Cover

DER WIENER TAKES IT ALL

Clemens Haipl

DER
WIENER
TAKES
IT ALL

DER UNVERZICHTBARE WIEN-FÜHRER

METROVERLAG

103547 Mit freundlicher Unterstützung der
Kulturabteilung der Stadt Wien, Literaturreferat

© 2014 METROVERLAG

Verlagsbüro W. GmbH

www.metroverlag.at

Alle Rechte vorbehalten

Coverfoto: © Ingo Pertramer

Printed in the EU

ISBN 978-3-99300-163-6

INHALT

HEIMAT BIST DU GROSSER SÖHNE

Schlossgasse 1

DER SCHRECKEN KEHRT WIEDER!

Christmas in Vienna

HIGHWAY TO HELL

Südosttangente

DER GARTEN DER LÜSTE

Botanischer Garten

FLUG UND TRUG

Flughafen Wien

FRAGEN SIE IHREN ARZT ODER APOTHEKER

Vapiano 7 mal in Wien

5 STERNE DE LUXE

Gasthaus Stern

MARIA, HILF!

Mariahilfer Straße

JÄGER DES VERLORENEN SCHUTZES

Schutzhaus Wasserwiese

TRAINSPOTTING

Terassenstüberl

ROCHUS ROCKT

Rochus

WER FRÜHER STIRBT, IST LÄNGER TOT

Simmeringer Friedhof

LIEBER REICH UND GESUND ALS ARM UND KRANK

Cottageviertel

DER WILL NUR SPIELEN

Conrad Electronic

BIST DU DEPPERT

Lugner City

KLEINES BIER, KLEINES GULASCH – ALLES LEIWAND!

Café Weidinger

WER BIN ICH UND WIE BIN ICH HIERHERGEKOMMEN

Gräfin am Naschmarkt

BLACK CELEBRATION

Viper Room

DEIN FREUND UND HELFER

Polizeibad

VON HOFRATSWITWEN UND DENEN, DIE ES NOCH WERDEN WOLLEN

Kutschkermarkt

WIR SIND A VARREIN

Johnny’s Pub

FALCO UND KREISKY

Ziegelofengasse

AN APPLE A DAY KEEPS THE DOCTOR AWAY

Tools at Work

TRINKEN MIT SINN

Schwarzer Rabe

ES GIBT IMMER EINEN GRUND, SICH LÄCHERLICH ZU MACHEN

Faschingsprinz

SAVOIR VIVRE

Beaulieu

HALBNACKTE MENSCHEN, HÄSSLICHER BETON UND POMMES FRITES

Gänsehäufel

DAS ZEUGHAUS

Caritas Mittersteig

HINTER SCHLOSS UND RIEGEL

Schloss Hof

KLEIN, DRECKIG UND STOLZ DRAUF

Café Bendl (alias Bückedich)

SCHNÖSEL UND ANDERES GEMÜSE

Naschmarkt

HARTES BROT

Bäckerei Mann

LAST EXIT VIENNA

Media Quarter Marx

HINRICHTUNGEN EN DETAIL UND EN GROS

Am Hof

WATERWORLD

Am Tabor

FEUER UND FLAMME

Weißgerberlände

WENN DAS DER ADMIRAL WÜSSTE

Praterstern

IT’S HIP TO BE SQUARE

Museumsquartier

DAS LEBEN IST SCHÖN

La Vita è Bella

DAS ZENTRUM DER WELT UND WAS DARAUS WURDE

Schloss Schönbrunn

WITH TRASH RULES

Gewerbepark Kagran

NASHÖRNER MACHEN GROSSE KACKIS

Tiergarten Schönbrunn

GELEBTE DEPRESSION

Dreivierteltakt

UM DEN DAMENBART DES DOGEN

Dogenhof

SEARCH AND NESTROY

Mader am Platzl

BLENDEN UND TÄUSCHEN

Hundertwasserhaus

MEER IST WENIGER

Haus des Meeres

DAS BESTE AUS DREI WELTEN

Hans im Glück

DINOSAURIER UND MOTTENKUGELN

Naturhistorisches Museum

SCHIFFERLN VERSENKEN

Das Motto am Fluss

WER NIX WIRD, WIRD WIRT. UND MEHR.

