Inhaltsverzeichnis
Titel - Untertitel (/Genre)
Impressum
Liebling, lass uns streiten
Wann wurde ich die Mutter und meine Mutter das Kind?
Umtausch
Zweitaussteuer
Nur nichts anmerken lassen!
Danke!
Souvenirs, Souvenirs
Angst vorm Parken
Graue Theorien
Vorbeugemaßnahmen
Die Kur
Nun reicht es aber...
Alt werden und jung bleiben
Wie erziehe ich meine Eltern
Rutsch mir den Buckel runter
Bring Ordnung in dein Leben
Selbst ist die Frau
Im Kaufrausch
Illusionen erhalten
Wein, Weib und kein Gesang
Ich grille, du grillst ...
Der steinige Weg der Fortbildung
Krankheiten, mit denen ich zum Arzt ginge, wenn nicht gerade Mittwochnachmittag wäre
Steuern, Steuern, Steuern ...
Lerne leiden ohne zu klagen
Der Heimwerker
Ehekrach auf Amerikanisch
Schönheit ist vergänglich
Großmutter, Großmama, Oma, Omi
Warum wirst du nicht erwachsen?
Tierische Ähnlichkeit
Kein Weg zu weit
Für schlechte Zeiten
Schneller als der Schall
Kein Anschluss unter dieser Nummer
Spot an
Die Freiheit, die ich meine
»Anonyme Vierziger«
Liebling, lass uns streiten
Ich habe mich nach der Hochzeit enorm umgewöhnen und mich auf einen Mann einstellen müssen, der sich einer Welt der Freizeitgestaltung weder anpassen kann noch will.
Dieses Problem ist allerdings weit verbreitet. Viele Frauen sind mit unheilbaren Workaholics verheiratet und haben die größten Schwierigkeiten, sie einmal im Jahr für zwei Wochen in den Urlaub zu schleppen, damit sie einfach mal gar nichts tun.
Nichts leichter als das, könnte man meinen.
Ich nahm meinen Mann für zwei Wochen an einen Strand mit. Dort breitete er schnell ein großes Badetuch aus, öffnete seine Aktentasche und verglich die Kontoauszüge mit den Eintragungen im Scheckheft.
In einem eleganten Großstadthotel, in das ich ihn entführte, verbrachte er die ganze Woche damit, den Fernsehapparat auf dem Zimmer auseinanderzunehmen, weil es auf dem Bildschirm schneite.
Einmal ging ich mit ihm sogar in einen Nachtklub, in dem dürftig bekleidete Mädchen tanzten – total
gegen den Takt. Eines davon kam an unseren Tisch, setzte sich ihm verführerisch auf den Schoß und kitzelte ihn unterm Kinn.
Da wandte er sich zu mir und meinte: »Die Feuerversicherung für unser Haus ... Wir sollten sie auf Neuwertversicherung umstellen lassen.«
Eine Freundin riet mir, ich sollte mit ihm zelten gehen. »Damit ein Mann sich völlig entspannen kann und zur Natur zurückfindet, gibt es nichts Besseres als die Wildnis!«
Denkste!
Nach drei Tagen Wildnis hatte er die Reifen der Hinterräder auf die Vorderräder montiert, drei Luftmatratzen geflickt, eine kleine Brücke gebaut, acht Streugutfässer mit Asche gefüllt und für jeden, der das Zelt betrat, ein kompliziertes System der Entsandung erfunden.
Er fuhr in die Bücherei und informierte sich darüber, wie der Fluss in der Nachbarschaft hieß und warum er so hieß. Er schrieb einen Brief an den Herausgeber der Lokalzeitung, las uns allen den Garantieschein für die Zeltlampe vor, organisierte eine Baseballmannschaft und rieb das ganze Zelt mit Wachs ein.
Er ordnete meine Konserven nach dem Alphabet, malte das Wort Gas auf die Propangasflaschen und hängte unsere Fleischvorräte an einem Baum auf, damit Menschen und Bären es nicht erreichen konnten. Die Waschbären fraßen es dann doch.
