Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Schlaglichter (1)
Schatten über Sol
Schlaglichter (2)
Gegnerische Rochade?
Schlaglichter (3)
Aufmarschgebiet Orion-Delta
Schlaglichter (4)
Sol im Würgegriff
Schlaglichter (5)
Der Anfang vom Ende
Schlaglichter (6)
Karthagos Fall
Epilog
Glossar
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 2067
Angriffsziel Terra
Zwischen Hoffen und Bangen – die große Schlacht im Solsystem droht
von Hubert Haensel
Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
Seit die Menschheit zum ersten Mal ins All vorstieß, wurde sie immer wieder mit fremden Mächten konfrontiert, viele von ihnen stärker, älter und erfahrener als die Menschheit selbst. Die erste dieser Mächte waren die Arkoniden – und für Perry Rhodan ist es besonders schmerzhaft, die ehemaligen Freunde nun als erbitterte Feinde wahrzunehmen.
Zu Beginn des Jahres 1304 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, das dem Jahr 4891 alter Zeit entspricht, hat sich die Situation weiter verschärft. In der Milchstraße ist eine neue Macht entstanden, und dies ausgerechnet im Zentrum des arkonidischen Imperiums: die junge Superintelligenz SEELENQUELL, die offensichtlich ihren Einfluss auf die Galaxis ausbreiten will.
Wenn Perry Rhodan nicht will, dass die Terraner unter den Einfluss von SEELENQUELL geraten, muss er reagieren. In einer Kommandoaktion gelingt es ihm mit einer Gruppe von Agenten, den wichtigsten Mann auf der Seite des Gegners gefangen zu nehmen: Imperator Bostich I.
Es ist nachvollziehbar, dass die Arkoniden auf diese Aktion schnellstmöglich reagieren werden. Deshalb wird sofort ein neuer Imperator eingesetzt. Dieser ist zwar nur ein Roboter, aber davon weiß die Öffentlichkeit nichts. Der neue Imperator verkündet prompt das ANGRIFFSZIEL TERRA …
Perry Rhodan – Der Terraner sieht seine Heimat von einer arkonidischen Flotte bedroht.
Reginald Bull – In der Solaren Residenz hadert der Verteidigungsminister mit seinem Schicksal.
Bostich I. – Der ehemalige Herrscher des Göttlichen Imperiums stellt unglaubliche Forderungen.
Kraschyn – Der Mascant führt die größte Raumflotte seit Jahrtausenden in die entscheidende Schlacht.
Yekam Dusik fixierte die holographische Wiedergabe wie eine ihm persönlich geltende Kriegserklärung. Überraschung und Unverständnis spiegelten sich in seiner Miene, und die spärliche Beleuchtung verwandelte sein grobporiges Gesicht in eine faszinierende Kraterlandschaft.
»Die Bahndaten verändern sich deutlich«, murmelte Dusik im Selbstgespräch. »Einige hundert Eisbrocken driften in Richtung Sol ab.« Halb über die Schulter gewandt, rief er in die Düsternis des Kontrollraums: »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Masse- und Energiescan nichts anzeigen, Rosiwa. Gib mir eine neue Ortung mit Feinjustierung!«
Ungeduldig kratzte er seinen kahlen, hochgewölbten Schädel. Silberne Hautschuppen tauchten, von der schwachen Energie angezogen, in das Hologramm ein. Sie glommen wie winzige Sternschnuppen auf.
»Separate Steuerfunktion aktivieren!«
Yekam Dusik winkelte den linken Arm an. Ein kubisches Leuchtfeld umfloss die Hand. Jede Fingerbewegung wurde nun von der Positronik erfasst und in Befehlssequenzen umgesetzt. Das war ein altertümliches, aber zuverlässiges Verfahren …
… so alt wie die Station an sich. JAN H. OORT hieß sie und war vor neunhundert Jahren erbaut worden, ein filigranes, der Forschung dienendes, autarkes Gebilde. Im Laufe der Jahrhunderte hatte sich die Besatzung von einst sechzig Wissenschaftlern auf nunmehr vier Personen reduziert. Aber sie nannten das Konglomerat aus Stahl, Glassit und Energie längst ihre Heimat.
Eineinhalb Lichtjahre außerhalb des Solsystems war die Station in das Gravitationsgeflecht der Oortschen Wolke integriert. Die Cantaro hatten sie weitestgehend ignoriert, von Goedda und den Dscherro wussten die wenigen Besatzungsmitglieder nur vom Hörensagen, und nicht einmal die Kosmische Fabrik WAVE hatte Störungen hervorgerufen.