Schosztarich

COOL BLEIBEN

Kapuzinergruft

SEHR GEHEIM. ALSO BITTE LEISE LESEN!

Das Bundesbad

KÜNSTLER UND ANDERE VOLLKOFFER

Café Prückl

DER VENICE BEACH VON WIEN

Donaukanal

NUR WEIL ES JEDER MAG, MUSS ES NICHT SCHLECHT SEIN

Schweizerhaus

PARALLELUNIVERSUM IM ZENTRUM

Zum schwarzen Kameel

SO NORMAL, DASS ES AUFFÄLLT

Wiener Melange

FUSSBALL IN ÖSTERREICH? BITTE HIER!

SC Wiener Viktoria

VIEL PLATZ UND MÖGLICHKEITEN

Löwygrube

VERSAGEN ZUM ANGREIFEN

Gasometer

VORWORT

Ich gebe es zu: Lieber noch als einen Wien-Führer hätte ich eine App für Smartphones gemacht. Ist zeitgemäßer, lässt sich leichter vertreiben und ist umweltverträglicher. Wenn Sie dieses Buch aber auf der Straße lesen und dabei nervös mit dem Daumen drauf herumtippen, könnten Passanten glauben, Sie nützen die neue App vom Haipl. Da wäre Ihnen geholfen, weil Sie damit angeben können, und ich fände es auch sehr schick. Bitte? Danke!

Ansonsten: Ich hätte das Buch gerne „der 2057te Wien-Führer“ genannt (dass ausgerechnet ich von Wien berichte, bloß weil ich hier geboren wurde und es noch immer nicht weggeschafft habe, kommt sogar mir seltsam vor). Der Verlag war dagegen.

Dieses – nennen wir es einfach – „Meisterwerk“ ist sehr schnell entstanden: Kennenlernen vom Verlag, gegenseitige Sympathiebekundung, Textabgabe, basta. Wenn ich dafür auch nicht mit dem deutschen oder sonstigen Buchpreis rechne, grinsen habe ich schon ein paar Mal müssen beim Überfliegen des Textes – und ich habe ihn schon gekannt! Ist halt sehr persönlich und eine Momentaufnahme. Wenn Sie sich beim Lesen dieses Buches auch ein wenig oder mehr unterhalten, würde ich mich aufrichtig freuen. Wenn nicht, kaufen Sie als Revanche einfach noch zehn Exemplare, dann muss ich bald ein neues Buch für den Metroverlag schreiben.

Clemens Haipl

HEIMAT BIST DU
GROSSER SÖHNE

V., Schlossgasse 1

Wenn Sie wissen wollen, wo ich aufgewachsen bin, gerne: Schlossgasse 1, 1050 Wien. Türnummer 14, genau genommen. Mein Kinderzimmer war im ersten Stock – wenn man ums Eck in der verlängerten Viktor-Christ-Gasse steht, muss es zirka das vierte Fenster von links sein. Ich habe von meinem Kinderzimmer aus – als eines der sehr wenigen Kinder weltweit überhaupt – einen leibhaftigen Gefängnisausbruch erlebt. Schräg gegenüber ist nämlich die Justizanstalt Mittersteig. Es lässt sich nicht mehr genau recherchieren, aber ich schätze, dass es Ende der 70er, Anfang der 80er gewesen sein muss, da blickte ich aus dem Fenster und sah einen Mann an der Fassade herumklettern. Da habe ich mir nicht viel dabei gedacht, weil es hätte ja sein können, dass das bei anderen Leuten normal ist. Solange mir niemand explizit erklärt, dass etwas verboten oder ungewöhnlich ist, halte ich es für erlaubt und legal. Als sich dann wenig später Polizeiautos mit heulenden Sirenen vor dem Gebäude versammelten, begann sich mein Verdacht zu verdichten, dass irgendetwas nicht dem Tagesprogramm entsprach. Die Erwachsenen haben dann kurz darauf Bassenatratsch de luxe betrieben, und mir war klar: Da ist einer ausgebrochen. Ich war zwar enttäuscht, dass der Fassadenkletterer keine gestreifte Kleidung getragen hatte – wie ich es aus Lucky-Luke-Heften kannte, aber immerhin: Live dabei gewesen zu sein bei einem Gefängnisausbruch, das können nicht viele von sich behaupten.

