Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
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11.
Glossar
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 2063
Zikanders Körper
Er ist ein Gezeichneter – und die Zeit heilt keine Wunden
von Ernst Vlcek
Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
Warum es den Teleporter Startac Schroeder und den Morkhero-Spürer Trim Marath von der Erde in die ferne Galaxis verschlagen hat, die von ihren Bewohnern als Land Dommrath bezeichnet wird, wissen die beiden jungen Mutanten noch nicht. Seit sie am 25. Dezember 1303 Neuer Galaktischer Zeitrechnung aus Para-City, der Stadt der Monochrom-Mutanten, verschwanden, hatten sie praktisch keine Gelegenheit, sich um diesen Aspekt ihrer unwirklichen Reise zu kümmern.
Die jungen Menschen wurden in die Wirren der Astronautischen Revolution hineingezogen. Diese Revolution, ausgelöst von dem Sambarkin-Wissenschaftler Ruben Caldrogyn, hat sich zum Ziel gesetzt, die Raumfahrt wieder einzuführen. Denn Raumfahrt ist im Land Dommrath strikt verboten – von den geheimnisvollen Rittern von Dommrath geächtet, die dafür den Bewohnern ein umfangreiches Transmitternetz schenkten.
Nichts scheint schlimmer zu sein im Land Dommrath als die Benutzung der Raumfahrt. Denn ansonsten ist die Galaxis ein Hort des Friedens, in dem alle Bewohner eine vergleichsweise sichere Existenz führen können. Doch es gibt Ausnahmen – und eine solche Ausnahme befällt ZIKANDERS KÖRPER …
Sig-Zikander – Ein Omrabe erlebt ein schreckliches Schicksal.
Dolmor Sing Me'Karolni – Ein Druide versucht schlimmes Leiden zu lindern.
Startac Schroeder – Der Teleporter muss seine Kräfte immer mehr beanspruchen.
Keifan Sogho Nirwai'Mangolem – Der Druide hilft den terranischen Mutanten.
Ruben Caldrogyn – Der Anführer der Astronautischen Revolution im Zentrum der Rittermacht.
Startac Schroeder musste rasch handeln; sie konnten jeden Moment entdeckt werden. Es galt, den Laderaum der RUMAHU schleunigst zu verlassen.
Als die Doppelstabroboter in der Luftschleuse auftauchten, hatten die Gefährten ihre Deflektoren eingeschaltet. Nun waren sie zwar unsichtbar, aber wenn fünfzig mit Gütern aller Art beladene Doppelstabroboter im Laderaum unterwegs waren, mussten sie einander im Wege sein.
Startac griff in die Richtung, in der er Trim Marath und Ruben Caldrogyn zuletzt gesehen hatte. Er bekam zuerst Trims Hand zu fassen, die wieder einmal die Monofilament-Klinge umklammerte, spürte dann Rubens Körper. Kaum hatte er Kontakt, teleportierte er mit beiden. Er hatte kein Ziel vor Augen, es war auch fast egal, wo sie herauskamen. Nur fort von hier, weg aus dem Gedränge! Startac teilte seine Kräfte so ein, dass sie etwa einen Kilometer überbrücken würden.
Sie materialisierten in einer geschlossen Räumlichkeit. Startac ließ Trim und Caldrogyn los und kehrte kommentarlos in die RUMAHU zurück.
Als er im Laderaum materialisierte, wäre er beinahe mit einem Doppelstabroboter zusammengestoßen, konnte ihm aber gerade noch ausweichen. Überall räumten nun die Roboter ihre Lasten in die leeren Regale.
Startac setzte seinen Ortersinn ein, um Keifan Sogho Nirwai'Mangolem aufzustöbern. Gerade als er den Aufenthaltsort des Druiden ausfindig gemacht hatte, passierte etwas, das Startac vor Entsetzen förmlich lähmte. Ein kleiner Körper, scheinbar aus dem Nichts kommend, segelte hysterisch quiekend durch die Luft: Hermigo, der mausähnliche Begleiter Keifans, der aus unerfindlichen Gründen die Schulter des Druiden verlassen hatte.
Startac war für einen Moment vor Schreck wie erstarrt, bevor er den Schock überwinden und sich in Keifans Richtung bewegen konnte. Derweil rannte Hermigo in kopfloser Panik zwischen den Doppelstabrobotern hin und her, fiepte dabei unaufhörlich. Auf einmal verschwand er wieder, wurde unsichtbar und verstummte. Gleichzeitig bekam einer der Doppelstabroboter einen so heftigen Stoß, dass er mit seinem Nachbarn kollidierte.