Eine Ausschnittsvergrößerung zeigte die knapp tausend Objekte der potentiellen WIDDER-Kometen. Dusiks Gedanken schweiften ins Jahr 1145 NGZ zurück.
Er war zwölf Jahre alt gewesen, als eine Korvette des Widerstands auf der Flucht vor Cantaro-Schiffen beinahe die Entdeckung der Station verursacht hätte. Seine damalige Panik würde er nie vergessen.
Eine ganz knappe Handbewegung bewirkte die Einblendung der berechneten Bahnabweichungen. Yekam Dusik fühlte sich in seiner Vermutung bestärkt: Ein undefinierbares Schwerefeld beeinflusste die bizarren Eisbrocken. In einigen hundert Jahren würden sie in Sonnennähe zu Kometen werden und einen atemberaubenden Anblick bieten.
Er selbst lebte dann nicht mehr. Er war auf JAN H. OORT geboren und würde auf der Station sterben; die Zeit, als er sich danach gesehnt hatte, wenigstens einmal auf Terra oder einer der anderen Welten zu landen, war längst Vergangenheit.
Von gelegentlichem Funkverkehr abgesehen, kümmerten sich die Menschen nicht um die Station. Als schreckten sie vor den mutierten Nachkommen der wissenschaftlichen Besatzung zurück. Aber vielleicht war einfach nur der richtige Zeitpunkt versäumt worden.
Im Hangar stand eine einzige Space-Jet. Niemand hatte es je für nötig gehalten, mit dem Diskusschiff ins Sonnensystem zu fliegen – Versäumnisse gab es also auf beiden Seiten.
Yekam Dusik spreizte die dürren Finger. Die kosmische Strahlung im Bereich der Oortschen Wolke bewirkte ein verstärktes Wachstum. Er selbst war mit zwei Meter vierzig noch gut einen Kopf kleiner als die nach ihm Geborenen.
Die im Hologramm eingeblendeten Ortungsdaten zeigten weder außergewöhnliche Massekonzentrationen noch eine energetische Quelle, ebenso wenig fünfdimensionale Störfronten.
Dusik blinzelte, um die weit aus den Höhlen hervorquellenden Augäpfel zu befeuchten. Sie waren in den letzten Jahrzehnten lichtempfindlicher geworden. Von der Beobachtungskuppel aus erkannte er inzwischen ohne Hilfsmittel sogar fernste Nebel.
Ein Aufschrei drängte sich in seine Überlegungen. »Die Erde meldet sich über Richtfunk!«, rief Rosiwa. »Das Büro des Ersten Terraners!«
Dusik antwortete nicht. Auch nicht, als Augenblicke später eine menschliche Stimme den Raum erfüllte.
»… zwingt die brisante Zuspitzung der galaktopolitischen Situation zu vorübergehend ungewöhnlichen Maßnahmen: Alle Forschungs- und sonstigen Stationen im solaren Außenbereich müssen bis zum 24. Januar evakuiert werden. Den Heimkehrern weisen wir zunächst Unterkünfte in terranischen Orbitallabors zu. Dies ist eine parlamentarische Anordnung der LFT, unterstützt von NATHAN. Dem Schutz jedes einzelnen gilt absolute Priorität. Diese Aufforderung wird automatisch wiederholt …«
Terra! Vorübergehend war Dusik fasziniert von dem Gedanken, im hohen Alter endlich die Erde zu sehen, aber schon im nächsten Moment glaubte er zu wissen, dass er dann nie in die Oortsche Wolke zurückkehren würde.
Rosiwa kam auf ihn zu. »Was glaubst du?«, fragte sie zögernd. »Wie lange wird dieses Zunächst dauern?«
»Es gibt kein Zurück.«
Mit offenem Mund starrte sie ihn an; ein gequältes Lächeln erschien um ihre Mundwinkel. »Ich vertraue auf das Abschreckungspotenzial der Flotte. Und hat sich nicht jeder von uns einmal gewünscht, ins Sonnensystem zu fliegen?«
»Terra wahrt nur den Schein, Rosiwa, andernfalls hätte man uns längst zurückgeholt. Die Strahlung hier draußen hat uns verändert, wir sind Fremde geworden. Weshalb sonst gibt es lediglich ein Quartier im Erdorbit? – Nein!« Abwehrend hob Dusik die Arme, als die Frau zu einer Erwiderung ansetzte. »Ich rate jedem, auf JAN H. OORT zu bleiben.«
»Das hast du nicht zu entscheiden – nicht für uns alle.«
Dusik griff zu, seine Finger schlossen sich um die Handgelenke der Frau. »Die Wolke ist unser Leben«, stieß er hervor. »Es gibt nichts anderes für uns. Wir gehören hierher.«
»Mag sein, dass du recht hast. Vielleicht aber auch nicht.« Rosiwa riss sich los. »Ich rede erst mit den anderen. Weil ich diese Chance nicht einfach wegwerfen will. Warum vergessen wir nicht endlich unsere Bedenken?«
»Weil …« Kopfschüttelnd schaute Dusik der Frau hinterher, die mit weit ausgreifenden Schritten Richtung Hauptschott hastete.