Nach diesen Erfahrungen sagte ich: »Bunkie, lass dir sagen, wir passen nicht zusammen.«
»Wie kommst du jetzt darauf?«
»Ich bin eine genusssüchtige, temperamentsprühende Zelda, und du bist ein introvertierter, gehemmter, pedantischer Dr. Schiwago, der seine Unterwäsche abends über einen Bügel hängt.«
»Aber ich amüsiere mich doch sehr gut«, beteuerte er ernsthaft.
»Ist dir klar, dass ich die einzige Frau auf der Welt bin, die am Neujahrsmorgen erwacht und keinen Kater vom vorhergehenden Abend hat? Keine abgebrochenen Absätze auf den Treppenstufen, keine Party-Papierhütchen hinter der Kommode und keinen Geschmack im Mund wie von einem nassen Putzlappen? Nichts als die Erinnerung an einen über einem Glas lauwarmer Limo dösenden Vater Kronos. Auf manchem Elternabend war es schon aufregender.«
»Das stimmt nicht«, sagte er. »Was haben wir voriges Silvester getan?«
»Von 7 Uhr bis halb neun habe ich unserem Hund Kaugummi aus den Schnurrbarthaaren gezupft. Um halb elf bist du in deinem Stuhl eingeschlafen, und ich habe eine Kieselerdelösung getrunken, für festere Fingernägel. Um 22 Uhr 45 bin ich an den Kühlschrank gegangen, weil ich mir einen Drink machen wollte. Die Kinder hatten aber alle Flaschen geleert, und die Nachbarn hatten die Eiswürfel aufgebraucht. Ich goss uns zwei Gläser lauwarme Limo ein, ging wieder ins Wohnzimmer und trat dich gegens Schienbein. Da bist du mit einem Ruck aufgewacht und hast gefragt: »Wusstest du, dass um Mitternacht alle Pferde ein Jahr altern?« Um viertel vor zwölf schrillte dein Wecker. Da hast du dreimal mit den Fingern geschnippt, einmal das Verandalicht ein- und wieder ausgeschaltet und »Prosit Neujahr!« gerufen. Ach, ich wollte, wir wären wie Dan und Wanda.«
»Was ist an Dan und Wanda denn Besonderes?«
»Wanda hat mir erzählt, dass sie und Dan tiefsinnige Gespräche miteinander führen.«
»Na großartig«, gähnte er.
»Es ist großartig! Haben wir eigentlich jemals ein tiefsinniges Gespräch miteinander geführt?«
»Ich glaube nicht«, meinte er.
Aber wissen wollte ich es doch wenigstens und fragte:
»Was ist eigentlich ein tiefsinniges Gespräch?«
»Mach keine Witze. Das weißt du doch.«
»Eben nicht. Was ist es?«
»Na, eben ein gehaltvolles Gespräch.«
»Zum Beispiel über den Ölpreis oder die Dritte Welt?«
»Genau.«
»Und was ist damit?«
»Womit?«
»Mit dem Ölpreis und der Dritten Welt?«
»Es braucht nicht unbedingt ein Gespräch über den Ölpreis oder die Dritte Welt zu sein«, erläuterte er geduldig. »Es kann auch eine Diskussion über ein interessantes Thema aus deinem Alltag sein.«
»Ich habe mir gestern die Beine rasiert.«
»Das ist nur für dich interessant.«
»Stimmt nicht. Ich hab dazu deinen Rasierapparat benutzt.«
»Wenn du hin und wieder Zeitung lesen würdest, wären deine Themen aktueller.«
»Okay, ich weiß auch etwas ganz Aktuelles. Gestern habe ich gelesen, dass in Neapel eine Frau polizeilich gesucht wird, die einem schlafenden Mann mit der Schere die Nase abgeschnitten hat. Was hältst du davon?«
»Das ist ungewöhnlich.«
Ein paar Minuten später startete ich einen neuen Versuch: »Angenommen, es wäre in der amerikanischen Botschaft passiert, die Frau wäre eine Spionin gewesen, und die Nase, in der Geheimdokumente über ein Ölembargo zwischen Saudi-Arabien und den Industriestaaten versteckt wären, gehörte dem Präsidenten?«
»Bitte rede lieber wieder Belangloses, ja?«, bat er.
