Zefram Cochrane, der legendäre Erfinder des Warpantriebs, strandet im 22. Jahrhundert auf einem Planetoiden in der Region Gamma Canaris. Ein ›Companion‹ genanntes Energiewesen rettet ihn, verschmilzt dann mit der Föderationskommissarin Nancy Hedford und lebt in deren Körper als Cochranes Gefährtin. Doch Adrik Thorsen, Faschist mit Anspruch auf die Weltherrschaft und seit dem 21. Jahrhundert Cochranes Widersacher, spürt ihn auch hier auf. Er will ihn zwingen, die Warpbombe zu bauen.
Captain James Kirk hat über die Ereignisse auf dem Planetoiden nicht die ganze Wahrheit berichtet. Aber nach der geheimnisvollen Nachricht des ›Companion‹, dass Cochrane entführt wurde, muss er die Karten auf den Tisch legen. Und bei dem Versuch, Cochrane zu befreien, geht die Enterprise NCC 1701 in eine Falle.
Knapp 100 Jahre später nimmt die Enterprise NCC 1701-D unter dem Kommando von Jean-Luc Picard ein mehrere Milliarden altes Artefakt an Bord. Doch die vermeintlich archäologische Sensation entpuppt sich als trojanisches Pferd. In dem Objekt verbirgt sich eine Persönlichkeit, die zur Erreichung ihrer wahnwitzigen Ziele vor nichts zurückschreckt …
Über das Buch
Widmung
Zeittafel
Zitat
Prolog – Am Rande der Ewigkeit
Ellison-Forschungsposten
Erster Teil – Babel
Thorsen
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Zweiter Teil – Metamorphose
Thorsen
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Dritter Teil – Wo niemand zuvor gewesen ist
Thorsen
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Vierter Teil – Requiem
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Das Artefakt
Epilog – Am Rande der Ewigkeit
Ellison-Forschungsposten
Danksagung
JUDITH & GARFIELD REEVES-STEVENS
DIE FÖDERATION
Star Trek™
Classic
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
www.diezukunft.de
FÜR UNSERE BRÜDER:
Bill, der nie eine Episode
von Raumschiff Enterprise verpasst,
und Sid, der noch immer
keine gesehen hat.
2061 – Zefram Cochrane kehrt nach dem ersten erfolgreichen Überlichtflug zum Alpha Centauri-System ins irdische Sonnensystem zurück.
2079 – Die Erde erlebt das postatomare Grauen und erholt sich vom Dritten Weltkrieg.
2117 – Zefram Cochrane verlässt im Alter von 87 Jahren seine Heimat im Alpha Centauri-System und verschwindet im Weltraum.
2161 – In den Nachwehen des Romulanischen Krieges wird die Föderation gegründet und die Charta der Raumflotte formuliert.
2167 – Im zweiten Jahr der ersten Fünfjahresmission Captain Kirks auf der U.S.S. Enterprise NCC-1701, entdecken Kirk und seine Mannschaft den Wächter der Ewigkeit. Im dritten Jahr begegnen Kirk, Spock, Dr. McCoy und Föderationskommissarin Nancy Hedford Zefram Cochrane und dem ›Companion‹. Im gleichen Jahr, doch später, kommt Botschafter Sarek an Bord, den die Enterprise zur Babel-Konferenz bringt.
2269–70 – Nach Beendigung der ersten Fünfjahresmission wird Kirk zum Admiral befördert. Dr. McCoy und Spock lassen sich in den Ruhestand versetzen.
2295 – Die U.S.S. Enterprise NCC-1701-B läuft zur Jungfernfahrt vom Stapel.
2366 – Im dritten Jahr der laufenden Mission Captain Jean-Luc Picards auf der U.S.S. Enterprise NCC-1701-D kommt Botschafter Sarek an Bord, um sich nach Legara IV bringen zu lassen. Einige Wochen später greifen die Borg erstmals das Föderationsgebiet an.
2371 – Captain Picard kehrt nach dem Zwischenfall auf Veridian III ins irdische Sonnensystem zurück.
Ruht der Mensch zu oft und zu früh, nennen wir es Tod. Doch die Menschheit kennt weder Rast noch Ende. Nach jedem Sieg schreitet sie weiter voran. Zuerst erobert sie unsere kleine Welt mit ihren gesamten Windungen und Eigenarten, dann die sie beengenden Gesetze von Geist und Materie. Dann folgen die Planeten ihrer Umgebung, und schlussendlich geht sie durch die Ungeheuerlichkeit zu den Sternen. Und wenn sie den interstellaren Raum und das Rätsel der Zeit besiegt hat, befindet sie sich noch immer am Anfang.
H. G. WELLS
»Things to Come«
1936
Prolog
Am Rande der Ewigkeit
Sternzeit 9910.1
Terrestrische Zeit: Ende September 2295
Kirk wusste, dass seine Reise bald enden würde.
Das Gefühl überkam ihn in dem Moment, als der Transporterstrahl ihn auflöste und er spürte, dass die Schwerkraft dieser Welt ihn erneut festigte. Sie verlieh ihm neuen Halt – einen Halt, der über all die Jahre und zurückgelegten Parsec hinweg, nie nachgelassen hatte. Alles seit damals Geschehene war für ihn nur ein Herzschlag, als wäre sein Leben dem Schweif eines Kometen entströmender, masseloser, konsequenzloser Staub, gemessen nur an dem Augenblick, an dem er erstmals an diesem Ort gewesen war, und am Moment seiner Rückkehr.
Es war nun achtundzwanzig Jahre her, seit er diesen Ort zum ersten Mal betreten hatte, und er zweifelte nicht daran, dass es das letzte Mal war. Er hörte Spocks geduldige Stimme noch immer in seinem Geist: Sie kommentierte verbindlich die Unlogik dieser Schlussfolgerung, denn das Unerwartete war in ihrem Leben nur allzu normal gewesen. Doch bei manchen Dingen hatten Gefühle Vorrang. Darum war er zurückgekehrt. Alles endete irgendwann. Wie Spocks Schlussfolgerungen auch aussahen, was McCoy auch kritisierte: Kirks Herz wusste um die Wahrheit dieses Gefühls.
Dies ist für vieles das letzte Mal, dachte Kirk und betete die Litanei nach, die in ihm gewachsen war, seit er den Dienst quittiert hatte. Bald würde er zum letzten Mal mit einem Transporter reisen. Den letzten Blick auf das von der Warpgeschwindigkeit verwischte All richten. Den letzten Blick auf den flauschigen Himmel der kühlen, grünen Hügel der Erde werfen. Er dachte an das alte Raumfahrerlied, das auf der Erde entstanden war, bevor es die Raumfahrt gegeben hatte. Es stimmte ihn traurig, dass ihm nicht der ganze Text einfiel.
