MICHAEL P. KUBE-MCDOWELL
DIE SCHWARZE FLOTTE ②
AUFMARSCH DER YEVETHANER
Roman
Aus dem Amerikanischen
von Heinz Nagel
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
MICHAEL P. KUBE-MCDOWELL
DIE SCHWARZE FLOTTE ②
AUFMARSCH DER YEVETHANER
Roman
Aus dem Amerikanischen
von Heinz Nagel
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
www.diezukunft.de
Für Matt, Amanda und Gwen in Dankbarkeit für ihre Liebe, Unterstützung und ihr Verständnis.
Und für all die Zwölfjährigen überall und jederzeit, die wie ich daran geglaubt haben, dass sie eines Tages in den Weltraum reisen würden – ganz besonders für diejenigen, die es wirklich getan haben, und für die, die immer noch daran glauben.
Danksagung
In den Jahren seit Die Rückkehr der Jedi-Ritter ist das Star Wars-Universum in so gewaltigem Maße erweitert worden, dass niemand, auch nicht mit den besten Absichten, sich der Hoffnung hingeben kann, er könne ohne Hilfe mit all den vielen Einzelheiten zurechtkommen.
Ich bedanke mich deshalb für die Unterstützung der vielen Autoren und Fans in der großen Star Wars-Gemeinde online – bei GEnie, CompuServe und im Internet –, die sich die Zeit genommen haben, meine Fragen zu beantworten, und dafür teilweise eigene Recherchen angestellt haben. Dieser Dank gilt ganz besonders Kevin J. Anderson, Roger MacBride Allen, Matt Hart, Robert A. Cashman, Laurie Burns, Jim Fisher, Cathy Bowden, Tim O’Brien, William Paul Sudlow und Steve Ozmanski – jedem einzelnen von ihnen verdanke ich mindestens eine Seite mit hilfreichen Fakten, die ich meinem Archiv hinzugefügt habe.
Als ungemein wertvolle Nachschlagewerke erwiesen sich Bill Slavicseks A Guide to the Star Wars Universe, Shane Johnsons Star Wars Technical Journal, Dan Wallaces Planetenforschung sowie die verschiedenen Zeittafeln, Lexika und Nachschlagewerke, die mir Sue Rostoni von Lucasfilm, Ltd., und Tom Dupree von Bantam zur Verfügung gestellt haben.
Ganz besonderen Dank schulde ich meiner Familie, denen, die mein Manuskript vorab gelesen haben, und die kein Opfer gescheut haben, um es mir zu ermöglichen, diesem Projekt meine ganze Aufmerksamkeit zu widmen. Ohne Gwen, Matt, Amanda, Arlyn und Rods Unterstützung hätte ich dieses Buch niemals fertigstellen können, und mein Lektor und mein Agent würden noch mehr graue Haare haben, als ihnen meinetwegen bereits gewachsen sind.
Schließlich bin ich nach wie vor George Lucas dafür dankbar, dass er mir die Chance gegeben hat, der wachsenden Chronik des Star Wars-Universum ein paar Seiten hinzuzufügen. Es war mir zugleich ein Vergnügen und eine Ehre, quasi als Historiker für die langsam heranreifende Neue Republik und als Biograph für einige ihrer legendären Gestalten tätig sein zu dürfen.
Michael Paul McDowell
6. Februar 1996
Okemos, Michigan
Hauptpersonen
Auf Coruscant, Hauptwelt der Neuen Republik:
Prinzessin Leia Organa Solo, Senatspräsidentin und Staatsoberhaupt der Neuen Republik
Alole, Adjutantin Leias
General Han Solo, abkommandiert zu Sondereinsatz
Admiral Hiram Drayson, Chef von Alpha Blue
General Carlist Rieekan, Leiter der Nachrichtendienste der Neuen Republik
Erster Administrator Nanaod Engh, administrativer Direktor der Neuen Republik
Senator Behn-Kihl-nahm, Vorsitzender des Verteidigungsrates und Freund und Mentor Leias
Senator Tolik Yar von Oolidi
Senator Tig Peramis von Walalla
Senator Cion Marook von Hrasskis
Ayddar Nylykerka, Chefanalytiker des Büros für Anlagenkatalogisierung, Flottennachrichtendienst
Plat Mallar, einziger Überlebender des yevethanischen Überfalls auf Polneye
Belezaboth Ourn, außerordentlicher Konsul der Paqwepori
Beim Fünften Schlachtgeschwader der Flotte der Neuen Republik im Farlax-Sektor:
General Etahn A’baht, Flottenkommandeur
Captain Morano, Kommandant des Flaggschiffs Intrepid der Fünften Flotte
Esege »Tuke« Tuketu, Pilot eines K-Flüglers
Beim Einsatzkommando Teljkon:
General Lando Calrissian, Verbindungsoffizier der Flotte
Lobot, Chefadministrator von Cloud City, beurlaubt
C-3PO, Protokolldroide
R2-D2, Astromechdroide
Oberst Pakkpekatt, Expeditionskommandant, Nachrichtendienst der Neuen Republik
Captain Bijo Hammax, Leiter des Außenkommandos
Auf N’zoth, Brutwelt der Yevetha, im Koornacht-Sternhaufen, Sektor Farlax:
Nil Spaar, Vizekönig des Yevetha-Protektorats
Eri Palle, Adjutant von Nil Spaar
Vor Duull, Bevollmächtigter für Informationswissenschaften des Vizekönigs
Im Skiff Schlammfaultier von Lucazec im Weltraum unterwegs:
Luke Skywalker, Jedi-Meister
Akanah, eine Adeptin des Weißen Stroms
Auf Kashyyyk, Heimatwelt der Wookiees:
Chewbacca, der dort an den Feiern zur Großjährigkeit seines Sohnes Lumpawarump teilnimmt
I – LANDO
1
Der Teljkon-Vagabund hatte wieder Fahrt aufgenommen. Nur dass er diesmal blinde Passagiere an Bord hatte.