»Dabei fällt mir ein«, sagte ich, »hast du gestern den Artikel gelesen, in dem es hieß, Eheleute seien unfähig, voreinander ihre Meinungen klar und deutlich zu formulieren? Es wurde dort als das ewige Mir-wurscht-das-ist-deine-Sache oder auch als das Mach-was-du-willst-mir-soll-es-recht-sein bezeichnet. Du sagst das auch oft, und deshalb weiß ich nie, wie du über gewisse Dinge denkst.«
»Ich habe den Artikel nicht gelesen«, sagte er.
»Soweit ich mich erinnere, wurde darin der Vorschlag gemacht, Mann und Frau sollten ihre
Reaktionen mit Codenummern bezeichnen – von eins bis zehn. Wenn du mich zum Beispiel fragst: ›Willst du ins Kino?‹, sollte ich nicht achselzuckend sagen: ›Meinetwegen‹, sondern: ›Ich bin fünf dafür, eigentlich acht, gerade bei diesem Film, aber im Moment haben wir so wenig Geld, dass ich nur drei bin, es für so etwas auszugeben.‹«
»Klingt ganz vernünftig.«
»Dann versuchen wir es doch mal. Worauf hast du heute Abend Lust?«
»Auf Raquel Welch!«
»Quatsch. Ich rede vom Essen, du Witzbold!«
»Wie soll ich das wissen, bevor ich es auf dem Teller habe?«
»Darum geht es ja. Mach doch einen Vorschlag. «
»Also gut. Leber wäre zehn bei mir.«
»Ich hasse Leber. Bei mir wäre Leber minus zwei, und das weißt du genau. Wie wär’s mit Hackbraten? «
»Hackbraten ist bei mir sechs, ohne Fleisch und mit zu viel Semmelbröseln zwei. Aber wenn du schwache neun dafür bist, schick ich eins der Kinder zum Metzger, der bei mir ein ganz oberer Zehner ist.«
»Könntest du nicht ausnahmsweise mal ein Neuner bei Hackbraten sein?«, stöhnte ich.
»Da haben wir’s! In 27 Ehejahren bist du nie über deine mickrige Zwei hinausgekommen, wenn ich andeutete, ich hätte ganz gern mal Leber.«
»Schrei nicht so. Die Nachbarn brauchen
nicht zu hören, wie wir unsere Zweier und Dreier aushandeln. Wie wär’s mit einem Omelette?«
»Klingt nach einem stabilen Achter.«
»Also gut. Dann sind wir einer Meinung. Bloß haben wir keine Eier im Haus. Ich muss also einkaufen fahren.«
»Der Wagen ist neun. Die Batterie streikt, er springt nicht an. Damit käme das Omelette ungefähr auf vier.«
»Schön, dann bleibt uns nur noch Erdnussbutter. Das ist entschieden eine Drei, minus eins, weil sie kalt ist. Was den Nährwert anbelangt, ist sie an sich zwei, aber plus vier, weil es kein Rest ist, und minus drei, weil sie dick macht. Das Endergebnis wäre fünf. Was meinst du dazu?«
»Mir egal«, sagte mein Mann.
»Darauf hab ich gewartet!«
Es wird so viel darüber geredet, warum Ehen in die Brüche gehen; mal andersherum gefragt: Wieso halten eigentlich doch so viele?
Manche Ehefrauen sind fürs Zeitungenaustragen zu alt, für eine Rente zu jung, zum Stehlen zu ungeschickt und zu müde für eine Affäre. Einige von ihnen sind einfach schon als Ehefrauen auf die Welt gekommen und wissen nicht, was sie sonst machen sollen. Für die Ehefrau, der manchmal Zweifel an ihrem Status kommen - beantworten Sie folgende einfache Fragen:
Wenn beim Tanzen der beste Freund Ihres Mannes Sie zärtlich an sich drückt und Ihnen ins Ohr raunt: »Was tun Sie für den Rest meines Lebens?«,
was antworten Sie? Wenn Sie zurückflüstern: »Auf den Mann warten, der meine Waschmaschine repariert«, sind Sie verheiratet.
