Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Epilog
Glossar
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 2349
Wurmloch ins Solsystem
Vollalarm für die Erde – der Hyperraum reißt auf
Hubert Haensel
Wir schreiben das Jahr 1345 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – dies entspricht dem Jahr 4932 alter Zeitrechnung. Die Milchstraße ist von der Terminalen Kolonne TRAITOR besetzt, einem gigantischen Machtinstrument der Chaotarchen. Die aus der Galaxis gewonnenen »Ressourcen« sollen für Zwecke eingesetzt werden, die dem Entstehen einer Negasphäre in der Nachbargalaxis Hangay dienen werden. Eine Negasphäre wiederum ist eine Brutstätte des Chaos, die normale Lebewesen als absolut lebensfeindlich empfinden.
Perry Rhodan und seine Weggefährten erhalten mit den sogenannten Friedensfahrern eine Organisation als Verbündete, die erst vergleichsweise kurz besteht, aber von vielen Geheimnissen umrankt ist. Ihr gehören unter anderem Alaska Saedelaere an, der schon oft in kosmische Ereignisse verstrickt war, und Kantiran, Rhodans Sohn, der noch keine Heimat gefunden hat und das Leben eines Sternenvagabunden führt.
Bislang können die Friedensfahrer keine starke Hilfe sein – und doch wäre eine solche Hilfe dringend nötig. Die Belagerung des Solsystems durch die Terminale Kolonne hält an: Mit immer neuen Tricks wird der Durchbruch versucht. In dieser Situation manifestiert sich ein WURMLOCH INS SOLSYSTEM …
Perry Rhodan – Als das Wurmloch erscheint, ergreift der Terraner sofort die Initiative.
Jaye Nordell – Die Kommandantin eines Mikrotom-Jägers führt ihre Mannschaft in eine Raumschlacht.
Aulgorién Saulgador – Die Matriarchin der Koryphen muss mit ihren drei Männern den TERRANOVA-Schirm schwächen.
Forrest Pasteur – Der Stellvertretende Kommandant von PRAETORIA äußert kritische und nachdenkliche Worte.
Tamira Sakrahan – Die Erste Terranerin wird mit einer ungewöhnlichen Bürgerinitiative konfrontiert.
»Die FIREBALL hat die Umlaufbahn des Planeten Neptun überquert«, sprach Jaye Nordell in das Akustikfeld. Ihre Stimme kam ihr selbst gepresst und angespannt vor. »Wir verlassen die Ekliptik mit Steigwinkel fünfundvierzig Grad!«
Die Kommandantin beschleunigte ihren Raumjäger weiter. Sobald der Einsatzbefehl eintraf, musste sie blitzschnell reagieren. Bislang war stets das Ziel gewesen, die Reaktionszeit auf ein Minimum zu drücken.
»FIREBALL ruft die Kommandoeinheit! Erbitte Bestätigung für Manöverbeginn!«
Es kam keine Antwort.
»Ich habe noch keines der anderen Schiffe in der Ortung«, kommentierte Royce Tinson vom Orterpult aus. »Das ist ungewöhnlich.«
»Existieren Störfelder?« Mit einer knappen Bewegung wischte Jaye ihr fluoreszierendes Haar in den Nacken zurück.
»Aktuell keine Feststellung möglich!«
»Überwachung maximieren! Alle Waffensysteme einsatzbereit – feuert im Notfall auch ohne meinen Befehl!«
Seit Tagen liefen die Simulationen für die Mikrotom-Jäger. Schlafpausen und fingierte Einsätze jagten einander, das Ganze war eine extreme Belastungsprobe für Mensch und Material. Von wenigen Kleinigkeiten abgesehen waren die Ergebnisse zufrieden stellend. Aber gerade solche Details galt es aufzudecken und zu beheben; im Ernstfall konnten die dreißig Meter durchmessenden Kugelraumer schließlich über Wohl und Wehe des Solsystems entscheiden.
Aber wie sinnvoll ist das alles – Qualitätsstandard hin oder her?, ging es Jaye Nordell durch den Sinn.
Sie sträubte sich, diesen Gedanken zu Ende zu führen. Stets stellte sich die Frage nach dem Sinn der Befehle. Oder vielmehr nach ihrer Sinnlosigkeit. Kein Mikrotom-Jäger war in der Lage, ein Gefecht gegen einen Traitank zu überstehen.