»Captain Kirk, wir fühlen uns über Ihren Besuch geehrt.«
Zu seinem Erstaunen überraschten ihn diese Worte. Gesprochen hatte sie eine junge Vulkanierin, frisch von der Akademie. Sie stand vor ihm auf der leicht erhöhten Transporterplattform des Hauptplatzes der Station stramm. Kirk schätzte ihr Alter auf etwa fünfundzwanzig Erdjahre. Er zögerte. Seine Gedanken eilten in die Vergangenheit zurück. Als sie geboren worden war, war er nach Hause zurückgekehrt. Die erste Fünfjahresmission war fast zu Ende gewesen. Der Admiralsrang hatte auf ihn gewartet. Er gab sich der Erinnerung hin. Er hatte es sich nicht allzu leicht gemacht. Die Zeit als Admiral am Schreibtisch hatte kaum zwei Jahre gedauert. Zwei Jahre, in denen er jeden Abend mit dem Wissen zu Bett gegangen war, dass sie über ihm Kreise zog und darauf wartete, für die nächste Mission ausgerüstet zu werden. Und er hatte an jedem Abend gewusst, dass sie die Raumwerft nicht ohne ihn verlassen würde. Die Raumflotte und sämtliche Admirale sollte der Teufel holen.
Und Kirk hatte recht behalten.
V'ger war gekommen und hatte Anspruch auf die Welt angemeldet. Und Kirk hatte eine übermächtige Bedrohung erneut besiegt. Wie er es immer tun würde.
Nein, dachte er. Wie ich es immer getan habe. Es ist nun Vergangenheit. Er war jetzt zweiundsechzig. Laut McCoy konnte er hundert oder hundertzwanzig Jahre alt werden, vielleicht sogar noch älter. Doch das Problem mit der Bedrohung war, dass man sie im Grunde nie richtig besiegen konnte. Man konnte ihr nur für eine Weile aus dem Weg gehen. Spock hätte als erster zugegeben, dass sich im Lauf der Zeit alles ausglich. Dies, wusste Kirk, war eine Art, dem Tod ins Auge zu schauen, dem unausweichlichen Ende. Der Gedanke behagte ihm wenig.
»Captain Kirk?«, sagte die Vulkanierin. In ihrer Stimme schwang eine freundliche Anfrage mit. »Ist alles in Ordnung, Sir?«
»Bestens, Lieutenant«, erwiderte Kirk. Obwohl er nun – kaum zu glauben – endgültig aus dem Flottendienst ausgeschieden und – ebenso kaum zu glauben – wieder Zivilist war, vergaß die Flotte ihre Leute nie. Auch nicht seinen letzten Dienstgrad, den er nun für immer tragen würde.
Er trat von der Plattform herunter und hörte das leise Knirschen seiner Stiefelsohlen auf dem feinen roten Staub. Er lächelte der Vulkanierin zu, und da Spock ihm seit dreißig Jahren ein Freund gewesen war, erkannte er den fast unmerklichen Schatten einer Emotion in ihrem Gesicht. Kirk blinzelte und warf einen erneuten Blick auf das Rangabzeichen am weißen Band ihrer Uniformjacke. Er korrigierte sich. »Lieutenant Commander.« Er sollte die Brille wirklich öfter aufsetzen. Aber konnte man mit fünfundzwanzig Jahren schon Lieutenant Commander sein? Ging es heutzutage wirklich so schnell mit den Beförderungen? Oder bin ich wirklich schon so alt?
»Darf ich Ihnen Ihr Quartier zeigen, Sir?« Die Vulkanierin deutete mit dem Kinn auf eine Ansammlung von Fertigunterkünften. Sie standen in einer Entfernung von wenigen hundert Metern auf einer Lichtung zwischen den Ruinen der Stadt … oder was es war. Ein Vierteljahrhundert Forschung durch die besten Xenoarchäologen der Föderation hatte nicht eruiert, welchem Zweck dieser Orte diente. Man wusste nur, dass die Hauptgebäude mindestens eine Million Jahre alt waren. Das älteste war so alt, wie Spock später gemutmaßt hatte: sechs Milliarden Jahre.
Früher hatte die Bedeutung von Altertümern Kirk geradezu überwältigt. Man hatte das den Ort umgebende Gestein verarbeitet und hergebracht, als es auf der Erde noch kein Leben gegeben, bevor die Erde sich aus dem Staub und den die Sonne umkreisenden Trümmern gebildet hatte. Doch nun waren sechs Milliarden Jahre nur etwas Abstraktes – ein Geheimnis, das er in seinem Leben nicht mehr begreifen würde. Ein weiterer Fakt, den man ab- und beiseite legte, wie so viele andere unerreichbare Träume der Jugend.
»Nein, danke«, sagte Kirk. »Ich bleibe wohl nicht lange genug, um eine Unterkunft zu brauchen. Die Excelsior ist bald hier, um mich an Bord zu nehmen.«
»Das wird die Mannschaft aber sehr enttäuschen, Sir.« Kirk fiel auf, dass die Vulkanierin ihre private Enttäuschung gut verbarg – wie übrigens auch die Missbilligung, dass man das Flaggschiff der Flotte dazu degradierte, einem Zivilisten als Taxi zu dienen. Zwar hatte Captain Sulu die Bitte, ihm diesen Gefallen zu erweisen, nicht so gesehen, aber Kirk sah ein, dass andere es vielleicht so empfanden.
»Da Sie zu den wenigen Menschen gehören, die mit dem Gerät kommuniziert haben«, fuhr die Vulkanierin fast schroff fort, »hatten wir uns darauf gefreut, die Umstände der Begegnung aus Ihrem eigenen Munde zu hören.«
Kirk schaute sich auf dem Platz um. Er war nicht darauf aus, das Gespräch weiter fortzusetzen. »Darüber steht alles in meinen Logbüchern. Ich wette, sie enthalten mehr Einzelheiten als meine heutige Erinnerung.«
»Und wir können nichts tun, damit Sie etwas länger bei uns bleiben?« Für einen vulkanischen Lieutenant Commander war diese leidenschaftslos gestellte Frage schon fast ein Akt der Verzweiflung.
»Nein«, sagte Kirk. Es war sein letztes Wort. In knapp zwei Monaten würde die zur Excelsior-Klasse gehörende Enterprise-B die Raumwerft verlassen. Er wusste nicht, was ihn außerdem noch zur Erde zog. Er hatte nicht die Absicht, je wieder einen Fuß in ein Raumschiff zu setzen – außer als Passagier. Er erinnerte sich noch allzu gut an Chris Pikes geplagten Blick – an dem Tag, an dem er, James T. Kirk, das Kommando über die Enterprise übernommen hatte. Vom ersten Tag an, in der ersten Stunde, hatte er irgendwie gewusst, dass seine Reise eines Tages auf gleiche Weise enden würde. Dann würde die Enterprise ohne ihn abfliegen. Sogar hier bereitete es ihm Unbehagen, sich den in der Zukunft liegenden Augenblick vorzustellen. Er hatte so viel erreichen wollen. Zwar hatte er viel erreicht – aber war es auch das, was er sich gewünscht hatte? Trotz der sechsundvierzig Jahre in der Flotte erschien ihm das, was er nicht erreicht hatte, mehr zu sein als das Erreichte.
Kirks Blick fiel auf die deutlich erkennbare Säule, die vor ihm aufragte. Sie war von Scheinwerfern auf schlanken Stativen umgeben, die die Farbe des Gesteins erhellten, die in seiner Erinnerung dunkel blieb. Auf dem Gestein war etwas geschrieben. Er erblickte die verschlungenen Linien einer fremdartigen Schrift, die sich wie Wellen an einem Strand überlappten. Er konnte sich zwar nicht daran erinnern, die Schrift schon damals gesehen zu haben, aber die Archäologen hatten sie zweifellos aus den Verkrustungen der Jahrtausende herausgekratzt.