Startac konnte sich denken, dass dafür Keifan verantwortlich war, der sich mehr auf das Einfangen Hermigos konzentriert hatte als auf seine Umgebung.
Der Teleporter tastete sich zu dem unsichtbaren Druiden vor, bekam seine Hand zu fassen und teleportierte mit ihm in den Raum, in dem er zuvor Trim und Caldrogyn abgesetzt hatte. Von den beiden war nichts zu sehen, weil sie immer noch ihre Deflektoren eingeschaltet hatten.
»Ich fürchte, wir sind entdeckt worden«, sagte er ins Leere.
»Das ist meine Schuld«, beteuerte Keifan. »Der Anblick der Doppelstabroboter hat Hermigo offenbar in Panik versetzt, so dass er mir von der Schulter sprang. Als ich ihn einfangen wollte, stieß ich mit einem Roboter zusammen.«
»Ich hoffe, das zieht keine weiteren Kreise«, fügte Startac hinzu.
»Das können wir freilich nicht abschätzen«, meinte Caldrogyn. »Aber es ist klar, dass die Doppelstäbe Hermigo gesehen und diese Information gespeichert haben. Ebenso wie den Zusammenstoß mit etwas Unsichtbarem. Da Roboter nicht dazu neigen, an Sinnestäuschungen zu glauben, werden sie die Informationen als Fakten weiterleiten. Damit ist klar, dass das Eindringen von etwas Unbekanntem auf Annuze I registriert wurde. Im Moment dürften wir aber sicher sein. Startac hat uns blind in ein gutes Versteck teleportiert. Es ist mir gelungen, eine Holowand zu aktivieren.«
Sie schalteten alle ihre Deflektorschirme aus. Startac hatte erst jetzt Gelegenheit, sich in ihrer neuen Umgebung umzusehen. Drei Wände bestanden aus Regalen, die mit unbekannter Schaltelektronik gefüllt waren. Die vierte Wand schien ein einziges Panoramafenster zu sein, bei dem es sich nach Caldrogyns Aussage jedoch um eine holographische Projektion handelte.
Diese zeigte ein Landefeld, auf dem dicht an dicht mächtige Legionsschiffe geparkt waren. Sie reihten sich scheinbar ins Endlose aneinander, es mussten Tausende sein. Sie wirkten mit ihren acht geknickten Landebeinen wie zur Bewegungslosigkeit erstarrte Rieseninsekten. Dazwischen waren vereinzelt Einheiten der Installationsflotte zu sehen. Aber nirgendwo waren lebende Wesen zu sehen. Das Landefeld lag wie ausgestorben da.
Startac war überzeugt, dass er die schrecklichen Impulse gequälter und von abgrundtiefem Hass zerfressener Wesen empfangen würde, wenn er seine Orterfähigkeit einsetzte. Ihn schauderte bei der Erinnerung an seine früheren diesbezüglichen Erfahrungen mit Legionsschiffen.
»Ich bin sicher, dass die Entdeckung Hermigos eine penible Durchsuchung der RUMAHU zur Folge haben wird«, sagte Caldrogyn. »Aber dorthin wären wir ohnehin nicht zurückgekehrt.«
»Bei der gebotenen grenzenlosen Auswahl an Raumschiffen«, sagte Trim Marath und deutete auf das dichtbesetzte Landefeld, »braucht uns um diese vergebene Möglichkeit nicht leid zu sein.«
»Wenn wir herausfinden, wohin die Raumschiffe auf die Reise gehen«, schloss Startac optimistisch an, »können wir uns sogar unser Ziel aussuchen. Wir brauchen uns nur diese Informationen zu beschaffen und …«
Er verstummte, als plötzlich eine Alarmsirene aufheulte. Im gleichen Moment sah er, wie sämtliche Raumschiffe wie auf Kommando in einem gelblichen Schein erstrahlten. Es war ein beeindruckender, gleichzeitig aber niederschmetternder Anblick, als das gerade noch einförmige Grau der Schiffe und des Landefeldes in dieses Gelb gehüllt wurde.