Wie hatte man früher gesagt? Die Ratten verlassen das sinkende Schiff? Dusiks Entschluss stand fest. Auf dem Absatz drehte er sich um. Schotten glitten vor ihm auf und schlossen sich ebenso lautlos hinter ihm. Nur das Geräusch seiner Schritte hallte durch die Korridore.
Die Richtung der Schwerkraft wechselte. Dusik registrierte es nur unbewusst. Schnell erreichte er die Space-Jet, die scheinbar zeitlos im Hangar ruhte.
Fast fühlte Dusik sich wie ein Verräter an den anderen. Falls die anderen wirklich die Station verlassen wollten, durfte er sie nicht daran hindern. Andererseits fragte er sich, ob sie auf der Erde die Aufnahme finden würden, die sie sich erhofften.
Die Bodenschleuse glitt vor ihm auf, und ein schwaches Zugfeld hob ihn an Bord. Er gab seine Kommandos, während er die kleine Zentrale betrat, und als er im Pilotensitz Platz nahm, öffnete sich schon das Hangaraußenschott. Zum Greifen nahe schien die Schwärze des Weltraums.
Den Start übernahm die Automatik. Yekam Dusik ignorierte den Interkom und Rosiwas beschwörenden Tonfall.
JAN H. OORT fiel unter ihm zurück und schrumpfte zu einem winzigen Stern unter vielen.
Wie groß war die Reichweite der Space-Jet? Jederzeit konnte er sich aus dem Hoheitsgebiet der Liga Freier Terraner absetzen. Er nahm Kurs auf den WIDDER-Schwarm.
Obwohl die Ortungen nach wie vor ins Leere griffen, blieb sein Gefühl vager Beklemmung. Etwas hatte sich verändert. Erst wenn er die Ursache dafür kannte, würde er in die Station zurückkehren und die Space-Jet den anderen überlassen.
Der Energieabfall überraschte ihn. Sekunden später versagte das Impulstriebwerk.
Als ein Traktorstrahl nach der Space-Jet griff, wusste Yekam Dusik, dass er am Ende seiner Suche angelangt war. Ein Absorberfeld hüllte sein kleines Raumschiff ein und nahm ihm die Möglichkeit, eine Meldung abzusetzen. Alle Funkkontrollen zeigten Rotwerte.
Jäh wich das Nichts des Weltraums einem gewaltigen stählernen Rund. Dusik sah nur einen vergleichsweise kleinen Ausschnitt des scheinbar aberwitzige eineinhalbtausend Meter durchmessenden Schiffes vor sich.
Die Space-Jet näherte sich dem Äquatorbereich. Metagrav-Blöcke ragten im Wechsel mit halb in den Schiffsleib eingedockten Beibooten auf. Die Erkenntnis war bitter, dass die Arkoniden dem Sonnensystem schon so nahe waren.
Ein kleiner Hangar nahm die Space-Jet auf. Der Anblick ringsum postierter Kampfroboter erstickte jeden Gedanken an Widerstand schon im Keim.
Dusik gab sich keinen Illusionen hin, was ihn erwartete. Endlose Verhöre, wahrscheinlich eine Gehirnwäsche.
Warum?, hämmerte es unter seiner Schädeldecke. Warum können intelligente Wesen nicht in Frieden leben?
Mit zwei Fingern der rechten Hand fuhr Reginald Bull sich unter den Uniformkragen, um die qualvolle Enge ein wenig zu lockern. Er räusperte sich verhalten – und öffnete aller militärischen Etikette zum Trotz den obersten Magnetverschluss. Danach fühlte er sich ein wenig wohler.