»Hyperraum?«, wiederholte C-3PO ungehalten, während er noch damit beschäftigt war sich freizustrampeln. Die Gliedmaßen des Droiden waren in einer Ecke der Luftschleuse des Vagabunden mit Lobot, R2-D2 und dem Geräteschlitten verstrickt – in einem Raum, der sich plötzlich in eine Art Gefängnis im Weltraum verwandelt hatte. »Sie müssen sich täuschen, Master Lobot.«
»Ich täusche mich nicht«, sagte Lobot und schob 3POs zuckendes goldenes Bein von seinem Visier weg. »Meine sämtlichen Datenverbindungen sind im gleichen Augenblick abgerissen, und zwar auf genau die Weise, wie ich es von Hyperraumsprüngen kenne.«
»Ein Kurswechsel hat während der Beschleunigungsphase ebenfalls stattgefunden«, sagte Lando aus der anderen Ecke der Schleuse. Er bewegte die Finger seiner rechten Hand, die jetzt kein Handschuh mehr schützte, und versuchte auf diese Art, die eisige Kälte aus seinen schmerzenden Fingern zu vertreiben.
»Master Lando!«, rief 3PO mit kläglicher Stimme. »Können Sie es nicht zum Halten bringen?«
»Ich habe es ja auch nicht in Gang gesetzt, 3PO«, herrschte Lando ihn an.
»Mit allem Respekt, Master Lando, das haben Sie ganz sicherlich«, greinte 3PO gekränkt. »Jetzt greifen Sie einfach wieder in dieses Loch hinein und machen das rückgängig, was Sie getan haben, und zwar schnell. Oberst Pakkpekatt wird höchst verstimmt darüber sein, dass wir mit seinem Sternenschiff wegfliegen.«
»Oberst Pakkpekatt ist im Augenblick wahrscheinlich dabei, neue hortekische Wörter zu erfinden«, sagte Lando. »Aber er befindet sich zumindest auf einem Schiff, wo er den Chef spielen kann. Das trifft für uns nicht zu. Irgendwelche Beschädigungen dort drüben? Lobot? R2-D2?«
Der kleine Astromechdroide arbeitete sich aus dem Durcheinander von Gliedmaßen und Körpern heraus und gab einen zirpenden Laut von sich.
»R2-D2 meldet, dass seine sämtlichen Systeme einsatzfähig sind«, dolmetschte 3PO.
»Ich bin unverletzt«, sagte Lobot. »Mein Raumanzug hat mich vor dem Aufprall des Geräteschlittens geschützt. Aber meine Datenverbindungen sind immer noch abgerissen und das empfinde ich als große Beeinträchtigung.«
Lando nickte. »R2, kannst du Lobot da behilflich sein?«
Der Droide vollführte unter Einsatz seiner Mikroschubaggregate eine Drehung in der Luft und gab ein unfreundlich klingendes Schnattern von sich.
»Sei nicht so ordinär«, tadelte ihn 3PO.
»Was ist denn los?«
»Master Lando, R2 sagt, er zieht es vor, seine Systeme für sich zu behalten.«
»Nun, ich mag Telepathen auch nicht, R2«, sagte Lando. »Aber im Augenblick hätte ich wirklich nichts dagegen, mit dem Oberst auf diese Art Kontakt aufnehmen zu können. Du solltest Lobot eine Verbindung mit deinem Ereignisspeicher herstellen lassen. Vielleicht ist da etwas, wodurch wir uns zusammenreimen können, was da gerade passiert ist. Hat jemand meinen rechten Handschuh gesehen?«
Lobot klammerte sich mit einer Hand an den Geräteschlitten. »Ich glaube, Ihr Handschuh ist bei der Dekompression zur Schleuse hinausgeweht worden.«
»Ist ja großartig.« Lando warf einen Blick auf seine inzwischen purpurfarben angelaufene Hand und dann auf die aufgeblähte Manschette seines Druckanzugs. »Welchen Druck haben wir denn im Augenblick hier drinnen?«
»Sechshundertvierzig Millibar«, sagte Lobot. »Der Druckaufbau hat gleich nach Abschließen des Eingangs wieder begonnen.«
»Druckaufbau? Ist ja interessant. Von wo denn?« Lando sah sich um und musterte die glatten Wände, die sie umgaben. »R2, kannst du hier irgendwelche Luftschlitze entdecken?«
Der Droide bestätigte die Anweisung mit einem Piepen, stieg dann in die Höhe und flog dicht an den Wandplatten entlang.
»Schön – ich habe mir das so zurechtgelegt«, meinte Lando dann. »Wir sind nicht länger geladene Gäste und willkommene Besucher. Das Ding hier hat die Glücksdame abgeschüttelt und versucht uns auszuspucken. Das wäre ihm wahrscheinlich auch gelungen, wenn es nicht gleichzeitig versucht hätte dem Einsatzkommando zu entkommen.«
»Und das wirft die nächste Frage auf«, sagte Lobot. »Warum hat es das nicht gewusst?«
»Ich höre.«
»Mir scheint hier ein Fehlschluss vorzuliegen. Zwei Abwehrprozeduren wurden eingesetzt, ohne dabei die Auswirkungen zu bedenken, die durch die Kombination der beiden Maßnahmen entstehen könnten. Und dass dieser Raum hier wieder mit Luft versorgt wird, scheint mir ebenfalls inkonsequent.«
»Haben Sie eine Erklärung?«
»Diese Vorgänge deuten für mich darauf hin, dass das Schiff entweder von nur beschränkt intelligenten Systemen oder von Lebewesen mit beschränkter Intelligenz kontrolliert wird.« Als Lobot sah, wie Lando bei seiner Formulierung das Gesicht verzog, fügte er hinzu: »Im Augenblick ist es mir nicht möglich, zwischen diesen beiden Möglichkeiten zu unterscheiden.«
»Falls es uns gelingen sollte, das herauszufinden, kommen wir vielleicht auch dahinter, wie wir es schaffen, hier das Heft in die Hand zu bekommen«, sagte Lando. »Eines steht für mich fest – diese Schleuse hat sich wegen des Sprungs geschlossen und nicht, um uns gefällig zu sein. Wir sind hier unerwünscht. Und wenn wir aus dieser Kammer nicht raus sind, wenn der Vagabund den Hyperraum verlässt, dann glaube ich nicht, dass wir noch große Chancen haben.«
»Master Lando, ich bin sicher, Oberst Pakkpekatt und die Armada haben bereits unsere Verfolgung aufgenommen«, sagte 3PO. »Je früher wir den Hyperraum verlassen, desto früher können sie uns retten.«
»Yeah, die suchen uns ganz bestimmt«, sagte Lando. »Die Frage ist nur, ob sie uns auch finden – wir könnten ebenso gut fünf Lichtjahre oder fünfzig oder fünfhundert vom Eintauchpunkt entfernt wieder rauskommen. Und bei Ausweichmanövern wechselt man normalerweise sofort den Kurs und setzt dann den nächsten Sprung an. Und sobald das einmal passiert ist, ist es genauso, als ob man mit den Ewoks auf Endor Verstecken spielt.«
»Aber Master Lando – irgendwie müssen die uns doch retten können. Die würden uns doch ganz bestimmt nicht einfach aufgeben. Wenn sie uns nicht folgen, sind wir dem Untergang geweiht, im Weltraum verloren …«
»3PO, wir können es uns einfach nicht leisten, solange zu warten, bis sie da sind.« Lando tippte an sein Visier, um den Droiden daran zu erinnern, weshalb er das gesagt hatte. »Das Chrono läuft bereits. Lobot und ich könnten bereits tot sein, ehe dieses Schiff beschließt, den Hyperraum zu verlassen. Deshalb müssen wir jetzt schnell handeln. Wir dürfen einfach nicht auf Hilfe seitens der Armada rechnen, wenn uns nicht vorher etwas einfällt, wie wir denen dabei helfen können, uns zu finden. Und bis zu dem Punkt stehen wir auf eigenen Beinen.«
3PO hob in einer Geste der Verzweiflung die Arme und seine Stimme wurde schrill. »Wir bitten um Entschuldigung«, rief er dem Schiff zu. »Bitte, glaub mir, ich wollte nie jemandem einen Schaden zufügen …«
»Halt den Mund, 3PO.«
»Ja, Sir.«
»Lando«, sagte Lobot.