»Da geht's lang, nicht wahr?«, fragte Kirk und setzte sich schon in Richtung Säule in Bewegung, denn er wusste, auf was er dahinter stoßen würde.
»Ja, Sir«, sagte die Vulkanierin. Sie folgte ihm. Ihr Tricorder schlug gegen ihre Hüfte, denn sie beeilte sich, um mit ihm Schritt zu halten. »Falls ich es erwähnen darf, Sir … Wie Sie wissen, war das Gespräch zur Sternzeit 7328 die letzte Verständigung mit uns …«
»Und das überrascht Sie?«, fiel Kirk ihr ins Wort. Bevor sie antworten konnte, wurde er schneller. Er hatte das Gefühl, in Empfindungen zu schwimmen: der Geschmack der knochentrockenen Luft, die seiner Lunge die Feuchtigkeit entzog; die geringe Schwerkraft; die leicht schnarrenden Geräusche, die von der dünnen Atmosphäre verzerrt wurden. Er war wieder vierunddreißig, hatte ein Ziel, es drängte ihn eifrig zum Rand aller ihn umgebenden Grenzen.
»Überraschung deutet eine emotionale Reaktion an«, sagte die Vulkanierin steif, »die bei naturwissenschaftlichen Ermittlungen nichts zu suchen hat.«
Ihre nur allzu vorhersehbare Reaktion ermüdete ihn. Eine solche Ernsthaftigkeit war bei der Jugend am besten aufgehoben. Sollte sie doch, wenn sie wollte, die nächsten vier Jahrzehnte ihres Lebens dem Geheimnis widmen. Kirk verfügte nicht mehr über diesen Luxus.
»Es wäre vielleicht angebrachter«, fuhr sie fort, »wenn man sagt, dass das Schweigen uns verwirrt hat, speziell angesichts der Gespräche, die Sie gemeldet haben – und der scheinbaren Bereitschaft, alle Fragen zu beantworten …«
»Ja, schön, sehr gut, Lieutenant Commander.« Kirk ließ die spitzen Worte einfach aus sich heraus. Er wollte sie einfach zum Schweigen bringen. »Wenn ich eine Weile hier bleiben könnte …«
Er spürte, dass sie neben ihm stockte, und ging allein weiter, an der Säule und den Scheinwerfern vorbei, um eine eingestürzte Mauer, an umgestürzten Säulen vorbei, zu der Stelle, an die er sich erinnerte. Genau dort, wo er nach all den Jahren noch immer stand, wo er ihn geplagt hatte, ihn noch immer plagte, genauso, wie sein Name es vorhergesagt hatte.
Der Wächter der Ewigkeit.
Ein großer, grob gehauener Bogen. Er durchmaß drei Meter. Ein Quell des Wissens. Ein Tor zur Zeit. Sein eigener Anfang und Ende. Ein Rätsel. Vielleicht das Rätsel überhaupt.
Kirk hielt inne und warf einen Blick auf den Wächter. Seine Farbe war, wie die der Säule, anders. Die ihn umgebenden Scheinwerfer veränderten sie. In der Nähe befanden sich zudem Sensoranordnungen und Abdeckungen aus leuchtend weißem Duraplast auf dem Boden ringsum, damit die zahlreichen Wissenschaftler, die sich bemühten, seine Geheimnisse zu enträtseln, den Untergrund nicht durcheinanderbrachten.
Kirk musterte den Wächter. Und es fiel ihm wieder ein.
Eine Frage. Seit der Zeit, bevor eure Sonne heiß im Weltraum brannte und dein Volk geboren wurde, warte ich auf eine Frage …
Die ersten Worte, die der Wächter an ihn gerichtet hatte. Die Untersuchung einer temporalen Verzerrung hatte die Enterprise zu dieser Welt geführt. McCoy hatte sich versehentlich eine Überdosis Cordrazin verabreicht. Auf der Flucht vor seinen Verfolgern hatte der Wächter ihn in die irdische Vergangenheit versetzt. Dort hatte er den Geschichtsverlauf dergestalt verändert, dass die Föderation nie entstanden und die Enterprise mithin nie in den Weltraum gestartet war. Kirk, Uhura, Spock und Scotty waren in der Stadt am Rande der Ewigkeit gefangen gewesen. Sie hatten erkannt, dass sie ihr Universum nur erschaffen konnten, wenn auch sie sich in die Vergangenheit begaben.
Kirk schloss die Augen. Die grausamen Erinnerungen waren noch in ihm wach.
Das Universum war wieder das alte geworden. Die Enterprise war zurückgekehrt. Und der Preis hatte nur aus dem Leben einer Frau bestanden. Dem Leben der einzigen Frau, die er wirklich geliebt hatte.
Seine Lippen formten ihren Namen.
»Edith«, sagte er leise.
Kirk wusste zwar, dass die Vulkanierin ihn hörte, aber es war ihm egal. Es war der Jugend vorbehalten, sich Sorgen zu machen, und er kam sich in diesem Augenblick so alt vor wie das ihn umgebende Gestein.
Er ging über den rostroten Boden, bis er die Duraplastdecken erreichte. Ständige statische Entladungen wehrten den Staub ab und hielten sie sauber. Seine Stiefelabsätze klickten über die harte, glatte Oberfläche. Er hörte, dass die Vulkanierin ihm folgte.
Dann, kaum einen Meter entfernt, blieb Kirk stehen und schaute sich die gesprenkelte Oberfläche des Wächters an. Damals, vor vielen Jahren, bei ihrem Gespräch hatte er geglüht und mit einer inneren Kraft pulsiert, deren Quelle niemand je hatte ausfindig machen können. Ebenso war man unfähig gewesen, das nachzubilden, was es dem Mechanismus damals erlaubt hatte, wie ein Zeittor zu agieren. Die feinstmöglichen Sensorabtastungen meldeten beharrlich, der Wächter sei nur ein Stück handbearbeitetes Granitgestein. Punkt.
»Vielleicht sollten Sie ihn etwas fragen, Sir«, schlug die Vulkanierin nach einem Augenblick respektvoller Stille vor.
Kirk fielen gleich tausend Fragen ein, die er stellen konnte. Vielleicht war er deswegen zurückgekehrt. Aber im Moment schien keine es ihm Wert, sie auszusprechen.
»Glauben Sie wirklich, es nützt etwas?«, fragte er. Er blickte nach hinten und sah, dass die Vulkanierin den Wächter angestrengt musterte – als könne eine einfache, in vertrautem Ton gestellte Frage die im Gestein eingeschlossene Intelligenz aufrühren.
»Die Naturwissenschaftliche Akademie Vulkans hat Jahre im Gespräch mit dem Wächter zugebracht, Sir. Er hat uns praktisch endloses Wissen angeboten. Wir hätten nur fragen müssen. Aber …«
Kirk hob eine Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. Er kannte die Geschichte. Der Wächter hatte behauptet, er sei ein Quell endlosen Wissens über Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. Aber offenbar gab es natürliche Begrenzungen in den Sprachen der Föderation und dem Bewusstsein jener Wissenschaftler, die den Wächter zum Gespräch bewegt hatten. Der Wächter hatte zu oft gesagt, er könne erst dann antworten, wenn man Fragen präziser stellte, aber er hatte keine Hinweise geliefert, wie bestimmte Fragen genau zu formulieren seien.