Wenn ein hoch gewachsener, dunkelhaariger, gut aussehender Unbekannter Sie bei der Hand nimmt und zum Tanz bittet, was tun Sie dann? Wenn Sie einwenden: »Es geht leider nicht, meine Strumpfhose rutscht, bei der kleinsten Bewegung habe ich sie als Fessel um die Knie«, sind Sie verheiratet.
Wenn ein Mann, der aussieht wie ihr Lieblingsfilmstar, Sie nach dem Abendkurs zu einer Tasse Kaffee einlädt, was tun Sie dann? Wenn Sie sich einen Hamburger mit Zwiebeln bestellen, sind Sie verheiratet.
Wenn ein Partylöwe Sie leicht angeheitert fragt: »Haben Sie mal daran gedacht, Ihren Mann zu verlassen?«, was tun Sie dann? Wenn Sie erwidern: »Nein, aber oft daran, ihn zu ermorden«, sind Sie verheiratet.
Kein Mensch spricht heutzutage mehr von der Treue. Sie ist einer der Artikel, von denen man hofft, dass er irgendwo schon noch in ausreichender Menge vorhanden sein wird. Und wenn die Militärkapelle »Semper fidelis« anstimmt und Ihr Mann fragt: »Sie spielen unser Lied. Möchtest du vielleicht tanzen?« — dann sind Sie verheiratet.
Wann wurde ich die Mutter und meine Mutter das Kind?
Ein Atomphysiker hat es einmal ausgerechnet: Wenn eine Zwanzigjährige ein Baby bekommt, ist sie zwanzigmal so alt wie das Baby. Wenn das Baby zwanzig Jahre alt und die Mutter vierzig ist, ist sie nur doppelt so alt wie ihr Kind. Wenn das Baby sechzig ist und die Mutter achtzig, ist sie nur noch eineindrittel-mal so alt wie ihr Sprössling. Wann wird das Baby die Mutter eingeholt haben? Ja, wann?
Beginnt es in der Nacht, in der deine Mutter sich schlaflos im Bett wälzt und du in ihr Zimmer gehst und ihr die Bettdecke über die nackten Arme hinaufziehst? Oder an dem Nachmittag, an dem du nervös und reizbar bist und in scharfem Ton sagst: »Wie soll ich dir denn hier eine Dauerwelle machen, wenn du nicht stillhältst? Vielleicht ist es dir egal, wie du aussiehst – mir nicht!«
(Meine Güte, hast du da nicht eben ein Echo gehört?) Oder war es an dem Regentag, an dem du vom Supermarkt heimfuhrst und scharf bremsen musstest und dabei unwillkürlich den Arm schützend zwischen die Mutter und die Windschutzscheibe gestreckt hast? Haben deine und ihre Blicke sich wehmütig und wissend gekreuzt?
Die Wandlung vollzieht sich langsam, wie zwischen jeder Mutter und ihrer Tochter. Die Macht wechselt.
Die Verantwortung wird übertragen. Die Pflichten werden abgetreten. Man überrascht sich plötzlich
dabei, dass man die auf dem Schoß der Mutter erlernten Sprüche von sich gibt.
