Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
1.
2.
3.
4.
5.
Epilog
Glossar
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 2053
Der neue Tato
Konterbande für Ertrus – Perry Rhodan im verdeckten Einsatz
von Hubert Haensel
Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
Gegen Ende des Jahres 1303 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, das dem Jahr 4890 alter Zeit entspricht, hat für die Bevölkerung der Milchstraße eine ganz entscheidende Phase ihrer Geschichte begonnen – ohne dass der »normale Mensch« bislang etwas mitbekommen hat. Diese Phase ist Resultat einer Entwicklung, die letztlich damit begann, dass sich die Liga Freier Terraner der Koalition Thoregon angeschlossen hat, einem Zusammenschluss friedliebender Völker aus sechs Galaxien.
Das Kristallimperium der Arkoniden unter dem machtgierigen Imperator Bostich I. hat sich in den letzten Tagen des Jahres 1303 NGZ verändert: Unter der Bezeichnung Göttliches Imperium versucht es nun, seine Macht über die Milchstraße auszudehnen. Es ist absehbar, dass Arkon bald seine Hand nach der Erde ausstrecken wird.
Perry Rhodan versucht seit langem, einen umfassenden galaktischen Krieg zu vermeiden. Jetzt aber sieht er sich einer noch größeren Bedrohung ausgesetzt. Aus den Bewusstseinen von 34.000 terranischen Monochrom-Mutanten und dem mit dem Anzug der Phantome ausgerüsteten Wrehemo Seelenquell entstand auf Arkon eine neue Wesenheit: die Superintelligenz SEELENQUELL.
Rhodan wurde Zeuge dieser Entstehung, und ihm gelang die Flucht aus dem Arkon-System. In der Folge beginnt der Terraner mit Gegenreaktionen. Ein Ziel dabei ist Ertrus – denn dort residiert DER NEUE TATO …
Subeat dom Cyllken – Der neue Tato von Ertrus setzt auf andere Methoden gegen die Bevölkerung.
Perry Rhodan – Der Terranische Resident geht gegen die Arkoniden in die Offensive.
Kim Tasmaene – Der im Untergrund lebende ertrusische Präsident bekommt unverhofften Besuch.
Monkey – Der Chef der Neuen USO hat nicht immer dieselbe Meinung wie Perry Rhodan.
Arneo Lekam – Der Prospektor von Tschirmayn will auf Ertrus forschen.
»Wenn es sein muss, Perry Rhodan, werden wir ein Volk von Märtyrern. Wer sollte uns daran hindern?«
Tam Sorayto, ertrusischer Präsident,
gestorben am 4. Oktober 1303 NGZ
Prolog
Eine beklemmende Düsternis lastete über Fin Calley, als wolle die Schwärze der Nacht nie dem neuen Tag weichen. Die brodelnden Wolkenbänke ebenso wie der dichte Bodennebel zeugten noch von den heftigen Regenfällen in den frühen Morgenstunden, und die matt im Kunstlicht schimmernden Straßen und Fassaden schienen einer fremden Welt zu entstammen.
Etwas Unheimliches, fast schon körperlich spürbar, lastete über der neuen Hauptstadt von Ertrus.
Es war kurz nach drei Uhr Ortszeit am 30. Dezember 1303 NGZ.
Die Zeit stand still. Fin Calley zeigte sich in Agonie erstarrt – symptomatisch für die einst von pulsierender Vielfalt geprägte Welt. Der Krieg, den niemand wollte, nicht einmal die Bevölkerung Arkons, hatte Ertrus wie ein gefräßiges Monstrum überfallen und hielt den Planeten im Würgegriff.
Dumpf dröhnende Laute quälten sich durch den Nebel – ein Heer arkonidischer Roboter marschierte.
Dann wieder Stille.
Zwischen den Wolken flackerten purpurne Entladungen. Der ablandige Sturm, der für gewöhnlich den Sonnenaufgang begleitete und Wolken und Nebel zerrissen hätte, ließ auf sich warten. Obwohl die Sonne Kreit längst über die schroffen Gipfel des Buckligen Reiters emporgestiegen war.
Schatten verdichteten sich für wenige Augenblicke zu menschlichen Umrissen. Der Brodem schien lichter zu werden. Überall strebten die massigen Gestalten von Ertrusern stadtauswärts, der langgestreckten Bucht entgegen, die der Rundon-Ozean ins Land eingekerbt hatte. Prallfeld-Deiche schützten seit Jahrhunderten vor den im Stundentakt herandonnernden Flutwellen.
