Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog 1
Prolog 2
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Glossar
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 2108
Samahos Erbe
Auf dem Weg nach Wassermal – die SOL geht auf eine lange Reise
von Susan Schwartz
Seit die SOL zum ersten Mal in die Unendlichkeit aufgebrochen ist, hat das Hantelraumschiff geradezu unglaubliche Reisen durch Raum und Zeit zurückgelegt. Daran hat sich auch nichts geändert, nachdem Perry Rhodan »sein« Schiff aus den Händen Shabazzas befreien konnte.
Unter der Expeditionsleitung des Arkoniden Atlan wurde die SOL mit ihrer Besatzung zuletzt in die Galaxis Segafrendo verschlagen – und zugleich 18 Millionen Jahre in die Vergangenheit. In dieser Zeit wurden die Menschen an Bord des Raumschiffs Zeugen eines grauenvollen Krieges und der Geburt einer Superintelligenz.
Im Land Dommrath, in das die SOL anschließend durch einen Mega-Dom transportiert wurde, lernten Atlan und seine Begleiter eine Kultur kennen, die eine ganze Galaxis umspannt und sich dem Frieden verschrieben hat. Sie stießen auf die Dunkle Null, stellten fest, dass dieses seltsame Gebilde namens ZENTAPHER als Chaotender zu den mächtigen Waffen der Chaosmächte gehörte.
Nachdem die Bedrohung des Landes Dommrath und auch der Milchstraße abgewehrt werden konnte, steht eine neue Reise bevor. Sie wird begleitet von einer düsteren Drohung – und das ist SAMAHOS ERBE ...
Shoy Carampo – Der junge Mom'Serimer erkundet den Mittelteil der SOL.
Atlan – Der unsterbliche Arkonide erhofft sich Informationen zu Thoregon.
Crom Harkanvolter – Der Lord-Eunuch regiert die letzten Überlebenden seines Volkes.
Fee Kellind – Die Kommandantin der SOL bricht zur großen Fahrt auf.
Porto Deangelis – Der Major ist für die Logistik an Bord der SOL verantwortlich.
Auf Abwegen
»Nun komm schon!«, forderte Shoy Carampo seinen besten Freund Basch Fatingard auf.
»Ich weiß nicht so recht«, zögerte Basch. »Und wenn wir erwischt werden?«
»Wer sollte uns erwischen? Bisher ist es doch auch immer gut gegangen!«
»Eben deswegen sollten wir das Glück nicht zu sehr herausfordern, finde ich. Wir könnten ja morgen gehen. Oder übermorgen ...«
»Und du willst mein Kumpel sein? Du bist einfach nur feige!«
»Das ist nicht fair, Shoy! Du weißt, dass ich immer zu dir stehe! Aber gestern hat uns der Indoktrinato so merkwürdig angeschaut. Der ahnt was, das schwör ich dir! Und dann kriegen wir einen Mordsärger!«
»Pfff«, machte Shoy wegwerfend. »Was können sie uns schon tun? Außerdem bin ich schon vier – und du auch! Die haben uns nicht dauernd Vorschriften zu machen!«
»Das können sie aber doch«, widersprach Basch. »Und dann kriegen wir Hausarrest, bis wir acht sind! Dazu hab ich einfach keine Lust!«
»Bei allen Nachthummlern, Basch, du bist ein richtiger Spielverderber! Dann geh ich eben ohne dich, und wenn mir was passiert, bist du schuld! Du ganz allein!«
»Na gut«, gab Basch nach. »Dieses eine Mal noch. Aber nur ganz kurz und nicht zu weit!«
»Ja, ja!« Shoy verdrehte die Augen. »Nun geh schon, du alter Langweiler!« Shoy rieb sich die kleinen Hände so schnell, dass man in der Reibungshitze fast ein Feuer mit einem Holzstöckchen hätte entfachen können. Er hüpfte aufgeregt von einem Bein auf das andere. »Schneller, schneller!«
»Jetzt drängel doch nicht so!«, beschwerte sich Basch. »Ich muss erst mal schauen, ob der Weg frei ist!«
Wie zwei Verschwörer sicherten sie nach allen Seiten und trippelten dann eilig zum Hauptzugang. Er stand meistens offen, weil die Automatik defekt war. Zudem gab es hier nichts zu sichern. Sie alle waren Habenichtse. Sie waren nichts und besaßen nichts, überhaupt nichts. Nicht einmal Feinde.