Ein Erdwissenschaftler hatte die in acht frustrierenden Jahren der Forschung aufgezeichneten Gespräche des Wächters mit seinen Kollegen mit dem »Wortwechsel« verglichen, der eventuell zwischen einem Menschen und einem Hund zustande kommen könne. Der klügste, genetisch nicht manipulierte Hund mochte vielleicht ein Vokabular von fünfhundert Worten verstehen und begriff eine Handvoll Handlungen oder gar abstrakte Vorstellungen wie eine Richtungsangabe und die Dauer einer kurzen Zeitperiode. Aber was war mit den anderen hunderttausend Worten, die sein Herrchen verwenden konnte? Wie konnte er je hoffen, die Philosophie seines Herrn, die Biochemie und die Multiphysik zu verstehen? Wie konnte er bloß den Versuch machen, in der Sprache seines Herrn auf diesen zu reagieren? Es war frustrierend und demütigend für Menschen, auf den Status eines stummen Tiers reduziert zu werden, denn sie hatten keine Möglichkeit, das Niveau des Wächters zu erreichen.
Der Wissenschaftler hatte verbittert den Schluss gezogen, dass die Forscher des Ellison-Forschungspostens acht Jahre im Gespräch mit einem Stein zugebracht hatten, ohne mehr erfahren zu haben, als ihnen ein beliebiger anderer Stein auch hätte mitteilen können. Einige Monate später hatte der Wächter keine Fragen mehr beantwortet, als wolle er die Schlussfolgerung des Wissenschaftlers bestätigen.
Das Gesicht der Vulkanierin blieb zwar leer, aber ihre nächsten Worte enthielten für Kirks feines Gehör eine unausgesprochene Bitte. »Ich würde es als höchst interessant empfinden, wenn Sie ihm eine Frage stellen würden, Sir.«
Kirk nickte. Sie verlangte nicht viel von ihm. In ein paar Minuten oder einigen Stunden war er wieder fort, aber die Vulkanierin würde weiterhin hier arbeiten.
Er wandte sich dem Wächter zu und konzentrierte sich auf die breite Öffnung, durch die die andere Seite des Platzes deutlich sichtbar war. Dort lagen die Ruinen, die sich bis zum Horizont erstreckten.
»Wächter«, sagte Kirk mit fester Kommandostimme. »Kennst du mich noch?«
Die Vulkanierin verriet ihre Jugend, indem sie hörbar den Atem anhielt. Eine Sekunde später fiel ihr der Tricorder ein, der an ihrer Seite baumelte, und sie hob ihn hoch und überprüfte, ob das stumme Gestein irgendwelche Wellen aussandte.
»Wächter«, wiederholte Kirk, »zeig mir die Geschichte meiner Welt.«
Der Raum, der den Steinboden umgab, blieb unverändert.
Kirk drehte sich zu der Vulkanierin um. »Tut mir leid«, sagte er. Und auf irgendeine abstrakte Weise empfand er auch so, auch wenn die Geheimnisse des Wächters seine Sache nun nicht mehr waren.
»Danke, dass Sie es versucht haben, Sir«, sagte die Vulkanierin. Sie schaltete den Tricorder aus und blieb mit den Händen auf dem Rücken stehen – als sei sie selbst aus Stein und habe nicht die Absicht, ihn allein zu lassen.
In früheren Zeiten hätte Kirk wahrscheinlich innegehalten, um auf freundliche Art darüber nachzudenken, was er als nächstes fragen sollte, aber heutzutage war ihm die Zeit wichtiger als irgendwelche verletzten Gefühle.
»Lieutenant Commander«, sagte er, »ich würde es begrüßen, wenn Sie mich allein lassen könnten.«
Es gelang der Vulkanierin zwar auch diesmal, ihre Überraschung zu verbergen, aber weniger gut als beim ersten Mal.
»Stimmt etwas nicht, Sir?«
»Ich möchte meditieren.« Es war natürlich gelogen, aber kein Vulkanier würde deswegen eine Diskussion anfangen.
»Gewiss, Sir«, sagte die Vulkanierin. Sie entfernte sich. Kirk wandte sich wieder dem Stein zu. Dann hörte er, dass ihre Schritte innehielten. Er drehte sich zu ihr um. Wind war aufgekommen. Ihr streng geschnittenes Haar flatterte gegen ihre spitzen Ohren.
»Sir«, rief sie, um den zunehmenden Wind zu übertönen, »auf dem Stützpunkt gilt der Befehl, dass Angehörige des Personals nicht durch den Bogen treten dürfen. Wir wissen nämlich nicht, ob wieder ein Zeittransfer ausgelöst werden kann.«
»Verstanden«, rief Kirk zurück. Die Vulkanierin ging weiter. Er war mit dem Wächter allein und warf einen Blick durch den Bogen. Bin ich deswegen zurückgekehrt?, fragte er sich. Jetzt, da ich keine Zukunft mehr habe … Habe ich irgendwie gehofft, ich könnte in die Vergangenheit zurückkehren?
Der Wind peitschte heran, und Kirk spürte, dass er ihn auf das Gestein zuschob. Er war gefangen in einem Wirbel verhüllenden Staubes, der ihm die Tränen in die Augen trieb und seine Kehle ausdörrte. Er streckte einen Arm aus, um nach Halt zu suchen. Der Wächter fühlte sich unter seiner Berührung kalt an.
Er war müde.
Er dachte an die Luxuskabine, die Sulu auf der Excelsior für ihn bereithielt. Ein weiches Bett. Man konnte sogar die Schwerkraft verringern. So was war gut gegen Rückenschmerzen. Die alte Messerwunde, die er sich vor vielen Jahren auf der Reise zur Coridan-Babel-Konferenz zugezogen hatte, meldete sich in letzter Zeit gelegentlich und plagte ihn. Und ihr zu Hilfe kamen zu viele andere Verletzungen aus der Vergangenheit, zu viele urplötzliche Transporte in unterschiedliche Schwerkraftbereiche.
»Ist das alles jetzt zu Ende?«, fragte Kirk den Wind und den Staub. »Gibt es keine Welten mehr, die man erforschen kann? Sind keine Kämpfe mehr auszufechten?«
Der Wächter schwieg.
Kirk hatte es nicht anders erwartet.
In diesem Universum gab es für ihn keine Wunder mehr. Er hatte einen Teil von ihnen in seinem Leben eingefangen; hatte tausend Welten im Geist gespeichert; hatte Erfahrungen gemacht und Abenteuer erlebt, die sich die Menschen vor Jahrhunderten nicht mal auszudenken wagten und die Menschen Jahrhunderte in der Zukunft nicht wiederholen würden.
Er wusste, er sollte sich damit zufriedengeben.
Aber er konnte es nicht.
Trotz all seiner Zuversicht, seines Mutes, seines Geschicks, seiner Begabung und seines Triebes, der Beste zu sein, gab es in seinem Herzen, in seinem Innersten, Zweifel.