Ein alter, verkrümmt gehender Mann hielt abrupt inne und wandte sich zu seinen Begleitern um. Mit einer Hand fuhr er sich über den schütteren grauen Sichelkamm.
»Dieses Jahr ist allgemein ein Jahr der Trauer und des Entsetzens«, raunte er. »Und in die Annalen von Fin Calley wird der heutige Tag unauslöschbar eingebrannt werden.«
Nicht das Aussehen, doch die markante Stimme verriet ihn: Kim Tasmaene, der neue Präsident von Ertrus. Seine ebenfalls verkleideten Begleiter gehörten zum Untergrundkabinett. Ihre Vorsicht war Teil ihrer Überlebensstrategie, denn seit Radio Freies Ertrus seine Vereidigung planetenumspannend übertragen hatte, machten die Arkoniden Jagd auf Tasmaene und seine Mitstreiter.
Schon nach wenigen Augenblicken hatte der Nebel die Männer wieder halb verschluckt.
Drei Uhr vierzig …
Die Stille hielt an. Nur das ferne Tosen des Ozeans, ohnehin allgegenwärtige Kulisse, schien deutlicher geworden zu sein.
Starke Scheinwerfer durchbrachen den Dunst. Bis in die Wolken fraßen sich die Lichtbündel vor, fächerten kaskadenartig auf, wanderten in die Weite und entrissen die wartende Menge der Düsternis.
Mehr als zweihunderttausend Ertruser hatten sich auf der Ebene vor der Stadt eingefunden – Männer, Frauen und Kinder, so stumm und unbeweglich wie Statuen. Dicht an dicht standen sie, eine Mauer des Schweigens und mühsam verhaltenen Zorns. Ihre halbkahlen Schädel mit den Haarsicheln reihten sich vom Stadtrand bis an den Horizont.
Im Zentrum des Platzes ein hohes, von unten beleuchtetes Podest, eine Arena kristallimperialer Machtansprüche. Katsugo-Roboter mit angewinkelten Waffenarmen riegelten das Podium weiträumig ab. Niemand bezweifelte, dass die schweren Kampfmaschinen Befehl hatten, kompromisslos zu feuern, falls der Mob in Bewegung geriet …
… doch die zweihunderttausend waren gekommen, einem ihrer Idole das letzte Geleit zu geben und ihm die Ehre zu erweisen, die ihm zustand. Ihre Anwesenheit war zugleich eine Demonstration ertrusischen Zusammenhalts und Behauptungswillens, ein stummer Protest, den die Galaxis in dieser Form leider nie erfahren würde.
Für vier Uhr war die Hinrichtung verkündet. Zehn Minuten vorher brach ein Pulk Kampfgleiter aus den Wolken hervor und landete innerhalb der Absperrung. Durch die martialisch bunte Kulisse schwerbewaffneter Naats und arkonidischer Soldaten wurde der Delinquent zum Richtblock geführt. Angesichts der Mauer schweigend im Nebel ausharrender Leiber verblasste jeder militärische Prunk.
Gleichzeitig mit dem Energieschirm, der die Hinrichtungsstätte abriegelte und die Furcht der Besatzer vor einer möglichen Befreiungsaktion verriet, wurden gewaltige Hologramme über den Köpfen der Menge aktiv. Überdeutlich zeigten sie das wettergegerbte, in scheinbarer Ausdruckslosigkeit erstarrte Gesicht eines alten Mannes: Eden Arukitch, der Händler aus dem Gebiet des Buckligen Reiters, war von den Arkoniden als Betreiber des Radios Freies Ertrus überführt worden.
Eden Arukitch – die Stimme von Ertrus, der Mann, dessen Rebellenfunk die Besatzer in Atem gehalten und aus dem unwirtlichen Mattun-Gor-Vulkanland die Vereidigung des neuen Präsidenten Kim Tasmaene übertragen hatte.
Am vorletzten Tag des Jahres nahm das Kristallimperium nun Rache für die vermeintliche Schmach. In erster Linie aber wohl dafür, dass Ertrus noch immer nicht zur Ruhe gekommen war. Es brodelte im Untergrund, die Rebellen boten der Besatzungsmacht ungebrochenen Widerstand, wenngleich sich das Schlachtfeld mehr und mehr in die schroffe Gebirgsregion des Buckligen Reiters und andere raue Gegenden verlagert hatte und nur selten bewohntes Gebiet betroffen war.
