die Rithrim-Sprache besteht, ist selbst für die erfahrensten Diplomaten schwierig. Sie gehören zu den besten Linguisten der Flotte. Es wird allmählich Zeit, dass Sie eine Chance bekommen, Ihre Fähigkeiten zu beweisen.«
»Jawohl, Sir«, sagte Uhura und bewegte leicht den Kopf. »Hat sich inzwischen herausgestellt, was die Rithrim nun genau von uns wollen?«
Kirk schüttelte den Kopf. »Nein«, gestand er. »Die Flotte möchte im Machtbereich der Rithrim einen Posten zur Beobachtung des interstellaren Raums installieren, der den ersetzen soll, den die Gorn vor nicht allzu langer Zeit vernichtet haben. Der Posten soll teilweise zur Beobachtung von Weltraumphänomenen und teilweise – daraus macht niemand ein Geheimnis – dazu dienen, die Gorn im Auge zu behalten, deren Machtbereich dicht an den der Rithrim grenzt. Die Rithrim wiederum sagen, sie seien gesprächsbereit – vorausgesetzt, wir helfen ihnen gegen irgendeine sie bedrohende Gefahr. Doch wie diese Gefahr aussieht, muss erst genau geklärt werden.«
»Könnte es an den Schwierigkeiten liegen, sich mit ihnen zu verständigen?«, fragte Uhura.
Kirk zuckte die Achseln. »Entweder daran, oder sie sind einfach verschlossen. Auch das gehört zu den Dingen, die Sie in Erfahrung bringen müssen, Lieutenant. Da Sie sich vor Ihrer Zeit auf der Enterprise damit beschäftigt haben, Wissen über fremde Kulturen und Sprachen zu sammeln, die der der Rithrim ähneln, ist die Flotte der Meinung, Sie seien für diese Aufgabe genau die Richtige.«
Uhura sagte nichts, aber Kirk wusste, dass ihr irgend etwas im Kopf herumging. »Ja, Lieutenant?«, fragte er sanft.
»Tja, Captain … Wenn ich unbedingt an diesem Einsatz teilnehmen soll … Ich verstehe nicht, warum man nicht gleich auch die Enterprise einsetzt, um diese Aufgabe zu erledigen.«
»Das wissen Sie doch, Lieutenant.«
Uhura seufzte. »Weil Rithra im Sektor der Lexington liegt. Ja, Sir, ich weiß.«
Kirk musterte sie mitfühlend. »Und was beschäftigt Sie darüber hinaus, Lieutenant?«
Uhura schaute zu ihm auf. Sie wirkte nun äußerst sachlich. »Ich mache mir nur Sorgen über die Auswirkungen, die meine Abwesenheit auf die Enterprise haben könnte, Captain«, sagte sie. »Sie haben nicht genug Kommunikationspersonal. Ich habe zwar gute Leute ausgebildet, aber es mangelt ihnen an Erfahrung. Die Flotte hätte mir ruhig etwas mehr Zeit lassen können. Die Vorstellung, Sie – wie gehabt – im Stich zu lassen, gefällt mir gar nicht.«
»Wie gehabt.« Kirk nickte. »Lieutenant, ich glaube, Sie unterschätzen Ihre Fähigkeiten als Ausbilderin. Ihre Leute kriegen es schon hin, auch wenn Sie zeitweilig weg sind.«
»Zeitweilig.«
Sie betonte das Wort so, dass es für Kirk ausreichte, sich über die wahre Natur ihrer Besorgnis klarzuwerden. »Lieutenant«, sagte er in der Annahme, dass seine Worte wohl besser ankamen, wenn er sie mit einem ironischen Lächeln verkaufte, »ich werde das komische Gefühl nicht los, dass Sie befürchten, wir könnten Ihre Kabine während Ihrer Abwesenheit untervermieten.«
Uhura verstand nicht. »Wie bitte?«
Kirk verschränkte die Arme vor der Brust. »Bob Wesley nennt sich gern einen – Zitat Anfang – guten Pferdefleischkenner – Zitat Ende. Was bedeutet, er ist in der Lage, die besten und intelligentesten Flottenoffiziere zu erkennen, und setzt hin und wieder alles in Bewegung, um sie permanent auf sein Schiff versetzen zu lassen. Nicht zuletzt das hat aus der Lexington ein so exzellentes Schiff gemacht.«
»Ach so.«
»Andererseits«, fuhr Kirk fort, »ist dies nicht zuletzt ein Grund dafür, dass die Enterprise in der Flotte in aller Munde ist. Sie wissen doch, dass wir in aller Munde sind, Lieutenant, oder?«
»Tja, der Subraum-Tratsch geht auch an unsereinem nicht vorbei, Captain«, bestätigte Uhura todernst.