»Was ist denn?«
»Vielleicht schadet es gar nichts«, meinte Lobot. »Es könnte ja sein, dass jemand zuhört.«
Lando runzelte die Stirn. »Soweit es dieses Schiff betrifft, sind wir Piraten, Einbrecher, Grabräuber oder noch etwas Schlimmeres. Es ist wirklich höchst unwahrscheinlich, dass die das vergessen, bloß weil wir plötzlich, nachdem wir zuerst die Tür eingeschlagen haben, angefangen haben, bessere Manieren an den Tag zu legen.«
»Die Erfolgsaussicht mag gering sein«, sagte Lobot. »Aber immerhin ist 3PO dafür ausgebildet, sich diplomatisch auszudrücken. Und möglicherweise ist eine Entschuldigung tatsächlich der Schlüssel, der uns die nächste Tür öffnet.«
Lando seufzte tief und machte mit seiner behandschuhten Hand eine Geste, die C-3PO als Aufforderung deuten konnte. »Na schön. Aber 3PO, mit etwas Würde, wenn ich bitten darf.«
»Selbstverständlich, Master Lando«, erwiderte der Droide in leicht pikiertem Tonfall. »Ich bin darauf programmiert, mich jederzeit würdevoll zu verhalten. Tatsächlich ist das sogar eines der Grundprinzipien der Etikette und des Protokolls …«
»Stimmt«, fiel Lando ihm ins Wort, um seinen Redeschwall abzukürzen. »Dann fang schon an damit. Wir haben schließlich keine Ahnung, wieviel Zeit wir eigentlich haben. Und nimm den zweiten Kommkanal, damit Lobot und ich einander hören können.«
»Sehr wohl, Master Lando«, sagte 3PO und verstummte dann scheinbar.
»Lobot, haben Sie Zugang zu R2s Ereignisspeicher?«
»Ja, Lando.«
»Versuchen Sie, ob Sie unseren neuen Kurs aus den Daten seines Kreiselsystems und seines Beschleunigungsmessers unmittelbar vor dem Sprung herausfinden können. Vielleicht können wir daraus im Verein mit R2s astrographischer Datenbank etwas darüber in Erfahrung bringen, wieviel Zeit wir noch haben.«
Scout IX-26 der Neuen Republik tauchte so dicht bei seinem Zielort aus dem Hyperraum auf, dass der Planet den größten Teil des vorderen Sichtschirms ausfüllte.
»Koordinaten überprüfen«, befahl Kroddok Stopa mit gerunzelter Stirn. »Absolutreferenz.«
»Der Astrogator sagt vierundvierzig, eins-neun-sechs, zwei-eins-null.« Der Pilot drehte mit einer gekonnten Handbewegung die Indexscheibe des Schifflogs. »Ja, stimmt mit denen überein, die Sie mir gegeben haben.«
»Diese Daten stammen direkt aus der dritten Großen Inspektion.« Stopa deutete auf das Astrogationsdisplay. »Aber wenn ich Ihre Anzeige richtig lese, dann steht dort, dass dieser Planet Maltha Obex heißt. Das ist ein tobekischer Name.«
Der Pilot sah halb zum Astrogator hinüber. »Maltha Obex, ganz richtig.«
Stopa, Leiter der Expedition des Obroanischen Instituts nach Qella, studierte die Daten, die von den Sensoren der IX-26 hereinkamen, und schüttelte dann den Kopf. »Bei allen Sternen. Was ist denn hier passiert?«
Der Pilot warf einen Blick auf den Sichtschirm. »Wieso, was ist denn? Sieht doch aus, wie zehntausend andere Eisbälle, die wir schon gesehen haben.«
Josala Krenn, die andere Hälfte der obroanischen Expedition stand auf und kam nach vorne. »Das ist es ja gerade. Die dritte GI hat diese Welt als gemäßigt gemeldet. Sie hatte damals eine Bevölkerung von sieben Millionen und ein Primärökosystem, das die Leute von der GI provisorisch mit Komplexitätsgrad Zwei eingestuft hatten.«
Der Pilot schüttelte den Kopf. »Dann haben wir allem Anschein nach den Sommer hier verpasst«, meinte er trocken.
»Das entsprach den Erwartungen«, sagte Stopa. »Als die Kontaktmission der dritten GI hierherkam, stellten sie fest, dass ein Drittel der Landfläche vergletschert war.« Dass das Kontaktteam den Planeten tot vorgefunden hatte, bedeckt nur noch von Ruinen der Qellazivilisation, ließ er unausgesprochen.
»Als die Tobek kamen, dachten sie wahrscheinlich, sie bräuchten nur zuzugreifen, und haben dem Planeten einen Namen verpasst«, sagte Josala.
