Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
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Glossar
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 2359
Das Stumme Gesicht
Im Randbereich der Galaxis Hangay – Wasserträger jagen den Stolzen Herrn
Michael Marcus Thurner
Wir schreiben das Jahr 1345 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – dies entspricht dem Jahr 4932 alter Zeitrechnung. Die Milchstraße ist von der Terminalen Kolonne TRAITOR besetzt, einer gigantischen Flotte der Chaotarchen.
Ihr Ziel ist, aus Welten der Galaxis einzelne »Kabinette« für einen Chaotender zu formen, eines der machtvollsten Instrumente des Chaos schlechthin: Dieser Chaotender soll einmal VULTAPHER heißen und das Territorium einer entstehenden Negasphäre sichern. Eine Negasphäre wiederum ist eine Brutstätte des Chaos, die normale Lebewesen als absolut lebensfeindlich empfinden.
Zum Piloten des Chaotenders ist ein Wesen namens Kirmizz berufen worden, doch dessen Raumschiff havarierte. Der Pilot strandete im Leerraum vor der Galaxis Hangay. Die Friedensfahrer als Mitglieder jener Organisation, die neuerdings gegen die Chaotarchen wirken will, versuchen nun, diese wichtige Figur im Schachspiel der Hohen Mächte in die Hand zu bekommen.
Kirmizz wiederum erholt sich von seiner zeitweiligen Amnesie und begreift, dass er keineswegs »nur« mächtig ist. Er ist ein Pilot der Chaotarchen und hat DAS STUMME GESICHT …
Kirmizz – Der Pilot der Chaotarchen verbirgt sich in einem ungewöhnlichen Gefährt.
Kantiran – Rhodans Sohn nimmt Kirmizz’ Fährte auf.
Polm Ombar – Der Revisor der Friedensfahrer begegnet dem designierten Piloten von VULTAPHER.
Ushekka – Ein Süchtiger lernt das Leben kennen.
Cosmuel Kain – Die Halb-Cyno findet sich zwischen schrecklichen Kräften wieder.
Uum. Uum. Uum.
Ein erster, zaghafter Wehlaut zieht übers Land. Über und durch den Heimatklecks. Er erreicht sie, wo auch immer sie sich gerade befinden.
Zögerliche Antworten folgen; immer mehr werden es, bis jeder von ihnen seine Fadenstimme erklingen lässt.
Es ist Zeit, flüstern die einen.
Die Zeit ist vorbei!, brüllen die anderen.
Keine Zeit mehr, murmeln die Dritten.
Tausende gut spürbare Ansichten schwirren durcheinander. Sie bilden ein Fadennetzwerk, das sich immer weiter entwickelt, den Heimatklecks durchdringt und schließlich zu einem einzigen, schönen Großen zusammenfindet. Zum Knäuel, das alles und jeden umspannt.
Im Fadenkollektiv vereint, erinnern sie sich an die Geburtsstätten. Sie spüren den Drang, dorthin zurückzukehren. Sie werden Platz machen für etwas Neues.
Der Gedanke an ihrer aller Alter taucht auf, gleitet durch das Fadengespinst, wird rasch zum hell leuchtenden Allgemeingut. Und sie bemerken: Seit unzähligen Wechseln kriechen sie über den Heimatklecks, bewegen sich bloß noch widerwillig vorwärts. Die Hüllen schmerzen und stinken, sind eng geworden.
Ja. Es wird Zeit.
Eine Idee leuchtet fleckchenweise auf.
Was werden sie mit den Anderen tun, die seit kurzer Zeit ihren Heimatklecks bevölkern? Sie ins kollektive Fadengespinst aufsaugen und einfach wegdenken?
Die Möglichkeit bestünde, dessen sind sie sich sicher. Aber es wäre eine lästige Aufgabe und würde sie schwächen.
Die Zeit, der verlässlichste und großartigste aller Mörder, wird die Anderen hinwegwehen. Sie müssen sich über derlei Dinge keine weiteren Gedanken machen. Es reicht vollends, ab und zu Fadengedanken in den Heimatklecks hinauszujagen, dass sie unter keinen Umständen berührt werden dürfen. Eine profane und dennoch wirksame Idee, die Bestand hat, seitdem die Anderen wie der übel stinkende Hauch einer Krankheit über sie gekommen sind.
Sie werden die Anderen aussitzen und überdauern. So, wie sie bislang alles ausgesessen und überdauert haben.