Zu viele Worte waren ungesagt geblieben. Zu viele Taten ungetan geblieben. Zu viele Fragen hatten keine Antwort erhalten.
Und nun, da das Ende der Reise in Sicht war, im Wissen, dass es an der Zeit war, die unerledigten Dinge beiseite zu legen, war Kirk nicht dazu bereit.
Seine Zweifel quälten ihn.
Edith, seine Geliebte; eine Straße auf der alten Erde; der auf sie zurasende Laster …
David, sein Sohn; auf dem Planeten Genesis; das Messer eines Klingonen über dem Herzen …
Garrovick, sein Kommandant; die zweihundert Mann, die auf Tycho IV dem Tod ins Gesicht sahen …
Trotz allem, was er getan hatte … Hatte er genug getan?
Hätte irgendein anderer mehr tun können?
Oder hatte all das gar keine Bedeutung? War das Leben von der Geburt bis zum Tod nur eine einfache Tragödie, die dem Zeitvertreib diente und nicht mehr Sinn hatte als der Stein dort vor ihm?
Kirk wusste zwar, dass seine Reise bald enden würde, doch obwohl sie so weit gegangen war, er verstand noch immer nicht, was ihn dazu getrieben hatte, sie zu machen oder fortzusetzen.
Jetzt, allein, sprach er ein einziges Wort in den Wind und den Staub hinein.
»Warum?«
Und zum ersten Mal seit zwei Jahrzehnten gab der Wächter der Ewigkeit Antwort …
Erster Teil
Babel
Die Eugenischen Kriege des späten 20. Jahrhunderts waren zwar seit über fünfzig Jahren beendet, doch das Böse, das sie hervorgebracht hatten, lebte weiter. Hass, Intoleranz, grenzenlose Gier, alle Eigenschaften, die die Menschheit bestens definierten, erwiesen sich, wie immer, als fruchtbarer Boden.
Die um die Jahrtausendwende noch ungeborene Generation wuchs mit einer Faszination für jene auf, die inmitten des Chaos Ordnung und Heil versprochen hatten. In der Mitte der Welt des 21. Jahrhunderts, die unter den Umweltverbrechen des 20. zerbröselte, war dieses Versprechen ein berauschender Traum. Eine perfekte Welt war möglich – man musste nur die Fehler vermeiden, die Khan Noonian Singh und die seinen gemacht hatten.
Adrik Thorsen gehörte zu der Generation, die entschlossen war, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen.
Er hatte den leisen Ruf der Übermenschen durch die Epochen vernommen, die noch vor Khan existiert hatten. Er marschierte unter der roten Fahne mit dem schwarzen Adler der Optimum-Bewegung. Er trug die rote Uniform Colonel Greens. Er wachte jeden Tag mit dem Wissen auf, dass das Schicksal der Welt, der gesamten Menschheit, in den Händen jener lag, die den Willen hatten, drastische, notwendige Taten zu vollbringen.
Adrik Thorsen hatte diesen Willen, und in der Mitte des 21. Jahrhunderts wurde ihm in Nischen der Verzweiflung, in denen ganze Regionen in Anarchie und Hoffnungslosigkeit versanken, gestattet, seine Politik durchzusetzen.
Sein Perfektionsstreben begann mit der Ausrottung der Schwachen. Wer aufgrund von Gebrechen, Genetik, religiösem Glauben und politischer Überzeugung nicht optimal war, wurde als erster zur Auslöschung bestimmt. In der Anfangsphase hatte das Töten von Kindern aufgrund der Verfehlungen ihrer Eltern Thorsen noch bedrückt. Doch bald sah er in den Qualen, die er erlebte und schließlich überwand, ein Zeichen seiner eigenen zunehmenden Perfektion.
Adrik Thorsen wurde, seinen Theorien getreu, optimiert. Wenn die Welt nur seinem Beispiel folgte, konnte er die ganze Menschheit in eine noch nie dagewesene Ära des Friedens und des Wohlstandes führen.
Doch seine Fortschritte quälten ihn, weil er wusste, dass immer dann, wenn große Männer – wie er – es wagten, große Träume zu träumen, unausweichlich jene auftraten, die sie in den Dreck zerren wollten. Schon durch ihre Opposition, so meinte er, hatten sich seine Gegenspieler als nicht optimal erwiesen. Also konnten auch sie, zusammen mit allen anderen, die nicht würdig waren, die Welt mit den seinen zu teilen, der Auslöschung zugeführt werden.
Als Adrik Thorsen sich auf eine Reise nach innen begab, um das Optimale zu erreichen, verzehrten ihn seine Träume. Bald wusste er genau, dass er die Welt selbst verzehren würde, und daraufhin musste – dies war so gewiss, wie die Nacht, die nach dem Tag kam – das Paradies folgen, so konstant wie ein Naturgesetz.
Doch zuerst, begriff Thorsen, musste er die Gesetze der Geschichte bezwingen. Den größten Fehler, den Khans Übermenschen begangen hatten, war der: Sie hatten verloren. Adrik Thorsen wollte nicht zulassen, dass man diesen Fehler ein zweites Mal machte.
Also führte er am 19. März 2061 das Unternehmen gegen die WED-Forschungsplattform in der geostationären Erdkreisbahn persönlich an. Sechs kohlenstoffumhüllte Einzeltransfereinheiten brachten ihn und fünf vertrauenswürdige Bewaffnete zwei Kilometer an die Raumstation heran, ohne dass das Annäherungsradar sie erfasste. Die Transfereinheiten wurden abgeworfen, und man legte das letzte Stück in Membrananzügen zurück, die nichtzündende Manövriereinheiten verwendeten.
Um 1.20 Uhr MEZ stellten sie, genau wie geplant, Magnetkontakt mit der Wandung der Station her. Die Induktionsabtastung zeigte, dass keinerlei Alarm ausgelöst worden war.
Um 1.27 MEZ ließen sie die erste Schleuderladung auf der Empfangsschüssel hochgehen und unterbrachen so jede Verbindung der Station mit dem Hauptquartier. Acht Sekunden später blitzten mehrere Sekundärexplosionen längs des Personalmoduls auf und rissen es auseinander.
Thorsen beobachtete mit Zufriedenheit, dass sieben Angehörige der Plattformmannschaft aus dem Hüllenriss herausflogen. Sie schlugen mit Armen und Beinen panisch um sich, ihre Münder waren im Vakuum zu lautlosen Schreien geöffnet. Wie vermutet, trugen zwei Angehörige der Mannschaft die blauweiße Uniform der Streitkräfte der Neuen Vereinten Nationen. Es war klar: Thorsen und die Optimum-Bewegung waren nicht die einzigen, die wussten, welchen Durchbruch man in dieser Einrichtung erzielt hatte.
Laut dem Operationsmanifest, das Thorsen in die Hände gefallen war, lebten zehn Forscher und eine unbekannte Anzahl Angehöriger der Friedensstreitmacht auf der Plattform. Inzwischen musste das automatische Dekompressionsverfahren die Innenluftschleusen versiegelt haben. Es würde mindestens fünf Minuten dauern, bevor die restlichen NUNO-Angehörigen ihre Membrananzüge anziehen und zum Gegenangriff übergehen konnten. Niemand stellte sich Thorsen und seinen Leuten entgegen, als sie direkt zum äußersten Arm der Plattform düsten, wo das revolutionäre neue Testfahrzeug in einem speziellen Werftmodul lagerte.