»Was hat der Name schon zu sagen? Sie wollten doch hierher, oder? Habe ich irgendetwas nicht mitgekriegt?«
»Der letzte Kontakt der dritten GI liegt hundertachtundfünfzig Jahre zurück«, sagte Stopa. »Der Planet hätte bereits wieder anfangen müssen, sich zu erholen.«
»Ich sehe immer noch nicht, wo das Problem liegt.«
»Doch, das tun Sie schon«, widersprach Josala. »Das Problem ist alles, was wir hier sehen können. Das Problem ist das Eis.«
»Ich hab’s immer noch nicht kapiert.«
Josala seufzte. »Wo haben Sie uns abgeholt?«
»Babali«, erwiderte der Pilot. »Warten Sie – Sie haben keine Eisbohrer? Keine Schutzunterstände? Kälteanzüge?«
»Babali ist eine Tropenwelt. Aus irgendeinem Grund waren auf der Geräteliste keine Eisbohrer vorgesehen«, antwortete Josala mit einem schiefen Grinsen. »Unser Rover hat nicht einmal eine Klassifizierung für diese Art Wetter.«
Der Pilot stieß einen mitfühlenden Pfiff aus. »Jetzt sehe ich Ihr Problem. Aber warum hat man dann ausgerechnet Sie geschickt?«
»Weil wir die beste Lösung für eine Gleichung mit zwei Variablen waren«, antwortete Josala. »Der nächste verfügbare Bioarchäologe und das schnellste verfügbare Transportmittel.«
»Allzu schlimm ist es ja auch nicht«, meinte Stopa nachdenklich. »Man hat uns hierher geschickt, um biologische Proben zu beschaffen. Die Gletscherdecke stellt immerhin sicher, dass es noch Proben gibt, die man entnehmen kann.«
»Es sei denn, dieser Klimasturz wurde von einem schmutzigen Krieg ausgelöst – mit Brandbomben oder gesteinsbrechenden Waffen«, wandte Josala ein.
»Viel Atmosphäre ist nicht mehr übrig, aber ich kann ja eine Sonde absetzen und schnüffeln«, sagte der Pilot. »Damit läßt sich diese Frage schnell beantworten.«
»Nein«, widersprach Stopa. »Bringen Sie uns auf Kartographieorbit. Sehen wir uns einmal die andere Seite an. Wir brauchen nur eine Landestelle – ein paar Gramm Material. Es könnte ja ein geothermisches Feld geben oder jedenfalls irgendeine heiße Stelle – eine warme Strömung vielleicht aus einer besonders tiefen Bodenspalte, die bewirkt hat, dass irgendwo an einer Meeresküste ein Stück eisfrei geblieben ist. In dem Fall wären die Qella ganz sicherlich vor dem Ende dorthin geflohen.«
»Sie erwarten aber doch nicht, hier noch irgendwelches Leben vorzufinden, oder? Sehen Sie sich doch die Werte für die Oberflächentemperatur an.«
»Nein, Leben nicht«, meinte Stopa. »Aber ich wäre schon dankbar, wenn wir auch nur eine einzige Leiche finden würden, die nicht unter dreihundert Meter Eis begraben ist.«
»Also gut, Kartographieorbit«, sagte der Pilot und griff nach den Kontrollen. »Maltha Obex, wir kommen.«
»Qella«, korrigierte ihn Josala ruhig. »Wenn wir hier nicht feststellen, dass wenigstens noch ein winziges Stückchen von diesem Planeten den Qella gehört, werden wir die Leute, die uns hierher geschickt haben, mächtig enttäuschen.«
Aus der Perspektive des für kartographische Zwecke üblichen Orbits bot Qella nicht gerade einen einladenden Anblick. Die Landfläche war mit einer bis zu einem Kilometer dicken Eisschicht überzogen, während die eingeschrumpften Meere, die zu salzig waren, um zuzufrieren, Eisberge jeder Größenordnung zeigten.
»Das wär’s«, sagte Stopa, nachdem er sich die Daten der letzten Überfliegung gründlich angesehen hatte. »Möglicherweise haben einige der Qella versucht, auf dem Eis zu überleben – wenn wir Glück haben, finden wir ihre Überreste in fünfzig oder hundert Meter Tiefe. Damit können wir uns ja beschäftigen, während wir auf Verstärkung warten. Aber wir müssen auf jeden Fall das Schlimmste annehmen und Hilfe anfordern.«
»Vielleicht können wir Dr. Eckels’ Team kriegen«, sagte Josala. »Die sollten ja eigentlich inzwischen mit den Ausgrabungen auf Hoth fertig sein.«
»Versuchen können wir es immerhin. Stellen Sie eine Hyperkommverbindung mit dem obroanischen Institut her«, bat Stopa.
»Fertig«, meldete der Pilot.
»Hier spricht Dr. Kroddok Stopa, Bestätigungscode Alpha-Echo-vier-vier-zwo. Bitte schalten Sie die Geräteabteilung zu.«
»Ist erledigt. Bitte sprechen Sie, Doktor.«
»Ich habe eine dringende Anforderung für zusätzliche Geräte und Personal für meinen augenblicklichen Einsatz.« Stopa rasselte die detaillierte Liste herunter, die er aufgestellt hatte. »Haben Sie das alles?«
»Hier Geräteabteilung – ja, haben wir. Wir nehmen das sofort in Angriff.«
»Außerdem brauchen wir ein Spitzenteam für Kälteeinsatz. Ist die Hoth-Crew von Dr. Eckels verfügbar?«
»Die haben sich gestern zurückgemeldet. Ich weiß nicht, wofür sie gerade eingeteilt sind«, sagte die Stimme am anderen Ende. »Aber ich gebe das sofort an den Ausschuss weiter und sorge dafür, dass Sie schnell Antwort bekommen.«
»Angenommen, Sie sind verfügbar, was schätzen Sie dann, wie lange es dauern wird, bis wir sie und das Material hier draußen zu sehen bekommen?«
»Wenn wir die Penga Rift bevorzugt abfertigen und das Team und die Geräte bis Mitternacht an Bord bekommen – sagen wir sechzehn Standardtage.«
»Gibt es etwas Schnelleres als die Penga Rift?«
»Nicht im Institutsregister – tut mir leid.«
»Dann prüfen Sie, was es für andere Möglichkeiten gibt«, erwiderte Stopa kurz angebunden. »Das hat höchste Priorität. Stopa Ende.« Er bedeutete dem Piloten, die Verbindung abzubrechen. »Und jetzt verbinden Sie mich mit Krenjsh vom Nachrichtendienst der Neuen Republik. Die müssen erfahren, dass sich die geforderten Ergebnisse etwas verzögern werden.«
Die vier Gefangenen in der Schleuse des Vagabunden waren zu beschäftigt, um viel miteinander zu reden.