»Meine Damen und Herren Kommandanten …« Halblaut murmelte er die Worte und ließ ein unwilliges Seufzen folgen. Das war Quatsch. Angesichts der beängstigenden galaktopolitischen Lage waren Phrasen fehl am Platz. »Liebe Freunde …«
Bully verzog die Mundwinkel. Solch pathetischem Geschwätz hätte er selbst keine zehn Sekunden lang zugehört, das war nicht besser als die vorgefertigte Ansprache, die er nach einem flüchtigen Blick in den Müllschlucker befördert hatte. Nach Feierlichkeiten war ihm nicht zumute.
Reginald Bull wischte den lästigen Gedanken beiseite. Noch verfügte die Liga Freier Terraner über ein gewaltiges Militärpotenzial, das ausreichen sollte, SEELENQUELL die Stirn zu bieten.
Leuchtmarkierungen kündeten die zum kleinen Festsaal führende Abzweigung an. Vorher verließ der Korridor den gewachsenen Fels und wurde zur transparenten Röhre, die einen Seitentrakt der Montagehalle überspannte.
Bully hielt kurz inne. In den AG-X-Spezialwerften wurde unter Hochdruck gearbeitet, nur durfte niemand Wunder erwarten. Achthundert-Meter-Kugelraumer der WÄCHTER-Klasse waren Präzisionsinstrumente und selbst in Serienfertigung nicht innerhalb weniger Wochen fertigzustellen.
Dreißig auf zwanzig Kilometer maß die sublunare Werftanlage, in der acht WÄCHTER-Raumer gleichzeitig auf Kiel lagen. Das Areal befand sich dreitausend Meter tief unter geschichtsträchtigem Mondboden, von der Erde aus gesehen an der Grenze zur Mondrückseite. Hier hatten Rhodan und Bull einst den notgelandeten Forschungskreuzer der Arkoniden Crest und Thora entdeckt. Wie unbedeutend klein und unwissend waren sich die beiden irdischen Astronauten damals vorgekommen, und wie bedrohlich waren ihre Ängste erschienen. Weder Perry Rhodan noch er selbst, Reginald Bull, hätten sich in jenen Stunden träumen lassen, dass Menschen und Arkoniden auf gemeinsame Vorfahren zurückblickten.
Bullys Blick wanderte über die matt schimmernden Raumer mit dem schmalen Ringwulst und dem von Antennen übersäten Oberschiff. Vor eineinhalb Stunden fertiggestellt und wenigstens notdürftig ausgerüstet, würden sie in Kürze die Werft verlassen, um die Verteidigung des Sonnensystems zu stärken. Die ersten Mannschaften gingen soeben an Bord.
Vier WÄCHTER, ein sogenanntes Blockadegeschwader, erzeugten gemeinsam eine Aagenfelt-Barriere. Sechs Blockadegeschwader waren nötig, um ein Sonnensystem optimal gegen überlichtschnell einfliegende Raumschiffe abzuriegeln.
In der Schlacht um Ertrus waren das 21. und das 24. Geschwader vernichtet worden. Die nun fertiggestellten Neubauten würden mit den aus dem Kreit-System abgezogenen Einheiten als Geschwader 19 bis 24 für doppelte Redundanz im Solsystem sorgen. Die Umstände, die den Fall von Ertrus bewirkt hatten, durften sich nicht wiederholen. Jedes Besatzungsmitglied war erneut auf Herz und Nieren überprüft und sein Umfeld von allen Seiten durchleuchtet worden. Dabei hatten der Terranische Liga-Dienst und zuständige Regierungsstellen weitere potentielle Verräter enttarnt, schlafende Befehlsempfänger, die selbst nicht die geringste Ahnung davon hatten, welch tückische Zeitbombe in ihnen schlummerte. Mit Hochdruck wurde zur Zeit versucht, die parapsychische Blockade der Betreffenden zu durchbrechen.
Die Deckensegmente des Felsendoms begannen sich zu öffnen. In Kürze würde das erste der neuen Schiffe an die Oberfläche steigen. Ein Heer von Technikern und Montagerobotern löste sich von den Antennensystemen.
Bully wandte sich ab. Leer und ausgebrannt fühlte er sich, halb erdrückt von der Last der Verantwortung, die er mit Perry Rhodan und einer Handvoll weiterer Entscheidungsträger teilte. Seltsamerweise spürte er keinen Hass gegen Arkon, obwohl er die Gefangenschaft im Golkana-Hochsicherheitsgefängnis keineswegs vergessen hatte. In seiner Erinnerung schien nicht mehr er selbst betroffen zu sein, sondern eine dritte Person, mit der ihn wenig verband. Er hatte es geschafft, die durchlittenen Schrecken zu verarbeiten.
