Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
1.
2.
3.
4.
Epilog
Glossar
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 2093
Requiem für einen Ewigen
Der Architekt von ZENTAPHER – sein Leben ist Höherem geweiht
von Ernst Vlcek
Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
Nach einer unglaublichen Reise durch Raum und Zeit operiert die SOL im Frühjahr 1304 Neuer Galaktischer Zeitrechnung im Sektor CLURMERTAKH der Galaxis Dommrath. Der Besatzung der SOL ist klar, dass man nur hier weitere Hinweise über Thoregon erhalten kann. Ebenso weiß jeder, dass diese Informationen für die Bevölkerung der Milchstraße von lebenswichtiger Bedeutung sind.
Mittlerweile ist eine kleine Expedition unter dem Kommando des Arkoniden Atlan in das Innere der Dunklen Null vorgestoßen. Jenes geheimnisvolle Gebilde, das sich auf dem Planeten Clurmertakh befindet, scheint der Ausgangspunkt für alle seltsamen Phänomene zu sein.
Die Dunkle Null entpuppt sich als eine Art Miniaturuniversum, das ZENTAPHER genannt wird. Was ZENTAPHER genau ist, konnten Atlan und seine Begleiter allerdings noch nicht herausfinden.
Sie erkannten jedoch, dass hier seit langem ein kosmisches Geheimnis wartet – und dass ZENTAPHER zahlreiche Gefahren birgt, die zwar noch niemand genau überblicken kann, die aber imstande wären, die Galaxis Dommrath zu verheeren. Torr Samaho, der ehemalige Diener der Materie, hat zudem die Kontrolle über das gigantische Gebilde übernommen. Der Feind der Menschheit hegt dunkle Pläne – es kommt zum REQUIEM FÜR EINEN EWIGEN …
Kintradim Crux – Der Spinkaahn wird zum mächtigen Architekten von ZENTAPHER.
Torr Samaho – Der ehemalige Diener der Materie erfährt eine mehr als drei Millionen Jahre überdauernde Geschichte.
Zen-Skogo – Der Roboter weiß mehr über die Negasphäre und die Chaotarchen als jedes andere Wesen.
Xiantopo – Der Rou entwickelt sich zum schlimmsten Feind für Kintradim.
Der Richter – Das anonym bleibende Wesen trägt eine große Verantwortung.
Santade von Sonnbajir und ihr Diener Junker musizierten schon seit Stunden mit ihren Instrumenten. Sie spielten förmlich um ihr Leben. Denn wenn der einäugige Riese Torr Samaho vorzeitig aus seinem tranceartigen Zustand erwachte, konnte das schlimme Folgen für sie haben. Er könnte sie in seinem Zorn furchtbar bestrafen, ja vielleicht sogar töten.
Und so entlockte die Virtuosin ihrem 9-Imbariem unermüdlich die betörendsten Töne, während Junker sie auf dem Kabremm stimmig begleitete.
Ihre Musik schien den riesigen Zyklopen zu stimulieren, ihn bei seiner geistigen Reise durch das Leben eines anderen Mächtigen zu unterstützen, dessen Geist er mit einem einzigen Atemzug in sich eingesogen hatte und den er nun in sich trug.
Torr Samaho saß wie leblos da, gab kein Lebenszeichen von sich. Das eine große Auge war offen, starrte blicklos ins Leere. Aber auch jetzt, in geistiger Abwesenheit und völliger Reglosigkeit versunken, wirkte er bedrohlich. Das hatte nichts mit seiner äußeren Erscheinung zu tun, wie beeindruckend diese auch war. Sein massiger, sechs Meter großer Körper steckte in einem schwarzen, gummiartigen Anzug, der an Schultern und im Hüftbereich lädiert war. Dazu hatte er um die Leibesmitte einen ebenfalls gummiartigen Multifunktionsgürtel geschnallt. Der Architektenstab und die für seine Größe winzige und nicht handhabbare Strahlwaffe, die an dem Gürtel hingen, muteten an ihm wie Spielzeug an.
Nein, der Anblick des einäugigen Riesen war weitaus weniger drohend als seine starke mentale Ausstrahlung. Diese hatte Santade von Sonnbajir und Junker völlig in ihren Bann geschlagen. Diese unheilschwangere Aura war ständig präsent und ließ erahnen, welche Macht in dem Riesen schlummerte – auch wenn er zu schlafen schien und wenn er träumte.