»Schöne Bescherung«, kommentierte Caldrogyn dieses Geschehen über das enervierende Heulen der fernen Alarmsirene hinweg. »Nun ist uns der Zugang zu diesen Raumschiffen verwehrt. Es scheint, dass die Herrscher von Annuze I die richtigen Schlüsse aus den Beobachtungen der Doppelstäbe gezogen haben. Aber die darauf folgende Reaktion überrascht mich doch.«
»Glaubst du, man hat erkannt, dass hier parapsychische Kräfte im Spiel sind, Ruben?«, fragte Startac.
»Wer kann das schon sagen«, antwortete der Sambarkin. »Aber das spielt auch gar keine Rolle. Die Schutzschirme verhindern jedenfalls, dass du uns in eines der Raumschiffe bringen könntest. Wir müssen nun nach anderen Wegen suchen, um an Bord zu gelangen.«
Er hatte es kaum gesagt, als plötzlich Bewegung in die Raumschiffe kam. Sie erhoben sich und rasten mit steigender Beschleunigung gen Himmel. Die Startmanöver der verschiedenen Einheiten waren so aufeinander abgestimmt, dass sie sich gegenseitig beim Start nicht behinderten und die höchstmöglichen Beschleunigungswerte erreichten. Innerhalb von Minuten war das Landefeld leer und präsentierte sich als kahle, öde Betonwüste, die sich bis zum Horizont erstreckte.
Es herrschte entsetztes Schweigen in dem Ersatzteillager.
»Alle die vielen tausend Einheiten haben im Orbit eine neue Parkposition bezogen«, sagte Trim in die Stille, während er das Display seines Multifunktionsarmbandes betrachtete. Und obwohl es von keiner Bedeutung war, fügte er hinzu: »Es ist der 22. Februar 1304 NGZ, 17.43 Uhr Standardzeit.«
»Was für ein Aufwand wegen eines eigentlich unbedeutenden Zwischenfalls«, sagte Caldrogyn verständnislos. »Deine Hoffnung, dass unsere Entdeckung keine weiten Kreise zieht, hat sich jedenfalls nicht erfüllt, Startac. Ganz im Gegenteil, wir haben einen planetenweiten Alarm ausgelöst. Jetzt sitzen wir auf Annuze I fest.«
Die Alarmsirene heulte weiterhin ohne Unterbrechung.
*
»Ich versteh's nicht«, sagte Startac kopfschüttelnd. »Man hat nur ein winziges Tier entdeckt und ein unsichtbares Hindernis. Das kann doch kein Grund sein, alle Raumschiffe ins All zu versetzen und Alarm für den gesamten Planeten zu geben. Das wirkt völlig überzogen!«
»Ja, es scheint so, dass jemand total überreagiert hat«, stimmte Caldrogyn halbherzig zu. »Aber Annuze I könnte ja ein Planet von außerordentlicher Wichtigkeit sein, vielleicht gar ein neuralgischer Punkt im Herrschaftssystem der Ritter von Dommrath. Und dass es Sicherheitsbestimmungen gibt, die eine solche Reaktion bei der geringsten Unregelmäßigkeit vorschreiben. Ein Tier und ein unsichtbarer Eindringling auf einem Installationsschiff reichen auf Annuze I offenbar aus, um den gesamten Planeten lahmzulegen. Uns muss klar sein, dass der Alarmzustand so lange aufrecht bleibt, bis man uns gefasst hat. Wir werden kein ruhiges Hiddyn mehr haben.«
Startac bekam bei Caldrogyns Worten ein mulmiges Gefühl, und er konnte sich vorstellen, dass es Trim nicht anders erging.
»Es ist notwendig, dass wir uns einen Überblick über die Verhältnisse in der nächsten Umgebung verschaffen«, sagte Caldrogyn. »Im Moment sind wir hier sicher, aber es kann nicht ausbleiben, dass Roboter demnächst sämtliche Gebäude durchsuchen werden. Fühlst du dich kräftig genug, deine Orterfähigkeit umfassend zu gebrauchen, Startac?«
»Das ist nicht so kräfteraubend wie zu teleportieren«, antwortete Startac. Nachdem die Legionsschiffe weg waren, fiel es ihm leichter, seinen Ortersinn zu gebrauchen. Er wollte die Insassen der Legionsschiffe nicht einmal geistig streifen …
Er konzentrierte sich und streckte seine parapsychischen Fühler in alle Richtungen aus. Langsam tastete er sich vor, ohne Kontakt zu einem lebenden Wesen zu bekommen. Alles um sie wirkte leer.
