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Ende einer Selbstzerstörung
Leipzig und die Revolution in der DDR

Hartmut Zwahr

Ende einer
Selbstzerstörung

Leipzig und die Revolution in der DDR

Hartmut Zwahr, geboren 1936 in Bautzen, Studium der Geschichte und Germanistik in Leipzig, dort 1963 Promotion, 1974 Habilitation; 1978 Professur an der Sektion Geschichte der Karl-Marx-Universität Leipzig, von 1992 bis 2001 Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte am Historischen Seminar der Universität Leipzig.

Buchveröffentlichungen der letzten Jahre: Herr und Knecht. Figurenpaare in der Geschichte (Leipzig 1990); Revolutionen in Sachsen. Beiträge zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (Weimar/Köln/Wien 1996); Leipzigs Messen 1497–1997 (Mitautor; Köln/Weimar/Wien 1999); Die erfrorenen Flügel der Schwalbe. DDR und »Prager Frühling«. Tagebuch einer Krise 1968 bis 1970 (Bonn 2007); Geschichte der Universität Leipzig 1409–2009, Bd. 2: Das neunzehnte Jahrhundert 1830/31–1909 (Mitautor; Leipzig 2010).

Umschlag
Titelbild: Auf dem Ring, 30.10.1989, Montagsdemonstration, rechts der Hauptbahnhof, Osthalle; Fotografie Michael Korcz, Leipzig Rückseite: »Gespräche am Karl-Marx-Platz« im Gewandhausfoyer am 29.10.1989, Gesprächsleitung Kurt Masur; Fotografie Uwe Pullwitt

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-86729-122-4
E-Book (epub) ISBN 978-3-86729-522-2
E-Book (pdf) ISBN 978-3-86729-523-9

1. Auflage 2014
Alle Rechte vorbehalten.
© Sax-Verlag, Beucha • Markkleeberg 2014
Erstausgabe bei Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1993
Einbandgestaltung: Birgit Röhling, Markkleeberg
www.sax-verlag.de

eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net

Inhalt

Einleitung

Zur Leipziger Neuauflage

Selbstzerstörung

Selbstbefreiung

Vorspiel: We shall overcome. Leipzig am 25. September 1989

Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit! Leipzig am 2. Oktober

Im Feierton

Exkurs: Staatsterror

Der 7. und 8. Oktober in Ost-Berlin

Allerhöchste Weisung und Drohung

Wir sind das Volk! Leipzig am 9. Oktober 1989

Verfall und Zerfall des administrativen Systems

Die Mauer muß weg! Leipzig am 6. November

Zeitzeugenschaft. Kommentar

Wende in der Wende:

Die nationale Revolution – Deutschland einig Vaterland!

Das Ende der Stasi

Beginnender Macht- und Systemwechsel

Ein neues Deutschland

Zum Schluß

Heinrich August Winkler: Mehr als ein Zusammenbruch.

Hartmut Zwahr über die Revolution in Leipzig und das Ende der DDR

Anmerkungen

Personenregister

Einleitung

Dies ist das Buch eines Leipzigers, von Beruf Historiker, über die Ereignisse 1989 in Leipzig und die Revolution in der DDR. Das Erlebte, die Erfahrungen haben sich jeweils schon am Abend nach den Montagsdemonstrationen beim Berichten verdichtet, dann noch einmal, wenn Bekannte, Freunde, Kollegen kamen, um Genaueres zu hören. Später folgten Vorträge und Diskussionen an den Universitäten Rotterdam und Leiden und an der Volkshochschule Bielefeld, im März und im Mai 1990, danach am Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen. In dieser Zeit ist das Manuskript entstanden, im Wesentlichen habe ich es bis zum Herbst 1990 niedergeschrieben. Während der Bearbeitung für den Druck habe ich es nur noch wenig ergänzt, und dies überwiegend in den Anmerkungen. »Ende einer Selbstzerstörung« war auch schon der Titel des Vortrages in Rotterdam.1

Die Selbstzerstörung der DDR endete mit einer Selbstbefreiung. Sie war für viele Menschen in den fünf neuen Bundesländern eine wichtige gemeinsame Erfahrung und ist das bis heute geblieben. Die Wege der Erinnerung in die davorliegende bizarre Welt des vormundschaftlichen Staates2 sind inzwischen immer weniger begehbar. Neue Wirklichkeiten sind entstanden und haben in vertraute Räume Einzug gehalten. Der Blick mancher Zeitgenossen ist schärfer, genauer geworden, der anderer hat sich getrübt. Zuweilen führt das zu Irritationen, wenn Beteiligte über dasselbe sprechen. In dieser Situation ist das Buch entstanden. Es schadet nichts, wenn ihm das anzumerken ist.

Der Anfang war das Aufschreiben beim Gehen, während der Demonstrationen. Die Menschen waren bis auf den Grund aufgewühlt und hatten die Angst überwunden, auch die Angst vor dem Aufschreiben und Aufgeschriebenwerden. Wer, außer dem Historiker, dachte in diesen Augenblicken daran, daß es die Normalform zeitlichen Abstandnehmens ist, Erlebtes zu vermengen, zu vergessen?