Hinter dem Hauptzugang breitete sich ein düsteres Trümmerfeld aus, das Shoys Herz jedes Mal höher schlagen ließ, sobald er es erblickte. Auch Basch wurde jetzt von eifriger Unruhe ergriffen.
»Wir sind Entdecker!«, flüsterte er seinem Freund zu. »Die schlimmsten Gefahren können uns nicht abhalten, neues Land zu entdecken! Geheimnisse zu ergründen!«
»Ja, und das Abenteuer zu finden!«, stimmte Shoy strahlend zu.
Sie erreichten den zentralen Antigravschacht und warteten, bis sie sicher sein konnten, dass momentan niemand befördert wurde. Im SZ-2-Flansch stiegen sie bereits wieder aus und wieselten zu einem »Geheimgang«, der nur ihnen bekannt war, und verschwanden darin, ohne entdeckt zu werden.
Basch Fatingards Bedenken und vernünftige Einsichten waren ein für alle Mal dahin, sobald er den aufregend metallischen Duft des Abenteuers witterte. Er übernahm die Führung, immer weiter fort vom Schacht und damit ihrer Unterkunft. Es war nicht schwer, neue Wege zu finden, das Gebiet war riesig und das meiste davon unentdeckt. Das sollte sich jedoch ändern. Sie hatten beide die feste Absicht, alles zu ergründen.
Das Ziel
»Ich bin glücklich darüber, dass der Großteil der Besatzung sich dazu bereit erklärt hat, die weite Reise nach Wassermal anzutreten«, sagte Atlan. »Denn es bedeutet viele Jahre Abwesenheit von der Heimat, möglicherweise Jahrzehnte.«
»Ich verstehe, was du meinst.« Mohodeh Kascha, der letzte Kimbaner, ließ sich langsam in dem angebotenen Sessel in der Unterkunft des Arkoniden nieder. Wie stets waren die Bewegungen des Ritters von Dommrath würdevoll, ruhig und fließend. Seine eigene Unterkunft lag nicht weit entfernt, und er hatte vor dem Start die Möglichkeit bekommen, sie sich seinen Vorstellungen entsprechend einzurichten. Er konnte sich auf dem Schiff frei bewegen und hatte beschränkten Zugang zum Schiffssystem, speziell was das Archiv betraf. »Die Menschen sind kurzlebig, für sie zählt jedes einzelne Jahr. Dementsprechend ungeduldig sind sie oft – aber das machen sie mit Abenteuerlust und Neugier wieder wett. Ich habe daher nicht daran gezweifelt, dass viele mitkommen werden.«
»Ja, die Sehnsucht nach den Sternen ist trotz aller Entdeckungen nicht geringer geworden, denn es gibt in diesem Kosmos immer noch so viel zu erforschen.« Atlan lächelte versonnen. Als »Einsamer der Zeit« hatte er die Menschheit seit Jahrtausenden begleitet, und sie war ihm inzwischen näher als sein eigenes Volk – weil er sie besser kannte und die meiste Zeit seines Lebens mit ihr verbracht hatte. Die »Barbaren von Larsaf III«, wie er sie früher genannt hatte, lagen ihm am Herzen, seit Tausenden von Jahren fühlte er sich für sie verantwortlich.
