Für die fünfzehnjährige Ich-Erzählerin ist ihre Mutter Charlotte der Mittelpunkt der Familie, geliebt, alles beherrschend und geradeheraus. Das Offensichtliche aber wird auch von Charlotte totgeschwiegen: daß die Nachrichten von der Front beunruhigen und die Flüchtlingstrecks aus dem Osten in immer kürzeren Abständen durch die Stadt ziehen. Bis zu dem Januarmorgen 1945, an dem plötzlich vollgestopfte Bettensäcke im Flur bereitstehen, vom Führerbild an der Wand nur noch ein heller Fleck zu sehen ist und die Mutter ihren Silberfuchs mit einer endgültigen Geste in den Schrank zurücklegt, die ihre Tochter nicht mehr vergessen wird.
Mitreißend, anrührend und mit liebevoller Ironie erzählt Christa Wolf von den inneren Verflechtungen einer Familie, von einer Fünfzehnjährigen, die erwachsen wird, vom Trauma der Flucht. 1971 entstanden, ist diese hier erstmals veröffentlichte Erzählung der Auftakt zum späteren, weit ausholenden Kindheitsmuster, dem autobiographischen Meisterwerk, das bis heute ein Weltecho hat.
Christa Wolf, geboren am 18. März 1929 in Landsberg/Warthe (Gorzów Wielkopolski), wurde für ihr Werk mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem Georg-Büchner-Preis sowie zuletzt dem Thomas-Mann- und dem Uwe-Johnson-Preis. Sie starb am 1. Dezember 2011 in Berlin.
Christa Wolf
Nachruf auf Lebende
Die Flucht
Mit einem Nachwort von
Gerhard Wolf
Suhrkamp
eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2014
Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe des suhrkamp taschenbuchs 4506.
© Suhrkamp Verlag Berlin 2014
© 2010 Gerbrand Bakker und Uitgiverij Cossee BV, Amsterdam
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Satz: Hümmer, Waldbüttelbrunn
Umschlagfoto: Archiv Gerhard Wolf
eISBN 978-3-518-73714-9
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In die Erinnerung muß man einen
Hauch von Gegenwart einblasen.
Kazimierz Brandys