Der Himmel über den Leipzigern war grau. Sie gingen durch die Düsternis der Montagabende, durch Schmutz und Absterbeluft. Sie skandierten Massenrufe, klatschten mit Händen in Handschuhen den Takt, sangen. Sie alle waren aus sich herausgegangen. Zuvor hatte es viele Gründe gegeben, seine Identität zu verbergen. Die Folge war die Maske – das Schafsgesicht, wie auf Wolfgang Mattheuers Gemälde »Geh’ aus deinem Kasten« (1985) im Sprengel Museum in Hannover. Der Leipziger Maler zeigt dem Betrachter eine Szene der Selbstbefreiung. Einer, der nicht länger mit zwei Gesichtern leben kann, der zu sich selbst gekommen ist, verläßt das Gehäuse, in dem er wie eingeschlossen gelebt hat. Die Tür geht auf, und er, ein Noah unserer Tage, wirft seine Kleider ab, nackt entschlüpft er ins Freie. Sein Gefährte bleibt wie versteinert zurück und verbirgt sein Gesicht weiter hinter der Maske mit dem Schafsgesicht, während das Gehäuse zu brennen anfängt. Das Bild führt also auch dies vor Augen: Selbstzerstörung. Auf der rechten Bildseite ist der Kopf eines bärtigen Mannes zu sehen, zu dem ein ausgestreckter, den Weg weisender Arm gehört. Die Hand zeigt dorthin, wohin niemand geht. Die andere Hand liegt, einen Dolch haltend, auf dem Fußboden. Ein geöffneter Schrank ist (bis auf eine kleine Kugel) leer. Eine Hand, die in eine Richtung weist, in die niemand geht; ein Schrank, der (fast) leer ist – das besagt doch wohl: Ende. Der Titel des Bildes, Geh’ aus deinem Kasten, mahnt zum Ausbrechen und zum Aufbruch. Mit einer solchen selbstbestimmten Entscheidung begann die Selbstbefreiung.

Die Tür in die Freiheit sprang in den Montagsdemonstrationen weit auf, die Leipziger haben sie zuerst geöffnet. Irgendwo neben der Straße, auf der die Demonstranten zu Tausenden gingen, lagen die Masken mit dem Schafsgesicht, die sie so lange vor die Gesichter gehalten hatten. Über vieles hatten die Leipziger hinweggesehen, geschwiegen. Bis sie darüber erschraken, wie abgestumpft sie waren. Vielleicht erschraken sie zum ersten Mal, als sie erfuhren, daß der Auwald austrocknete, weil die Braunkohlentagebaue, die an den Rändern der Stadt fraßen, das Grundwasser absenkten; oder als ihnen eines Tages über den bunten Messefahnen und -fähnchen die blinden Augen der Geschäftshäuser in der Hainstraße auffielen, Häuser, die zu den ältesten Leipzigs gehörten. Oder als sie plötzlich sahen, daß ein zeichnendes Kind reagierte, wo sie selbst längst stumm geworden waren. Ich erschrak über drei Wohnhochhäuser, die auf der Schülerzeichnung eines Elfjährigen aufragten; in einem davon war er zuhause. Wo keine Wohnblöcke waren, füllte grauschwarze Luft den Raum vom Himmel bis zur Straße, auf der zwei Autos, ein blaues und ein rotes, wie auf den Grund eines Pfuhles gesunken, zu sehen waren. Auf der anderen Bildhälfte, durch einen Pinselstrich getrennt, winkte ein gelbes Haus mit Giebel. Darüber schwebten vier blaue Wolken, und vor dem Haus floß ein Bach durch eine Wiese. Wer von denen, die in den Demonstrationen gingen, hatte kein solches oder ein ähnliches Haus im Kopf? Wer hatte kein Wunschbild vor Augen? Schließlich weigerten sich die Männer und Frauen, die Schüler und Lehrlinge, in das reale Haus ihrer Ängste, der Verbote und Demütigungen zurückzukehren. Die Fahrt in den Betrieb, in die Schule am Morgen nach der Demonstration war eine solche Rückkehr. Der Ausbruch aus der geschlossenen Gesellschaft bleibt ein Fixpunkt in der Biographie der Beteiligten. Er kann helfen, Irritationen zu widerstehen, die vom Gang der Dinge im vereinten Deutschland ausgelöst werden. Dazu gehört auch die Idee, daß es vielleicht besser gewesen wäre, dies alles hätte gar nicht stattgefunden.

»Analysen zur Wende« nannten die Herausgeber die Beiträge zu dem Band »Leipzig im Oktober. Kirchen und alternative Gruppen im Umbruch der DDR«.3 Wende oder Revolution? Die friedliche Revolution brachte die Wende! Sie führte den Machtwechsel und über diesen schließlich auch den Systemwechsel herbei. Daß es ein bloßer Zusammenbruch war, kann ich aus dem Erleben heraus nicht bestätigen. Wer die Wucht der Demonstrationen nicht gespürt und deren langen Rhythmus nicht verarbeitet hat, dem ist Wesentliches entgangen.