Für Jaye waren die vielschichtigen Manöver Ausdruck purer Verzweiflung. Entweder, sagte sich die Pilotin und Kommandantin, versuchte jeder Beteiligte alles Menschenmögliche – oder es gab über kurz oder lang keine Hoffnung mehr für die Menschen, nicht einmal eine verlogene Hoffnung.
Abermals schaltete sie den Hyperkom auf Sendung: »FIREBALL ruft die Kommandoeinheit …!«
»Wir bekommen rapide ansteigende Energiewerte herein!«, meldete Tinson. »Ursache unbekannt!«
Das Ortungsbild zeigte eine Veränderung in dem Bereich zwischen der FIREBALL und dem TERRANOVA-Schirm. Innerhalb von Sekunden hatte sich die Hintergrundstrahlung in einem sehr kleinen Bereich potenziert. Die grafische Umsetzung zeigte einen Effekt, als würde der Weltraum brodeln.
Winzige Eruptionen …
»Was ist das?«, fragte der Triebwerkstechniker Hans Lorenzi.
»Unregelmäßige Ausdehnung, größter Durchmesser bei etwa fünfzig Metern«, antwortete Royce Tinson. »Es hat den Anschein, als verändere sich die Raumstruktur!«
»Distanz?«
»Knapp sechs Millionen Kilometer.«
Das entsprach wenig mehr als dreißig Sekunden Flugzeit. Vorübergehend erwog Jaye Nordell, die FIREBALL aus dem Kurs zu nehmen, dann siegte ihre Neugierde. Was immer hier im Randbereich des Systems geschah, konnte von entscheidender Bedeutung sein.
Sie überzeugte sich davon, dass die Kristallspeicher aufzeichneten. Im Falle eines Falles würden alle Daten als Rafferimpuls und mit neuester LFT-Verschlüsselung nach Terra gefunkt wurden.
Die seltsame Strukturveränderung schien sich auszudehnen. Solange indes das Kantorsche Ultra-Messwerk keine Anzeige lieferte …
»Der Sextant erfasst zwei Objekte!«, rief Cutillo. »Geringe Massewerte; größte Ausdehnung bei sieben Metern. Dazu die Spezifikation zweier Dunkelschirme!«
Das waren Dunkelkapseln der Terminalen Kolonne!
Distanz zweieineinhalb Millionen Kilometer. Hoher Bremsschub des Jägers.
»FIREBALL an Jagdgeschwader Mikrotom: Haben Feindkontakt im Bereich Neptun! Bislang zwei Dunkelkapseln der Mikro-Bestien in der Ortung.«
Der Weltraum brach vollends auf. Wie Erdschollen, die unter hohem Druck aus der Tiefe zerbarsten und in deren Rissen Magma an die Oberfläche gedrückt wurde. Die Ortungsdaten zeigten deutliche Temperaturunterschiede.
Mit kaum nennenswerter Distanz zueinander waren die beiden Dunkelkapseln erschienen. Sie drehten sofort in unterschiedliche Richtungen ab.
Das war der Moment, in dem die FIREBALL die maximale Kernschussweite ihrer vier MVH-Überlicht-Geschütze erreichte. Jaye feuerte kompromisslos.
Optisch waren die Einschläge nicht auszumachen, nur die überlichtschnellen Taster erfassten den Wirkungstreffer. Gedankenschnell wurde eine der Dunkelkapseln zum expandierenden Glutball.
Dann das zweite Schiff, dessen Besatzung noch versucht hatte abzudrehen.
»Jaye!« Tinson schrie geradezu.
Hinter dem Mikrotom-Jäger materialisierte ein riesiger scharfkantiger Diskus aus dem Nichts – ein Traitank. Dumpf hallte die hörbar gemachte gegnerische Ortung durch die FIREBALL.
»Energiesignatur des Angreifers verändert sich! Der Traitank aktiviert seine Waffensysteme!«
Jaye Nordell nickte verbissen. Sie hatte geahnt, dass es so kommen würde, wenngleich nicht so bald. Aus den Manöverspielen war jäh tödlicher Ernst geworden, denn die ersten Schiffe der Kolonne hatten einen Weg gefunden, den Schutzschirm zu überwinden. Selbst wenn ihnen nur wenige andere Kampfraumer folgen würden, bedeuteten sie das Ende der terranischen Freiheit.