»Eben. Zu ihm trägt bei, dass der Enterprise-Captain in der Lage ist, das gleiche zu bewerkstelligen wie Commodore Wesley. Was bedeutet, Lieutenant: Dies ist, soweit es mich angeht, nur eine zeitweilige Abkommandierung. Ihr Platz ist – so lange Sie ihn haben wollen – hier an Bord.«
Uhura nickte dankbar. »Danke, Sir.«
»Wir stellen auch ein Kerzlein für Sie ins Fenster, Lieutenant.«
»Ich halte danach Ausschau, Captain.«
Nachdem Uhura in ihre Kabine zurückgekehrt war, schaltete sie den Schreibtischcomputer ein und suchte rasch nach an sie adressierten Privatmitteilungen. Sie hielt nur nach denen Ausschau, die beantwortet werden mussten, bevor sie von Bord ging.
Zu ihrer Überraschung stieß sie auf Glückwünsche von ihrer Stellvertreterin Lieutenant Palmer. Sie seufzte kurz. Auf diesem Raumschiff gab es einfach keine Geheimnisse. Da ihr keine Nachricht als dringend erschien, speicherte sie alles in einem Unterverzeichnis ab. Sie wollte sich nach Beendigung des Einsatzes darum kümmern.
Uhura suchte ihre Kabine mit Blicken ab und bereitete im Geist die Packliste vor, denn sie wollte nichts zurücklassen. Die Berührung eines Knopfes neben dem Bett öffnete eine Klappe, hinter der sich ein Flottenstandardtragesack befand. Sie wandte sich um, öffnete die Schubladen der Kommode und bemühte sich, sich auf die Notwendigkeiten einer diplomatischen Mission zu konzentrieren. Ausgehuniform. Dienstuniform. Ihr Lieblingstricorder. Eine Handvoll Musikscheiben. Ihr … Doch der Gedanke brach ab, als die Tür summte.
»Herein«, sagte sie, da sie glaubte, Captain Kirk habe neue Informationen.
Ihr besorgter Blick wurde zu einem Lächeln, als Lieutenant Sulu eintrat. Der Steuermann fühlte sich ganz wie zu Hause. Er ließ sich gleich neben den bereits herausgelegten Kleidern auf ihr Bett fallen, schaute sich im Raum um und bewunderte die Zierstücke, die die Wände und die Kommode dekorierten.
»Hallo«, sagte er, »ich hab's gerade auf dem Freizeitdeck vernommen und dachte, ich sollte dir alles Gute wünschen. Du weißt ja, wie schnell sich so was hier verbreitet.«
Uhura lachte und schwenkte einen Arm, um ihn beiseite zu schieben. Nachdem der Tragesack geöffnet war, nahm sie ihre Kleider und stopfte sie hinein.
»Aber klar. Ist das Computer-Bulletin nicht schließlich dafür da? Außerdem könntest du ohnehin kein Geheimnis für dich behalten; nicht mal dann, wenn dein Leben davon abhinge. Wer hat denn ausgeplaudert, wo Rileys Überraschungsparty stattfindet? Wir kennen Sie doch alle, Mr. Sulu.«
Sulu lächelte verlegen. »Schuldig im Sinne der Anklage. Und was läuft nun auf der Lexington?«
»Ein diplomatischer Einsatz, bei dem man mich braucht. Ich fühle mich ziemlich geschmeichelt. Der Captain hat's mir persönlich gesagt. Er hätte ja auch Mr. Spock schicken können. Scheint wichtig für die Föderation zu sein.«
Als Sulu dazu ansetzte, ihre Dienstuniform zu falten, musste sie lächeln.
»Ich glaube, der Captain wollte seinen Kommunikationsoffizier nur schützen. Man sagt Commodore Wesley zweierlei nach: dass er ein ernsthafter Kommandant ist, und dass er Berge von Papier bewegt, wenn er jemanden haben will, den er braucht. So hätten wir nämlich beinahe auch Styles und Dr. Noel verloren.«
»Das sind doch nur Gerüchte«, erwiderte Uhura, obwohl ihr Tonfall etwas anderes sagte. Sie ging in den Nebenraum. »Holst du mal meine Ersatzstiefel?«, rief sie. »Sie liegen unter dem Bett.«
Sulu legte die Dienstuniform vorsichtig in den Tragesack, griff unters Bett und zog die Ersatzstiefel hervor. Er fing geistesabwesend an, sie mit dem Ärmel zu polieren, obwohl sie in bestem Zustand waren.