Eine der Geburtsstätten ist von den seltsamen Wohnhüllen der Anderen überwuchert. Die Fremden haben sich dort breitgemacht, als fühlten sie das Besondere dieses Ortes.
Gemeinsam überlegen sie im Fadengespinst, ob sie zumindest diesen Ort reinigen sollen.
Und wiederum geht ein leuchtendes »Nein« durch ihr Gedankennetz. Es ist der Mühe einfach nicht wert. Sie sind tabu, und die Anderen werden sich daran halten, während sie selbst ihrem Drang nachgeben werden, Platz für Neues zu schaffen.
Beschwingt lösen sie das Fadengespinst auf, bedauern mit einem letzten gemeinsamen Gedanken die Trennung und kriechen schließlich auf ihre jeweiligen Geburts- und Todesstätten zu.
Uum. Uum. Uum.
Ushekka
»Ist eine Nekropsie wirklich nötig?«, fragte Ushekka, nachdem das Schweigen zu intensiv geworden war.
Niemand antwortete. Lediglich Taresk, der Wasserträger, warf ihm einen undefinierbaren Blick zu.
Vier weitere Hauri blieben über die Leiche jenes Landsmannes gebeugt, der dem Stolzen Herrn als Letzter begegnet war.
Mehrere Robotdrohnen umschwirrten den schlaffen Körper und sammelten Daten, die den Ärzten möglicherweise entgingen. Größe, Gewicht, Wassergehalt im Blut, Ernährungszustand und Hautkolorit wurden festgehalten. Winzige Gewebestückchen sowie Blut- und Urinproben schwebten in aseptischen Energiefeldern zu Tests und Untersuchungsläufen, die in Nebenräumen stattfanden.
Es schnalzte laut, als der Chefmediker die Bauchhaut des Körpers mit dem Vibroskalpell auseinanderschnitt.
Ushekkas Gesicht blieb unbewegt. Von ihm wurde erwartet, dass ihn die Obduktion keineswegs schreckte. Nüchtern musste er die Sachlage beurteilen, durfte sich nicht jenen störenden Gefühlen hingeben, die latent in seinem Volk verankert waren.
Die Innenbesichtigung der Brust-, Hals- und Bauchorgane schien eine Ewigkeit zu dauern. Übelkeit kitzelte in Ushekkas Magen, verstärkt durch das Brutzeln getöteter Insekten. Selbst hier, im achten Untergeschoss der Festung, musste man sich mit robotischen Minilasern kleiner Aasfresser erwehren.
»Bei der Virtopsie wurden mehrere Fremdkörper im oberen Rachenraum gefunden«, dröhnte plötzlich eine Stimme über die Lautsprecher.
Die Virtopsie. Sie war bereits vor einiger Zeit erfolgt.
Warum verließ man sich nicht vollends auf die Abtastung durch Magnetresonanz-Spektroskopie oder -Tomographie? Ein Leichnam musste, wie Ushekka wusste, schon längst nicht mehr geöffnet werden, um alles über ihn zu erfahren. Aber hier, in der Hauri-Festung, wurde mit äußerster Akribie gearbeitet und jedwede Möglichkeit beansprucht, um den Leichnam noch einmal »sprechen« zu lassen. Sie wollten schließlich wissen, wie ihn der Stolze Herr getötet hatte.
»Ich habe die Fremdkörper geborgen«, sagte einer der anwesenden Ärzte.
Täuschte sich Ushekka, oder klang Überraschung in seiner Stimme?
»Sechs der Lytrila-Kristalle«, sagte Taresk gepresst. »Dieser Naigon hat sie dem Toten einfach in den Rachen gestopft. Als wären sie nichts wert …«
*
»Ich verstehe es nicht«, sagte Ushekka zum wiederholten Mal.
Unruhig marschierte er im Vorhof auf und ab. Seine Schritte klangen hohl, vom Echo der hohen und weiten Räume zurückgeworfen.
Taresk stand aufrecht und steif beim Wartetisch, dem einzigen Möbel des Raums. Er meditierte.
Mehrere schwer bewaffnete Hauri bewachten das große Tor, das ins Zentitorium führte.
Die Zimmerwache des Obersten, dachte Ushekka und verlangsamte seinen Schritt.