Schon in der nächsten Sekunde konnte der Mikrotom-Jäger von den Energiegeschützen des Traitanks atomisiert werden.
Eine unheimliche Ruhe überkam die Kommandantin, als sie die FIREBALL in eine extrem enge Kurve zwang. Die Absorber wimmerten auf Überlast.
Jaye Nordell blickte in die schreckensbleichen Gesichter ihrer Mannschaft. Niemand redete.
Len Eilders schaltete die Energieerzeuger und Speicherbänke frei. Sein Grinsen hatte etwas Bösartiges, Lauerndes.
Der Traitank wuchs gedankenschnell an. Kollisionskurs.
Jaye Nordell fühlte nicht einmal mehr Erschrecken, als der Zusammenstoß kam. Es war einfach alles vorbei.
Solsystem, 8. April 1345 NGZ
Seit einer Stunde und siebenunddreißig Minuten tobte der Angriff der Chaos-Geschwader. Die Traitanks der Terminalen Kolonne belasteten den systemumspannenden Schutzschirm mit Punktbeschuss an nahezu tausend Positionen.
Längst war das alles zur beklemmenden Routine geworden. Obwohl … Perry Rhodan fühlte eine bisher nicht gekannte Irritation. Irgendwann, sagte er sich bitter, endete das Testfeuer der Kolonne, und dann begann die Offensive – vermutlich zu einem Zeitpunkt, wenn niemand mehr damit rechnete. Dann erreichte der Kampf um das Überleben der Menschheit den bitteren Höhepunkt.
Rhodan widmete sich der positronischen Situationsanalyse.
Das Gros der eigenen Flottenkontingente kreuzte nahe den Angriffsschwerpunkten. Diese Kampfraumschiffe hielten permanent mindestens halbe Lichtgeschwindigkeit und waren in der Lage, jederzeit in den Linearflug überzutreten. Das bedeutete größtmögliche Manövrierfähigkeit sowie die Option, sofort an eventuellen Brennpunkten eingreifen zu können.
Der Einsatz der drei TERRANOVA-TANKSTELLEN auf der Erde entlastete die Situation. Von den Galapagos-Inseln war die Bestätigung gekommen, dass sich der Nukleus der Monochrom-Mutanten nicht mehr gezwungen sah, bis an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit zu gehen. Diese Entwicklung wurde von den LORETTA-Tendern bestätigt: Es wurden geringere Belastungswerte des Schirmes gemessen als während früherer Angriffe, obwohl weiterhin sechsunddreißig Chaos-Geschwader an dem Angriff beteiligt waren.
Aber dennoch … Rhodans Unbehagen wuchs.
Die Meldung vom Kantorschen Ultra-Messwerk nahm er beinahe schon mit Erleichterung entgegen. Obwohl er die Sorge in den Gesichtern der Wissenschaftler deutlich erkennen konnte.
»Wir messen physikalische Veränderungen in der Struktur des Kristallschirms an! Eigenartigerweise ist davon ein Abschnitt betroffen, in dem die Traitanks nicht angreifen.«
»Welche Auswirkungen müssen wir erwarten?«
Handelte es sich um ein Ablenkungsmanöver der Kolonne? Rhodan fragte sich, ob der Durchbruch von den Chaostruppen letztlich auf völlig andere, vor allem unspektakulärere Weise betrieben wurde.
War es das, was ihn unterbewusst immer stärker beschäftigte? Seine Sorge war während der letzten Tage gewachsen.
»Die Analyse fällt noch schwer. Mit Sicherheit können wir vorerst nur sagen, dass in räumlich eng begrenzten Abschnitten ungewöhnlich starke UHF- und SHF-Strahlung entsteht, wie sie sonst nur bei Strangeness-Effekten auftritt. Mehrere Dutzend Emissionsquellen liegen nahe beieinander.«
»Ein natürliches Phänomen?«
Spontan sah Rhodan einen Zusammenhang mit den Ableitungseffekten des Kristallschirms in eine Pararealität. Das legte Strangeness-Erscheinungen wie nach einem Dimensionswechsel nahe, insbesondere während des anhaltenden Beschusses. Jede Schwächung des TERRANOVA-Schirms konnte von den Angreifern ausgenutzt werden.