Uhura kehrte aus dem Nebenraum zurück; auf den Armen trug sie die letzten Dinge, die sie mitnehmen wollte. Sie legte sie in den Tragesack, stierte dann ins Nichts und warf einen Blick auf ihre geistige Packliste. Als sie zufrieden feststellte, dass alles beisammen war, schloss sie den Tragesack und versah das Schloss mit einem Sicherheitskode.
»Wann treffen wir die Lexington?«, fragte sie.
»Erst in fünf Stunden. Chekov war schon ziemlich früh auf der Brücke, um den Kurs zu überprüfen.«
»Der Bursche scheint ganz in Ordnung zu sein«, sagte sie und nahm neben Sulu auf dem Bett Platz. »Er ist zwar hin und wieder recht nervös, aber mit seinen Instrumenten kennt er sich aus.«
»Er wird sich gut entwickeln. Wenn der Captain einen im Auge behält, kann man manchmal ganz schön nervös werden.«
»Dann musst du dafür sorgen, dass der Junge sich entspannt«, sagte sie lächelnd. »Schließlich sitzt er doch gleich neben dir. Denk dir was aus. Jetzt, da ich weg bin, kannst du ihn gleich in die Mangel nehmen.«
Sulu bedachte ihren Kommentar mit einem Lächeln. »Was soll das nun wieder heißen?«
»Fechten. Ich bin's satt, dein Hauptsparringspartner zu sein. Er ist jünger und leichter zu beeindrucken als ich, also kriegst du ihn auch leicht in die Sporthalle. Vielleicht hält er es sogar für den Befehl eines Vorgesetzten.«
»Danke für die Unterstützung«, erwiderte Sulu lächelnd. »Es wird sich schon noch erweisen, wer von uns in seiner Senilität gelenkiger ist. Also los, gleich ist Schichtwechsel.«
Sie standen zusammen auf und waren bereit, auf die Brücke zu gehen. Sie hielten sich beide gern dort auf. Die Brücke war für sie nicht nur der Mittelpunkt sämtlicher Bordaktivitäten, sie bot ihnen auch Gelegenheit, Teil des Entscheidungsfindungsprozesses zu sein, ein Teil der Aktion.
Für Uhura war die Brücke Anfang und Ende jedes einzelnen Auftrags. Sie war in Kirks Logbucheinträge eingeweiht und sich ständig bewusst, wer Nachrichten von seinen Lieben bekam – oder auch nicht. Auch wenn sich 429 Menschen an Bord des Schiffes befanden, sie wusste immer, wer moralische Unterstützung oder ein Schulterklopfen brauchte.
Was Sulu anging, so war er stets der, der das Unerwartete als erster erblickte. Er konnte sich einen besonders guten Ausblick auf jedes kosmische Ereignis leisten. Für ihn war es wirklich eine Herausforderung, das gewaltige Schiff durch das All von einem Stern zum anderen zu steuern. Er war zudem derjenige, der sie alle aus einem Problem heraus und in etwas Neues und Unerwartetes hineinsteuerte.
Von diesem Wunsch, das Unbekannte finden zu wollen, hatte er ihr oft erzählt, denn es hatte ihn zur Flotte gebracht und nach einem kurzen Zwischenspiel in der Astrophysik ans Ruder gefesselt. Sulu hätte seinen momentanen Aufgabenbereich gegen nichts in der Welt eingetauscht.
Sie gingen durch den Korridor und nickten den ihnen bekannten Kollegen zu. Sulu zwang sich stets dazu, nicht zu schnell zu gehen, so dass sie mitkam. Sie hingegen zog ihn ständig auf, weil er wie ein altmodischer Erdling ging. Er sollte sich entspannter geben. Aber inzwischen wusste sie, dass die Schlacht verloren war. Sulu war zu temperamentvoll. Er hatte zuviel Energie. Er konnte nur mit voller Kraft arbeiten.
Trotzdem gefiel es ihr, von ihm herausgefordert zu werden und neue Dinge zu lernen. Sie hatte ihre Musik und die Kommunikationsgeräte, aber er hatte auch viele andere Interessen. Er interessierte sich seit einem Jahr für Botanik und Theater. Er war ständig im Training und hielt den Fechtsport für die beste Möglichkeit, die Reflexe zu schulen. Dass dieser Sport eine Herausforderung war, wusste Uhura schon lange, aber sie ging, um ihre Muskeln aufzubauen und bei Kräften zu bleiben, lieber Schwimmen.