Thorsen wusste, er konnte das Modul nicht mit Sprengstoff dekomprimieren, ohne das Risiko einzugehen, das Gefährt zu beschädigen. Und es wäre für jeden seiner Leute Selbstmord gewesen, den Versuch zu machen, sich durch die Schleuse Zutritt zu verschaffen, denn dort konnte man sie gefangen nehmen. Also wies er einen seiner Männer an, sich zur Luftschleuse zu begeben und einen aufblasbaren Lockvogel zum Einsatz zu bringen. Der Lockvogel hatte Größe und Form eines Menschen in einem Membrananzug und musste die Aufmerksamkeit und den Laserbeschuss aller Soldaten im Inneren auf sich ziehen. Gleichzeitig schickte er zwei Männer zur Notevakuierungsblase an der Außenseite des Werftmoduls, damit sie sie mit der Hülle verbinden und druckfest machen konnten. Nun konnten seine Leute die Modulhülle ohne Verlust der internen Atmosphäre aufbrechen. Das darin befindliche Gefährt würde sicher sein.
Auf Thorsens Zeichen hin warf der erste seiner Leute den aufblasbaren Lockvogel durch die Mannschleuse, und jene in der Evakblase setzten Schneidlaser ein, um die Hülle zu durchbrechen.
Die beiden Männer, die zehn Meter vom Modul entfernt neben Thorsen schwebten, erwarteten die sich nähernden NUNO-Soldaten aus den anderen Luftschleusen.
Doch jene, die sich im Inneren des Gefährtlagermoduls befanden, teilten nicht Thorsens Respekt für rationale militärische Aktionen. Bevor Thorsens Leute in der Evakblase damit fertig waren, sich Zutritt zu verschaffen, explodierte ein Schwall kristallisierender Feuchtigkeit aus der Schleuse des Gefährts am anderen Ende des Moduls. Mit ihr zusammen flogen Trümmer heraus, was nur bedeuten konnte, dass die Innen- und Außentüren zugleich geöffnet worden waren.
Thorsen ahnte, welche verzweifelte Strategie hier versucht wurde. Er schritt sofort zur Gegenaktion. Er und die beiden bei ihm befindlichen Männer düsten zur offenen Schleusentür. Der erste Mann, der sie erreichte, wurde von einem Partikelstrahl in zwei Hälften geschnitten; sein Anzug und sein Fleisch platzten in einer Explosion sofort vereisenden Blutes.
Thorsen richtete einen Flammenwerfer auf die Schleusenstufe des Gefährts und zündete ihn. Wer den Blitz in seinem Inneren sah, musste mindestens dreißig Sekunden blind sein. Dann flogen er und seine restlichen Leute ins Werftmodul hinein, feuerten aus allen Laserrohren, die Zielsucher auf Membrangewebe, nicht auf Metall oder Kohlenstoff eingestellt.
Drinnen befanden sich keine NUNO-Leute, sondern nur unbewaffnete Forscher, die sich, bis auf eine Frau, in ihren Druckanzügen duckten. Bald lebte nur noch die Frau. Sie befand sich im Innern des Gefährts, einem umgebauten Orbitalkampf-Eskortierer mit einem einzelnen Bug-Partikelgeschütz. Die Modifikationen, von denen Thorsen wusste, waren am Vektorenimpulstriebwerk vorgenommen worden und schienen innen zu liegen. Von außen sah das Gefährt nicht anders aus als jene, die er schon geflogen hatte.
Thorsens vor der Schleuse wachende Männer meldeten, noch seien keine NUNO-Truppen aus den anderen Modulen gekommen. Thorsen beriet sich schnell mit den Leuten, die bei ihm waren. Sie sahen die Forscherin durch die Flugdeckfenster des Gefährts. Es war nur schwer abzuschätzen, was sie an den Armaturen machte, aber es war offensichtlich, dass das Gefährt noch auf den Startschienen festsaß und sich ohne manuelles Lösen der Klammern nicht von der Stelle rühren konnte.
Dann meldeten Thorsens Induktionsabtaster eine Zündungssequenz der Impulsstromkreise. Die Forscherin wollte den Hauptantrieb des Gefährts zünden. Thorsen wusste: Wenn sie ihn einschaltete, würde der Plasmaausstoß jedermann im Werftmodul töten, sie inklusive, und die mechanische Belastung der Startschienen würde das, was von der Plattform übriggeblieben war, in Stücke reißen.
Thorsen bewunderte ihre Bereitschaft, für ihre Ideale zu sterben.
Er nickte ihr respektvoll zu, als er seinen Laser auf optische Frequenzen justierte, die das Flugdeckfenster des Gefährts durchdringen würden. Er verzieh ihr das Entsetzen, das sie zeigte, als sie sah, dass die Mündung der Waffe sich auf sie richtete. Sie starb einen üblen Tod, ohne die Akzeptanz ihres Schicksals aus den Händen eines ihr Überlegenen. Sie war ganz eindeutig keine Optimale. Deswegen bedauerte er es auch nicht, als er sah, dass ihr lebloser Körper sich langsam in der Kabine des Gefährts im Kreise drehte.
Zehn Minuten später hatten seine Leute die Leiche der Wissenschaftlerin entfernt, und Thorsen schnallte sich in den Pilotensitz. Trotz der an dem Gefährt vorgenommenen Modifikationen wies der Steuermechanismus keine größeren Veränderungen auf. Es war ihm recht. Die einfachsten Innovationen waren immer die besten. Effektivität war immer optimal.
Seine Leute lösten die Maschine von den Startschienen, und Thorsen setzte die Steuerdüsen ein, um das Fahrzeug sanft aus dem Lagermodul zu fliegen. Er verkündete den anderen, er wolle das Partikelgeschütz einsetzen, um die noch intakten Module der Plattform zu dekomprimieren. Dann, wenn die Gefahr eines Gegenangriffs der NUNO-Truppen nicht mehr bestand, konnten sie sich der nächsten Phase des Unternehmens widmen.
Thorsen brauchte drei Minuten, um die Plattform zu vernichten. Überall schwebten Leichen herum; eine Wolke des Todes umgab die ferne Erde. Zwei weitere Minuten später hatte er das Partikelgeschütz eingesetzt, um auch seine Leute zu neutralisieren. Die Geschichte hatte zu oft gezeigt, dass große Männer von jenen zu Fall gebracht wurden, die es wagten, den Ruhm der Taten anderer auch für sich selbst in Anspruch zu nehmen. Thorsen empfand keine Reue, weil er dazu nicht bevollmächtigt war.
Um 2.11 MEZ sandte er ein kodiertes Signal an einen Optimum-Horchposten auf dem Mond. Der Horchposten antwortete mit einem Flugplan, der das Gefährt zu Thorsens Begegnung mit dem Schicksal leitete. Und Thorsens Begegnung mit dem Schicksal würde auch der Wendepunkt der Menschheit sein.
