Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
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4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
Epilog
Glossar
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 2078
Die Pforten von ZENTAPHER
Hinter den Fraktalen – Atlan erforscht ein seltsames Gebilde
von Ernst Vlcek
Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
Nach ihrer großen Reise durch Raum und Zeit ist die SOL unter dem Kommando von Atlan, dem unsterblichen Arkoniden, im fernen Land Dommrath herausgekommen. Man schreibt nun das Jahr 1304 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – die Menschen an Bord der SOL haben über ein Dutzend Jahre ihres Lebens gewissermaßen »verloren«, was für Unruhe an Bord sorgt.
Dennoch will Atlan nicht sofort die Rückreise antreten. Es deuten Hinweise darauf, dass Geschehnisse im Land Dommrath eng zusammenhängen mit Ereignissen, die sich in der heimatlichen Milchstraße abspielen. So gibt es in beiden Galaxien gigantische Pilzdome und damit Zugänge zur Brücke in die Unendlichkeit.
Ein wichtiger Schlüssel dazu ist der mysteriöse Sektor CLURMERTAKH, in dem es zu Verzerrungen des Kontinuums und anderen Problemen kommt. Hier ist einer der Ritter von Dommrath verschollen, ausgerechnet jener, der als einziger mehr über die Geheimnisse von Thoregon zu wissen scheint.
Atlan lässt den Planeten Clurmertakh ansteuern – und dort betreten die Mitglieder der kleinen galaktischen Einsatztruppe DIE PFORTEN VON ZENTAPHER …
Startac Schroeder – Der junge Teleporter geht ein gefährliches Risiko ein.
Atlan – Der Arkonide will die Geheimnisse von ZENTAPHER ergründen.
Omuel – Eine seltsame Androidin wacht über die Entree-Station.
Grim Oyschkavary – Der Oberste Bibliothekar wird mit unverhofftem Besuch konfrontiert.
Scam Envaroy – Der junge Novize wird zur Stütze eines zerstörten Kabinetts.
Icho Tolot – Der Haluter entpuppt sich als Mechaniker.
Startac Schroeder wagte es.
Der Teleporter sah die schwarze Wandung der Dunklen Null vor sich und teleportierte.
Er tat dies entgegen allen Warnungen und Ermahnungen Atlans. Und er widersetzte sich mit dieser Handlungsweise auch den Befehlen des Arkoniden, und das, obwohl er sich ihm für die Dauer dieser Expedition freiwillig unterstellt hatte.
»Keine Eigenmächtigkeiten!«, hatte Atlan verlangt. »Keiner von uns unternimmt irgendetwas ohne vorherige Absprache. Er würde sich damit nur selbst gefährden und darüber hinaus auch dem gesamten Team schaden. Also bitte keine Extratouren!«
Das war keine Bitte gewesen, sondern ein deutlicher Befehl.
Und obwohl sich Startac Schroeder des Risikos bewusst war, das er damit auf sich nahm, teleportierte er. Er handelte damit auch wider jede Vernunft.
Denn die Dunkle Null war eine große Unbekannte, über die nur die äußeren Abmessungen bekannt waren. Alles andere war Spekulation. Man wusste nicht einmal, ob es sich um ein Gebäude handelte oder um eine seltsame Struktur des Universums.
Die Dunkle Null war ein schwarzer, kugelförmiger Körper mit einem Durchmesser von 36 Kilometern. Doch nur das oberste Drittel ragte etwa zwölf Kilometer weit aus dem Planetenboden und besaß an der Austrittsstelle einen Durchmesser von exakt 33,94 Kilometern.
Die Dunkle Null war somit ein imposantes Gebilde. Aber noch beeindruckender als ihre Größe waren die Auswirkungen, die sie auf die weitere Umgebung hatte, auf den gesamten Planeten Clurmertakh und den umliegenden Weltraum. Zumindest schrieb man all die unerklärlichen hyperphysikalischen Phänomene auf Clurmertakh der Dunklen Null zu, denn wirklich erforscht worden war dieses Objekt bis jetzt nicht.
Die Caranesen und Sambarkin der Forschungsstation, die 180 Kilometer von der Dunklen Null entfernt lag, waren in all den vielen Dommjahren ihrer Untersuchungen zu keinen wissenschaftlich fundierten Ergebnissen gekommen. Sie konnten bis heute lediglich vermuten, dass dieser seltsame schwarze Kugelkörper der Auslöser für all die unerklärlichen Auswirkungen auf Technik und Geist war. Auch die Mannschaft der ATHA'KIMB, des Ritterschiffs von Mohodeh Kascha, konnte den Galaktikern keine brauchbaren Auskünfte geben, nachdem Atlans Gruppe nach mühseligem Marsch das Schiff gefunden hatte.