Der Mecklenburger Uwe Johnson hat das Leipzig seiner frühen Universitätsjahre rückblickend die eigentliche und die wirkliche Hauptstadt der DDR genannt. Das parteiadministrative System hat die Vision eines neuen Deutschlands erdrückt, für die hier, in Leipzig, etwa die Geistigkeit eines Ernst Bloch, Werner Krauss, Julius Lips, Walter Markov, Hans Mayer stand.4 Wirklichkeit wurde der autoritäre Gegenentwurf einer neuen deutschen Republik der (Berliner) »Gruppe Ulbricht«.5 Es hat innere Logik, daß es Bürger und Bürgerinnen Leipzigs waren, die mit der Demontage des parteiadministrativen Systems begonnen und schließlich dessen Ende herbeigeführt haben. Der ungestüme Aufbruch in eine bessere DDR endete mit ihrem Untergang.

Zur Leipziger Neuauflage

Nachbemerkung vom Dezember 1989 anläßlich der Fahnenkorrektur von »Herr und Knecht. Figurenpaare in der Geschichte« (Urania-Verlag Leipzig / Jena / Berlin):

»Was ich über HERR und KNECHT, einen Gegenstand dialektischer Sozialgeschichte, schrieb, hat immer auch mit der Freiheit des Menschen zu tun. Knecht und Magd können den Herrn zum Rollentausch zwingen, Freiheit und Würde haben sie damit noch nicht errungen. Oder ein Dritter stößt den Herrn vom Stuhl, auf den Kunze sich setzt, und Hinze wird sein Fahrer (Volker Braun: Hinze-Kunze-Roman, Halle-Leipzig 1985) oder sein Spitzel.

MIELKE-KNECHTE schämt euch – haben Dresdner groß an die Mauer des auf dem östlichen Elbufer gelegenen Objekts Bautzener Straße geschrieben. Widmen möchte ich das Buch denen, die in Leipzig am 2., am 7. und am 9. Oktober in der Innenstadt und auf dem Ring gegen das System der Selbstzerstörung dieses Landes und seiner Menschen demonstrierten. Möge die Revolution es dauerhaft überwinden … Leipzig, Dezember 1989.«6

Aus der Absicht, jenes grundstürzende Geschehen zu dokumentieren, das Teil einer großen europäischen Freiheitsbewegung war,7 entstand »Ende einer Selbstzerstörung. Leipzig und die Revolution in der DDR« – mit Vorträgen im März 1990 an den Universitäten Rotterdam und Leiden, später an der Volkshochschule Bielefeld und dem Göttinger Max-Planck-Institut für Geschichte. Zum 38. Deutschen Historikertag in Bochum, September 1990, habe ich dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht das Manuskript eingereicht; es ist mit einiger Verzögerung 1993 erschienen. Die Ausgabe mit dem Umschlagbild von Wolfgang Mattheuer »Geh aus deinem Kasten«, 1985, Öl auf Leinwand, erzielte in kurzer Zeit zwei Auflagen. Auszüge sind vor allem für die Schule nachgedruckt worden.8

Das Buch ist schon lange vergriffen, und so war es der wiederholt erklärte Wunsch des Sax-Verlages, den Text nach Leipzig zurückzuholen, wo er entstanden ist und wovon er wesentlich handelt. Diesem Angebot und der Möglichkeit zu Erweiterungen der inzwischen stets und ständig ansteigenden berichtenden und Forschungsliteratur bin ich dankbar gefolgt. Ergänzende Titel in den Anmerkungen stehen kursiv. Weitere Hinzufügungen sind im laufenden Text mit einer grauen Hintergrundfläche kenntlich gemacht. Der Beitrag »Zeitzeugenschaft. Kommentar« und ein weiterer zur Leipziger Montagsdemonstration vervollständigen die Neuauflage; Letzterer ist überschrieben mit »Die Mauer muß weg! Leipzig am 6. November«. Ihn aufzunehmen, darauf hatte der Göttinger Verlag seinerzeit verzichtet. Sprechchöre und Transparente zeigen die Unumkehrbarkeit des Geschehens, das dem Fall der Berliner Mauer vorausging. Mein Kommentar zur Zeitzeugenschaft, damals, ist getragen vom Wissen um die Unsicherheit von Erinnerung und von deren Verlust durch Vergessen.

Ein Vierteljahrhundert ist seit der friedlichen Revolution vergangen, und ich sage von Herzen Dank für die Leipziger Neuausgabe dieses Buches, die der Sax-Verlag, vertreten durch Frau Birgit Röhling und Herrn Lutz Heydick, in die Wege geleitet hat. Vandenhoeck & Ruprecht hat die Verlagsrechte ohne Zögern zurückgegeben, Heinrich August Winkler seine Besprechung »Mehr als ein Zusammenbruch. Hartmut Zwahr über die Revolution in Leipzig und das Ende der DDR« (DIE ZEIT, 6.8.1993) zum Abdruck zur Verfügung gestellt. Ich danke auch ihnen.