Der neue Tato, Subeat dom Cyllken, arkonidischer Gouverneur für Ertrus, hatte die Zustände nicht grundsätzlich verändert. Seine Handschrift auf dem Planeten war weniger Grausamkeit als vielmehr berechnetes Kalkül, doch verbarg sich hinter vermeintlich humanen Handlungen eher die Hoffnung, nicht das Schicksal seines Vorgängers teilen zu müssen. Selbstmordattentäter hatten Tato Forman da Ricce getötet.
Eden Arukitch schien in der Gefangenschaft um Jahrzehnte gealtert zu sein. Tasmaene biss die Zähne zusammen. Das war nicht mehr der Mann, der dem Tod höhnisch ins Auge gelacht hätte; fast schon mühsam schleppte er sich, von zwei Naats gehalten, bis zu dem schwachen Zugfeld, das ihn auf die Plattform hob.
Tasmaene drängte weiter nach vorne. Er trug keine Waffe, denn dies war nicht der richtige Zeitpunkt, den Arkoniden die Stirn zu bieten. Keiner in der Menge war bewaffnet. Diejenigen, die gekommen waren, wollten Eden Arukitch zeigen, dass sie an seiner Seite standen, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Glaubte der neue Tato wirklich, irgendeinen Ertruser mit der Hinrichtung beeindrucken zu können? Ein verächtlicher Zug umfloss Tasmaenes Mundwinkel.
Die Hologramme veränderten sich. Der Henker betrat die Plattform, ein Naat in blutroter Phantasieuniform, ein riesenhaftes Vibratorschwert mit beiden Händen hochwirbelnd und … Seine drei Augen funkelten erwartungsvoll, der schmale Mund verzog sich zur Grimasse, als das Schwert unter heftigen Entladungen über den Boden schrammte.
Hoch über den Köpfen der Menge desaktivierten die Arkoniden das optische Sperrfeld, das dem Gefangenen bislang jede Sicht genommen hatte.
Arukitch zuckte mit keiner Miene. Sein Blick streifte die wartenden Offiziere, die auf der Plattform postierten Kampfroboter – und blieb am Richtblock und dem schwarzhäutigen Naat hängen. Die Bildwiedergabe war unmenschlich; jedes Muskelspiel in Edens Gesicht wurde überdeutlich. Aber er lächelte.
Sie stießen ihn vorwärts – fünf Schritte noch –, wollten ihn gewaltsam auf den Richtblock zwängen, doch in dem Moment reagierte der alte Mann. In einer blitzschnellen Drehung, trotz auf den Rücken gefesselter Arme, fuhr er herum. Der Soldat an seiner Rechten griff ins Leere, und der andere, von der ertrusischen Schulter mit der Wucht eines Rammbocks getroffen, stürzte haltlos zurück.
Alles geschah gleichzeitig innerhalb von Sekunden: Der Naat riss das Schwert hoch, die Kampfroboter schwebten vorwärts, um den Verurteilten an der Flucht zu hindern, und der eine oder andere Arkonide brachte völlig unnötig seinen Strahlenkarabiner in Anschlag. Aus Furcht vermutlich.
Eden Arukitch hatte seine Bewacher lediglich abgeschüttelt wie ein ertrusischer Bär lästige Parasiten und schritt nun hoch erhobenen Hauptes auf den Richtblock zu.
Niemand musste ihn führen. Es war sein Stolz, der ihn zwang, die letzten Schritte selbst zu gehen.
»Ertrus fällt nicht! Selbst wenn Bostichs Wahnsinn die Galaxis verbrennen wird.«
Nichts hinderte die Stimme des alten Mannes, der in diesem Moment vor dem Block niederkniete. Dennoch war er nur im Zentrum des Areals zu verstehen. Ein vorübergehendes Raunen hob an; einer flüsterte dem anderen die Worte weiter.
Roboter zwangen Arukitchs Kopf vollends auf den Block und fixierten ihn mit metallenen Bändern.
»Es ist vier Uhr«, sagte jemand in unmittelbarer Nähe des ertrusischen Präsidenten. »Zeit, die angeblichen Verbrechen zu sühnen.«
Der Naat spannte die Muskeln, hob das Vibratorschwert …
Im Hintergrund erschien eine arkonidische Ordonnanz. Sie eilte auf den Offizier zu, der die Hinrichtung überwachte und unwirsch abwinkte. Niemand konnte hören, was gesprochen wurde.
… eine kaum merkliche Drehung des Schwertes, der Naat richtete die Klinge aus – und schlug zu.
Gleichzeitig stieß der Offizier einen scharfen Ruf aus. Seine Einhalt gebietende Geste war eindeutig, aber sie kam fast zu spät.