Mein Schulweg ins Gymnasium Rainergasse führte am Gefängnis vorbei, die Nikolsdorfer Gasse hinauf. Da habe ich eine Zeitlang gesehen, wie vor einem Kostümverleih Scheinwerfer aufgebaut wurden, Menschen sich wichtig machten – also augenscheinlich ein Film gedreht wurde. Der Film sollte „Müllers Büro“ heißen und kann mit Fug und Recht als Kultfilm der 80er bezeichnet werden. Wenn man rauf Richtung Wiedner Hauptstraße geht, muss es ziemlich am Anfang rechts sein. Genau weiß ich es nicht, schauen Sie sich halt den Film an, dann erkennen Sie die Fassade eh wieder (aja: im Film fungierte der spätere Kostümverleih als das Detektivbüro von … eben Müller).

Weiter oben links ist der Hartmannpark, wo ich mit dem späteren Chef vom Sportclub Hakoah Wien Fußball gespielt habe. An der Ecke habe ich mal Niki Lauda in einem geparkten roten Mercedes telefonieren gesehen. Aus einem Auto zu telefonieren, war Anfang der 80er so realistisch wie per Beamen auf Urlaub zu fahren. Also schon eher ein Wahnsinn. Natürlich haben mein Bruder und ich Autogramme geholt.

Noch weiter oben ist die Wiedner Hauptstraße, links gegenüber die Rainergasse … da war ich in der Schule. Eine traurige Zeit – was soll’s.

Wenn man von der Schlossgasse 1 aber nicht nach oben, sondern links den Mittersteig runtergeht und bei der ersten Querstraße (Ziegelofengasse) links abbiegt, kommt man linkerhand zum Haus, wo Falco aufgewachsen ist. Da war auch früher ein kleiner Greißler, wo ich als Kind Milch eingekauft habe. Die Verkäuferin wurde von Falco „Mama“ gerufen. Das machen Söhne oft so.

Auf Schlossgasse Nummer 1, allerdings in einem anderen Haus, das es nicht mehr gibt, hat auch Margarete Schütte-Lihotzky gewohnt. Das weiß ich von meinem Vater, der sie dort besucht hat. Wen? Margarete Schütte-Lihotzky, Widerstandskämpfern, Freundin von Gustav Klimt, protegiert von Adolf Loos, erste Frau, die in Österreich ein Architekturstudium abgeschlossen hat, und Erfinderin der Frankfurter Küche – also des Prototyps der modernen Einbauküche.

Es ist also gut möglich, dass der erste Gedanke zu Ihrer Einbauküche just an der Stelle entstand, wo ich als Kind in den Topf gemacht habe. Denken Sie darüber nach.

DER SCHRECKEN
KEHRT WIEDER!

Christmas in Vienna

Wer auch immer den Werbeslogan „Christmas in Vienna“ erfunden haben mag: Mögest du ob deiner perfiden Unanständigkeit und Verlogenheit Durchfall in einer im Tunnel stecken gebliebenen U-Bahn bekommen! Und dabei eine weiße Hose tragen.

So ein Schmarren! Es gibt nichts Schlimmeres als Weihnachten in Wien! Die ganze Stadt zugebaut mit „Punschständen“. (Was ist das überhaupt? Auf jedem Tetrapack steht drauf, was drinnen ist, nur bei „Punsch“ kann man reinleeren, was man will – keine Deklarationspflicht.) Davor gehetzte Menschen mit mehr oder weniger kreativen Hauben- und Schalkreationen, in beiden Händen Einkaufstaschen – irgendwie schaffen sie es trotzdem, Punsch zu trinken oder Glühwein (was nichts anderes ist als unverkäuflicher Wein, der mit Zucker und Gewürzen versetzt so lange erhitzt wird, dass es auch schon egal ist). Die stehen da an allen angeblich relevanten Stellen Wiens (Schönbrunn, Stephansplatz, Graben, Karlsplatz, einfach überall), finden sich selber recht up to date, versperren den Weg für andere, die einfach von A nach B wollen und lassen sich mit billigstem Alkohol abfüllen. Ein Marketing-Geniestreich: Man verkauft minderwertige Produkte, ventiliert einerseits, dass das eine schöne Tradition sei und andererseits einem guten Zweck diene. (Genau! Die armen Kinder in Afrika jubilieren bei jedem gepanschten Punsch, den Sie saufen.) Warum macht man nicht im Hochsommer Cocktailstände in der City auf? Mit haargenau der gleichen Berechtigung könnte man im Juli Mojitos aus Holzverschlägen reichen und behaupten, das sei eine Tradition für den guten Zweck. Wenigstens wäre es dann nicht bitterkalt, und man könnte zu Recht behaupten, dass es Sinn macht, sich im Freien anzusaufen. Was bei Punsch im Winter nicht gegeben ist.