»Natürlich fehlt dir was! Meinst du, ich merke nicht, wann es dir schlecht geht? Ich hole dich um elf Uhr ab und fahre dich zum Arzt. Sei dann bitte fertig.«
»Und wo ist wieder deine Strickjacke? Du weißt doch, wie kalt es in den Geschäften mit Klimaanlage ist. Eine Erkältung fehlte dir jetzt gerade noch!«
»Du siehst aber nett aus heute. Hab ich dir nicht gesagt, dass dieses Kleid dir prima stehen wird? Das andere macht dich alt. Wozu denn älter aussehen, als man ist?«
»Musst du noch mal ins Bad, bevor wir fahren? Geh doch einfach bloß so zur Sicherheit, dann musst du unterwegs nicht.«
»Wenn du nicht zu müde bist, gehen wir nachher einkaufen. Hast du heute Vormittag ausschlafen können? Sag es gleich, wenn du müde wirst, dann fahre ich dich heim.«
Plötzlich Auflehnung: »Danke schön, mein Fräulein, aber ich treffe meine Entscheidungen schon noch selbst. Ich weiß, wann ich müde bin, und dann bin ich vernünftig genug, ins Bett zu gehen. Hör auf, mich wie ein kleines Kind zu behandeln. «
Sie ist noch nicht bereit, das Feld zu räumen.
Aber langsam, heimtückisch und unaufhaltsam entrinnt die Zeit, und plötzlich ist niemand mehr da, an den sich Mutter halten kann.
»Wo ist wieder meine Brille? Nie kann ich sie finden. Bin ich im Kino wieder mal eingeschlafen? Worum ging’s denn bei dem Film?«
»Wähl doch bitte mal diese Nummer für mich. Du weißt ja, ich verwähle mich ständig.«
»Dieses Jahr stelle ich mir keinen Christbaum auf. Es sieht ihn ja doch keiner, und im Januar hat man dann die ganzen Nadeln im Teppich.«
»Schau mal meine neue Stickarbeit. Ich mach sie dir, wenn du willst, in Blau für die Küche.« (Dabei fällt einem der Gipsabdruck des Händchens ein, der gerahmt über dem Sofa hängt.)
»Wo ist denn schon wieder der Zettel mit meiner Flugnummer und den Abflugzeiten? Du tippst sie immer und steckst sie in das Mäppchen mit dem Flugticket, aber ich kann so kleine Zahlen nicht mehr lesen.«
Und wieder Auflehnung: »Wirklich, Mutter, so alt bist du noch nicht. Du kannst deine Angelegenheiten noch selbst erledigen. Du siehst doch bestimmt noch genug, um dir den Faden einzufädeln. «
»Nein, so müde kannst du unmöglich sein, dass du nicht imstande wärst, eben mal Florence guten Tag zu sagen. Fünfzehnmal hat sie schon angeklingelt, und nie hast du zurückgerufen! Warum gehst du nicht mal mit ihr essen? Es täte dir gut, mal aus deinen vier Wänden herauszukommen.«
Noch ist die Tochter nicht bereit, die Last auf sich zu nehmen. Aber der neue Kurs liegt bereits fest.
Das erste Mal, dass Weihnachten in deinem Haus gefeiert wird und du die Gans brätst und die Mutter den Tisch deckt.
Das erste Mal, dass du dich unbewusst während eines Fernsehfilms oder im Kino zu ihr umdrehst und sagst:
»Pschscht!«
Das erste Mal, dass du herbeistürzt und sie am Arm packst, wenn sie über eine gefrorene Pfütze geht. Während deine eigenen Kinder groß, stark und selbstständig werden, wird deine Mutter immer kindischer.
»Nein, Mutter, ich hab die Programmzeitschrift nicht vom Fernsehapparat weggenommen.«
»Hast du doch.«
»Nein.«
»Hast du doch.«
»Nein.«
»Doch.«
»Nein.«
»Gestern Abend habe ich deinen Vater gesehen. Er hat gesagt, er käme heute erst später.«
»Du hast Vater nicht gesehen. Er ist tot, Mami.«
»Warum sagst du solche Sachen? Du bist grässlich. «
(Wie lautete es einst: »Heut ist Mister Ripple zu mir gekommen und hat mich stundenlang geschaukelt!«
»Es gibt keinen Mister Ripple. Den hast du dir ausgedacht. Der existiert gar nicht.«
»Das ist nicht wahr. Warum sagst du solche Sachen?