Als sich Junker einmal im Ton vergriff und seinem Kabremm einen falschen Rhythmus entlockte, zuckte es sogleich im derben Gesicht des Riesen.
Santade von Sonnbajir versuchte daraufhin, den Zyklopen mit einer einschmeichelnden Melodienfolge zu besänftigen. Sie legte ihre ganze Seele in ihr Instrument, blies es auf eine herzergreifende Weise wie nie zuvor. Junker verfiel gleichzeitig in einen beschwörenden Gesang, und Santade traute ihren Ohren nicht, wozu die Angst den Diener beflügelte: So hoch hatte er die Tonleiter noch nie erklommen, und nie zuvor hatte er lieblicher gesungen.
Und das besänftigte Torr Samaho. Er verfiel wieder in seine leblose Starre und kehrte erneut zurück in seinen Traum, aus dem er für einen Moment hochzuschrecken drohte – träumte das Leben jenes Wesens, das er vereinnahmt hatte.
Santade von Sonnbajir nickte ihrem Diener aufmunternd zu, er solle weitersingen, denn das schien dem Zyklopen zu behagen und seine Trance und seinen Erlebnisgenuss zu vertiefen.
Santade von Sonnbajir und Junker waren Torr Samaho so nahe, dass seine geistige Präsenz sie geradezu zu erdrücken drohte. Seine mentale Aura war so gewaltig, dass er die zwei Musikanten förmlich in seinen Traum hineinriss. Sie konnten nicht anders, als an seinem Traum teilzuhaben. Sie bekamen alle Einzelheiten des Erlebnisberichts mit, der vom Geist des Kintradim Crux auf Torr Samaho überfloss.
Es war der Inhalt dieser panoramatischen Lebensschau, den Junker in gesungene Reime umsetzte. Er entwickelte eine Ode an einen Mächtigen, der von einem noch Mächtigeren geschlagen worden war. Es war ein Lobgesang auf Torr Samaho. Und Torr Samaho schien das zu gefallen, denn er träumte daraufhin noch intensiver, erlebte von nun an den Bericht des Kintradim Crux viel nachhaltiger und tiefgreifender.
Er wurde geradezu zu Kintradim Crux, ohne sich jedoch dessen Geist zu ergeben!
Junker hatte von Kintradims Eintritt in die Akademie von Harcoy-Maranesh gesungen, über seine Probleme mit den anderen Korpsbrüdern, die eigentlich seine Feinde waren, und über seinen unverhofften Sieg und seine Erhöhung zu einem Crux … Er hatte vom Besuch des Kintradim Crux in der Negasphäre erzählt, jener von Chaos und Willkür regierten Region des Universums, und die passenden Worte zur Beschreibung dieser Zone der Düsternis gefunden, obwohl Kintradim Crux' Erinnerung diesbezüglich nur äußerst vage war … praktisch nicht vorhanden. Und Junker war gerade dabei, das Verhältnis des Crux zu dessen robotischem Begleiters Zen-Skogo zu besingen, seinem Bruder des Schmerzes, als eine unerwartete Störung eintrat.
Plötzlich tauchte überraschend eine kleine Abordnung von Keyrettlern auf.
Die Echsenwesen erkannten den Zyklopen Torr Samaho als die Reinkarnation ihres Meisters Kintradim Crux an. Und sie waren gekommen, um dem vermeintlichen Herrn von ZENTAPHER Bericht zu erstatten.
»Eine Spezialgondel der Ektapa hat soeben Kintradims Höhe erreicht«, berichtete ihr Anführer, an den träumenden Zyklopen gewandt. »Uns ist nicht bekannt, welche Besatzung sie an Bord hat. Aber wir sehen es als unsere Pflicht, unserem reinkarnierten Herrn Bericht zu erstatten.«
Santade von Sonnbajir war entsetzt über das Auftauchen der Keyrettler. Wenn sie die Trance des Torr Samaho störten, würden sie und ihr Diener es zu büßen haben. Ohne ihr Spiel zu unterbrechen, gab sie Junker zu verstehen, dass er die Störenfriede verscheuchen sollte.