Es schien jedoch, dass Mohodeh Kascha einen Zugang in die Dunkle Null gefunden hatte und seit nunmehr rund zwölf Standardjahren verschollen war.
Es war dieser Ritter von Dommrath, Mohodeh Kascha, dem Atlans Suche galt. Wenn Mohodeh Kascha tatsächlich einen Weg in die Dunkle Null gefunden hatte, mussten sie ihm dorthin folgen, wollten sie an seinem Wissen über Thoregon teilhaben. Und Atlan war sehr an diesem Wissen interessiert, konnte dieses doch für die Zukunft der Milchstraße bestimmend sein.
Nur sah es jedoch so aus, als würde sich für sie kein Weg in die Dunkle Null finden. Konnte Startac Schroeder da einfach untätig bleiben?
Er hatte zuerst mit Trim Marath darüber gesprochen. Trim schien die Monofilament-Klinge, die er auf dem Rücken trug und deren Griff ihm über die linke Schulter ragte, Selbstsicherheit zu geben. Aber der schmächtige Monochrom-Mutant hatte ihm von diesem Schritt abgeraten.
»Bist du verrückt, Star?«, hatte Trim gefragt. »Du setzt damit dein Leben aufs Spiel. Und du könntest damit unser aller Sicherheit gefährden. Atlans Verbot entspringt nicht bloß einer Laune.«
»Irgendetwas muss doch unternommen werden, damit es endlich weitergeht. Schließlich wollen wir Mohodeh Kascha finden!«
»Aber du kannst nicht einfach ins Ungewisse teleportieren, Star! Wer weiß, ob auf der anderen Seite, im Innern der Dunklen Null, überhaupt so etwas wie ein Raum existiert?«
Trim Marath hatte natürlich recht, fand aber keine Möglichkeit, Startac von seinem Vorhaben abzuhalten.
»Wer weiß, wohin es dich verschlägt, wenn du auf gut Glück teleportierst«, hatte ihm Trim weiter zugeredet. »Du könntest in einem anderen Universum herauskommen. In unendlicher Entfernung zu uns. Und ohne die Möglichkeit zu einer Rückkehr.«
»Hm«, hatte Startac nachdenklich gemacht. Aber je länger Trim ihm die Sache auszureden versuchte, desto entschlossener wurde er, den Teleportersprung zu wagen.
Startac Schroeder zog sich von den anderen zurück. Er schloss seinen Helm, aktivierte die Lebenserhaltungssysteme und konzentrierte sich auf den Raum jenseits der lichtlosen Hülle der Dunklen Null. Er beabsichtigte nicht, eine größere Distanz zurückzulegen, er wollte einfach nur auf die andere Seite. Ins Innere der Dunklen Null.
Startac war sich der möglichen Konsequenzen vollauf bewusst. So gesehen war seine Handlungsweise nicht unüberlegt. Leichtsinnig, das schon, aber nicht aussichtslos.
Der Mutant zögerte nicht länger und sprang.
Und der Teleportersprung gelang … aber nicht ganz perfekt.
*
Startac Schroeder fand sich in unbekannter Umgebung wieder. Trotzdem war er überzeugt, dass er ins Innere der Dunklen Null gelangt war.
Aber er wusste ebenso, dass es für ihn nicht ganz nach Wunsch verlaufen war.
Der Teleporter hatte einen Punkt einige hundert Meter innerhalb der Dunklen Null angepeilt. Doch hatte er während des Sprunges das Gefühl gehabt, umgeleitet und an andere Koordinaten dirigiert zu werden. Dieses Umleiten war auf keinen Fall ein gesteuerter Vorgang gewesen, in dem Sinne, dass ihm der Zutritt zu dem angepeilten Ziel verweigert worden wäre. Er hatte eher das Gefühl vermittelt bekommen, dass er zu dem einzigen erreichbaren Punkt innerhalb der Dunklen Null gesteuert worden war.
Und dieser lag in etwa zwanzig Kilometern Entfernung von seinem Ausgangspunkt, was ungefähr dem Zentrum dieser dunklen Sphäre entsprach. Startac konnte diese ungefähre Distanz an seinem Kräfteverschleiß ermessen: Er hatte eine Strecke zurückgelegt, die knapp der Hälfte seiner Teleporterreichweite entsprach.