»Aber auch für mich stellt diese Reise etwas Besonderes dar«, fuhr der blauhäutige Kimbaner fort. »Es ist vielleicht die letzte Herausforderung in meinem Leben. Eventuell kehre ich nie mehr nach Dommrath zurück. Sie werden mich kaum vermissen. Ruben Caldrogyn ist ein würdiger neuer Ritter und wird die Geschicke der Galaxis verantwortungsvoll lenken. Für mich ist bedeutungsvoll, dass ich in der beginnenden Abenddämmerung meines Lebens mit einem echten Ritter der Tiefe zu einem Ort meiner Niederlage zurückkehre.«
»Ehemaliger Ritter«, korrigierte der weißhaarige Arkonide. »An diesem Status wird sich auch nichts mehr ändern.«
»Aber deine Aura ist spürbar, und das wird uns vermutlich dienlich sein, wenn wir den Pangalaktischen Statistikern begegnen.«
»Du sagtest aber, dass du sie nicht persönlich kennst.«
»Ich war zwar bereits einmal in Wassermal und kann euch daher bei den ersten Schritten dort behilflich sein, aber meine Erkenntnisse habe ich durch Mittelsleute gewonnen. Ich weiß jedoch, dass die Pangalaktischen Statistiker wichtige Erkenntnisse über die Geheimnisse von Thoregon gesammelt haben.«
Atlan stützte das Kinn auf die Hand. »Und du bist nach wie vor nicht bereit, uns dein komplettes Wissen preiszugeben? Beispielsweise, wer diese Mittelsleute sind?«
»Du wirst erkennen, dass die Informationen wichtig sind.« Kascha legte den Kopf leicht schief. Der kleine, quadratische Mundschlitz konnte nicht zu einem Lächeln verzogen werden, aber die beiden kannten sich inzwischen lange genug, dass Atlan viele Gesten und Kopfbewegungen deuten konnte, ebenso umgekehrt der Kimbaner. »Ich erklärte euch, dass ihr eure eigenen Erfahrungen machen müsst ... und womöglich bessere als ich, denn ich bin ja kein echter Ritter. Daher sehe ich auch für die SOL mit ihren besonderen Voraussetzungen bessere Chancen, in Wassermal Wissen zu erlangen, als es für mich und die ATHA'KIMB der Fall war.«
»Und wie groß wird die Gefahr sein?«
»Ich verspreche dir, es wird keine Gefahr für die SOL bestehen. Ich bitte dich um dein Vertrauen.«
»Ich vertraue dir ja, Mohodeh, aber das ist nicht genug. Ich habe schon schlechte Erfahrungen damit gemacht, wenn Wissen erst im letzten Moment preisgegeben wird. Das ist nicht die Art von Unterstützung, die ich mir erhoffe.« Atlans rötliche Augen fixierten den Kimbaner.
»Ich habe nicht so viel erfahren, wie ich mir erhoffte«, gestand Kascha. »Es existieren weitere Thoregons außer den dir bekannten, und sie alle sind nach unserer dommrathischen moralischen Nomenklatur und der medianen Gleichung als negativ, teilweise destruktiv einzustufen, wenn sie wie Diktaturen aufgebaut werden. Zudem, und das halte ich für besonders bedeutsam, ist bei der Entstehung eines Thoregons die Chance zu scheitern enorm groß. Selbst wenn viele den moralisch positiven Ansatz berücksichtigen, sind jahrhundertelange Kriege geradezu garantiert.«
Das war kaum etwas Neues für Atlan. »Offen gesagt halte ich es inzwischen für unverantwortlich, dass die Milchstraße zu einem Thoregon gehört. Zugegeben, der moralische Ansatz der Charta ist über jeden Zweifel erhaben – aber was ist mit der Praxis? Ist so etwas überhaupt durchführbar, und zwar gleichermaßen gerecht für alle?«
»Das bezweifle ich eben auch, wie gesagt. Daher begrüße ich ja deinen Wunsch, die Wahrheit zu ergründen. Ich bin gescheitert, daher hoffe ich, dass es dir gelingt. Aber dazu darf ich eben nicht alles preisgeben, das ist das Problem. Du wirst es später verstehen und mir Recht geben, deshalb bitte ich dich, nicht weiter zu insistieren. Ich habe mich dazu verpflichtet, keine Details auszuplaudern, und dazu stehe ich.«
»Das muss ich dann eben akzeptieren, Mohodeh. Und die Frage Thoregon ist ja nicht die einzige, die sich stellt. Es gibt zwei weitere wichtige Punkte, die wir ergründen müssen und die im Zusammenhang mit Thoregon stehen – wie alles begann.« Atlan aktivierte ein Holo in der Mitte des Raumes, das drei in Interkosmo geschriebene Sätze in einem Rahmen zeigte.
Was sind die wahren Ziele der Thoregons?
Wer sind die Helioten?
Wer hat die Brücke in die Unendlichkeit erbaut?