R2 suchte nach Lüftungsöffnungen, während 3PO die unsichtbaren Herren des Vagabunden zu bezirzen versuchte. Lobot analysierte die Beschleunigungs- und Astrographiedaten und stellte eine Liste ihrer Gerätschaften auf dem Schlitten auf. Lando befasste sich mit dem Kontrollgriff in der Ecke der Kammer, um herauszufinden, ob dieser auf ihn reagieren würde.
Doch der Griff blieb unbeweglich, und Landos Berührung führte zu keiner erkennbaren Reaktion. Aber bei diesen fruchtlosen Bemühungen merkte er, dass seine unbedeckte Hand steif und angeschwollen war und zu schmerzen begann – der Druck, den die Manschette seines Schutzanzuges ausübte, verstärkte den Schaden noch, der durch die Dekompression aufgetreten war.
»Haben wir irgendwelche Musterbeutel?«, fragte Lando und trat neben Lobot, der immer noch mit dem vor ihm schwebenden Geräteschlitten beschäftigt war.
»Ja. Sechs kleine, sechs große und zwei Kapseln mit selbstformendem Gel.«
»Die Beutel – die schließen doch selbsttätig, nicht wahr?«
»Ja, Lando.« Er hielt inne. »Tut mir leid – ich habe nicht mehr herausgefunden. Wissen Amnesiepatienten, dass es Dinge gibt, an die sie sich nicht erinnern können? Wenn ja, dann weiß ich jetzt, wie man sich in einem solchen Zustand fühlt. Meine Spezialität ist es, Verbindungen herzustellen und Informationen ausfindig zu machen. Sonst habe ich eigentlich nichts gelernt.«
»Sparen Sie sich die Selbsterforschung für ein anderes Mal auf«, sagte Lando. »Holen Sie sich einen von diesen kleinen Musterbeuteln, und sehen Sie zu, ob sich daraus so etwas wie ein Handschuh für mich improvisieren lässt.«
Wenig später hatten sie die Öffnung des Beutels an der Manschette des Druckanzugs befestigt, und Lando drehte ein wenig an den Stellschrauben herum, bis sie sich etwas lockerten. Kurz darauf stellte er erleichtert fest, dass die Schwellung in seinen Fingern nachließ.
»Ich weiß nicht, ob der Beutel oder der Kleber stark genug ist, um einen nochmaligen Druckverlust auszuhalten«, sagte Lobot.
»Darauf verlasse ich mich auch nicht«, sagte Lando. »Ich habe bloß keine Lust, meine Hand zu verlieren. Es sieht ohnehin schon schlimm genug aus. Haben Sie mit R2s Daten etwas anfangen können?«
»Ich glaube, ich habe unsere Flugrichtung vor dem Sprung auf ein halbes Grad genau«, sagte Lobot und rasselte dann die Koordinaten herunter. »Tut mir leid, aber genauer geht es nicht.«
»Das würde einen Kurs in Richtung auf Sektor eins-fünf-eins bedeuten«, sagte Lando.
»Ja. Die Grenze ist acht Lichtjahre von unserer ursprünglichen Position entfernt.«
»Gibt es in Einundfünfzig jemanden, der uns vielleicht helfen könnte?«
»Tut mir leid«, sagte Lobot. »R2 hat lediglich Navigationsdaten. Geopolitische oder soziologische Daten stehen nicht zur Verfügung.«
Lando nickte. »Sie brauchen sich nicht für Dinge entschuldigen, die Sie mir nicht geben können. Dafür haben wir keine Zeit. Wie weit ist diese Straße geöffnet?«
»Die Ungenauigkeit des Vektors wird natürlich mit zunehmender Entfernung immer größer«, sagte Lobot. »Der der Zentralachse am nächsten liegende Himmelskörper mit einem genügend ausgeprägten Gravitationsschatten, um ein Schiff aus dem Hyperraum ziehen zu können, ist einundvierzig Komma fünf drei Lichtjahre entfernt.«
Lando runzelte die Stirn und meinte dann: »Das ist nicht besonders hilfreich. Drehen wir die Frage um – wie weit ist es bis zu dem Punkt auf dieser Flugbahn, der von allen anderen am weitesten entfernt ist?«
Lobot schloss die Augen und konzentrierte sich. Aber R2-D2 kam ihm mit einer langen Folge piepender und zirpender Laute zuvor.
»R2 sagt, dass dieses Schiff in zwölf Komma neun Lichtjahren die isolierteste Region auf dieser Flugbahn erreichen wird«, teilte 3PO mit. »An jenem Punkt gibt es im Umkreis von beinahe neun Lichtjahren keine erfassten Körper von einem Durchmesser oberhalb eines Kometen der Klasse fünf.«
»Ein guter Punkt für einen Kurswechsel«, sagte Lando. »Und weit genug entfernt, um uns ein wenig Zeit zu lassen.«
»Aber wir wissen nicht, wie schnell dieses Schiff sich im Hyperraum bewegen kann«, wandte Lobot ein. »Jene Region könnte zwölf Stunden entfernt sein oder acht oder sechs – oder vielleicht noch weniger. Die konventionelle Obergrenze für Hyperraumgeschwindigkeit ist möglicherweise technischer und nicht theoretischer Natur. Und dann ist da noch etwas …«
»Was?«
»Falls wir jenen Schwerkraftschatten in einundvierzig Lichtjahren Entfernung tatsächlich passieren, führt uns der weitere Kurs geradewegs zur Grenze der Neuen Republik in der allgemeinen Richtung von Phracas, in den Kernwelten.«
»Ein Grund mehr, hier nicht untätig rumzustehen und Zeit zu vergeuden«, sagte Lando. »R2, was hast du festgestellt?«
R2 piepte und 3PO übersetzte: »Master Lando, R2 sagt, dass es in diesem Raum nirgends Lüftungsöffnungen gibt.«
»Was? Wie ist dieser Raum dann wieder unter Druck gesetzt worden?«
»R2 meint, dass die atmosphärischen Gase Molekül für Molekül durch die Wände kommen. Er sagt, das gelte für den größten Teil der Oberfläche dieses Raums.«
»Damit ich das nicht falsch verstehe – diese Wände sind also porös?«
R2 zirpte und 3PO übersetzte erneut: »Nein, Master Lando. R2 sagt, dass die ganzen Moleküle einfach auf der Oberfläche erscheinen.«
»Äußerst seltsam«, sagte Lobot. »Ich frage mich, ob es wohl sein kann, dass die Wände das Gas tatsächlich produzieren.«
»R2, gibt es einen Bereich, an dem dieser Vorgang stärker ausgeprägt ist als anderswo?«, fragte Lando.