Bloß weil du ihn nicht siehst? Das heißt noch lange nicht, dass er nicht da ist!«)
»Nie willst du mit mir zusammen Besuche machen. Du zerreißt dich viel zu sehr für die Kinder. Dabei haben sie dich gar nicht mehr nötig.«
(»Was, du willst schon wieder Bridge spielen gehen? Immer gehst du weg und nie hast du Zeit, mir Geschichten vorzulesen.«)
»Mutter, sprich um Himmels willen nicht darüber, dass Fred ein Toupet trägt. Wir wissen es alle, aber bitte schweige darüber.«
(»Benimm dich, Kleines. Sprich nur, wenn du gefragt wirst.«)
Und die Tochter überlegt: »Muss das denn sein? In den vielen Jahren, in denen ich gebadet, gefüttert, beraten, bestraft, herumkommandiert und geliebt worden bin und man jedem meiner Wünsche zuvorgekommen ist, habe ich so sehnsüchtig auf den Tag gewartet, an dem ich selbst die Befehlsgewalt habe. Jetzt habe ich sie. Warum also bin ich so traurig?«
Du badest und trocknest den Körper, der dich einst beherbergt hat. Du fütterst den Mund, dessen Kuss einmal Heile-Heile-Segen für alle Wunden und Schrammen bedeutet hat. Du kämmst das Haar, dessen Locken man dir im Scherz ins Gesicht geschüttelt hat, um dich zum Lachen zu bringen. Du ziehst eine warme Decke über die Beine, auf denen du früher Hoppe-Hoppe-Reiter gespielt hast.
Jetzt hält deine Mutter so oft ein Schläfchen, wie sie es dir früher vorschrieb. Du begleitest sie zur Toilette und wartest dort, bis du sie wieder ins Bett bringen kannst. Zu Silvester hast du bereits einen Babysitter für sie engagiert. Nie hast du dir vorstellen können, dass es einmal so werden würde.
Und wenn du eines Tages mit deiner Tochter in deren Wagen fährst und sie plötzlich scharf bremsen muss, streckt sie instinktiv schützend den Arm aus, damit du nicht gegen die Windschutzscheibe krachst.
Mein Gott. So bald schon?
Umtausch
Etwas ins Geschäft zurückzutragen und es ändern zu lassen oder umzutauschen ist eine meiner Lieblingsbeschäftigungen. Es kommt gleich nach dem Einholen von drei Kostenvoranschlägen für die Reparatur einer eingedellten Autotür.
Nicht, dass die Verkäuferinnen da Schwierigkeiten machten – es ist nur so zeitraubend!
Zu Weihnachten bekam ich eine Schachtel, in der eine Bluse, eine Jacke und eine Hose lagen. Ich freute mich und fühlte mich sehr geschmeichelt, dass ich für meinen Mann noch immer das Mädchen mit Größe 36 war.
»Die Hose hat Audrey Hepburns Namenszug auf der Gesäßtasche«, sagte er stolz.
Ich wog schon bei meiner Geburt mehr, als Audrey Hepburn jemals auf die Wage brachte.
»Vielleicht könntest du sie gegen ein Modell
mit längerem Namen und größerer Tasche umtauschen«, schlug er vor.
Am Tag nach Weihnachten probierte ich die Bluse. Die Ärmel fesselten meine Arme auf beiden Seiten des Körpers wie ein Schraubstock. Die Wolljacke würde ich zeit meines Lebens nicht zukriegen.
Zwei Tage nach Weihnachten musste das Geschäft mehrere Sonderschalter einrichten, um allen Umtauschwünschen gerecht zu werden. Ich sah mir den Hosenanzug noch einmal genauer an.
»O Audrey«, flüsterte ich vor dem Ankleidespiegel. »Was hättest du eigentlich in meiner Situation getan?«
Wenn ich nicht mehr frühstückte, 36 Stunden lang kein Glas Wasser trank, den oberen Haken offen ließ, den Reißverschluss mit einer Sicherheitsnadel daran hinderte, aufzugehen, die Hosenbeine hochkrempelte und einen Kasack darüber anzog, würde ich es schaffen. Ich hängte die Sachen in den Schrank und setzte mich vor den Fernseher.