Jedenfalls befand er sich innerhalb der Dunklen Null, soviel stand fest.
Und er war im Innern eines großräumigen Objekts herausgekommen, das in düsteres Licht gehüllt war. Irgendwelche Lichtquellen waren nicht zu erkennen. Und es gab keine Schatten; der trübe Schein schien von überall zu kommen, als strahlten Boden und Wände ihn aus.
Startac befand sich im Zentrum und am tiefsten Punkt einer völlig leeren Halle mit gewölbten Wänden, die sich zu einem Oval rundeten. Die Höhe betrug an seinem Standort etwa fünfzig Meter. Der Boden und die Decke wölbten sich zur Begrenzungswand jedoch so stark, dass diese nur noch an die fünf Meter hoch war. Die Längsachse des Ovals betrug geschätzte 400 Meter, während die niedrige Wand an der Querachse über hundert Meter von ihm entfernt war.
Exaktere Entfernungsangaben konnte Startac nicht herausfinden, da die Messgeräte seines Anzuges auf Distanz keine brauchbaren Werte lieferten. Sie funktionierten nur körpernah, nicht weiter als einige Meter. Es war dasselbe wie außerhalb der Dunklen Null: Auf technische Geräte war kein Verlass.
In der nur fünf Meter hohen Wandrundung entdeckte er vier hellere Ovale. Diese lagen einander an den weitesten Punkten der Längs- und der Querachse gegenüber. Die Ovale waren schätzungsweise fünf Meter breit und drei Meter hoch und waren in silbrige Rahmen eingefasst. Es schien sich dabei um Toröffnungen oder Portale zu handeln, die in andere Bereiche der Innenwelt der Dunklen Null führten. Startac konnte in diesen Öffnungen Gebilde sehen, die ihn an Wolkenformationen erinnerten.
Zwischen diesen Pforten waren vier weitere Objekte in die Wände eingelassen, kleiner und kreisrund. Von der geringen Größe her hätte es sich um Bullaugen handeln können. Aber Startac machte sich vorerst darüber keine Gedanken, was für eine Bewandtnis es mit ihnen haben könnte.
Er hatte sofort festgestellt, dass er hier leicht wie eine Feder war und seine Bewegungen sehr dosieren musste, um sie nicht außer Kontrolle geraten zu lassen. Die Schwerkraft betrug hier nur 0,5 Gravos, wie sein Multifunktionsarmband anzeigte. Aber daran konnte man sich gewöhnen. Es war auf jeden Fall besser, als hätte er das Doppelte seines Körpergewichts tragen müssen.
Und es war kalt in diesem Raum. Das Außenthermometer wies nur 13 Grad Celsius Lufttemperatur aus. Aber Startac fror nicht, weil die Innenbeheizung des Schutzanzuges automatisch angesprungen war.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich Startac ohnehin noch kaum von der Stelle bewegt. Er wollte sich in seiner neuen Umgebung erst einmal umsehen. Der Boden erinnerte ihn an graues, ausgetretenes, überaus strapaziertes Linoleum. Aber als Startac probeweise aufstampfte – nicht zu fest, um nicht vom Boden abzuheben –, stellte er fest, dass er nicht im geringsten nachgiebig war, sondern hart wie Stahl. Der Belag wies zudem zahlreiche dunklere Flecken auf, die wie Schmutzablagerungen anmuteten. Es handelte sich zumeist um hauchdünne Schichten.
Als Startac mit der Stiefelsohle über eine Stelle wischte, die mehrere Millimeter dick war, stieg nicht etwa eine Staubwolke auf, wie man es unter dieser geringen Schwerkraft hätte erwarten dürfen. Die Ablagerung ließ sich zwar mühelos verteilen, blieb aber am Boden haften, als sei sie magnetisch.
Aber worum auch immer es sich dabei handelte, Startac fand es nicht der Mühe wert, sich den Kopf über diesen »Schmutz« zu zerbrechen. Es war müßig, darüber nachzudenken, wie solche Unreinheiten an einen sonst so klinisch steril wirkenden Ort wie diesen kamen.
Etwas anderes beschäftigte ihn weitaus mehr. Seit er vor kaum einer Minute eingetroffen war, stieg in ihm das beunruhigende Gefühl auf, dass seine Umgebung belebt war. Es schien sich bei der Halle um eine Konstruktion aus toter Materie zu handeln. Vermutlich aus einer Metalllegierung, auch wenn die umlaufende fünf Meter hohe Wand wie marmoriert war und verschlungene Ornamentmuster aufwies. Und was wie gelblich patinierter Granit anmutete, war wohl kein Mineral, sondern ebenfalls eine fremdartige Legierung.