Leipzig, Januar 2014 Hartmut Zwahr

Selbstzerstörung

Im Herbst 1989 stand in der DDR die Metapher ›Rettung‹ für das Bewußtsein des großen Ausmaßes an individueller wie kollektiver, materieller wie moralischer Zerstörung, Selbstzerstörung. Rettet unsere Altstädte! – mit diesem Aufruf wandten sich Denkmalpfleger Ende Oktober 1989 an die Öffentlichkeit.10 Im November wurde der Zerfall ausgedehnter Gründerzeit-Wohnviertel Leipzigs in dem bedrückend-eindrucksvollen Film »Ist Leipzig noch zu retten?« des DDR-Fernsehens zum ersten Mal landesweit und zugleich von der bundesdeutschen und der internationalen Öffentlichkeit wahrgenommen. Rettet die Buchstadt Leipzig, forderten die Belegschaften Leipziger Verlagshäuser Anfang März 1990. Rettet Leipzig, Dresden, Altenburg, Weimar, Meißen, Görlitz, Bautzen usw. Und die Menschen? Sie waren von innen mindestens so kaputt wie die Häuser.11

Sie hatten in einem System realsozialistischer Selbstzerstörung gelebt. Es war im autoritär-stalinistischen Sozialismus angelegt und nahm Gestalt an, nachdem die Arbeiterrebellion vom 17. Juni 1953 und die Parteirebellion Rudolf Herrnstadts gegen Ulbricht12 gescheitert waren. Danach umschloß das Politbüro Ulbrichts die Fehlkonstruktion eines Systems autoritärer Herrschaft und zentralistischer Planwirtschaft mit dem Sicherheitspanzer des Machterhalts. Der Schutzschild gegen das eigene Volk wurde nach dem Aufstand in Ungarn 1956 verstärkt, als die Parteiprominenz die Wohnungen am Majakowski-Ring in Berlin-Pankow verließ und in die entfernte Waldsiedlung Wandlitz umzog. Das ›Wandlitzsyndrom‹13 entstand. Mit dem Bau der Mauer 1961 wurde der Sicherheitspanzer zum »antifaschistischen Schutzwall«.14 Als Breschnew und Ulbricht, die Führungsfiguren der Verschwörung gegen den demokratischen Sozialismus in der Tschechoslowakei,15 dort die Alternative zum autoritären Realsozialismus zerstörten, verlor dieser weitestgehend seine Reformfähigkeit. Die Selbstzerstörung wurde international stabilisiert und war seitdem wohl endgültig unumkehrbar. Als Gorbatschow die Perestroika in Gang setzte,16 hatte diese Zerstörung ein solches Ausmaß angenommen, daß Systemzerfall und die Notwendigkeit zu völliger Neuordnung der Gesellschaft auch in der Sowjetunion am Ende der Wende zur Selbstbefreiung standen.

Der entscheidende Konstruktionsfehler des ›real existierenden Sozialismus‹ war ökonomischer Natur. Alle Erfahrungen laufen in dem Kernpunkt zusammen, den Karl Korsch 1912 hervorgehoben hat, als er feststellte, daß der Sozialismus »eine ausreichende Konstruktionsformel für die Organisation der Volkswirtschaft noch nicht gefunden hat«.17 Logischerweise müsse nach einer bestimmten Zeit eine Zerfallskrise des Sozialismus eintreten. Ohne Selbstkorrektur bleibe er »eine Entwicklungsstufe zu einem dann nur noch mit Gewalt zu verhindernden Kapitalismus«.18 Die demokratische Revolution in der DDR verlief mit dieser Logik. Der ökonomische Konstruktionsfehler im ›real existierenden Sozialismus‹ hatte zugleich einen irreparablen Demokratieverlust zur Folge, weil die assoziierte Arbeit in dieser Dimension eben nicht ohne den autoritären Zugriff auf den Menschen auskam.19 Der Dramatiker Heiner Müller hat von der feudalsozialistischen Variante der Aneignung des Mehrwerts gesprochen, bei der »das Volk als Staatseigentum eine Leibeigenschaft neuen Typs« erleide.20 Der Verlust an Demokratie war, wie die Geschichte der realsozialistischen Länder zeigt, meistens schon in die Staatsfundamente eingelassen.21 Auf dieser Grundlage verlief die Selbstzerstörung in geradezu systematischen Formen. Sie hat auch die in der Angst Lebenden beschädigt. Die Verursacher der Angst sind aber ebenfalls gezeichnet. So hat schon der Fall des Anwalts und Stasi-Informanten Schnur, Vorsitzender des Demokratischen Aufbruchs, nicht nur einen Täter gezeigt.

Selbstzerstörerisch war letztlich auch die Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik; ihre Kosten haben die DDR ganz wesentlich mit ruiniert. 1989 hatte sich längst erwiesen, daß die Produktivität sank. Dieser Realität entsprach die Redensart: Die Wirtschaft auf Verschleiß fahren. Die ›Verantwortungsträger‹ finanzierten ihren Machterhalt aus der Substanz des Landes.