»Wir vermuten eine Wechselwirkung, Perry. Möglicherweise mit einer jener rätselhaften Hyperperforationen, die sich zufällig an der Schirmoberfläche gebildet haben könnte.«
»Wie brisant müssen wir die Bedrohung einschätzen? Oder wird sie bereits akut?«
Im Hintergrund, im Bereich des Kantorschen Ultra-Messwerks, wurden Rufe laut. Perry Rhodan erkannte nicht, was Spezialisten und Hyperphysiker in Aufregung versetzte, doch er spürte ihre beginnende Panik.
Abrupt wechselte die Bildwiedergabe. Der Siganese Kirk Albado schaute den Terraner verkniffen an.
»Es ist also so weit?«, argwöhnte Rhodan.
Albados dunkelgrünes Gesicht war bleich. Sein Nicken zeigte dennoch keine Spur von Resignation.
»Der schlimmste anzunehmende Fall ist eingetreten«, bestätigte der Chefwissenschaftler. »Der Kristallschirm wird durchlässig!«
*
Für Sekundenbruchteile, so schien es für Perry Rhodan, hätte man in der Zentrale der PRAETORIA-Kernzelle eine Nadel fallen hören.
Dann war alles wie zuvor. Jeder hatte das Unausweichliche zur Kenntnis genommen; beeinflussen ließ sich niemand davon. PRAETORIA erwachte aus der permanenten Bereitschaft zu voller Schlagkraft.
Weiterhin beherrschte Kirk Albados Konterfei in enormer Vergrößerung das Holo-Feld vor Rhodan. Der Siganese schien etwas ergänzen zu wollen, erstarrte aber in der Bewegung. Sein knochiges Gesicht verlieh ihm immer mehr den Ausdruck eines auf Beute lauernden Raubvogels. Im Profil wirkte der Siganese scharf geschnitten.
Ruckartig wandte er sich wieder um. Perry Rhodan wusste im selben Moment, dass die Strukturveränderung des Schirms keineswegs zufällig entstanden war.
»Der Sextant empfängt die Energiesignaturen von Dunkelkapseln!«, sagte Albado tonlos. »Soeben dringen sie durch eine Vielzahl winziger Strukturlücken ein.«
»Wie viele sind es?«
Ein beklemmendes Kopfschütteln. »Hunderte! Mehr lässt sich bislang nicht aussagen.«
Das bedeutete das Ende aller Verteidigungsanstrengungen. Terra hatte zwar wertvolle Zeit gewonnen, leider nicht so viel, wie nötig gewesen wäre, um sich in jeder Konsequenz zu wappnen. Irgendwann, das hatte Perry Rhodan stets gewusst, würde es unumgänglich sein, sich den Chaosmächten direkt zu stellen. Nur hatte er gehofft, dieses Datum so weit wie möglich hinausschieben zu können.
Er musste akzeptieren, dass es nun so weit war. Immerhin: Die Kolonne hätte den Durchbruch schon vor Wochen oder gar Monaten schaffen können und Terra zu jenem Zeitpunkt weit weniger gerüstet angetroffen.
Perry Rhodan sah keinen Grund, mit dem Schicksal zu hadern. Es hatte den Menschen lange genug die Freiheit gelassen, sich zu wappnen.
»Die Strukturlücken haben sich wieder geschlossen, Perry!«, meldete Albado hastig. »Keine der hyperphysikalischen Begleiterscheinungen des Durchbruchs besteht weiter.«
… aber sie können jederzeit und womöglich an anderen Positionen erneut auftreten. Rhodan verdrängte den Gedanken, als vor ihm ein neues Hologramm entstand. Es zeigte ein bislang nur wenigen Eingeweihten bekanntes Flottenemblem.
»Einsatzbefehl für Jagdgeschwader Mikrotom! Dies ist keine Simulation, sondern der Ernstfall! Durchbruch von mehreren hundert Dunkelkapseln. Die Koordinaten werden übermittelt.«
Aus den Augenwinkeln heraus sah er, wie Kirk Albado nickte. Den Positroniken der Mikrotom-Jäger wurden demnach in diesem Moment alle notwendigen Informationen übertragen.