»Das ist nun die Agenda unseres Zieles«, erläuterte Atlan. »Die SOL wird nicht zurückkehren, bevor diese drei Fragen beantwortet sind. Davon hängt nicht zuletzt die Zukunft der Menschheit und auch der ganzen Milchstraße ab. Diese Agenda ist permanent sichtbar an allen wichtigen Punkten der SOL angebracht, wo die Mannschaft zusammenkommt – im Erholungssektor, in den Messen, auch in den Besprechungsräumen und so weiter. Damit niemand an Bord hier vergisst, weswegen wir unterwegs sind, und am Sinn unserer Mission zu zweifeln beginnt.«
»Das ist eine sehr große Aufgabe«, kommentierte Mohodeh Kascha, und für einen Moment wirkte er beeindruckt. »Ich hoffe, dass dafür eure Lebenszeit ausreicht.«
»Meine wird es in jedem Fall«, sagte Atlan mit einem fast grimmigen Lächeln. »Wir sind lange genug benutzt worden. Von den Kosmokraten, von ES, sogar von der Koalition Thoregon. Es wird Zeit, dass wir eine Antwort auf das Warum bekommen.«
»Und es wird wichtig sein, dass ihr euch jetzt auf den Weg gemacht habt.« Der Ritter von Dommrath deutete symbolisch in weite Ferne. »Die Kosmokraten agieren unendlich langsam, selbst für einen Langlebigen oder Unsterblichen. Doch das darf man nicht unterschätzen. Sie werden es sich nicht gefallen lassen. Eines Tages werden sie handeln, um alle Thoregons ein für alle Mal zu vernichten. Eine DORIFER-Pest wäre dagegen wahrscheinlich ein harmloser Schnupfen.«
Etappen
Guten Morgen, liebe Besatzungsmitglieder, hier ist der beliebteste Sender der Galaxis, dieser wie jener, und erst recht im Leerraum dazwischen. Danke, dass ihr uns eingeschaltet habt und an unserer Premiere teilhabt, der allerersten Sendung von SOLtv!
Natürlich haben wir SENECA gebeten, dafür zu sorgen, dass niemand diese Premiere verpasst, denn trotz unserer gestrigen Werbung bin ich sicher, dass einige von euch uns vergessen hätten. Doch heute wollen wir euch alle ansprechen, damit ihr wisst, was in Zukunft auf euch zukommt. Wir wollen euch informieren, involvieren, integrieren!
Wieder einmal beginnt ein wundervoller neuer Tag an diesem 25. März 1304 NGZ. Das Wetter in den hydroponischen Gärten und Erholungslandschaften ist sonnig und mild, wie nicht anders zu erwarten. In der Nacht gab es dort jeweils einen sanften Regenschauer, der dafür sorgt, dass unser karger Diätplan stets durch frische Kost aufgewertet wird und unsere Augen sich fortdauernd an einem landschaftlichen Idyll erfreuen können, ohne sich dazu den Gefahren eines Planeten aussetzen zu müssen.
Kommen wir nun zu den Nachrichten und Berichten aus aller Welt, sprich: unserer SOL, wie immer zusammengestellt von unserem unermüdlichen Datensammler Morten Racast und ebenso wie immer präsentiert und mit dem neuesten Klatsch und Tratsch gewürzt von eurer Nachtschwalbe Vesper!
*
Fee Kellind warf das zabelonische Fruchtbarkeitszwinkel, das stets neben ihrem Nachttisch stand, gegen den Holoschirm an der Wand, drehte sich um und zog sich das Kissen über den Kopf. Das nur fünf Zentimeter kleine Figürchen landete rein optisch betrachtet treffsicher auf der Nase der bleichen, aber lieblich anzuschauenden, stets strahlenden Vesper, bevor es von dem Schirm abprallte und geräuschlos auf den weichen Teppich fiel.
Das Kissen dämpfte das muntere Plappern der »Nachrichtensprecherin«. Fee döste langsam wieder ein, aber die Ruhe währte nicht lange.
»Guten Morgen, Fee!«, summte gleich darauf eine mechanische Stimme, und ein kalter Metallfinger tippte ihr auf den Rücken. »Das Frühstück ist bereit!«
Die Kommandantin der SOL gab nach. Sie richtete sich auf und rieb sich verschlafen das Gesicht. »Servo, musst du mich auch noch nerven?«, fauchte sie unwillig. Sie berührte einen Sensor am Bett-Terminal, und das Holo erlosch. »Ich habe eine verdammt lange Nacht hinter mir und wollte wenigstens ein paar Stunden Schlaf ...«
»Es tut mir Leid, aber du hast mich damit beauftragt, dich zwei Minuten nach sieben Uhr zu wecken, falls du vorher SOLtv überhörst.« Der Servo surrte eifrig in der Kabine umher und räumte auf.