Kim Tasmaene stockte der Atem. Und nicht nur ihm. Jeder starrte auf eines der riesigen Hologramme, die überdeutlich zeigten, dass das Schwert des Henkers nur Zentimeter über dem Genick des Reporters verharrte.
Niemand verstand, was der Offizier sagte. Aber dass der Henker das Schwert mit deutlichem Widerwillen zurückzog, war eindeutig.
Soldaten lösten Arukitch vom Richtblock und führten ihn zum Gleiter zurück.
Keiner beachtete mehr die wartenden Ertruser.
Zwanzig Minuten später gab es keine Roboter, keine Naats und keine Arkoniden mehr auf der Ebene nordwestlich von Fin Calley. Nur das kantige Podest ragte noch in die Höhe – eine unmissverständliche Mahnung, dass die Hinrichtung vielleicht nur aufgeschoben war.
Warum?
Niemand wusste eine Antwort. Dabei hätte Präsident Tasmaene viel dafür gegeben, die Hintergründe zu erfahren.
Einzig und allein der neue Tato hatte die Hinrichtung aussetzen können.
Waren auf Terra oder Arkon endlich Verhandlungen angelaufen? Eigentlich schwer zu glauben. Kim Tasmaene hatte jedenfalls gelernt, Imperator Bostich und seinen Schergen nicht weiter zu trauen, als er sie sehen konnte. Und den Rücken würde er ihnen schon gar nicht zuwenden.
»Die Überheblichkeit dieser terranischen Siedler ist mit der Körpermasse gewachsen – ihr Verstand nicht. Dennoch werden sie einsehen müssen, dass ihr lächerlicher Widerstand nichts anderes ist als der Trotz verzogener, eigensinniger Kinder.«
»Ich werde ihren Widerwillen brechen. Sehr bald …«
Forman da Ricce, Tato von Ertrus,
zwei Tage vor seinem gewaltsamen Tod
Im Salventakt feuerten die Geschütze der Jäger; die aufglutenden Einschläge zogen eine Spur der Vernichtung durch die Schlucht. In aberwitzigem Tempo veränderte sich die Wiedergabe der Relieftaster, traten die über Hunderte von Metern nahezu senkrecht abfallenden Felswände enger zusammen.
»Reflex zeichnet wieder!«
Wie ein Leuchtfeuer loderten die Triebwerksemissionen des Rebellengleiters in der Anzeige. Es war ein obskures Objekt, das den Verfolgern zu entkommen suchte, halb Space-Jet, halb Gleiter, und die Massetaster zeichneten unaufhörlich neue Variationen.
»Ich gehe tiefer und setze den Fangschuss.«
»Unterschätze die Gegner nicht, Harman. Falls sie hier einen Unterschlupf …« Störgeräusche verzerrten die Stimme. Die Reliefortung zerfaserte … stabilisierte sich und brach von neuem zusammen.
»Hochziehen!«, dröhnte die Stimme des Ersten Piloten auf. »Ich empfange etwas wie die Streustrahlung eines Virtuell…«
Eine Explosion zerfetzte den Jäger in wabernder Glut.
»Bei den She'Huhan, eine Falle …« Die andere Stimme war kaum noch verständlich.
Es gab kein Ausweichen. Der Glutball wuchs ins Riesenhafte an.
Übergangslos endete die Aufzeichnung.
Subeat dom Cyllken zuckte mit den Achseln. Seine Miene war starr. Zwei Ein-Mann-Jäger mehr oder weniger auf der Verlustliste, das interessierte bestenfalls die Statistiker, deren Aufgabe es war, die übliche, längst standardisierte Mitteilung an die Familien der Piloten zu geben:
… ihr Leben gelassen für das Kristallimperium. In treuer Pflichterfüllung. Ihr Andenken wird einen ehrenvollen Platz in den Annalen des Kristallimperiums erhalten.
Gezeichnet Subeat dom Cyllken, Tato von Carnol und Jekze, neu ernannt zum Tato von Ertrus
»Sie lernen es nicht, sie sind so wild wie ihre Welt. Dabei verfahre ich nachsichtig mit ihnen. Was soll ich noch tun?« Subeat dom Cyllken erwartete keine Antwort von der Ordonnanz, die seit Minutenfrist in ehrerbietiger Haltung verharrte und darauf wartete, zum Reden aufgefordert zu werden.
Mit zwei Fingern fuhr der Tato über seine schmale Nase. Die dichten Brauen zusammengekniffen, zeigte sich ein unheilvolles Flackern in seinen dunkelroten Augen. Mit einer knappen Handbewegung aktivierte er eine Funkverbindung.