Denn am 19. März 2061 lag der Schlüssel zum absoluten Sieg über die Gegner des Optimums und der daraus resultierenden neuen Ordnung und dem Heil der Welt in den Händen eines jungen Wissenschaftlers namens Zefram Cochrane, der an einer Schwelle balancierte, von der aus er für immer die Stellung der Menschheit im Weltall ändern würde.
Angetrieben von den Schwingen der Geschichte, dem Traum der Rettung für alle, die es wert waren, und entschlossen, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen, flog Adrik Thorsen zum Titan.
Sein Plan war einfach, effektiv, optimal: Wer das Genie Zefram Cochranes beherrschte, beherrschte auch die Zukunft der Menschheit.
Und am 19. März 2061 gehörte die Zukunft der Menschheit Adrik Thorsen.
Christophers Landeplatz, Titan
Terrestrische Zeit: 19. März 2061
Einen Moment lang, nur einen flüchtigen Augenblick jener Zeit, die sein Leben dauern würde, glaubte Zefram Cochrane, die Sterne sängen für ihn.
Er konnte sie über sich sehen – durch die transparenten Aluminiumplatten, die die Kuppel dieses Teils der Kolonie von Christophers Landeplatz bildeten. Sie war der größte ständige irdische Außenposten im Gebiet des Saturn. Hinter der Kuppel fegten die erstarrten Stickstoffwinde des Titan dicke rote Schlieren aus kristallisierendem Methan und Wasserstoffcyanid fort und jagten den Terminator, um die dichte Atmosphäre für wenige Minuten zwischen den Tagwolken und den Nebeln der Nacht zu reinigen. So waren kurzfristig über ihm dunkle Bänder am Himmel zu sehen. In der Finsternis flackerten für Cochrane die Sterne und erschufen ein schillerndes Edelsteinband um den stumpfgelben Kreisbogen des Saturn. Er füllte ein Viertel des Himmels aus, so fern von der Sonne, dass das Licht, das er reflektierte, den gewaltigen Planeten im Zwielicht des Titan fast nicht mehr wahrnehmbar machten. Seine Ringe, frontal in der gleichen orbitalen Ebene wie der Mond, waren unsichtbar.
In dem schmalen Zeitfenster zwischen dem Anfang und dem Ende eines Tages, der anders war als jeder in der Geschichte der Menschheit, schaute Cochrane sich die Sterne an, die er sein Leben lang gekannt hatte. Doch sie waren ihm nicht vertraut. Er hatte sie, soweit er und die meisten anderen wussten, als einziger lebender Mensch der Gegenwart, so gesehen wie kein anderer zuvor.
Flammend im interstellaren Raum.
Er hatte eine Welt umkreist, die zu einem anderen Stern gehörte.
Viereindrittel Lichtjahre von der Erde entfernt.
Vor vier Monaten.
Cochrane schloss die Augen, um die Sterne so zu sehen, wie er sie damals gesehen hatte: die Konstellationen, die den Milliarden seiner Mitmenschen vertraut waren, waren ihm in einer nie zuvor gesehenen Perspektive erschienen.
Viereindrittel Lichtjahre. Eine Welt, so fern, dass die schnellsten impulsbetriebenen Sonden über zwei Jahrzehnte brauchten, um sie zu erreichen. Und dann brauchten sie noch einmal vier Jahre, um die aufgezeichneten Daten zurückzufunken.
Doch Zefram Cochrane war dort gewesen. Und in 243 Tagen zurückgekehrt.
Schneller als je zuvor ein Mensch gereist war.
Schneller als das Licht.
Cochrane öffnete blinzelnd die Augen. Er hatte plötzlich das Gefühl, dass die Sterne erschreckt und mit Einverständnis auf ihn herabschauten, weil er es gewagt hatte, in die Heiligkeit ihrer Domäne vorzudringen. Seine Reaktion: Langsam stieg Gelächter in ihm auf. Er konnte nichts dagegen machen. Er stampfte mit dem Fuß auf den behandelten Boden unter seinen Stiefeln und fuhr aufgrund der geringen Schwerkraft des Mondes unerwartet einige Zentimeter hoch.
Der schwerfällige Augenblick, in dem er die Arme schwenkte, um sein Gleichgewicht wiederzugewinnen, brach den Bann des kostbaren Moments, und ihm wurde endlich klar, dass die gefälligen Harmonien, die er gehört hatte, nicht von oben, von den beleidigten Sternen kamen, sondern von dem Streichquartett, das im Salon des Gouverneursheims spielte. Es lag neben dem überkuppelten Feld. Die leise Melodie, trotz des ewigen Hintergrundsummens der gewaltigen Ventilatoren und des gedämpften Heulens des Windes draußen fröhlich, klang nach Brahms.
Cochrane schaute auf den nackten Boden, das zermahlene und sterilisierte, sich zersetzende Gestein einer fremden Welt, in dem irdische Bakterien arbeiteten, um die Zusammensetzung zu verändern, es von Titans Oktanregen und Kohlenwasserstoffschlamm zu reinigen. Irgendwann würden hier Gras und Bäume wachsen, damit die Kinder laufen und spielen, Liebespaare herumschlendern und alte Leute zufrieden lächelnd auf Bänken an einem Springbrunnen sitzen konnten, hochbetagt zu den Sternen hinaufschauten und wussten, dass von fernen fremden Welten andere zu ihnen zurückschauten.
Nun ebbte das Lachen ab, das in ihm aufgestiegen war, und er spürte, dass Tränen in seine Augen stiegen. Den Grund dafür kannte er freilich nicht. Welche Bücher schrieb man wohl auf diesen fernen Welten, die er nie lesen würde? Welche Gedichte würde er nie verstehen? Welche Musik? Welche Gemälde, Skulpturen? Welche unvorstellbaren geschichtlichen Abläufe würden nun ohne ihn stattfinden, da die menschliche Bühne sich ausgedehnt hatte – bis in die …
»Unendlichkeit.«
Cochrane zuckte beim Klang des Wortes zusammen, denn er hatte nicht mit Gesellschaft gerechnet. Natürlich erkannte er die Stimme. Sein Schiff, die Bonaventure, hatte über 300 Millionen Eurodollar gekostet, und der labile Zustand der Welt war dergestalt gewesen, dass keine Regierungsbehörde geneigt gewesen war, einen einunddreißigjährigen Physiker zu finanzieren, dessen Dreistigkeit die geschätztesten Grundlagen der Natur in Frage stellte. Die Stimme gehörte dem Mann, der das Schiff bezahlt hatte: Micah Brack.
Brack war keinem regierungsamtlichen Finanzkomitee und keinem Firmenvorstand unterstellt. Die Schuldverschreibungen, die er im Lauf der acht Jahre von Cochranes sturer Beschäftigung gegengezeichnet hatte, um die Vorstellungen der Einsteinianer-Koryphäen der modernen Wissenschaft umzustoßen, waren aus seiner privaten Tasche gekommen. Bedachte man, dass die meisten Datendienste ihn zu den zehn reichsten Bewohnern des Sonnensystems zählten (er besaß Holdings auf allen Planeten und Monden, die die Menschheit kolonisiert hatte), dann erschien seine Tasche praktisch bodenlos. Der größte Teil von Christophers Landeplatz existierte nur aufgrund von Bracks Weitblick und seiner Ungeduld mit denen, die bloß zu den Sternen aufschauten, doch unfähig waren, das Versprechen zu ergreifen, das sie offerierten. In Micah Brack hatte Cochrane einen Verfechter, Geldgeber und – noch wichtiger – Freund gefunden.