Durch rigorose Gewinnabführung entmündigten sie die VEB-Staatsbetriebe nach dem Muster der Parteibetriebe, und auf die gleiche Weise die Bezirke, Kreise, Kommunen. Ohne die Zustimmung der Wirtschaftskommission des SED-Politbüros, der Günter Mittag vorstand (er wurde mit Honecker und dem für die Medien zuständigen Politbüromitglied Herrmann am 18. Oktober entmachtet22), konnte der Ministerrat (Vorsitzender: Stoph, SED), die Staatsmacht also, nichts entscheiden. Während der zentrale ›große Topf‹ voll lief, blutete das Land aus. Selbstzerstörerisch wurde in die Reproduktion der Volkswirtschaft eingegriffen. Die Politik der Subventionen setzte das Wertgesetz außer Kraft.23 Die Mittel, die der Grunderneuerung der Wirtschaft entzogen wurden, flossen in die Sozial-, Jugend- und Sportpolitik, in ein perverses Überwachungs- und Unterdrückungssystem, in Fonds für die Privilegien der an der Macht beteiligten Institutionen und Personengruppen und damit in Kanäle von Korruption und Machtmißbrauch. Selbst die paramilitärischen Kampfgruppen in den Betrieben verstrickten den einzelnen Kämpfer in die Privilegienwirtschaft, u. a. mittels einer Zusatzrente. Eine eigene Kampfgruppeneinheit, in der Professoren und Dozenten den Kampfauftrag der Partei erfüllen sollten, hatte sogar die Charité in Berlin.24

Die Unterordnung des Staatsapparats einschließlich Sicherheitsdienst, Polizei und Armee unter den Apparat der Partei drückte sich in der komplexen Verflechtung von Partei- und Staatsstrukturen aus. Die Parteistruktur hatte in gewisser Weise die Staatsstruktur in sich aufgenommen. Die Kaderpolitik folgte dem Grundsatz: Alle maßgeblichen Staatsfunktionäre sind Parteifunktionäre; die Parteisekretäre aller Ebenen gehören den staatlichen Leitungen an, die staatlichen Leiter den Parteileitungen. Das Ministerium für Staatssicherheit und seine Bezirks- und Kreisverwaltungen nahmen eine Sonderstellung mit totalem Überwachungsauftrag ein.25 Die Verflechtung mit den Leitungsebenen der Partei war allein schon durch die Parteizugehörigkeit der Sicherheitskader und durch den Minister als Politbüromitglied gegeben. In Fällen besonderer Dringlichkeit wurden die Parteikader im Rang der Ersten Bezirks- und Kreissekretäre über den Partei- und den Sicherheitsstrang in die Pflicht genommen.26

Der Selbstzerstörungsmechanismus, der dem System eigen war, hat die Führungsfigur Honecker nicht verschont. Wie vor ihm Ulbricht hat er eine ganz auf seine persönliche Herrschaft zugeschnittene Parteidiktatur errichtet.27 Inhaber des DDR-Personalausweises Nr. A 0000001 hat er die absurden Strukturen des parteiadministrativen Systems zur Vollendung gebracht;28 in ihnen hat sich der Antifaschist und Widerstandskämpfer moralisch zugrunde gerichtet. Die Demontage ist ihm zu Lebzeiten zuteil geworden. Vor dem Symbol der auf blauem Grund aufgehenden Sonne, d. h. als Jugendfunktionär mit kommunistischer Vergangenheit, ist er angetreten, um das bessere Deutschland zu erbauen. Das Land, das durch die Leistung unzähliger Menschen aus Kriegstrümmern wiedererstand, wurde für ihn zur besten aller Welten, und er meinte, der ›Fortschrittsstrang‹ deutscher Geschichte sei in der DDR wesentlich durch ihn zur Vollendung gelangt.

Parteihistoriker haben diese Vision ausgestaltet.29 Sie wiesen nach, daß das realsozialistische Drittel der geteilten Nation den Deutschen in der Bundesrepublik um eine ganze Gesellschaftsordnung voraus sei. Es entstand die Auffassung, es gebe eine selbständige sozialistische deutsche (Teil-)Nation,30 und diese kennzeichne eine zunehmende politisch-moralische Einheit. Die Fundamente dafür seien mit der Eroberung der Macht durch die Arbeiterklasse gelegt worden. Aber es war ja nicht die Arbeiterklasse, die die Macht ausübte. Angeblich im Namen der Arbeiter herrschte die Parteiführung. Sie organisierte die flächendeckende Überwachung der Bevölkerung einschließlich der Parteibasis, sie verteilte die Privilegien, sie disziplinierte über das Parteistatut, das Gruppenbildung als Plattformbildung diffamierte und verfolgte, sie disziplinierte die Mitglieder über die Abstimmungsmaschine des ›demokratischen Zentralismus‹ und machte sie hunderttausendfach zu Mitschuldigen. All das hat Ablehnung, ja Haß erzeugt, auch unter Parteimitgliedern. Tatsächlich war die SED eine Partei der permanenten Mitgliederwerbung. Diese war ein Weg zur Instrumentalisierung bei nachlassender Systemeffizienz, ein Mittel der Einbindung in das Wahrheitsmonopol angesichts der Tendenzen zum Rückzug aus der Gesellschaft in der Mehrheit der Bevölkerung. Die Massenaustritte aus der Partei im Jahr 1989 sind für nicht wenige ein Akt der Befreiung gewesen. Die Machtausübung der Arbeiterklasse und die daraus abgeleitete politisch-moralische Einheit des Volkes waren eine Fiktion, die wie ein Kartenhaus zusammenfiel.