»Ich habe gehört, Fähnrich Berganza und Lieutenant Pittarese haben Schluss gemacht«, sagte Uhura, als sie vor der Turbolifttür standen. Obwohl man nie länger als eine Minute auf den Lift warten musste, hatte sie immer den Eindruck, dass es viel länger dauerte.
»Wie schade«, sagte Sulu. »Für mich waren sie ein tolles Paar. Aber du kennst ja den alten Spruch: Biophysiker und Astronomen passen einfach nicht zusammen.« Die Tür ging zischend auf und enthüllte eine leere Liftkabine.
»Den hab ich noch nie gehört«, sagte Uhura während des Eintretens.
»Natürlich nicht. Die besten Sprüche hört man eben nur in der Sporthalle.«
»Erzähl mir keine Geschichten, Alter.«
»Aye, aye.« Sulu schwieg eine Weile. Als er wieder das Wort ergriff, klang seine Stimme ruhiger und tiefer. »Es wird dir doch gutgehen da draußen, oder?«
»Sicher. Ich bin schon unheimlich aufgeregt. Ich kann's kaum erwarten, einen gefährlichen Auftrag bei einer Landeeinheit zu kriegen. Ich glaub eigentlich nicht, dass Ärger auf mich wartet.«
Sulu lächelte. »Schön. Komm bloß wieder zurück. Lass dich nicht von Wesleys Charme einwickeln.«
Uhura erwiderte sein Lächeln. Sie mochte diesen Mann. Sie hätten ein gutes Paar abgegeben, aber eigentlich sahen sie sich nur als sehr gute Freunde. Normale Freundschaften waren manchmal lohnender, und die, die sie mit Sulu verband, war wirklich nicht zu verachten.
»Hier gefällt's mir ganz gut«, versicherte sie ihm. »Trotzdem danke. Es ist immer ein gutes Gefühl, wenn man Wertschätzung erfährt.«
»Stets zu Diensten«, erwiderte Sulu.
Die Tür öffnete sich mit einem Rauschen, und Sulu und Uhura traten gemeinsam ein. Sulu warf einen schnellen, prüfenden Blick auf die Brückenmannschaft und stellte fest, dass alles seinen gewohnten Gang ging. Spock saß im Kommandosessel und wartete auf die Ablösung durch Captain Kirk. Chekov saß an der Navigation und war über die Anzeigen gebückt. Lieutenant Leslie kümmerte sich um die technische Station, und am Bibliothekscomputer saß ein Unteroffizier und fragte Daten ab.
Der Steuermann tippte Chekov auf die Schulter und glitt auf den Sitz neben ihm. Der Kopf des Fähnrichs fuhr hoch. Er lächelte.
»Hallo, Mr. Sulu. Wir machen konstant Warp zwei. Ich habe gerade die letzte Kurskorrektor vorgenommen.«
»Gut.« Sulu warf einen Blick auf die ihn betreffenden Anzeigen und stellte zufrieden fest, dass sie im Normalbereich lagen. »Wenn wir hier fertig sind, haben wir wieder eine Routinefahrt nach Gamma II … Dann geht's wieder ans Kartographieren. Wird ganz schön langweilig werden – um so mehr wenn Uhura nicht da ist, um uns die Freizeit zu versüßen.«
»Sie hat wirklich eine ausgezeichnete Stimme«, stimmte Chekov ihm zu. Dann verfiel er in Schweigen und duckte sich über seine Messgeräte.
»Die Anzeigen werden sich so schnell nicht ändern«, sagte Sulu. »Entspannen Sie sich. Wie weit sind wir noch von der Lexington entfernt?«
Chekov warf einen Blick auf die Astrogation. »Zwei Stunden und siebenundzwanzig Minuten.«
»Dann haben wir sie noch nicht in Sensorreichweite. Genießen Sie den Ausblick.« Sulu wandte sich wieder seinen Instrumenten zu und überprüfte einige Einstellungen, die er persönlich vorgenommen hatte.
Chekov entkrampfte seine Finger und lehnte sich zurück – aber nur ein wenig. Er gehörte ganz offensichtlich nicht zu den Menschen, die sich leicht entspannten. Der Fähnrich war erst seit kurzem an Bord der Enterprise und schien den anderen noch immer etwas beweisen zu wollen. Dass man sich zwischen zwei Aufträgen entspannen konnte, musste er erst noch lernen. Sulu hatte sich vorgenommen, es ihm beizubringen.