Und anstatt die erste Begegnung des Crux mit Zen-Skogo zu besingen, sang Junker:
»Ihr Unseligen, haltet ein! Stört nicht die Reise eures Herrn in die geheimnisvolle Vergangenheit! Denn das könnte übel für uns alle enden. Auch wenn Kintradim Crux in seinem neuen Körper zu schlafen scheint, so weiß er doch Bescheid über alles, was um ihn vor sich geht. Wendet euch ab und geht! Kintradim Crux wird euch sagen, was getan werden muss, wenn die Zeit gekommen ist. Aber nun geht! Verlasst sofort wieder diesen Raum!«
Die fünf Keyrettler wirkten verstört. Sie sahen von dem kleinen, rattenähnlichen Musikus zu dem reglos kauernden Zyklopen. Auch sie mussten die von ihm ausgehende Bedrohung spüren und schienen zu dem Schluss gekommen zu sein, dass es besser wäre, die Ruhe des einäugigen Riesen nicht zu stören.
»Wir warten auf Instruktionen«, sagte ihr Anführer. Mit diesen Worten zogen sie sich schleunigst zurück.
Und Santade von Sonnbajir und Junker spielten weiter, um Torr Samahos Traumerlebnis zu untermalen.
Junker sang sich schier die Seele aus dem Leib, nur um ja nicht die Reise des Torr Samaho durch das Leben des Kintradim Crux zu unterbrechen …
Die Akademie
Du hast mich in deinem Körper aufgenommen, und darüber bin ich froh. Denn es ist ein gesunder und kräftiger Körper – ein meiner würdiges Zuhause. Aber glaube nicht, dass ich mich dafür dankbar zeigen werde. Ich bin nur ein vergleichsweise winziger Bewusstseinssplitter, aber in diesem ist alles gespeichert, was ich einmal war: Ich habe eine Lebenserfahrung von einigen Millionen Jahren, ähnlich wie du selbst. Du hast mich in dich aufgenommen und mich gebändigt, aber gezähmt hast du mich nicht. Solange etwas von meinem Bewusstsein existiert, werde ich gegen dich ankämpfen und versuchen, deinen Körper zu dem meinen zu machen.
Das verrate ich dir nicht aus Gründen der Fairness, sondern um dich wissen zu lassen, dass wir trotz aller Verbundenheit Feinde bleiben. Wir beide sind die natürlichsten Feinde, die das Universum kennt! Und so etwas wie Ehrlichkeit und Redlichkeit kann es zwischen uns nicht geben.
Ich werde bei der ersten sich bietenden Gelegenheit deinen Körper an mich reißen.
Im Moment bist du noch der Stärkere, und du kannst mich zu tun zwingen, was dir beliebt. Ich kann nicht anders, als dir meine Geschichte zu erzählen, weil du es verlangst. Mir ist durchaus klar, dass dich mein Leben nur wenig interessiert. Du willst bloß das Wissen, das ich besitze. Aber dies ist so eng mit meinem Leben verknüpft, dass du dir schon die ganze Geschichte anhören musst, wenn du etwas erfahren willst.
Ein wenig Geduld wirst du schon aufbringen müssen, denn es könnte eine längere Sitzung werden …
*
Solange ich zurückdenken kann, wurde ich von Vater Votoregg geprügelt. Ich bildete jedoch keine Ausnahme, er prügelte uns alle, jedes seiner rund vierhundert Kinder.
Er war ein grobschlächtig wirkender Ganorrer, mit einem sackförmigen Körper, den er zu besonderen Anlässen durch energetische Mieder auf proportioniert trimmte, was freilich nur in bescheidenem Maße gelang. Seine vier Stummelbeine verliehen ihm einen Watschelgang, den er auch unter größten Anstrengungen nie ganz verheimlichen konnte. Sein knochiger Schädel wollte nicht zur übrigen Erscheinung passen, und der kurze, ständig sabbernde Rüssel wirkte wie ein Fremdkörper. Der Rüssel mit den drei Öffnungen diente ihm als Atem-, Sprech- und Fresswerkzeug, und darum passierte es ständig, dass er beim Reden Speisereste über seine Zuhörer regnen ließ.
Deplatziert wirkten auch die beiden langen, muskulösen Arme mit den riesigen Händen. Sie waren so kräftig, dass er sie wie Beine gebrauchen konnte, wenn er schnell unterwegs sein wollte. Und das wollte er immer dann, wenn er eines seiner Kinder einfangen und züchtigen wollte.