Und dann: Nicht enden wollende Kolonnen von Touristenbussen aus – ich weiß nicht, woher sie kommen. Wahrscheinlich Ungarn, Slowakei & Co. Aserbaidschan ist zu weit für eine Busfahrt – Italiener und Deutsche erkenne ich an der Sprache. Diese Busse verstellen ganze Straßenzüge, und die Gäste wollen natürlich zu Recht etwas für ihr Geld haben. Also stellen sie sich vor die unsäglichen Punschstände und trinken so lange, bis sie das Gefühl haben, dass „Christmas in Vienna“ eine Reise wert gewesen wäre (man kommt da als Einheimischer nicht durch die Menschenmassen, und selbst „Verzeihung“ nutzt nichts – sie verstehen ja nicht Deutsch).

Von Weihnachtsdekorationen, die in erster Linie dem Ästhetikempfinden des Betrachters und aufgrund ihres Stromverbrauches der Umwelt schaden, rede ich gar nicht. Das gibt es anderswo auch.

Aber: Dieses elende Kokettieren mit „City of Music“, das ewige Süßholzraspeln mit der ach so romantischen Vergangenheit (hallo? zu Kaisers Zeiten gab es keine elektrisch beleuchteten Christbäume, eigentlich generell keine Christbäume beim gemeinen Volk!), das Gute-Miene-zum-bösen-Spiel-Machen. (Niemand mag Weihnachten für sich selbst. Alle wollen es für „die Kinder“, für „die Tradition“ … Ich kenne keinen Erwachsenen, der sich seiner selbst willen auf Weihnachten freut. Einkaufen unter Hochdruck? Das kann man das ganze Jahr unter der Woche oder sonntags beim Billa am Praterstern.)

Und … ich erschöpfe langsam … Moment …: Die sagenhaft geschmacklosen Accessoires, die zu Weihnachten in Wien angeboten werden! Glaskugeln, Strohsterne, Bienenwachskerzen, handgeschnitzte (ja, wahrscheinlich … und der Bauer heißt „Made in China“) Krippenfiguren … man braucht einen guten Magen, um das alles zu überstehen. Darum empfehle ich, „Christmas in Vienna“ großräumig zu umschiffen, zum Wirten zu gehen oder gleich eine andere Stadt zu besuchen.

HIGHWAY
TO HELL

Südosttangente

Man war nicht in Wien, wenn man nicht auf der Südosttangente gestanden ist. Gestanden im Auto. Also gesessen im Auto, das steht. In einem herrlichen Stau. Vorzugsweise am Freitag, früher Nachmittag. Das goldene Wienerherz offenbart sich selten so authentisch wie auf dieser innerstädtischen Autobahn. Wäre Mord von Gesetzes wegen nicht illegal und gesellschaftlich geächtet – ich glaube, in Wien wäre er sehr verbreitet. Der Wiener ist kein freundlicher Mensch. Er tut nur gerne so, weil man das in Jahrhunderten der Monarchie und des Lehenwesens so gelernt hat. Da hat man dem Fürsten nicht einfach sagen können „gehen S’ scheißen“, ihn vom Pferd reißen und ihm eine Verkehrte auflegen. Da musste man sagen: „Freilich, gerne“ und „G’schamster Diener“. Diese Grundhaltung ist in den Menschen drinnen. In Indien zum Beispiel ist das Kastensystem offiziell abgeschafft. Trotzdem weiß jeder, zu welcher Kaste der andere gehört, und behandelt ihn dementsprechend. So ähnlich ist das in Wien, wo der Adel zwar offiziell nicht existiert, aber: Wer einen dunklen Audi fährt, muss etwas Besseres sein, benimmt sich so, und das wird von allen anderen anstandslos akzeptiert. Die dürfen schneiden, drängeln, ohne Blinker abbiegen, etc. … Naja, nicht wirklich: Man flucht und hupt, was geht. Zirka so ähnlich, wie ein Bauer vor 200 Jahren über den Adel geschimpft hätte – aber aus sicherer Entfernung bzw. hinter sicherer Windschutzscheibe. Direkt ins Gesicht sagen, geht ja nicht. (Das funktioniert auch im Alltag: Anzugträger und Uniformierte lösen immer noch einen Respektanfall aus, der sich erst mit Respektabstand in gefälliges Geläster auflöst.)