Vier Tage nach Weihnachten fragte mein Mann, ob ich den Hosenanzug schon umgetauscht hätte. Ich sah mir die Bluse noch einmal an. Wenn ich ein Jahr lang Armkreisen übte, die Ärmel hochkrempelte, die zwei unteren Knöpfe offen ließ und weder Hände noch Schultern dazu benutzte, Türen aufzustoßen, Telefonhörer abzuheben oder Kaffee zu trinken – dann würde ich sie tragen können, mit einem Mantel darüber. Ich hängte sie in den Schrank.
Vor ein paar Tagen stieß ich auf die Schachtel mit der weihnachtlichen Wolljacke. Erst wollte ich sie umtauschen gehen, doch dann prüfte ich sie nochmals genau. Ach, zum Kuckuck, wenn ich mir das Ding lose um die Schultern hängte, die Ärmel unter dem Kinn verknotete und dabei atemlos keuchte, als käme ich gerade vom Tennisplatz, dann würde es mir passen wie angegossen. Ich nahm die Jacke aus der Schachtel, warf die Preisschilder und Kassenbelege weg und betrachtete mir meinen dreiteiligen Sportanzug, in den selbst eine Barbie-Puppe nicht ohne Korsett hineingepasst hätte.
Verrückt? Vielleicht! Andererseits vergeht kein Tag, an dem ich dieses Trio nicht anschaue und an den Weisen denken muss, der einmal gesagt haben soll: »Manche Leute sehen die Dinge, wie sie sind, und fragen: Warum? Ich aber träume von Dingen, die niemals waren, und frage mich: Warum nicht?«
Zweitaussteuer
Neulich war ich in eine Talkshow eingeladen, und in der erwähnte ich, dass ich seit zweiunddreißig Jahren verheiratet bin. Da erhoben sich die Zuschauer von den Sitzen und klatschten mir Beifall. Es war ein so stürmischer Applaus, wie er sonst nur Fernsehstars oder einem von großer Fahrt heimkehrenden Schlachtschiff zuteil wird.
Es war rührend, wirklich rührend. Aber in meinem
Alter braucht man keine Zustimmung. Was ich brauche, ist eine Zweitaussteuer.
Ich will es Ihnen erklären: Eine Weile ging alles glatt. Jahrelang schenkten mir alle Freundinnen »was für den Haushalt«, und meine Mutter löste zu Geburtstagen und an Weihnachten sämtliche Geschenkgutscheine ein – ich glaubte mich fürs Leben versorgt.
Ich hatte für jeden Finger einen Toaster, Decken für drei Betten, genügend Geschirr, um ein Staatsbankett zu geben, und genügend neue Küchengeräte, um eine mittlere Haushaltswarenmesse damit zu bestücken.
Geschirrtücher? Drei Jahre lang habe ich sie als Wegwerftücher behandelt. Im dritten Jahr bekam der Eierschneider eine Delle, und das Backblech hatte sich ein bisschen verbogen, aber mein Warenlager war immer noch prall gefüllt.
In dem Jahr, in dem die Kinder anfingen abzuspülen, büßte ich sechs Garnituren Gläser ein, drei komplette Porzellanservices, Unterteller für sechzehn Personen und eine Kaffeemaschine (sie streikte, wenn man den Stecker unter Wasser einsteckte).
In dem Jahr, in dem die Kinder ins Ferienlager fuhren, verlor ich vier komplette Garnituren Handtücher, zwei Dutzend Bettlaken und eine Spieluhr, auf der zwei Figürchen Walzer tanzten. In dem Jahr, in dem die Kinder im Hinterhof eine Faschingsparty gaben, verlor ich einen Bridgetisch mit vier passenden Stühlen, eine große Bowleschale mit sechzehn -tassen, ein Küchensieb und
drei Kochtöpfe (die bei einem Fackelzug als Hüte verwendet worden waren), ferner einen Popcornröster und sämtliche Buchstaben des Scrabblespiels.