An die einhundert Personen erwarteten ihn – die Führungsmannschaft jedes neuen WÄCHTER-Schiffs. Schon als er unter dem Schott stehenblieb, spürte er ihre Blicke wie Seziermesser. Sie fragten sich, was er ihnen sagen würde. Erwarteten sie vom Residenz-Minister für Liga-Verteidigung eine lagetaktische Analyse? Zahlen und Berechnungen über den Flottenaufmarsch der Angreifer?
Er nickte knapp und ging weiter. Allzu bereitwillig wichen die Männer und Frauen vor ihm zur Seite. Ihr Ring schloss sich wieder, als er die Mitte des Raumes erreicht hatte. Das von zwei trokanischen Felsranken flankierte Rednerpodest an der Stirnseite ignorierte er. Dabei galten Felsranken als Symbol für Lebenskraft unter widrigsten Umständen.
Bully schwieg. Minutenlang. Bis die aufkommende Unruhe keinen weiteren Aufschub duldete.
»Genau so fühle ich mich«, begann er endlich. »Ich kann auch nicht behaupten, dass mir dieser Empfang Freude bereitet. Viel lieber wäre ich nicht gezwungen, neue Blockadegeschwader aus dem Boden zu stampfen. Ich sehe nicht Raumschiffe und Transformgeschütze vor mir, sondern Mütter und Väter, Töchter, Söhne und Lebensgefährten. Kurzum: Schicksale. Es gibt schon zu viel Leid. Eure Aufgabe ist, noch mehr Schmerz und Trauer zu verhindern. In einem Krieg, den vermutlich niemand will. Jeder sollte sich vor Augen halten, dass nicht Arkon unser wahrer Gegner ist, sondern SEELENQUELL.
Von Merkur bis über die Neptunbahn hinaus steht die stärkste eigene Flotte versammelt, die Sol je gesehen hat. Die im Bau befindlichen stationären Festungsversionen der Aagenfelt-Barriere, die das Gros anfliegender Kampfschiffe direkt in die Sonne ablenken könnten, sind leider nicht einsatzbereit. Bis zu ihrer Fertigstellung fehlen nur wenige Wochen, aber das ist wohl einer der Gründe, weshalb die negative Superintelligenz jetzt schon losschlägt … Terra steht mit dem Rücken zur Wand. Wenn wir kämpfen, dann zuallererst für uns und unsere Lieben – alles andere wäre nur Selbstbetrug –, aber dennoch auch für Freiheit und Selbstbestimmung aller galaktischen Völker. Das Schicksal des Solsystems entscheidet letztlich über die Geschicke der freien Milchstraße.
Dass wir nicht auf uns allein gestellt sind, beweisen die fünfundfünfzigtausend halutischen Kampfschiffe, die unter Führung von Mon Vanta eingetroffen sind. Auf eine Fragmentraumer-Flotte warte ich zudem stündlich – die Posbis lassen uns nicht im Stich. Bleibt zu hoffen, dass das Abschreckungspotenzial hoch genug ist. Der heutige 22. Januar 1304 NGZ wird auf jeden Fall als Vorabend der Entscheidung in die galaktische Geschichte eingehen.«
»Oder als Vorabend der Ewigkeit«, murmelte jemand.
»Wir schaffen es«, versicherte Bully.
»Wenn der Minister für Liga-Verteidigung einen Wunsch äußern müsste, welchen?«, erklang es laut aus dem Hintergrund.
Reginald Bull fuhr sich mit einer Hand durch das Stoppelhaar. »Dass wir alle aus diesem Albtraum aufwachen und feststellen, dass Arkon und Terra nach wie vor dicke Freunde sind«, antwortete er, ohne zu zögern.
Zaghaft begannen einige Personen zu klatschen. Innerhalb von Sekunden wurde lauter Beifall daraus.
*
Wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf Bully der Schmerz. Als würden Dutzende glühender Nadeln gleichzeitig durch seine Schädeldecke gestochen, während das Blut in den Schläfen gefror.
Das Zugangsschott zu dem sublunaren Transmitterraum begann sich zu verwinden, und dahinter lauerte ein psychedelisches Flackern.
Reginald Bull taumelte gegen die Seitenwand. Seine Hände zuckten hoch, die Finger drückten fest auf Stirn und Schläfen, aber zugleich spürte er die von der Schulter ausstrahlenden, belebenden Impulse des Aktivatorchips.