Votoregg war natürlich nicht unser leiblicher Vater. Er ließ sich nur so nennen, um nach außen den treusorgenden Heimleiter vorzutäuschen. In Wahrheit war er jedoch ein Schläger, der seine Freude daran hatte, Schwächere zu quälen. Und wir waren alle schwächer als er, denn er hütete sich, Waisen aufzunehmen, die ihm über den Kopf wachsen könnten.
Über meine Herkunft weiß ich nichts. Vater behauptete, dass ich ein Spinkaahn sei, aber ich habe nie erfahren, ob er dieses Volk tatsächlich kannte, ob es ein solches überhaupt gab oder ob er den Namen nicht nur bloß erfunden hatte. Er nannte mich Kintradim, und ich wusste auch nicht, ob das mein wirklicher Name war oder ob er seiner Phantasie entsprang.
»Kintradim, du bist der räudigste Spinkaahn, der mir je untergekommen ist«, pflegte er zu sagen, wenn er mir aus irgendwelchen Gründen grollte. Und solche Beschimpfungen waren meist das Vorspiel zu Schlägen.
Als ich ausgewachsen war, fühlte ich mich zwar körperlich in der Lage, es mit Votoregg aufnehmen zu können. Aber da war noch das schmucke Halsband, über das er mich ferngesteuert zähmen konnte. Jedes seiner vierhundert Kinder trug ein solches, und Vater Votoregg konnte damit alles mit uns anstellen. Es war unmöglich, sich des Halsbandes zu entledigen. Ich musste mit ansehen, was passierte, als es einer versuchte. Einem Hormager, der wirklich geschickte Finger hatte, war es gelungen, den Verschluss zu knacken. Er explodierte vor meinen Augen, und Teile seines zerfetzten Körpers besudelten mich.
Das »Heim des Glücks«, wie Votoregg sein Waisenhaus nannte, lag auf einem winzigen Himmelskörper im Asteroidengürtel eines unbewohnten Sonnensystems. Das Gebäude mit festungsähnlichem Charakter war durch einen Schutzschirm gesichert, der die künstliche Atmosphäre am Entweichen hinderte. Und es verfügte über etliche Schwerkraftgeneratoren, so dass Votoregg die Gravitation nach Belieben steuern und so praktisch in jedem der 50 Sektoren unterschiedliche Verhältnisse schaffen konnte.
Um Energie zu sparen, waren wir die meiste Zeit der Schwerelosigkeit ausgesetzt. Das war unserer physischen Entwicklung nicht gerade förderlich, wir litten nicht nur an Unterernährung, sondern auch an Muskelschwund. Votoregg setzte die Schwerkraft gezielt für Strafmaßnahmen ein – wenn eines seiner Kinder sich ungebührlich benahm, setzte er es schon mal der zehn- bis fünfzehnfachen Schwerkraft aus.
Aber welche Strafen er auch über uns verhängte, er achtete immer darauf, dass wir keine äußerlich sichtbaren Verletzungen davontrugen. Denn wir waren sein Kapital. Er trieb einen schwunghaften Handel mit uns. Von überall aus der Galaxis kamen die Interessenten, sie gingen nie mit leeren Händen fort. Einen oder zwei von uns nahmen sie immer mit sich. Es war auch schon mal vorgekommen, dass sie mit zehn von uns die Rückreise antraten.
Das waren jedoch alles keine Paare, die Kinder zur Gründung einer Familie adoptieren wollten. Das ganz gewiss nicht! Wer zu Vater Votoregg kam, der suchte Sklaven oder Lustobjekte. Aus irgendwelchen Gründen blieb ich aber stets unbeachtet. Niemand wollte mich haben. Dabei war ich weder unansehnlicher noch schwächlicher als einer der anderen Heiminsassen. Irgendwann redete ich mir schließlich ein, es müsse daran liegen, dass ich mir wünschte, nicht mitgenommen zu werden. Ich dichtete mir magische Kräfte an, mit denen ich die Interessenten abschreckte.
Votoregg hatte eine andere Erklärung: »Wer will schon einen räudigen Spinkaahn. Ich sollte mir wirklich überlegen, ob ich dich nicht besser verheize.«
Aber das tat er dann nicht, vielleicht in der Hoffnung, dass sich doch ein Abnehmer für mich fand.