Chekov warf einen Blick über seine Schulter und schaute Uhura zu, die auf ihrem Sitz Platz nahm und den aktuellen Informationsfluss prüfte. Obwohl direkt an die Enterprise gesandte Botschaften Priorität hatten, empfingen und zeichneten die Schiffscomputer täglich Hunderte von Meldungen auf. Manche waren Nachrichten der Flotte an die Stabsoffiziere des Schiffes. Aber es kamen auch ständig Tratsch von anderen Schiffen des Quadranten, persönliche Botschaften an die Mannschaft und von den Sensoren aufgefangene Irrläufer herein.
Uhuras Leute waren ziemlich gut darin, die Spreu vom Weizen zu trennen, das war Sulu bekannt. Andererseits hielten sie auch stets die Augen nach pikanten Leckerbissen auf, die die Irrläufer verbreiteten: Fakten jener Art, die zwar nicht in den amtlichen Meldungen auftauchten, aber ihren Weg in die Schiffsbulletins fanden, eine Abteilung, die der Freizeitdirektor leitete, den der Kommunikationsstab bei seiner Arbeit unterstützte.
Als Uhura sah, dass Sulu ihr zuschaute, lächelte sie.
»Irgendwas Gutes aus dem Äther?«, fragte Sulu.
»Sieht ruhig aus«, erwiderte Uhura. »Schon wieder ein paar kleinere Grenzscharmützel mit klingonischen Schiffen. Die Vulkanier haben eine neue Entdeckung gemacht, die Mr. Spock zweifellos ›faszinierend‹ finden wird. Und ich glaube, Angela Martine wird ziemlich enttäuscht sein, wenn sie hört, dass ihre Meteoriten die Magnoball-Meisterschaft gegen die Pfeifen verloren haben.«
Sulu nickte und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Systemprüfung zu, die er gern zu Beginn jeder Schicht vornahm. Schließlich schnippte er, zufrieden, dass alles in Ordnung war, seinen Kommunikator auf und meldete sich im Phaserraum. Die Spezialistin Angela Martine meldete sich mit freundlicher Stimme, und sie nahmen eine rasche Überprüfung der Bewaffnung vor.
»Alle Systeme bereit«, sagte Martine dann.
»Gut.« Sulu klappte den Kommunikator zu und dachte über sie nach. Sie war ein erfahrener Offizier und hatte, als ihr Verlobter Tomlinson bei einem romulanischen Hinterhalt ums Leben gekommen war, einen schweren Schlag erlitten. Die erste Begegnung mit den Romulanern seit einem Jahrhundert, dachte Sulu. Und Tomlinson war das einzige Opfer gewesen. Er schüttelte den Kopf.
Zum Glück hatte Martine die Situation bemerkenswert gut gemeistert und sich so schnell erholt, wie man es hatte erwarten können. Nun zählte sie wieder zu den besten Waffenexperten der Flotte. Andererseits hatte der Verlust sie in Fragen gesellschaftlichen Umgangs etwas steif gemacht.
Sulu hatte kürzlich versucht, sie ein wenig mit seiner erblühenden musikalischen Theatertruppe aufzuheitern – aber es hatte sich gezeigt, dass sie völlig unmusikalisch war.
Vielleicht konnte er sie dazu bewegen, ihm in seinem botanischen Garten zu helfen. Nun, da Unteroffizier Rand nicht mehr an Bord war, brauchte er Hilfe bei dem temperamentvollen pflanzlichen Lebewesen, das er Beauregard nannte. Ja, etwas Entspannung in der Botanik war seiner Meinung nach für Martine nicht übel.
Leider verging zwischen diesem Gedanken und der Inangriffnahme seines Plans ziemlich viel Zeit.
»Sir, wir haben Kom-Kontakt mit der Lexington.« Trotz ihres Zwiegesprächs klang Uhura noch immer leicht besorgt. Kirk lächelte ihr zu. »Auf den Schirm, Lieutenant«, sagte er.
Die Lexington verschwand vom Bildschirm und wurde durch das Gesicht Commodore Wesleys ersetzt.
Kirk hatte seine erste Begegnung mit Robert Wesley nie vergessen. Man hatte damals in Erwägung gezogen, ihm das Kommando über die Enterprise zu geben. Wesley hatte zum Prüfungsausschuss gehört und die Meinung vertreten, James T. Kirk sei zu jung, um diesen wichtigen Posten auszufüllen. »Trotz aller Bildung, die die Akademie zu vergeben hat«, hatte Wesley gesagt, »ist die Erfahrung der beste Lehrer für unsere Offiziere. Und in dieser Hinsicht ist James Tiberius Kirk nicht geeignet.«
Kobayashi Maru–Enterprise