Jedenfalls: Auf der Südosttangente treffen sich alle. Die Wiener, die von einem Bezirk in den anderen müssen, die Pendler, die eigentlich nur schnell wieder nach Hause in die Provinz wollen, Arbeiter, Chefs – sie alle sitzen in ihren Autos und müssen eine Zeitlang damit leben, dass auf der Autobahn zumindest vor dem Gesetz alle gleich sind. Das erzeugt natürlich Unmut. Darum gehe ich lieber zu Fuß oder nehme öffentliche Verkehrsmittel. Das geht aber leider nicht immer, weil man zum Beispiel mit Kindern und Gepäck in Wiener öffentlichen Verkehrsmitteln deutlich unpopulärer ist als ein süßer Hund. Das verstehen Menschen nicht, die in trauter Einsam- oder Zweisamkeit leben – aber erklären Sie das mal dem Herren/Frau VerkehrsstadträtIn …

DER GARTEN
DER LÜSTE

Botanischer Garten
III., Rennweg

Ok, ich mag Pflanzen. Das ist schon einmal ein grundsätzlicher Vorteil für den Besuch eines botanischen Gartens. Ich habe über 40 Jahre alt werden müssen, um dieses Kleinod mitten in Wien zu entdecken. Hinterm Belvedere im dritten Bezirk verstecken sich seltene Pflanzen oder solche, die es noch werden könnten. Kräuter, Palmen, Bäume, Gras, was weiß ich. Sachen halt. Die sind schön anzusehen. Gut, in anderen Parks gibt es auch Pflanzen, kann man da völlig zu Recht sagen. Auch gibt es in anderen Parks Wege, auf denen man lustwandeln kann, nebst Parkbänken, die zum Verweilen einladen. Auch richtig. Aber im Botanischen Garten gibt es keinen Spielplatz und keine alten Frauen, die Tauben füttern. Vielleicht kommen die nur, wenn ich nicht da bin, oder sie kommen arme kranke Pflanzen gießen, weil man Tauben nicht füttern darf. Keine Ahnung. Es ist hier jedenfalls deutlich idyllischer als in anderen Parks der Stadt. Vielleicht sind andere Leute auch so ahnungslos, wie ich es bis vor Kurzem war, und wissen einfach nicht, dass es diesen Botanischen Garten gibt, man trifft hier erstaunlich wenig Menschen. Das finde ich formidabel und liebe mich gerade dafür, dass ich in einem Buch Werbung für einen bislang geheimen Hotspot mache. Aber so bin ich: Aus reiner Philanthropie gebe ich meine geheimsten Geheimnisse preis. Macht nichts, finde ich mir halt einen anderen Platz, sobald der Botanische Garten von Touristen überrannt sein wird, wo ich jetzt noch von einer der größten Straßen Wiens durch ein Tor in eine Oase der Ruhe eintauchen kann. Ja, das ist er nämlich, der Botanische Garten. Da möchte ich gar nicht mit Klischees geizen. „Garten Eden, Rückzugsgebiet, Hort der Entspannung, Natur pur, Traum in Grün“ fallen mir auch noch ein.