Das Ehepaar Honecker fand zuerst in einer kirchlichen Einrichtung Zuflucht,31 dann in einem Krankenhaus der Sowjetarmee. An den ersten freien Wahlen in der DDR nahm es nicht teil. Die Kirchen ermahnten die Menschen, gegenüber den Honeckers Barmherzigkeit zu üben, trotzdem wollte ihnen niemand eine Wohnung zur Verfügung stellen. In dem Prozeß, zu dem es schließlich vorübergehend gekommen ist, hat Erich Honecker nicht mehr vor einem Gericht der DDR, sondern vor einem des vereinigten Deutschlands gestanden. Die Figur hat die Strukturen überlebt, nachdem die Strukturen die Figur zerstört hatten?32 Der Spitzel war in der DDR allgegenwärtig. Unerkannt hat er sich in unserer Mitte bewegt und lebt vielleicht noch heute unter uns so, als wäre er nicht aktenkundig in der ungeheuerlichen Aktenflut der Stasi. Die Spitzel sind unter uns.33 Nicht ohne Grund hat das Bürgerkomitee Leipzig zur Auflösung des MfS am 10. Juni 1990 betont, daß es sich gegen alle Versuche von Regierung und Justiz wende, »diesen Teil der DDR-Geschichte für abgeschlossen zu erklären«?34

Wir alle haben uns in Strukturen der geschlossenen Gesellschaft bewegt und eingerichtet.35 Nicht zuletzt gibt es diejenigen, die durch nichts als ihre Arbeit mitschuldig geworden sind – Opfer der Weisungspyramide, die auf ihnen lastete und deren Spitze der Erste Mann der DDR war. Es waren Hunderttausende, die als letzte Weisungen und Anordnungen ausführten. Viele steckten in Zwängen der Selbstzerstörung wie jener Traktorist, der regelmäßig die Gülle einer Großviehanlage aus dem Tankwagen in die Elbe fließen ließ. Dafür wurde er bezahlt. Der Arbeiter, der am Braunkohlenaufschluß beteiligt war und die Pflastersteine historischer Straßen ausgrub, wußte, daß sie sich in D-Mark verwandeln würden. Mancher Gebildete ließ es geschehen, daß unter seinen Augen Kunstschätze, wertvolle alte Bücher und Dubletten aus Bibliotheksbeständen der Devisenbeschaffung zugeführt wurden. Arbeit in solchen Zwängen verlor ihren Sinn. Stadtarchitekten wußten um die zerstörerische Wirkung der Plattenbauweise, um die Abrißkraft der Baukombinate, die historische Stadtviertel niederwalzten, um Montagekran und Betonplatte den Weg freizumachen. Die Arbeiter fragten häufig nicht nach den Gründen, solange ihr Lohn stimmte. In den Trabantenstädten wohnten Zehntausende und sahen zu, wie die Altstädte, die sie verlassen hatten, immer unbewohnbarer wurden und verfielen. 1989/90 hatte jede zehnte Altbauwohnung in der DDR so schwere Mängel und Schäden, daß sie mindestens teilweise hätten gesperrt werden müssen. Etwa 20 % aller Altbauten waren beschädigt, von den rd. 48.000 denkmalgeschützten Einzelbauwerken galt ein Viertel als extrem gefährdet. Zum Teil sind sie es noch heute. Nach dem 1955 verfügten Mietpreisstopp deckten die Mieten nur noch 36 % der Kosten, die zur Erhaltung hätten aufgewendet werden müssen.36

Der Machterhalt um jeden Preis hat auch die natürliche Umwelt in katastrophalem Ausmaß zerstört. Beispiele dafür sind die mitteldeutschen Industriereviere. Orte wie Borna, Espenhain und Bitterfeld, die »dreckigste Stadt Europas«,37 lagen als »rauchende Ungeheuer« im ökologischen Katastrophenland. Wolfgang Mattheuers Bild »Freundlicher Besuch im Braunkohlenrevier« (1974)38 nimmt diese Realität auf und verbindet sie mit der Politinszenierung einer Abordnung, die Auszeichnungen verleiht, zu einem Sinnbild des DDR-Widerspruchs von Sein und Schein. Wie kein anderer hat Mattheuer als Maler und Graphiker Befindlichkeiten der Menschen in der DDR in Sinnbildern aufbewahrt, in dem Bild »Hinter den sieben Bergen« (1973) etwa die westwärts gerichtete Sehnsucht nach dem besseren anderen Leben, eine Sehnsucht, die sich von der Realität der DDR geradezu abstoßen mußte. Von Borna kommen Wärme und Licht, / doch was in der Luft ist, sehen wir nicht (Transparent auf der ›Montagsdemo‹ am 30. Oktober 1989 in Leipzig). Allein die Sanierung des strahlenverseuchten Uran-Bergbaugebiets im Süden der DDR wird Milliarden verschlingen. Ein Schäfer aus dem mit Schadstoffen hochbelasteten Leipziger Süden fragt: »Wer denkt mal an uns? An unsere Gesundheit, von der wir tagtäglich ein unwiederbringliches Stück verlieren?«39 Industriekombinate haben chemische Schadstoffe in die Elbe oder deren Nebenflüsse eingeleitet. Dieser Umweltskandal ist spätestens bekannt, seit Greenpeace auf einer vierwöchigen Fahrt von der deutsch-tschechischen Grenze bis nach Cuxhaven diese Schadstoffe »im dreckigsten Fluß Europas« nachgewiesen hat.40 Den Verlust an kulturellen Werten hat u. a. der unbeschreibliche Zustand öffentlicher und fachwissenschaftlicher Bibliotheken41 im alten Bibliotheksland Sachsen bezeugt.