»Ich habe abgeschaltet, trotz Premiere. Was soll es schon an Neuigkeiten geben?« Fee griff nach der Tasse und betrachtete misstrauisch das dampfende schwarze Gebräu. »Was ist das?«
»Extra stark gerösteter Javaruni-Kaffee mit Rotblattextrakt, genau wie du ihn bestellt hast.«
Fee zuckte mit den Achseln und kippte den heißen Kaffee mit Todesverachtung hinunter. Dann verzog sie das Gesicht. »Pfui Spinne, ist der bitter! Hast du ihn nicht gesüßt?«
»Sollte ich das?« Der Servo klickte leise und summte dann: »Kein Fehler meines Programms.«
»Wenigstens macht er wach«, murmelte Fee und verschwand in der Nasszelle.
»Manchmal hasse ich meinen Job, Servo«, bemerkte sie, als sie erfrischt und perfekt gestylt wieder zurückkehrte, um das Frühstück zu vollenden. »Gestern haben sich Myles und Tangens in die Haare gekriegt, und ich musste mir das stundenlang anhören. Atlan hat sich ja schnell ausgeklinkt, doch was sollte ich machen?« Sie schüttelte ihre langen, in der Mitte gescheitelten blonden Haare zurecht. »Als ob wir nicht schon genug Probleme hätten ...«
»Möchtest du noch etwas?«, kam der Servo seiner Pflicht nach. Er war nicht unbedingt ein geeigneter Gesprächspartner. Fee besaß aber sonst keinen Vertrauten, und sie wollte sich im Grunde nur Luft machen.
»Nein, ich ...« Der Bordfunk unterbrach sie. Die Kommandantin runzelte die Stirn. »Was denn, jetzt schon? Wir sind gerade einen Tag auf großer Fahrt unterwegs!«
In der Kabinenmitte baute sich ein Holo auf, und das Brustbild eines Mannes mit dunklen Haaren und hellblauen Augen wurde sichtbar. Trotz des Ausschnittes konnte man seine schwere Gestalt erahnen.
»Deangelis!«, erkannte ihn Fee. »Ich hoffe, die Angelegenheit ist wichtig!«
»Ich wollte nur daran erinnern, dass wir um neun Uhr in meinem Büro verabredet sind«, antwortete der SOL-Major ruhig.
»Ich weiß, danke. Ich werde rechtzeitig da sein. Gewissenhaftigkeit ist eine Tugend, nicht wahr?«
»Als Chef der Bordlogistik sollte sie sogar meine oberste Tugend sein, Kommandantin.«
»Hm. Ja. Bis später.« Sie schaltete ab und wunderte sich über den Anruf. Sie hatte nie einen Termin versäumt oder war mehr als ein paar Minuten zu spät gekommen. Eine Erinnerung, ausgerechnet an sie, war mehr als überflüssig, und sie wusste nicht, ob sie belustigt oder verärgert sein sollte.
Automatisch prüfte Fee den korrekten Sitz ihrer Kleidung. Es war ihr sehr wichtig, dass sie einen perfekten Eindruck machte. Sie hatte nicht vergessen, wie lange sie einst darum kämpfen musste, vom Terranischen Liga-Dienst als Außendienstagentin eingesetzt zu werden. Nun war sie Kommandantin der SOL und befehligte ein acht Kilometer langes Schiff mit rund 5800 Besatzungsmitgliedern – und mit Aktivatorträgern als Expeditionsleitern.
Der Anspruch an sie war entsprechend enorm, und sie würde sich unter keinen Umständen eine Blöße geben. Sie wusste, dass sie sehr gut, fast makellos perfekt aussah, deshalb legte sie viel Wert auf ihr gesamtes Erscheinungsbild. Ebenso korrekt musste sie in ihrem Verhalten sein – stets aufmerksam, ruhig, ausgeglichen.
Mit einer solchen Verantwortung konnte Fee nach ihrem eigenen Bild sich nicht als »der Kumpel von nebenan« geben, ihre Autorität und ihr Führungsanspruch mussten zu jedem Zeitpunkt unangefochten sein. Fee Kellinds bisherige Leistungen hatten die Unsterblichen und die Mannschaft überzeugt, und so sollte es auch in Zukunft bleiben. Ihr Innenleben war zweitrangig und ging niemanden etwas an.
Dieser Deangelis, dachte sie, –weiß nicht so recht, ob ich ihn sympathisch finde. Seit den Planungen für den Flug nach Wassermal haben wir jetzt beinahe jeden Tag miteinander zu tun gehabt, aber richtig kennen gelernt habe ich ihn nicht. Er ist nicht unhöflich oder unfreundlich, aber ... ich weiß nicht. Er redet sehr wenig, stets nur sachlich und auf die Arbeit bezogen. Er ist sehr schwer einzuschätzen und so ...