So zahlreich wie die Ab- waren auch die Neuzugänge. Immer wieder tauchten zwielichtige Gestalten in den obskursten Raumfahrzeugen auf und brachten Nachschub aus allen möglichen galaktischen Völkern ins »Heim des Glücks«. Normalerweise hätten die Dunkelmänner die Kinder, die zumeist entweder überflüssig gewordene Geiseln oder Zeugen von Verbrechen waren, beseitigt, aber da sie von Votoregg Geld bekamen, brachten sie sie hierher.
Ich glaubte schon, dass ich im »Heim des Glücks« meinen Lebensabend verbringen müsste und vielleicht sogar einst Votoreggs Nachfolge antreten müsste, als Vater mich zu sich rufen ließ.
»Morgen kommt ein Interessent«, eröffnete er mir. »Offenbar ein reicher Edler. Es scheint, als könntest du seinen Anforderungen entsprechen, Kintra. Also zeig dich von deiner besten Seite!«
Er schickte mir über das Halsband belebende Impulse und putzte mich fein heraus. Ich selbst gefiel mir recht gut, aber Vater Votoregg war mit dem Ergebnis weniger zufrieden.
»Vielleicht liegt es daran, dass dich niemand will, weil du weder Fisch noch Echse bist. Oder ist etwa deine blaue Hautfarbe schuld?«
Bis zum Eintreffen des Interessenten wurde ich ziemlich verwöhnt. Votoregg übergab mich dem Regenerierungstank, unterzog mich einem Muskelaufbauprogramm und einer Hypnoschulung, in der mir spezielle Umgangsformen beigebracht wurden. Einer solchen Prozedur war ich vorher noch nie unterzogen worden, und allmählich glaubte ich selbst daran, dass es diesmal ernst für mich werden würde.
Als Votoregg mich schließlich aus dem Schulungstank holte, verkündete er mir: »Der edle Herr will nur dich oder keinen. Also nutze deine Chance.«
Der »edle Herr« war ein vermummter Zweibeiner, der einen völlig geschlossenen Raumanzug trug, der an eine antike Rüstung erinnerte. Er war nur um einen halben Kopf kleiner als ich, aber wesentlich korpulenter, was aber an seiner Rüstung liegen mochte.
Votoregg stellte mich auf einem Podest zur Schau, und der vermummte Fremde richtete ein Gerät auf mich, das wie eine Zweizackgabel aussah, bestrich damit meinen Körper. Die Gabel gab eine Reihe seltsamer, grell pfeifender Geräusche von sich, die sich dauernd veränderten. Als er damit meinen Kopf untersuchte, wurde das Pfeifen schriller. Ich wertete dies als schlimmes Vorzeichen und war zufrieden. Denn ich wollte nicht mit dem Fremden gehen, er war mir unheimlich.
»Ich möchte noch einen speziellen Test durchführen«, sagte der Vermummte.
»Nur zu!«, forderte ihn Vater Votoregg auf.
Von der Schulter des Fremden löste sich eine Art Gespinst, das in verschiedenen Rottönen fluoreszierte. Es segelte mit Wellenbewegungen auf mich zu und senkte sich auf meinem Kopf nieder. Schon bei der ersten Berührung war mir, als würde mein Gehirn plötzlich in Flammen aufgehen und explodieren. Aber das war nur ein Zündungsschmerz. Nach der Kontaktierung kehrte schmerzfreie Ruhe in den Schädel zurück.
In der Folge empfing ich blitzartig wechselnde Bildfolgen, kurze Szenen, die zuerst abstrakte Formationen darstellten, die völlig nichtssagend für mich waren. Sie verursachten lediglich ein permanentes Kribbeln in wechselnden Gehirnsektoren. Aber das Kribbeln wurde zu einem Ziehen und Pochen. Und dann kehrte der Schmerz zurück, plötzlich und stärker als je zuvor. Ich biss die Zähne zusammen, kapselte mich ab, so gut ich konnte. Denn ich hatte bei Vater Votoregg gelernt, Schmerzen zu ertragen. Ich war längst so weit abgestumpft, dass ich alles lautlos über mich ergehen lassen konnte und eher in Wahnsinn verfallen wäre, als auch nur einen Schmerzenslaut von mir zu geben.