Die »Abschaffung der Wirklichkeit« sowohl durch die Politbürokraten im engeren Zirkel der Macht als auch im ›Apparat‹ trieb Menschen in Intoleranz und politische Gewalttätigkeit gegen Andersdenkende, in Lüge und Anpassung und schamlose Privilegienteilhabe, in Bewußtseinsspaltung und Sprachlosigkeit hinter Maske und Maulkorb, in denen sie funktionierten. Ein einzelner, der für viele steht, bekennt, daß er »tiefe Wunden durch Stasi-Praktiken in sich trägt«.42 Eine Folge der staatlichen Selbstzerstörung war auch die Intoleranz, ja Feindseligkeit gegen Andersdenkende, die auf den späten Leipziger Montagsdemonstrationen in dem Massenruf und Massengesang Rote aus der Demo raus hervorbrach. Die Volksbildung der DDR hat einen neuen Menschen autoritär zu formen versucht und weithin tatsächlich auch geformt.43 Ein Funktionierer im entwickelten Sozialismus sollte er sein, zusammengesetzt aus Arbeitsfleiß, Kritiklosigkeit und Genügsamkeit. Toleranz hat er an sich selbst selten erfahren. Und er verfährt nach dem Gesetz Auge um Auge, von dem Martin Luther King gesagt hat, daß es auf beiden Seiten Blinde schafft. Superintendent Magirius von St. Nikolai in Leipzig hat das Problem früh ausgesprochen: »Kaputte Häuser lassen sich reparieren, mit Farbe und einem neuen Dach versehen«. Anders Menschen, »die so eng erzogen sind, daß sie nie richtig zu einem eigenen Standpunkt gefunden haben, weil sie in der Schule nur eine Schulung erlebten, aber nicht eigenes Denken, eigenes Entscheiden, eigene Verantwortung geübt haben; ich denke, das ist der größte Schaden, den wir übernommen haben«.44 Als Pfarrer fürchtete er neue Feindbilder.45

Nie wieder in einer geschlossenen Gesellschaft leben, sich nie wieder deren Zwängen aussetzen müssen! Es gab in der DDR ein parteiadministratives System mit unverwechselbaren eigenen Grundlagen. Es hat fast alle gedemütigt, denn es nahm den Menschen massenhaft den freien Willen. Dieses System entstand im ersten Nachkriegsjahrzehnt. An der Seite der Männer und Frauen aus dem Widerstand und neben kommunistischen Kadern wurde es damals auch von jungen Leuten mitgetragen, die vom Gedanken der Wiedergutmachung erfüllt waren und die der Ideologiewechsel, den sie vollzogen, motivierte. Es waren nicht wenige Verführte, Mitläufer, Mittäter des Nationalsozialismus darunter. Oft waren sie schon im Elternhaus autoritär erzogen worden. Später hatten sie dann den autoritären Umgang mit Menschen als Schüler, im Jungvolk, als Hitlerjunge oder als Mädchen im BDM, im Arbeitsdienst und als Soldaten verinnerlicht. Das waren Voraussetzungen, unter denen auch der schwarze Schatten Stalins und des Stalinismus, der auf den Antifaschismus fiel, als eine Fülle von Licht wahrgenommen werden konnte.46 Vielleicht hat das parteiadministrative System überhaupt nur mit diesen so geprägten ›jungen Leuten‹ der Nachkriegsjahre47 und der ihnen auf Jahrzehnte, oft bis zum Ende der DDR anvertrauten Jugend dieses Ausmaß annehmen können. Es hat sich durch die HJ-Generation und alle, die von ihr diszipliniert wurden, auf eine Bereitschaft zum Gehorsam gestützt,48 der die Selbstzerstörung des Landes so lange hat andauern lassen.

Selbstbefreiung

Seit Öffnung der ungarischen Grenze zu Österreich geriet das politische System der DDR zwischen zwei Räder, die sich in entgegengesetzten Richtungen zu drehen begannen. Das eine setzte der Flüchtlingsstrom in immer schnellere Bewegung, das andere wurde von der tiefen Betroffenheit der Zurückbleibenden angestoßen. Diese sahen sich in ihren Lebensgrundlagen bedroht und reagierten immer heftiger auf die Sprachlosigkeit der Partei- und Staatsführung49 und großer Teile des Apparats, die sich in der Hoffnung wiegten, auf diese Weise fließe das Protestpotential ab. So erklärte Honecker in einem von ihm selbst redigierten Beitrag im Zentralorgan der SED, man solle den Weggegangenen »keine Träne nachweinen«.50 Das Fernsehen brachte die Massenflucht in die Wohnungen: Bilder von Menschen, die in Volksfeststimmung die Grenze überschritten oder im Flüchtlingszug jubelnd in bayrische Grenzbahnhöfe einfuhren. Ihr einziger Wunsch: Wir wollen raus!51 Dieser Ruf erklang auch in Leipzig immer lauter: am 4. September nach dem Friedensgebet in der Nikolaikirche sowie auf dem Hauptbahnhof: Freie Fahrt nach Gießen! und Wir wollen raus!, bis die Dableibenden den Ausreisewilligen mit dem trotzigen Gegenruf Wir bleiben hier! antworteten. Die Demonstration zerbrach an diesem Gegensatz. Nach dem Friedensgebet mit etwa 1.400 Teilnehmern hatte eine Gruppe von Nichtausreisewilligen die Demonstrationsinitiative übernommen. »Schweigend marschierte die erste Reihe los. Aber plötzlich klaffte eine Lücke im Zug. Hinten blieben Menschen stehen und riefen Wir wollen raus! Die Spannung war perfekt. Hilflos und wütend gaben die vorderen Demonstranten ihren Versuch, durch die Innenstadt zu marschieren, auf; die meisten gingen frustriert nach Hause. Einige Aktivisten waren aus Furcht, ›vor den Karren der Ausreiser gespannt zu werden‹, erst gar nicht zur Demo gekommen.«52