Der kleine Droide düste in die Mitte des Raums und sandte einen orangefarbenen Lichtstrahl aus seinem Holographieprojektor zu der inneren Wand.
»In Ordnung. 3PO, Zustandsbericht.«
Der goldene Droide neigte den Kopf etwas zur Seite. »Sir, bis jetzt habe ich die Herren dieses Fahrzeugs in elftausendvierhundertunddreiundsechzig Sprachen angerufen und eindringlich um Nachsicht und Unterstützung gebeten. Bis jetzt gab es darauf auf keinem mir zugänglichen Wellenbereich eine Antwort.«
»Gehört zu diesen sechs Millionen Sprachen, die du beherrschst, auch die der Qella?«
»Ich bedauere außerordentlich, Master Lando, aber das ist nicht der Fall.«
»Hast du irgendwelche Informationen über die Qella-Sprache? Vielleicht ist sie mit irgendeiner anderen Sprache verwandt, die du fließend beherrschst – so wie man Torock beherrscht, wenn man sich einigermaßen in Thobek oder Wehttam verständigen kann.«
»Ich bedauere sehr, Master Lando, aber mir ist wirklich überhaupt nichts bekannt.«
»Wie wär’s mit einem Versuch mit geographisch benachbarten Sprachfamilien?«
»Sir, die übliche Vorgehensweise bei Erstkontakten besteht darin, es mit regionalen Sprachen zu versuchen, falls die Sprache der Eingeborenen unbekannt ist«, erwiderte 3PO leicht indigniert. »Ich habe natürlich mit den achthundertdreiundsiebzig Sprachen angefangen, die in dem Sektor gesprochen werden, in dem sich Qella befindet, und habe es anschließend mit den dreitausendzweihundertsieben Sprachen probiert, bei denen es eine direkte Verbindung mit jenen Sprachfamilien gibt.«
»Und jetzt gehst du einfach von A bis Z vor?«
»Ich gehe weiterhin nach astrographischer Nähe vor.«
»Wie lange wirst du brauchen, um sie alle auszuprobieren?«
»Master Lando, wenn ich die Wartezeit auf das von meinem Protokoll festgesetzte Mindestmaß reduziere, werde ich die erste Folge in vier Komma zwei Standardtagen abschließen können.«
»Das habe ich befürchtet«, sagte Lando. »Lobot, holen Sie den Schneidblaster raus. Wir werden uns selbst eine Tür machen müssen.«
Admiral Hiram Drayson saß mit finsterer Miene auf seiner Schreibtischkante und studierte den letzten Kontaktbericht von Oberst Pakkpekatt bei Gmir Askilon.
Die Aufzeichnungen der Beobachtungsschiffe waren dramatisch und zugleich beunruhigend. Wenige Augenblicke bevor der Vagabund sich in Bewegung gesetzt hatte, waren am vorderen Ende des Schiffes sechs höckerartige Ausbuchtungen – Akkumulatorknoten oder Radiatoren, dachte Drayson – in ringförmiger Anordnung erschienen. Anschließend war der ganze Bug in grelles blaues Licht getaucht worden.
Kurz darauf schossen aus zwei der Ausbuchtungen je zwei grellweiße Energiestrahlen, die sich wie eine Schere durch die Lücke zwischen dem Vagabunden und der Glücksdame bewegten und sie trennten. Ein weiteres Strahlenpaar schoss aus zwei anderen Ausbuchtungen und schnitt durch den Interdiktionsgenerator an der unteren Rumpfseite des Sperrschiffes Kauri. Die Energieflut aus dem vollgeladenen Generator zerstörte die Kraftanlage der Kauri, die gleich darauf zu einem Feuerball wurde.
Sobald die Kauri neutralisiert war, begann der Vagabund sich in Bewegung zu setzen, löste sich von der Glücksdame und beschleunigte an dem gefechtsunfähigen Sperrschiff vorbei und war gleich darauf außer Reichweite der restlichen Sperren. Zweiundvierzig Sekunden nachdem es angefangen hatte, war es vorbei, und der Vagabund verschwand im Zentrum eines Hyperraumkegels.
Abschlussstatistik des Kontakts:
Eine Suchdrohne zerstört.
Ein Sperrschiff funktionsunfähig und verlassen mit sechsundzwanzig Todesfällen, darunter sechs in der Energiezentrale.
Eine Yacht geborgen und zu einem Anlegepunkt am Rumpf der Glorious zurückgebracht, unbeschädigt mit Ausnahme der Hauptschleuse.
Ein erfolgreicher Bordkontakt des Zielobjekts.
Eine erfolgreiche Flucht des Zielobjekts.
Eine Expeditionsarmada durch den ganzen Weltraum verteilt, mit vier Schiffen, die mit der Verfolgung des Zielobjekts befasst waren, während die restlichen Ambulanz- oder Bergungsdienste verrichteten.
Und, was Drayson am meisten beunruhigte, der Handschuh eines Kontaktanzuges, den man unter den Überresten geborgen hatte – rechte Hand, Landos Größe.
Der Bericht enthielt auch einige positive Informationen. Es stand jetzt zweifelsfrei fest, dass die Waffen des Vagabunden komplementär wirkten – zwei oder mehr sich schneidende Strahlen wirkten vermutlich in Resonanz. Falls es nicht mittschiffs weitere verborgene Waffenpositionen gab, war anzunehmen, dass der Vagabund maximal sechs Ziele unter Beschuss nehmen konnte. Möglicherweise würden daher bereits vier richtig zueinander positionierte Schiffe seine Verteidigungseinrichtungen überwältigen können.
Aber zuerst würde Pakkpekatt den Vagabunden wieder finden müssen – etwas, was beim letzten Mal zwei Jahre in Anspruch genommen hatte.