Dann hatte er plötzlich Kontakt. Er ortete mehrere Wesen mit positiver Ausstrahlung, die ihm vertraut vorkam. Irgendwie erinnerten sie ihn, was die Inhalte ihrer Impulse betraf, an den Druiden Keifan. Er drang weiter vor … und plötzlich prallte er entsetzt zurück.
»Star! Star, was ist mit dir?«, vernahm er Trims besorgte Stimme und spürte, wie er heftig geschüttelt wurde. »Warum hast du geschrien?«
Startac zog seine Sinne zurück. Er stellte fest, dass er am ganzen Körper wie unter Schüttelfrost zitterte. »Ich hatte Kontakt …«, stammelte er, »… Kontakt mit Wesen … die eine Ausstrahlung hatten wie … die Insassen der Legionsschiffe … nur waren ihre Impulse um vieles grauenhafter …«
»Schon gut«, sagte Caldrogyn beruhigend. »Du brauchst deine Orterfähigkeit nicht mehr zu gebrauchen, wenn es dir so sehr zusetzt.«
»Diese Wesen …«, fuhr Startac fort, und er sprach so verhalten, dass er kaum zu hören war, »… sie standen solche Qualen aus, dass sie um den Tod als Erlösung flehten …«
»Schon gut«, wiederholte Caldrogyn und wandte sich dem Holofenster zu. »Wir müssen uns was anderes einfallen lassen.«
»Ich hatte ebenso Kontakt mit positiv fühlenden Wesen«, fuhr Startac mit gefestigter Stimme fort. »Sie erinnerten mich an Druiden wie Keifan.«
»Du hast dich nicht getäuscht«, sagte Caldrogyn von der Holowand her. »Das werden schon Druiden gewesen sein. Ich sehe gerade einen von ihnen.«
Als Keifan und Trim zu Caldrogyn eilten, sahen sie unter sich gerade eine massive Gestalt in einem Nachbargebäude am Rande des Landefeldes verschwinden. Es handelte sich ohne Zweifel um einen Druiden von Couxhal.
Der Druide befand sich am Beginn seiner gewohnten Runde durch das Riho Myh'Seylegiar. Er fragte sich, was ihn diesmal an unangenehmen Überraschungen erwarten würde.
Seine Rundgänge durch dieses Sanatorium für spezielle Patienten waren alles andere als Routine. Kein Mal war wie das vorangegangene. Wenn etwas sicher war, dann die Tatsache, dass er mit Leid und Qual konfrontiert werden würde – und der beständigen Todesgefahr für seine Schützlinge.
Dolmor Sing Me'Karolni bewegte sich sanften Schritts durch die abgedunkelten Gänge des Sanatoriums. Er war sehr darauf bedacht, keine unnötigen Geräusche zu machen. Er musste wachsam sein, auf alle Äußerungen seiner Patienten achten, um keine zu versäumen und sofort reagieren zu können.
Die Hintergrundgeräusche in den Gängen und Hallen des Riho waren ein Gemisch aus Wimmern, Schluchzen und Schreien. Manche seiner Patienten lamentierten ständig vor sich hin. Das waren seine hoffnungsvolleren Fälle. Wenn sie verstummten, war das ein Alarmzeichen.
Andere wiederum schrien ihre Qual laut heraus. Immerfort, in nicht enden wollendem Gebrüll. Es waren die Patienten, die sich im Übergangsstadium zum Heilungsprozess befanden. Wenn ihre Schreie verstummten, war das Schlimmste überstanden, so oder so: Entweder waren sie über den Berg oder tot.
Manche von ihnen lagen völlig stumm und reglos da. Das konnte verschiedene Ursachen haben. Entweder waren es Neuzugänge, die mehr tot als lebendig und noch nicht wieder bei Bewusstsein waren. Es konnte sich aber auch um Geheilte handeln, die sich völliger Apathie ergeben hatten. Diese waren am gefährdetsten.
Die Selbstmordrate war sehr hoch im Riho Myh'Seylegiar, in diesem Sanatorium der lebenden Toten. Und kein Druide hatte das Recht, einem Patienten, der um Sterbehilfe bat, diese zu verweigern. Manche fanden aber auch ohne die Hilfe ihrer Heiler den Weg in die Erlösung.