Frauen waren es allesamt, mit hohlen, eingefallenen Wangen und grauweißer Hautfarbe. Schönheiten, dezent mit Samtkreide und Pottaschen-Mascara geschminkt; die Zahnkronen waren mit Kristallinflitter überzogen. Deutlich ragten sie hinter kosmetisch zurückgestutzten Lippen hervor.
Ushekka unterdrückte einen Seufzer. Die flachbrüstigen, sehnigen Wächterinnen würden für immer und ewig unerreichbar bleiben.
Die Frauen starrten an ihm vorbei; lange, filigrane Stäbe in Händen, aus deren Spitzen rotblaue Flammenzungen waberten.
»Eintreten!«, befahl eine schrille Stimme in herrischem Befehlston über Akustikfelder.
Ushekka gesellte sich zu Taresk, während er seinen grauen Einheitsanzug zurechtrückte. Die Zimmerwache machte ihnen Platz, das Tor öffnete sich; gerade so weit, dass sie hintereinander das Zentitorium betreten konnten.
»Näher kommen!«, befahl dieselbe Stimme.
Langsam und gemessenen Schrittes marschierten sie auf den Obersten zu. Ushekka hatte ihn niemals zuvor zu Gesicht bekommen. Auch kannte niemand seinen wahren Namen. Seit über 30 Jahren regierte er die Ay’Va mit eiserner Hand.
Er saß an einem riesigen Schreibtisch, der erhöht auf einem Sockel stand, umgeben von modernsten Gerätschaften. Ein virtueller Befehlskubus umschloss ihn weitläufig, in dem Dutzende Trivid-Felder durcheinander irrlichterten. Robotische Helfer mit sirrenden und blinkenden Flügeln verschoben auf die leisen Anweisungen des Obersten hin Markierungen, zeichneten neue, für Ushekka verwirrende Schemata in die Luft oder kümmerten sich um Schriftverkehr. Schreibfolien raschelten leise. Boten-Roboter krabbelten scharrend über den marmornen Fußboden und verschwanden in dunklen Löchern.
»Aus!«, rief der Oberste und hob seinen Arm.
Alles rings um ihn erstarrte. Als ob er die Zeit eingefroren hätte.
Ushekka blieb neben Taresk stehen. Rituell verbeugten sie sich und fletschten die Zähne.
»Dieser Stolze Herr ist eine interessante Persönlichkeit!«, schrillte der Oberste. »Ich möchte ihn bei mir wissen.«
»Wir haben seine Spur mittlerweile wieder verloren«, wandte Taresk mit merklichem Zögern ein.
Täuschte sich Ushekka, oder schwang in der Stimme des sonst so nüchternen Wasserträgers tatsächlich Angst mit?
»Ihr werdet sie wieder aufnehmen.« Der Oberste rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. »Nichts auf Vibe-Lotoi und schon gar nichts in La Untique entgeht den Hauri. Oder behauptet ihr das Gegenteil?«
Ushekka wollte die Augen schließen, den Blick vom Herrn über die Ay’Va abwenden. Doch er wusste, dass es seinen Tod bedeutet hätte.
»Nein, Oberster«, sagte Taresk, nunmehr wieder gefasst. »Wir werden ihn aufspüren. Du willst den Stolzen Herrn lebend?«
»Sein Zustand ist unbedeutend. Er muss lediglich in der Lage sein, mir Fragen zu beantworten. Seine Geheimnisse interessieren mich.«
»Wir haben verstanden und gehorchen.«
Taresk vollführte die rituelle Verbeugung, Ushekka tat es ihm gleich. Mit gebeugten Körpern zogen sie sich zurück, dem Obersten niemals den Rücken zukehrend.
Als sie das Zentitorium verließen, herrschte bereits wieder hektische Geschäftigkeit rings um den Herrscher über die Ay’Va. Die eben noch erstarrten Flugroboter hatten ihre Arbeit wieder aufgenommen; Bildberichte und Holos umwaberten den Obersten erneut auf seinem zentralen Pult.
»Er ist … er ist so …«
»Er leidet an einer seltenen Krankheit«, unterbrach Taresk sein Stottern. »Nur wenige waren bislang ausersehen, den Obersten zu Gesicht zu bekommen.«
Der Lenker der Ay’Va war von einer obszönen Fettleibigkeit. Speckfalten rahmten Gesicht und Körper ein. Ungesunde rote Farbflecken waren ihm auf die Wangen gemalt. Brüste, wie sie von milchgebenden Säugetieren stammen konnten, hingen ihm schlaff vom Leib. Die Finger – wie riesige weiße Maden wirkten sie. Er war der Gestalt gewordene Tod, denn sein ganzer Leib schien vom mörderischen Wasser aufgeschwemmt zu sein, im Gegensatz zur vitalen Hagerkeit aller anderen Hauri, die Ushekka kannte.