Drayson rief die Karte auf, die die Verfolgung zeigte, und studierte sie. Drei Schiffe waren mit Höchstgeschwindigkeit auf dem letzten Vektor des Vagabunden unterwegs: die Lightning auf zehn Lichtjahren Distanz, die Glorious auf zwanzig und die Marauder auf dreißig. Der improvisierte Plan sah vor, dass sie an jenen Eintrittspunkten Sensorbojen mit Hyperkommrepetierern aussetzten und dann in kurzen Sprüngen bis an die Grenze der jeweiligen Sensorreichweite versuchten, Spuren des Zielobjekts aufzunehmen.
Die Präzision des Planes konnte seine Schwächen nicht verbergen – er hatte nur dann eine Chance, wenn der Vagabund lediglich einen einzigen kurzen Sprung vollführte. Wenn er hingegen nach dem kurzen Sprung an einem Punkt, wo es keine Augen und keine Sensoren gab, die ihn scannen konnten, einen zweiten Sprung mit geändertem Vektor ansetzte, oder wenn der erste Sprung fünfzig, hundert oder fünfhundert Lichtjahre betrug, über die Grenzen der Neuen Republik hinaus ins Chaos der Kernwelten …
Drayson wusste, dass Oberst Pakkpekatt vor dem Sprung der Glorious sowohl beim Nachrichtendienst als auch beim Flottenamt der Neuen Republik dringend weitere Schiffe angefordert hatte. Er wusste auch, wie aller Wahrscheinlichkeit nach die Antwort darauf lauten würde.
»Die einzige Chance, sie zu schnappen, liegt bei Ihnen, Lando«, sagte Drayson leise im Selbstgespräch. »Sie müssen uns helfen.«
Aber es war nicht Draysons Art, jemanden, den er mit einer gefährlichen Aufgabe betraut hatte, im Stich zu lassen. Seine Finger flogen über die Tastatur und ließen eine Liste der Anlagen von Alpha Blue im Sektor 151 auf dem Bildschirm erscheinen. Seine Möglichkeiten mochten beschränkt sein, aber er würde tun, was in seiner Macht stand. Und es gab immer Möglichkeiten, Einfluss auf die Chancen zu nehmen.
Die Gewohnheiten des Senatsausschusses für Sicherheit und Nachrichtendienste unterschieden sich kaum von denen der Institutionen, deren Tätigkeit er überwachte. Der Ausschuss gab keine Berichte an die Öffentlichkeit ab, meldete seine Sitzungen nicht und traf sich nur in geschlossener Sitzung in dem abgeschirmten Saal Nummer 030 tief in den Untergeschossen des alten imperialen Palastes.
Die sieben ständigen Mitglieder des Ausschusses nahmen es mit der Geheimhaltung so ernst, dass »SSN Tagesordnung« zu einer Art Synonym für das Unerreichbare und das Unmögliche geworden war. Jemand, dem eine besonders schwere Aufgabe gestellt worden war, pflegte zu sagen es hätte ja noch schlimmer kommen können – er hätte auch verlangen können, dass ich ihm die SSN Tagesordnung bringe, und so manch unglücklich Verliebter tröstete sich mit dem Gedanken, dass das Ziel seiner Wünsche ebenso unerreichbar war wie der Zugang zu einer SSN-Sitzung.
Selbst Drayson kostete es Mühe herauszubekommen, wann der SSN sich mit Pakkpekatts Anforderung befassen würde. Und als er es schließlich erfuhr, war es zu spät, um noch aktiven Einfluss nehmen zu können.
»Der letzte Tagesordnungspunkt ist die Teljkon-Expedition«, sagte General Carlist Rieekan. »Kann ich davon ausgehen, dass Sie alle über Kopien des Berichtes verfügen?« Er wartete einen Augenblick und fuhr dann, als niemand sich zu Wort meldete, fort: »Ich bitte um Diskussion.«
Senator Krall Praget von Edatha, der Vorsitzende des SSN, lehnte sich in seinem Sessel zurück und strich sich mit den Fingern durch den Flaum, der seinen Schädel bedeckte. »Was gibt es da zu entscheiden? Der Einsatz ist gescheitert. Wir schließen die Bücher.«
»Lando Calrissian und sein Team befinden sich noch an Bord des Vagabunden«, erinnerte ihn Rieekan mit sanfter Stimme.
»Was veranlasst Sie zu der Annahme, dass sie noch am Leben sind?«, fragte Praget. »Weshalb sollte ein Kapitän, der so entschlossen und bestimmt handelt, wie das der Kapitän des Vagabunden getan hat, den Fehler machen, nicht ebenso entschlossen und konsequent gegen Eindringlinge vorzugehen?«
»Es ist möglich, dass man sie gefangen genommen hat«, sagte Rieekan. »Es besteht sogar die Möglichkeit, dass sie sich der Gefangennahme entziehen konnten.«
Praget griff nach seinem Datapad. »Welche Erklärung haben Sie dann für den Handschuh, den die Bergungsteams gefunden haben? Der hat doch Calrissian gehört, nehme ich an.«
»Ich habe keine Erklärung«, räumte Rieekan ein.
»General Rieekan«, wollte Senator Cair Tok Noimm wissen, »habe ich richtig verstanden, dass der Handschuh unbeschädigt ist und keine Blutspuren trägt?«
»Das ist richtig.«
Sie nickte. »In diesem Fall scheint mir dieser Handschuh kein ausreichender Grund zu sein, diese Leute ihrem Schicksal zu überlassen.«
»Ich kann nur nicht erkennen, was wir für sie tun können«, sagte Senator Amamanam, der die Bdas auf Coruscant vertrat. »Es sei denn, Senator Noimm hat vor, mit uns zur Sternenmutter zu beten …«
Das Gelächter am Konferenztisch war gedämpft und kühl, aber Noimms Blick war noch kühler, geradezu eisig. »Hier stehen zwei Leben auf dem Spiel – das Leben von zwei hoch geschätzten Freunden der Neuen Republik. Und erinnern Sie sich bitte auch daran, dass die Droiden einen beträchtlichen Wert darstellen – wenn es heute eine Neue Republik gibt, so ist das nicht zuletzt auch ihnen zu verdanken. Ich bezweifle, dass es irgendwo zwei Droiden gibt, die bekannter sind als diese beiden – oder die man mehr liebt.«
»Wenn sie für die Neue Republik so wichtig sind, sollte man sie vielleicht mit all den anderen Symbolen in einem Museum aufbewahren«, meinte Praget ungerührt.