Dolmor Sing Me'Karolni war zuletzt für 127 Patienten verantwortlich gewesen, bevor er sich eine Ruhepause gegönnt hatte. Von einigen von ihnen kannte er bereits die Namen, darum trugen sie keine Nummern mehr. Er hätte aber keine Prognosen darüber zu stellen gewagt, wie viele von ihnen noch am Leben waren. Es waren einige schwere Fälle darunter, kritische Neuzugänge und Langzeitfälle, die seelisch litten. Er vermochte nicht zu sagen, wie oft er sie bereits mit seinem Traenii behandelt hatte, wie viele Croz und Kado er ihnen seine Fürsorge hatte angedeihen lassen. Aber ihr Befinden wollte sich nicht bessern, ihr Zustand war nach wie vor kritisch.
Er sah als erstes nach seinen Sorgenkindern, ignorierte das Wehklagen seiner anderen Schützlinge. Nummer 89 hatte es überstanden, ohne jemals das Bewusstsein erlangt zu haben. Der nächste Patient, der eingeliefert wurde, würde diese frei gewordene Nummer bekommen.
Der Druide war über den Tod von Nummer 89 sehr traurig. Jeder verlorene Patient war ein persönlicher Verlust für ihn. Er suchte die Schuld immer zuerst bei sich, beklagte diese oder jene Unterlassungssünde, zweifelte stets daran, dass er wirklich alles gegeben hatte, und meinte, dass er hätte mehr tun können, hätte mehr tun müssen. Es war, als sei mit Nummer 89 ein Teil von ihm gestorben.
Der Zustand der anderen Krisenpatienten wirkte stabil. Aber er nahm sie sich nacheinander in längeren Sitzungen vor, arbeitete vor allem daran, ihr Immunsystem zu stärken. Danach fühlte sich Dolmor Sing Me'Karolni sehr geschwächt. Er hoffte, nicht überraschend mit einem kritischen Fall konfrontiert zu werden.
In diesem Augenblick schlug sein Armbandgerät an. Er bestätigte den Alarm und sah auf dem Display, dass er von Res-Koriandros ausgelöst worden war. Der Druide rechnete mit dem Schlimmsten, denn der Omrabe war ein Langzeitpatient mit überaus labiler Psyche. Als er zuletzt bei ihm gewesen war, hatte Res-Koriandros ihn angefleht, ihn zu vergiften, ohne ihm den Zeitpunkt zu nennen.
Aber Dolmor Sing Me'Karolni hatte ablehnen müssen. »Das darf ich nicht«, hatte er gesagt. »Ich kann dir nur die Mittel für einen Freitod zu Verfügung stellen, dich dabei auch geleiten. Für den Vollzug musst du schon selbst sorgen.« Und er hatte dem Patienten so lange zugeredet, bis es so ausgesehen hatte, dass er ihn von seinen dunklen Absichten abgebracht hatte.
Als er nun in das Zimmer des Omraben kam, musste er zu seinem größten Bedauern feststellen, dass Res-Koriandros seinen letzten Weg aus eigener Kraft gegangen war. Er hatte den Druiden nur abgewimmelt, um sich sein gutgemeintes Zureden nicht anhören zu müssen. Dabei musste Res-Koriandros seinen Selbstmord längst vorbereitet haben. Er hatte sich ein Gestell gebaut, aus dem vierzehn lange und spitze chirurgische Instrumente ragten, dieses auf sein Bett gelegt und sich dann darauf gestürzt.
Welche Verzweiflung musste ein Geschöpf dazu getrieben haben, eine solch schreckliche Todesart zu wählen! Hätte er das nur geahnt! Dolmor Sing Me'Karolni bereute nun, Res-Koriandros nicht eingeschläfert zu haben, obwohl ihm das verboten war.
In der Folge behandelte der Druide nur Fälle, die durch plasto-chirurgische Eingriffe ihrem ursprünglichen Aussehen näher gebracht werden sollten. Ihm oblag es, den Heilungsprozess ihrer Operationswunden zu beschleunigen. Das war die einfachste und schönste Aufgabe, denn das Heilen von Wunden fiel ihm leicht, und es war auch eines der positivsten Erlebnisse seines weitgesteckten Aufgabenbereiches: erleben zu dürfen, wie sich bis zur Unkenntlichkeit deformierte Geschöpfe allmählich wieder zu ihrem ursprünglichen Aussehen regenerierten.
Er selbst fand, dass er an Res-Koriandros ein wahres Wunder vollbracht hatte.
Doch der Omrabe schien diese Meinung nicht geteilt zu haben.
Riho