Ushekka wusste mit einem Mal, wie er Taresks Worte einzuordnen hatte. Entweder schafften sie es, den Stolzen Herrn zu finden und sich seiner zu bemächtigen. Dann hatte er sich neben Taresk einen Platz in der oberen Führungsebene der Ay’Va gesichert. Oder aber sie scheiterten; dann führte sein Weg in ein Armengrab am Südrand der Stadt. Denn auch so waren die Worte des Wasserträgers zu interpretieren: Kein unbedeutender Hauri besaß das Recht, dem Obersten ins Antlitz zu blicken.
Friedensfahrer
»Wir haben kaum etwas in der Hand«, verkündete Polm Ombar. Er stand da wie eine Statue, die Arme vor dem mächtigen Brustkorb verschränkt. »Wenn es sich beim Auslöser dieser Katastrophe im kartanischen Vergnügungspark um den Chaotender-Piloten Kirmizz handelt, sind all seine Spuren verwischt.«
»Wir konnten keine Spuren finden«, widersprach Kantiran. Müde schlürfte er seinen Kaffee. »Wir besitzen allerdings noch keine Auswertung des Gesprächsverkehrs der hiesigen Sicherheitskräfte. Cosmuel ist fleißig an der Arbeit, um diese Daten aufzubereiten.«
»Glaubst du denn, dass uns das weiterbringt?«
»Sicherlich«, antwortete er. »Wir mussten in aller Stille und Unsichtbarkeit den Tatort sichten. Außer vielen Toten war nichts zu sehen, da gebe ich dir Recht. Aber über einen Vorfall in einer derartigen Größenordnung können selbst die hiesigen Faulpelze des Stadtschutzes nicht hinwegsehen. Sie werden Bild- und Tonmaterial aus Vaco’Bau-Tay, dem kartanischen Vergnügungsviertel, sichten und analysieren. Denk an die geheimen Flugdrohnen und die fix installierten Kameras, die wir orten konnten. Auch wenn derlei Geräte im kartanischen Vergnügungspark nicht gern gesehen werden – die Budenbetreiber benötigen Aufnahmen als Beweismaterial, um bei Unfällen, die ja immer wieder vorkommen, ihre Unschuld belegen zu können. Das kommt dem Stadtschutz und uns jetzt zugute. Darüber hinaus gibt es Zeugenaussagen Überlebender, die vielleicht weitere Erkenntnisse bringen. Wir hängen uns also still und heimlich an die Auswertungen des Stadtschutzes dran.«
»Wenn denn tatsächlich Kirmizz der Auslöser dieser Katastrophe war«, sinnierte Polm, »stellt sich die Frage nach dem Warum.«
»Möglicherweise probierte er seine Kräfte aus.«
»Und das in aller Öffentlichkeit? Glaubst du, er wollte eine derartige … Publicity?«
»Du hast Recht.« Kantiran stand auf und schüttelte den Rest des Kaffees in ein Vaporisierfeld. Im Ultraschall-Kubus reinigte er das Gefäß und hängte es zurück in das altmodische Kästchen. »Wir können davon ausgehen, dass Kirmizz verfolgt wurde und in Notwehr handelte.«
»Gegen wen musste er sich verteidigen? Die Ordnungshüter fallen meiner Meinung nach aus.«
»Das glaube ich auch. Ich vermute vielmehr, dass die wahren Machthaber in La Untique ein Auge auf unseren Freund geworfen haben.« Kantiran rollte ein riesiges, aus mehreren Teilstücken zusammengefasstes Bild auf dem Schreibtisch aus. »Die Toten waren in annähernder Kreisform verteilt. Der Durchmesser betrug knapp zweihundert Meter. Das Zentrum befindet sich wahrscheinlich – hier.« Er deutete auf einen Platz, an dem sich Kartanin zuhauf türmten. Ein Echsenwesen lag mit verdrehten Gliedern zwischen ihnen – und ein Hauri. »Kirmizz wollte sich mit unmäßigen Mitteln verteidigen. Auf welche Weise auch immer, ob es eine natürliche Fähigkeit oder technischer Schnickschnack ist.«
»Schnickschnack?«
»Ach, vergiss es.« Kantiran machte eine ärgerliche Handbewegung. »Im Umgang mit Cosmuel schnappe ich immer wieder unsinnige terranische Redensarten auf …«
»Dann sollten wir uns besser aus dem Weg gehen.« Cosmuel Kain betrat den Versammlungsraum. In ihren Augen blitzte es.