»Neben Luke Skywalker, dem sie gehören?«, fragte Senator Lillald. »Ich muss mich der Ansicht von Cair Tok anschließen. Ich möchte mich nicht den Fragen ausgesetzt sehen, zu denen es sicher kommen würde, falls diese vier in unseren Diensten verschwinden sollten und wir keinerlei Anstalten unternehmen, um sie zurückzuholen.«
»In unseren Diensten? Haben Sie gelesen, wie sie auf dieses Schiff gelangt sind? Man kann wohl kaum behaupten, dass sie sich in unserem Dienst befanden«, wandte Senator Amamanam ein. »General, würden Sie uns freundlicherweise erklären, wie es dazu kam, dass Baron Calrissian und die anderen überhaupt in diese ganze Sache verwickelt wurden? Ich kann mich nicht erinnern, dass sie in dem Expeditionsplan, den Sie uns vorgelegt haben, überhaupt erwähnt waren.«
»General Calrissian hat auf Wunsch des Flottenamtes die Flotte bei diesem Einsatz vertreten«, erklärte Rieekan betont. »Bei den anderen handelt es sich um seinen Stab. Er hat sie allem Anschein speziell für diesen Einsatz zusammengeholt.«
»Das ist alles so absurd«, erregte sich Praget. »Falls Hammax und seine Männer sich an Bord des Vagabunden befänden, wie es hätte sein sollen, dann bräuchten wir diese Diskussion jetzt nicht zu führen. Entweder hätten sie das Vagabundenschiff funktionsunfähig gemacht, oder wir würden jetzt Kondolenzbriefe an die Familien der im Einsatz Vermissten schicken.«
»Senator …«
»Aber Pakkpekatt hat zugelassen, dass diese Störenfriede, diese Außenseiter, diese Amateure sich einmischten, und plötzlich wird es uns unmöglich, unsere Verluste auf professionelle Art abzuschreiben.«
Rieekan versuchte es erneut. »Senator, hatten die Berichte von Oberst Pakkpekatt Sie nicht dazu veranlasst, die Vorteile noch einmal neu zu bewerten, die uns daraus erwachsen könnten, wenn wir das Qellaschiff bergen?«
»Nein, General«, sagte Praget, und sein Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass er diesen Manipulationsversuch nicht zu schätzen wusste. »Ich bin immer noch davon überzeugt, dass dieses Artefakt unser Interesse verdient. Aber ich kann nicht erkennen, dass die Umstände es rechtfertigen, dass wir eine zweite Armada aussenden, die auch nichts anderes tun könnte, als vergeblich tausend Kubiklichtjahre zu durchsuchen.«
»Bei all den Ungewissheiten in Farlax gibt es sicherlich bessere Einsatzmöglichkeiten für diese Schiffe als die, einem Phantom nachzujagen«, sagte Amamanam. »Der Vagabund wird mit Sicherheit wieder auftauchen.«
»Dann wollen sicherlich Sie selbst es übernehmen, Luke Skywalker unser Beileid auszusprechen?«, fragte Senator Noimm mit schneidender Stimme. »Und den Medien wird sich ja dann vermutlich unser Vorsitzender stellen, um ihnen genau zu erklären, unter welchen Umständen diese prominenten Persönlichkeiten verschwunden sind?«
»Wenn ich vielleicht einen Vorschlag machen darf …«, setzte Rieekan an.
»Ja, ich bitte darum«, sagte Praget.
»Ein Kontaktanzug ist nicht für Langzeiteinsatz gebaut. Seine Recyclingsysteme sind einfach und relativ wenig effizient. Bei richtigem Einsatz hält er den Träger vielleicht zweihundert Stunden am Leben – aber ganz sicher nicht mehr als zweihundertzwanzig«, sagte der Direktor des Nachrichtendienstes.
»Wir warten also einfach ein paar Tage, ehe wir sie für tot erklären, wollen Sie darauf hinaus?«
»Nicht ganz«, widersprach Rieekan. »Falls sie noch leben, werden der General und sein Team hochmotiviert sein, schnell zu handeln. Sie werden, was immer sie tun können, um den Flug des Qellaschiffes zu behindern, in den nächsten paar Tagen unternehmen. Mir scheint es daher nur klug, Pakkpekatt die Fortsetzung der Suche für mindestens fünfzehn Tage zu gestatten.«
»Das würde wenigstens den Vorwürfen die Spitze nehmen, dass wir den Baron seinem Schicksal überlassen haben«, sagte Senator Amamanam und warf Senator Noimm einen erwartungsvollen Blick zu.
»Falls Sie sich wirklich schützen wollen, würde ich vorschlagen, noch einen Schritt weiter zu gehen, und empfehle daher, dass wir Pakkpekatt die zusätzlichen Schiffe schicken, die er angefordert hat«, sagte Noimm. »Andernfalls könnte man die Suchaktion leicht als die symbolische Maßnahme erkennen, die sie ja eigentlich darstellt.«
»Nein, nein und noch mal nein«, widersprach Praget. »Pakkpekatt bekommt keine weiteren Schiffe. Dieser unfähige Hortek – man sollte ihn vor einen Untersuchungsausschuss stellen und ihn unehrenhaft aus der Marine ausstoßen. Aber wahrscheinlich werde ich mich damit begnügen müssen, dass der General ein tiefes finsteres Loch findet, in das man ihn stürzen kann, wenn das alles einmal vorbei ist.«
»Ich bin auch dafür, dass zusätzliche Schiffe ausgesandt werden«, sagte Rieekan, ohne auf Pragets Bemerkung einzugehen. »Nach meiner Einschätzung verändert die Anwesenheit unserer Leute auf dem Zielschiff die taktische Lage ganz entscheidend. Wir werden also nicht versuchen, es in ein Interdiktionsnetz zu jagen oder darauf zu feuern. Wir müssen es lediglich finden und dann bereit sein unsere Leute herunterzuholen.«
»Wie ich sehe, verfügt Pakkpekatt lediglich über vier Schiffe, die im Augenblick aktiv mit der Suche befasst sind.«
»Das ist richtig«, sagte Rieekan. »Ich bin daher der Ansicht, dass wir durchaus darüber reden können, unseren Einsatz bei diesem Projekt zu reduzieren. Wenn ich Sie vielleicht bitten darf, auf Seite fünfzehn der Einsatzbeschreibung nachzulesen, wo über die Schiffseinteilung …«