»Ebnet die Schlucht ein! Umgehend!« Etwas weniger nachdrücklich fügte er hinzu: »Falls dort noch Rebellen sind, lasst sie entkommen. Als Warnung für alle anderen.«
Erst danach schien er sich wieder der Ordonnanz zu entsinnen. »Ich höre!«
»Mascant Kraschyn hat seine Ankunft angekündigt, Tato. Das Flaggschiff AUMOKJON befindet sich im Anflug auf Ertrus.«
Subeat dom Cyllken nickte knapp. »Wann?«, wollte er wissen.
»In weniger als einer halben Tonta, Erhabener.«
*
Es war ein eigenartiges Empfinden, im Herzen des Planeten, auch wenn dieses Herz vor über zwei Monaten zu schlagen aufgehört hatte, Einsamkeit zu spüren. Wo sich einst die klobigen Gebäude der Metropole Baretus erhoben hatten, herrschte Leere, und der Blick schweifte ungehindert bis an den Horizont, bei klarer Sicht bis zur schroffen Silhouette des fernen Buckligen Reiters.
Oft in den vergangenen Wochen hatte Subeat dom Cyllken das Dach des Verwaltungsgebäudes betreten. Immer nur für kurze Zeit, wenn kein Athor oder Orbton ihn vermissen konnte. Hoch über dem Staub des Stadtkerns fühlte er eine wohltuende Ruhe, die wenigstens vorübergehend die stete Hektik und Bedrohung auf dieser Welt vergessen ließ.
Er war Tato auf mehreren dem Kristallimperium neu eingegliederten Planeten gewesen. Seine dortigen Erfolge ließen sich auf Ertrus leider nicht wiederholen, das hatte Subeat dom Cyllken inzwischen schmerzlich erkannt. Ertrus war die Hölle, eine Strafe für jeden, der ins Kreit-System abkommandiert wurde.
Der Tato murmelte eine Verwünschung. Gemessenen Schrittes ging er zu den grell markierten Landeplätzen hinüber, und sein Blick schweifte suchend in die Höhe. Der wolkenverhangene Himmel ließ nur wenige Lichtpunkte in einem fernen Orbit erkennen – Schiffe der ruhmreichen Vierten Imperiumsflotte.
Der Angriff kam überraschend. Dom Cyllken zuckte zusammen, als sein Individualschirm aufglutend aktiv wurde. Die instinktive Reaktion war der Griff zur Waffe, aber nahezu gleichzeitig registrierte er die ihn umfangende Düsternis als das, was sie wirklich war: eine Windhose, deren Sog Staub und feinen Schutt aus dem eingeebneten Stadtzentrum in die Atmosphäre wirbelte. Der Schutzschirm wurde zur flackernden Aura.
Nur wenige Augenblicke hatte die heftige Bö Bestand, ehe sie ebenso abrupt in sich zusammenfiel, wie sie entstanden war. Die zerfasernde Staubwolke hinterließ eine zentimeterdicke Dreckschicht.
Auch der Individualschirm erlosch wieder. Der Tato zupfte den hochstehenden Jackenkragen zurecht. Sein Blick wanderte hinab zu den kniehohen schwarzen Stiefeln, auf denen sich der Staub wie ein dünner Film absetzte. Die enge dunkelblaue Hose klopfte er mit beiden Händen ab.
Mitten in der Bewegung hielt dom Cyllken jedoch inne. Ein Lichtreflex hatte seine Aufmerksamkeit geweckt. Abrupt reckte er sich zu voller Größe und streifte den knielangen Umhang zurück.
Ein Landungsboot hatte soeben die Wolken durchstoßen und schwenkte mit kurzen Impulsschüben in den Landeanflug ein.
Subeat dom Cyllkens Miene versteinerte. Mit einer knappen Kopfbewegung schüttelte er das schulterlange weißblonde Haar in Form. Ohne dass es ihm auffiel, massierte er mit zwei Fingern die Nasenwurzel, eine Geste, die sein unterschwelliges Unbehagen ausdrückte.
Nur noch von den Antigravtriebwerken getragen, setzte das Landungsboot auf.
Erstickend schwer glaubte der Tato plötzlich den hohen Luftdruck zu spüren. Erst ein flüchtiger Blick auf den Kontrollring verriet ihm, dass er nach wie vor eine in der Dichte reduzierte Atmosphäre atmete. Zwar nicht unter Standarddruck, aber doch so, dass er sich längst daran gewöhnt hatte und bei der Rückkehr in standardklimatisierte Räume keine Dekompression benötigte.