Vielleicht kommen hier nur Menschen her, die in der Nähe wohnen. Ich habe den Botanischen Garten auch erst entdeckt, als ich einen Freund, der ums Eck wohnt, besuchen wollte und er noch nicht zu Hause war – ich also noch Zeit totschlagen musste. Bin ich also die Straße rauf- und runtergegangen und habe plötzlich gleich neben dieser riesigen, stark befahrenen, eher nicht so attraktiven Straße ein Tor entdeckt. Ich durchschritt es – und siehe da: Es war gut! Ich mag Dinge, die ohne Stress keinem höheren Ziel als ihrer eigenen Existenz dienen. Pflanzen zählen definitiv dazu. Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Und mit einem botanischen Garten bedient man weder Freunde von Extremsportarten noch die Erlebnisgastronomie. Der ist einfach da. Weil irgendjemand der Meinung war, dass es gut ist, verschiedenen Pflanzen einen Platz zu geben. Die stehen da und existieren. Es ist ihnen unendlich egal, ob Sie und ich auch vorbeischauen. Es könnte sie nicht weniger scheren, ob wir dafür Eintritt zahlen oder nicht. Sie stehen da, mehr oder weniger fest verwurzelt, und existieren. Das finde ich schön. Darum gehe ich gerne hin, setze mich auf eine Parkbank … und checke meine Emails.

FLUG
UND TRUG

Flughafen Wien

„Welcome to Vienna“, dieser Schriftzug ist noch das Gelungenste am neu gestalteten Flughafen Wien Schwechat. Hätte man ihn mit derselben Konsequenz wie den Rest des Flughafens erstellt, müssten mindestens drei Rechtschreibfehler, ein Grammatikfehler und schwere typographische Verfehlungen drinnen sein.

Nur als Beispiel: Will man mit Handgepäck (was bei Städtetrips vorkommen soll) und Kleinkindern (was wahrscheinlich ist, solange sie nicht groß sind) vom Check-In zum Gate, geht das nur über einen Aufzug (in Zahlen: 1! einen zweiten gibt es nicht). Abgesehen davon, dass der völlig unterdimensioniert ist, fällt er gerne und oft aus. Ok, kann man die Treppen nehmen. Theoretisch. Der Zweijährige kann zur Not selber laufen. Der drei Monate Alte nicht, tut zumindest so und schläft im Kinderwagen. Also tragen wir einen Kinderwagen samt Handgepäck für vier Personen die Treppen hinunter und versuchen dabei, nicht den Zweijährigen zu verlieren. Wenn das auf einem historischen Bahnhof in Indien passiert, sage ich ja nichts. Aber auf einem nagelneuen Flughafenterminal in Westeuropa??? Wer hat die Pläne für diesen Scherz in Beton gezeichnet? Stevie Wonder? Die Cliniclowns?

Und wer hatte die Segen spendende Idee, dass Trolleys, in die man Münzen werfen muss (hallo??? wo gibt es das sonst noch außer beim Billa? guter Input, das mit den Euromünzen für einen internationalen Flughafen), dass die nicht auf die Rolltreppe passen? Man muss also das gesamte Gepäck herunternehmen, den Trolley an die Sammelstelle bringen, die Koffer in der Hand die Rolltreppe raufmanövrieren (wir erinnern uns: Aufzug außer Betrieb) und sich einen neuen Trolley organisieren. Auf jeder Ebene! Hinauf und hinunter! Und retour! Hier ist nämlich nichts mit sinnergreifender Ausschilderung.

Ich fliege nicht oft, aber ich habe mich noch nie auf einem Flughafen verlaufen. Nicht in Berlin, München, Paris, nicht in New York oder Chicago und nicht einmal in L.A. Warum? Weil diese Flughäfen anscheinend von Menschen geplant wurden, die das nicht zum ersten Mal gemacht und daher gewusst haben, dass man auf ein paar Kleinigkeiten achten muss. Zum Beispiel auf eine verständliche Beschilderung (vorzugsweise mehrsprachig UND mit grafischen Symbolen). Oder die simple Tatsache, dass es von nicht zu unterschätzendem Vorteil ist, wenn man die Wege zwischen zu absolvierenden Stationen (Check-In, Shop, Gate, Boarding etc.) so kurz wie möglich und barrierefrei gestaltet.

Nichts davon in Wien. Hier wurde eine Unterstufen-Schulausschreibung für 10- bis 14-Jährige vorgenommen, und die Schüler mit den buntesten Bildern aus Wachsmalkreide durften dann auch gleich den Flughafen planen. Hier ist nichts logisch, nichts zusammenhängend, von einem einheitlichen, wiedererkennbaren Look ganz zu schweigen.