»Ich wollte dich nicht erschrecken.« Brack legte eine Hand auf Cochranes Schulter und hob den Blick, um sich das anzuschauen, was Cochrane gesehen hatte. Es war sehr weit entfernt. Er nickte zu den Klängen des Empfangs, die durch die erhellten Türen und Fenster des metallenen Heims des Gouverneurs drangen. »Aber gleich merken sie, dass der Held ihrer Party sich verdrückt hat.«
Cochrane wusste es ebenso. Seit der Rückkehr ins System vor knapp fünfzig Stunden hatte er keine Sekunde für sich Zeit gehabt. Er war derlei Einmischung nicht gewöhnt. Es gefiel ihm nicht. Hatte ihm nie gefallen. Er hatte auch nicht die Absicht, sich daran zu gewöhnen, auch wenn Brack ihn vor fast drei Jahren vor der möglichen Reaktion der Öffentlichkeit über die Nachricht seiner Leistung gewarnt hatte. Damals, bei ihrem Gespräch, waren sie zusammen mit Sternbach und Okuda draußen am Neptun gewesen und sozusagen von den Wänden des alten lunaren Eisfrachters John Cabal abgeprallt, den Brack ihm als Mikrogravitationslabor hatte einrichten lassen. Der Frachter hatte Cochrane und seinem Team erlaubt, ihre Forschungen Lichtstunden von den irdischen Militärbeobachtungsnetzen und gravimetrischen Störungen der Sonne entfernt durchzuführen.
Brack war an dem Tag bei ihnen gewesen, hatte eine seiner seltenen Reisen von der Erde gemacht – an dem Tag, an dem der erste 100-Kilo-Fluktuationshyperantrieb-Testschlitten des Teams sich buchstäblich selbst in regenbogenfarbenes Licht gewarpt und in etwas anderes als das normale Raum-Zeit-Kontinuum begeben hatte. Acht Minuten später hatten die Taster die deutlich erkennbare Strahlungsstruktur des Miniaturpartikelvorhangs aufgefangen, die Cochrane montiert hatte, damit sich der Schlitten eine Minute nach dem Start selbst zerstörte. Es war eine drastische Messung gewesen, aber damals hatte er keine andere Möglichkeit gekannt, einen Kontinuum-Verzerrungsgenerator wieder in einem bestimmten Moment in den Normalraum zurückkehren zu lassen. Er hatte auch keine präzisen Vorstellungen gehabt, wie weit der Schlitten reiste, und keine Möglichkeit zu der Vorhersage, in welche Richtung er abtrieb, wenn er sich außerhalb des Normalraums befand.
Als die Signatur bestätigt worden war, hatte der Jubel in der riesigen hohlen Trommel der wissenschaftlichen Ecke der John Cabal Echos geworfen. Der Schlitten hatte sich in sechzig Sekunden acht Lichtminuten – über 143 Millionen Kilometer – weit bewegt.
Der Hyperantrieb-Prototyp war gewaltig im Vergleich zu den ursprünglichen Testgeräten, die Cochrane als Mittzwanziger am MIT eingesetzt hatte, um Elektronen die doppelte Geschwindigkeit des Lichts zu verleihen. Aber sein Format hatte den Verzerrungseffekt nicht verringert; er hatte den Schlitten mit einer Pseudogeschwindigkeit transportiert, die achtmal schneller als das Licht war. Dies entsprach einem relativistischen Zeitwarp-Multiplikationsfaktor von 22!
An diesem Tag hatten sie dem Einstein-Universum ade gesagt und aus Quetschtuben hundert Jahre alten Cognac getrunken – die Mikrogravitation war nicht der richtige Ort für sprudelnden Champagner. Es war ja nicht so, dass Einstein, Hawking, Cross und alle anderen Giganten der Physik sich geirrt hatten – das Universum hatte nur ein neues Fenster zu seiner unendlichen, unvorhersehbaren Natur geöffnet, damit die Menschheit hindurchschauen konnte, um eine völlig neue Wissenschaft zu erschaffen – um die Phänomene zu beschreiben, die die Forscher der Frühzeit nie gesehen und die einige, wie Einstein, sich auszumalen geweigert hatten.
Doch zumindest in dieser Verweigerung hatte Einstein sich geirrt. Weil, wie Cochrane prophezeit und schließlich Nichtwissenschaftlern, deren Augen unerklärlicherweise, doch unausweichlich, glasig wurden, wenn sich multidimensionale Gleichungen in eine Konversation einschlichen, zu erläutern aufgegeben hatte, die Wirkungen der Relativität nur auf die normale Raum-Zeit begrenzt waren. Die nachfolgenden Prüfstandtests an schnell zerfallenden Partikeln hatten gezeigt, dass die bestens bekannten Zeitdilatationeffekte bei sehr schneller Reisegeschwindigkeit nicht mehr vorkamen, wenn der Hyperantrieb in eine fluktuierende Kontinuum-Verzerrung eingetreten war.
Da es keine Möglichkeit gab, zwischen dem normalen Universum und dem Rauminhalt innerhalb der Verzerrung Informationen auszutauschen (Im Moment, hatten ihn seine Leute fortwährend erinnert), konnte die Zeit im Inneren der Kontinuum-Verzerrung mit dem gleichen Tempo verlaufen wie beim letzten Kontakt mit der normalen Raumzeit, ohne irgend etwas zu widersprechen, das in Sachen Lichtgeschwindigkeit als schnellster Reiseart überhaupt feststand.
Natürlich wusste Cochrane eins: Irgendwann, wenn es genug mit Fluktuationshyperantrieb ausgestattete Schiffe gab, die genügend ferne Sonnensysteme mit ihrem eigenen Tempo relativistischer Zeit besuchten, würden sich Abweichungen in der Zeitnahme ansammeln. Er sah voraus: Irgendwann, wenn genug mit Hyperantrieb ausgestattete Schiffe genügend ferne Planeten besuchten, musste eine völlig neue Technik der Zeitnahme und Datenaufzeichnung entwickelt werden, die die örtlichen Zeitverlaufvarianten einbezogen und sich in bedeutungsvoller, doch komplizierter Weise zueinander verhielten. Doch indem man die Grenzen der Einsteinschen Raum-Zeit sprengte, war die Zeitdilatation für die Erforschung des Weltraums durch den Menschen kein einengender Faktor mehr. Und noch wichtiger, hatte Brack an diesem Tag angemerkt: Dies galt auch für Entfernungen.
Andererseits, hatte Brack warnend gemeint, musste man dafür einen Preis zahlen. Wenn Cochrane als erster Mensch, der schneller als das Licht gereist war, von den Sternen zurückkehrte, würde man seinen Namen im gleichen Atemzug mit denen von Armstrong, Yoshikawa und Daar nennen. Er würde keine normale, anonyme Existenz mehr führen können – er und sein Leben würden der Welt gehören. Dem Universum.