Aber was vermittelte ihm dann den Eindruck, dass die gesamte Halle lebte? Startac setzte seinen Ortersinn ein, aber dieser half ihm nicht weiter. Die Ausstrahlung drang scheinbar von allen Seiten auf ihn ein, verursachte ihm eine sich ständig steigernde Beklemmung. Sie erweckte in ihm das Gefühl, an diesem Ort nicht erwünscht, in dieser Station – generell im Innern der Dunklen Null – vielmehr ein unwillkommener Fremdkörper zu sein.
Sein Missbehagen, verursacht durch eine wachsende ungewisse Bedrohung, wuchs. Etwas kam auf ihn zu, breitete sich um ihn aus und hüllte ihn ein, baute sich zu einem kompakten, intensiven parapsychischen Feld auf, gegen das er sich nicht schützen konnte. Es signalisierte Terror und tödliche Gefahr.
Die unsichtbare Aura ballte sich um ihn, schnürte ihn ein und packte ihn in einem mörderischen Würgegriff.
In diesem Moment schloss Startac Schroeder mit dem Leben ab. Er hatte nicht die Kraft zur Gegenwehr.
Aber dann löste dich das Albdrücken unvermittelt wieder auf, diffundierte gewissermaßen und fokussierte an anderer Stelle, die einige Meter von ihm entfernt lag. Alle negativen Empfindungen, die Startac erhalten hatte, die sich bis zum absoluten Willen und Wollen, ihn zu töten, gesteigert hatten, gingen nun in der bedauerlichen Erkenntnis auf, diese Absichten nicht verwirklichen zu können.
Startac ahnte, dass er sein Leben nur dem Unvermögen des Unbekannten zu verdanken hatte. Dieser hätte ihn auf der Stelle vernichten wollen, sah sich aber außerstande, sein Vorhaben verwirklichen zu können. Zurück blieb das Gefühl von Zorn und Ohnmacht über die eigene Schwäche. Und diese Ballung widerstreitender Emotionen kondensierte im Fokus unweit von Startac Schroeder und verdichtete sich zu einer Erscheinung.
Wie aus dem Nichts materialisierte vor dem Monochrom-Mutanten eine humanoide, sehr menschenähnliche, zierliche Gestalt.
*
»Ich bin Omuel. Ich begrüße dich in ZENTAPHER«, ertönte eine Stimme in Startacs Kopf.
Das Wesen war nur einen Meter groß und schwebte ebenfalls einen Meter über dem Boden. Es trug eine weitgeschnittene Robe in einer Farbe, die Startac als Monochrom-Mutant nicht erkennen konnte. Er tippte die entsprechende Frage-Kombination in sein Multifunktionsarmband und bekam »smaragdgrün« als Antwort.
Der Kopf der zierlichen Gestalt war völlig kahl, hinten ausladend und insgesamt, nach menschlichen Begriffen, wohlgeformt. Das Gesicht war lang und schmal, besaß eine helle Haut von geradezu porzellanhafter Glätte – schien völlig porenlos, wie von einer Puppe zu sein – und hatte für Startac etwas Adlerhaftes an sich. Aus dem Gesicht blickten ihn zwei große, laut Armband dunkelgrüne Augen an. Diese veränderten dauernd ihren Helligkeitsgrad und auch die Verteilung von Licht und Dunkel, als lodere hinter ihnen ein flackerndes Feuer. Durch die düstere Beleuchtung konnte das Lichterspiel der Augen jedenfalls nicht hervorgerufen werden.
Omuel bewegte die Lippen. »Ich bin Omuel. Ich begrüße dich in ZENTAPHER«, erklang es wieder in Startacs Kopf.
Die Lippenbewegungen verhielten sich asynchron zu den Worten, die Startac vernahm. Er nahm darum an, dass Omuel in einer fremden Sprache zu ihm sprach, während sie ihm gleichzeitig die Gedankenbotschaft sandte. Diese Begrüßungsformel war ein krasser Anachronismus zur Aussage der Augen. Denn ihr Feuer versprühte Feindseligkeit und Aggressivität gegen ihn, den ungebetenen Besucher.
Startac schirmte sich unter diesem Eindruck instinktiv ab. Das Feuer dieser Augen bereitete ihm Furcht, und er hatte das Gefühl, dass er es davon abhalten musste, in seine Seele einzudringen und sein Ich zu verbrennen.