Als die Kinder dann auf ihr jeweiliges College gingen, büßte ich unseren Fernseher ein, den kleinen Teppich aus dem Gästezimmer, fünf Lampen, den Wagen, die Nähmaschine, die Schreibmaschine, den Heizlüfter aus dem Bad und das Schachspiel.
Als die Kinder später in eigene Wohnungen zogen, verlor ich den Rest.
Was Sie nun vor sich sehen, ist das traurige Ende einer Traumhochzeit: eine Frau, die mit alten Unterhosen Geschirr abtrocknet, die ihre Hühneraugenpflaster dazu verwendet, Zettel an die Pinnwand zu heften, und die aus Imbissstuben heimlich Plastiklöffel mitgehen lässt.
Also los, einer muss anfangen! Überraschen Sie mich mit einer Geschenkparty, wie damals als Braut! Samstagabend habe ich noch nichts vor!
Nur nichts anmerken lassen!
Eines Tages sah ich beim Verlassen eines Ladens meinen Mann über unseren Mietwagen gebeugt. Er hatte die Motorhaube geöffnet und blickte dem Wagen in die Eingeweide.
Es hätte keinen tieferen Eindruck auf mich gemacht, wenn ich nicht gewusst hätte, dass einmal ein Mechaniker
zu ihm sagte: »Einer Ihrer Kolben frisst«, und er erwiderte: »Was denn?«
Deshalb fragte ich: »Ist was mit dem Wagen?«
»Nein, nein«, sagte er und donnerte die Motorhaube wieder zu.
»Warum glotzt du dann in den Motorraum?«
»Ich wollte die Handbremse lockern, stattdessen ging die Motorhaube auf. Also musste ich aussteigen und so tun, als hätte ich sie mit Absicht geöffnet.«
Männer sind wirklich komisch. Warum können sie nicht so ehrlich sein wie Frauen? Haben Sie schon mal einen Tennisspieler gesehen, der einen Ball verfehlt, ohne sofort das Spiel zu unterbrechen und die Bespannung seines Schlägers zu prüfen? Ganz zu schweigen von der Nummer, die ein Golfspieler abzieht: Er korrigiert sorgfältig die Fußstellung, kontrolliert die Handgelenke, wippt spielerisch in den Knien – und dann, wenn er daneben trifft, tut er so, als habe er nur einen Übungsschlag getan.
Ich war nicht zum ersten Mal Zeugin der Anstrengungen, die Männer unternehmen, um eigene Fehler zu überspielen. Ich habe gesehen, wie sie jemandem begeistert zuwinken, den sie zu kennen glauben, und wie sie dann, wenn es sich als Irrtum herausstellt, so tun, als hätten sie sich nur durch die Haare fahren wollen – oder sich am Hals kratzen, eine Fliege erschlagen, den Schlips zurechtrücken. Einmal wollte mein Mann mir sogar weismachen, er zöge nur seine Armbanduhr auf.
Neulich wollte er mir unterwegs etwas sagen, doch ich war schon ein Stückchen weitergegangen. Da fragte er eine wildfremde Frau, die gerade auf gleicher Höhe mit ihm war, was es bei uns heute zum Abendessen gäbe. Statt den Irrtum richtig zu stellen, flüsterte er ihr zu: »Wenn Sie nicht wollen, dass ich rüberkomme, brauchen Sie es nur zu sagen, ich habe volles Verständnis dafür.«
Vorgestern Abend kam ich in das Wohnzimmer von Freunden und stand einer Dame gegenüber, die genau das gleiche Kleid trug wie ich. Wir ähnelten uns wie zwei Bücherstützen. Am liebsten hätte ich ein Tischtuch über sie geworfen und vier Stühle um sie herumgestellt. Aber ich sah sie nett an und lächelte: »Also Sie haben das andere gekauft!«
Mein Mann knurrte: »Meine Herren, das nenn ich ehrlich!«