»So war das doch nicht gemeint …«
Schweigen.
»Wir sprachen gerade über den Schauplatz dieses Massenmordes«, sagte Kantiran schließlich. Mühsam konzentrierte er sich. »Hier, so nehme ich an, setzte sich Kirmizz erstmals zur Wehr.«
»Und alle starben – außer den Hauri«, sagte Polm Ombar nachdenklich.
Kantiran nickte. »Zumindest nicht durch die Waffe. Diesen einen hier hat der Pilot mit seinen Händen getötet. Und als er bemerkte, dass er den anderen mit seiner seltsamen Waffe nicht beikommen konnte, suchte er einen Fluchtweg. Er wählte diese Route«, mit einem Fingernagel zeichnete Kantiran Kirmizz’ Weg über die Bildaufnahmen nach, »und betrat die sogenannte Pfotenflug-Bahn. Hier war er offensichtlich aufgrund seiner Reflexe im Vorteil, die jenen der Kartanin in nichts nachzustehen scheinen. Er tötete die Hauri, einen nach dem anderen und verließ die Bahn schließlich durch den Hauptausgang.«
»Lediglich zwei Minuten bevor wir eingetroffen sind«, ergänzte Cosmuel Kain.
»Ich habe die Auswertungen des Stadtschutzes übernommen. Sie geben dir Recht. Teilweise konnte ich gut verwertbares Bild- und Tonmaterial absaugen. Ich befürchte übrigens, dass sich die hiesigen Ordnungskräfte bereits jetzt in Kompetenzstreitigkeiten verlieren und viel Zeit liegen lassen. Noch bevor sie sich auf die Suche nach unserem Freund machen. Die Burschen streiten sich bis aufs Blut. Bürgermeister gegen Stadtschutz-Präfekt, Bezirksinspektor gegen Magistrate, Spurensicherung gegen Leichenbeschauer und so weiter und so fort.«
»Das kann uns nur zugutekommen«, warf Polm Ombar ein. »Kirmizz ist ganz offensichtlich bereit, übermäßige Mittel einzusetzen, um seine Ziele zu erreichen. Wir müssen Kirmizz so rasch wie möglich einfangen, bevor sich die Behörden einmischen. Der Pilot wird sich nicht scheuen, weitere Mordwellen herbeizuführen, wenn er sich selbst in Gefahr sieht.«
Mit einer Handbewegung veranlasste Cosmuel Kain die Verdunklung des Raums. Ein Holo-Film lief an. Bilder von schlechter Qualität zeichneten das schreckliche Geschehen nach, das mehr als 600 Wesen das Leben in Vaco’Bau-Tay gekostet hatte. Farb- und Beleuchtungsunterschiede in den einzelnen Szenen zeigten, dass das Material aus mehreren Quellen stammte.
Erstmals bekamen sie den Fremden zu Gesicht. Er maß augenscheinlich zweieinhalb Meter. Seine Körperhaut schimmerte bläulich, das breite Kreuz hielt er seltsam durchgedrückt.
»Jetzt geschieht’s«, murmelte Cosmuel Kain.
Die Naht im Gesicht des mutmaßlichen Piloten stülpte sich auseinander. Nacktes Fleisch kam zum Vorschein, in dem sich eine seltsam konturlose Öffnung befand. Der Spalt öffnete und schloss sich tremolierend, als sänge Kirmizz ein Lied.
Sie beobachteten, wie reihum die Kartanin und andere Wesen umfielen und starben, während der Pilot weitersang.
Als er am Ende war und sich die Hauri unbeeindruckt auf ihn stürzten, zogen sich die Nahthälften allmählich wieder zusammen. Er fiel, konnte aber von seinen Gegnern nicht am Boden fixiert werden. Dank seiner Körperkräfte kam er wieder auf die Beine und lief davon.
»Eine natürliche Waffe«, flüsterte Polm Ombar. »Kein Schnippschnapp.«
Aus dem Inneren der Pfotenflug-Bahn existierten weitere brauchbare Bilder. Kirmizz’