Es verwirrte und verunsicherte den Monochrom-Mutanten zutiefst, dass er einerseits willkommen geheißen wurde – wenn auch förmlich und distanziert –, dass ihm andererseits aber durch diese deutliche Gefühlsaura zu verstehen gegeben wurde, dass er hier unerwünscht war. Er wich dem durchdringenden Blick Omuels aus, weil er das Gefühl hatte, dass sie ihn damit am liebsten verschlingen wollte.
Sie? Startac wurde erst jetzt bewusst, dass er Omuel von Anfang an als weiblich eingestuft hatte. Er vermochte nicht zu sagen, warum er das tat, denn Omuel wies keinerlei diesbezügliche Geschlechtsmerkmale auf. Durch die vorne geschlossene Robe waren allerdings fremdartige Ausformungen zu erkennen, die sich ständig veränderten und in langsamer Bewegung waren, als verberge Omuel ein weiteres eigenständiges, unruhiges Lebewesen darunter.
Einen Symbionten? Startac verneinte dies mit Bestimmtheit. Er glaubte eher, dass dies zu Omuels Körpersprache gehörte, als eine Art Ausgleich zu ihrem unbewegten Gesicht mit dem schmalen, lippenlosen Mund. Er hielt es sogar für den Ausdruck einer eigenwilligen Erotik, die dem Betrachter vermittelt werden sollte. Omuels Koketterie gewissermaßen … Startac empfand die Bewegungen unter der Robe zumindest als Verlockung, als vielversprechende Akzente, mit denen Omuel ihn zu betören versuchte.
Omuel schritt in einem Meter Höhe – als wandle sie über einen unsichtbaren Laufsteg – mit grazilen, majestätischen Bewegungen auf ihn zu. Dabei kamen unter dem Saum der Robe ihre nackten Füße zum Vorschein. Sie waren sechszehig, lang und schmal. Auch die Hände, die aus den Ärmeln der Robe ragten, waren sechsgliedrig. Sie waren von derselben beigefarbenen Porzellanhaftigkeit wie das Gesicht. Die sechs Finger endeten in nadelspitzen schwarzen Nägeln. Diese Nägel machten jedoch nicht den Eindruck, dass sie als Waffen eingesetzt wurden. Eher war vorstellbar, dass sie Modellierhilfen waren, sie wirkten eher wie Künstlerhände.
Omuel kam ganz nahe an ihn heran und beugte sich aus einer Höhe von zwei Metern zu Startac herab. Sie presste die Fingerspitzen wie im Gebet aufeinander. Dabei zuckten die Finger nervös, so dass die schwarzen Nägel gegeneinanderklirrten und ein leises, dennoch durchdringendes unangenehmes Geräusch von sich gaben. Wie Metall auf Metall. Wie Skalpell gegen Skalpell! Das Geräusch verursachte Startac eine Gänsehaut.
Omuels Gesicht kam ihm so nahe, dass ihre Nasen einander fast berührten. Startac kniff unwillkürlich die Augen zusammen, um dem grün lodernden Feuer ihrer Augen zu entgehen und sich besser auf seine geistige Abschirmung konzentrieren zu können. Wie durch einen Schleier sah er, dass Omuel die Lippen bewegte, hörte jedoch keine Worte, nur zum dritten Mal die stereotype Begrüßungsformel in seinem Kopf:
»Ich bin Omuel. Ich begrüße dich in ZENTAPHER.«
Startac wich ein paar Schritte zurück, um auf sichere Distanz zu Omuels bedrohlicher Nähe zu gehen. Ihm war durch ihre Ausstrahlung immer klarer geworden, dass sie ihn am liebsten töten würde. Aber entweder besaß sie nicht die Macht dazu, oder sie war Einschränkungen unterworfen, die sie zwangen, Besucher höflich zu empfangen.
Startac riss sich zusammen und fragte: »ZENTAPHER? Ist das der Name dieses Ortes? Dieser Station?«
Die Antwort kam sofort, sie brannte sich in sein Gehirn ein. »Diese Station ist das Entree von ZENTAPHER. Und ZENTAPHER ist das Ende.«
Startac grübelte über die Bedeutung dieser sphinxhaften Aussage, konnte aber keinen Sinn darin finden. »Wie soll ich das verstehen, ZENTAPHER sei das Ende?«, fragte er. »Das Ende von was? Und wo ist ein Anfang?«