»Zweihundertsechsundneunzig Dunkelkapseln sind eingedrungen«, sagte der Siganese. »Zumindest auf kurze Sicht müssen wir deshalb keine weitere Penetration befürchten.«
»Richtig«, bestätigte Rhodan. »Vorrangiger Auftrag der Mikro-Bestien kann nur sein, alle Projektoren für den Aufbau des Kristallschirms zu zerstören. Weshalb sollte der gegnerische Befehlshaber sich mit weiteren Experimenten belasten, wenn er Terra ohnehin über kurz oder lang auf dem silbernen Tablett serviert bekommt?«
Oberstleutnant Forrest Pasteur, der Stellvertretende Kommandant von PRAETORIA, hatte betreten geschwiegen. Ohnehin war seit Kirk Albados erster schockierender Meldung nicht einmal eine Minute verstrichen.
»Uns bleibt also eine Galgenfrist«, stellte Pasteur nun fest. »Wie lange? Zehn Stunden? Wenn es hoch kommt, sogar ein ganzer Tag? Danach werden neue Strukturlücken in den Schirm gebrochen …«
Rhodan schüttelte den Kopf. »Ganz so heiß, wie es gekocht wird, Forrest, schlingen nicht einmal die Chaosmächte ihr Essen hinunter. Wir reden da ein gewichtiges Wort mit.«
*
Der Angriff der Mikro-Bestien auf die Solare Residenz im Februar des vergangenen Jahres – mehr als vierzehn Monate waren seit diesem Schock vergangen – und kurz darauf die geraume Zeit unbemerkt gebliebene Dunkelkapsel des Dualen Kapitäns Zerberoff auf Terra … Beide Geschehnisse hatten in der Konsequenz die Geburtsstunde des Jagdgeschwaders Mikrotom bedeutet, die terranische Antwort auf eine von vielen Facetten der Bedrohung.
Oberste Priorität hatten die Geheimhaltung und die intensive Ausbildung der Besatzungen auf den Monden der großen Planeten bereits genossen, als die ersten Minor Globes umgerüstet worden waren. Diese Schulungen, entsann sich Jaye Nordell, waren ein stetes Wechselbad der Gefühle gewesen. Zeitweise so tief unter die Haut gehend, dass sie alles verflucht hatte – alles, nicht nur die Terminale Kolonne TRAITOR.
Sie hatte gelernt, kompromisslos zu reagieren und sogar das eigene Leben dem Fortbestand der Menschheit unterzuordnen.
Das war weder Gehirnwäsche gewesen noch ein irgendwie ausgeübter Zwang. Jeder, der sich deshalb überfordert fühlte, hätte jederzeit aus dem Trainingsprogramm aussteigen können. Jaye war geblieben. Ihre sieben Besatzungsmitglieder ebenfalls. Und wenn die im Vertrauen weitergegebenen Informationen den Tatsachen entsprachen, hatten sich von mehr als neuntausend beteiligten Personen tatsächlich nur zwei zurückgezogen.
Das Überleben der eigenen Art sichern – vielleicht nichts anderes als ein genetisches Grundprogramm allen Lebens, dachte Jaye Nordell, im Zuge der Zivilisation bei vielen jedoch immer mehr verwässert und einem gehörigen Egoismus gewichen.
Jaye Nordell war dankbar für diese neuen Gedanken. Vielleicht, so empfand sie, war die Evolution erst in jüngster Vergangenheit in die entscheidende Phase eingetreten. Nicht mehr die Auslese von einst nach dem Prinzip des Schneller, Stärker und Intelligenter beeinflusste die Weiterentwicklung des Menschen in einer Zeit, in der diese körperlichen Werte marginal geworden waren und durch Medikamente, medizinische Eingriffe oder genetische Manipulation ebenso nachhaltig erreicht werden konnten, sondern das Gemeinschaftsgefühl wurde entscheidend. Erst wenn jeder Mensch bereit war, sich bedingungslos für seinen Nachbarn einzusetzen, war das der Schritt hin zur nächsten kosmischen Entwicklungsstufe.