Wer in der besten aller Welten des real existierenden Sozialismus lebte, mußte den Grundkonsens in Frage stellen, wenn er die Dinge kritisch sah. Sie kritisch zu sehen aber war er am Ende gezwungen – im Interesse seiner Selbsterhaltung und Selbstachtung angesichts der allenthalben um sich greifenden Selbstzerstörung. Dieser Übergang zur Selbstbestimmtheit kam in St. Nikolai in Leipzig in einer ganz exemplarischen Weise zustande. Das veranlaßte immer mehr Menschen, zu den Gebetsandachten zu gehen, trotz der auf den Dächern installierten Fernsehaugen und ungeachtet des Blickkontakts mit Polizei und Geheimdienst. Dieses Verweilen, Reden und Handeln in der Wahrhaftigkeit, unter dem kirchlichen Schutzdach, war ermutigend und aktivierte. Die Bezirksverwaltung Leipzig des Ministeriums für Staatssicherheit erkannte diese Gefahr durchaus: »Wir schätzen die Sache so ein«, meinte Generalleutnant Hummitzsch Ende August 1989, Auge in Auge mit Minister Mielke, »diese ›Friedensgebete‹ braucht man nicht mehr zu organisieren; das ist seit Monaten ein solches traditionelles Treffen dieser Leute, da braucht man keine Flugblätter, da braucht man auch keine anderen Aktivitäten. Die Leute gehen völlig selbständig dorthin.«53

Das Friedensgebet hatte für die Bezirksbehörde Leipzig unter den sogenannten »Aktivitäten des politischen Untergrundes und der reaktionären Kirchenkräfte« die »absolute Priorität«. »Die Lage ist so, Genosse Minister,54 nachdem jetzt acht Wochen Pause war …, findet jetzt zur Messe am 4.9., 17 Uhr, das erste Mal wieder dieses operativ relevante ›Friedensgebet‹ statt. Alle Bemühungen, die unternommen wurden bis hin zum Staatssekretär für Kirchenfragen, mit den leitenden Kirchenorganen zu einer Verständigung zu kommen, daß eine zeitliche Verlagerung bzw. ein Aussetzen dieser Veranstaltungen während der Messe erreicht werden sollte, sind ohne Ergebnis. Die Kirche hat schriftlich erklärt gegenüber dem Oberbürgermeister – ein Gespräch mit dem Kirchenvorstand durch Genossen Löffler steht noch aus, da verspreche ich mir aber gar nichts davon – sie werden dieses ›Friedensgebet‹ durchführen, sie sind nicht in der Lage, es abzusetzen. Es ist eine traditionelle kirchliche Veranstaltung; sie wollen im Gespräch bleiben, sie sind bereit zu diesem Gespräch, aber in Bezug auf eine Verlegung dieses Termins sind sie nicht ansprechbar. Wir rechnen mit einer außerordentlich hohen Beteiligung. Vorliegende Einzelhinweise gehen in die Richtung; also traditionell werden wir uns als Antragsteller dort wieder versammeln. Es gibt eine gewisse Erwartungshaltung, was sich dort tun könnte. Man spekuliert wieder mit Berichterstattungen der westlichen Journalisten. Es gibt aus unserem Nachbarbezirk Halle noch nicht endgültig überprüfte Hinweise auf angebliche Flugblätter, die orientieren, im Anschluß an das ›Friedensgebet‹ zur Bezirksleitung zu demonstrieren. Da sollen Verbindungen bestehen zu diesen Organisatoren dieser ›Friedensgebete‹.«55

Dies bezog sich auf die innerkirchliche Auseinandersetzung um das Friedensgebet in St. Nikolai zwischen lokaler Kirchenleitung (Superintendent Magirius, Thomaspfarrer Richter) sowie den »Basisgruppen« um Pfarrer Wonneberger.56 Es handelte sich um Sachverhalte, über die später, nach dem Durchbruch zur friedlichen Revolution, öffentlich kaum noch geredet wurde oder Umstände, die nicht bekannt geworden sind: so der »Neuansatz« der Gestaltung des Friedensgebets 1986/87 durch Wonneberger, von den Beteiligten als »Leipziger Opposition« verstanden. Die Gruppenandacht wurde zum »Forum der Opposition«, das Friedensgebet zur »politischen Bühne«, zum Konfliktfeld, was etwa die Zeit von November 1987 bis Frühjahr 1988 umfasste. In einer Predigt hatte Jochen Läßig am 11. April 1988 dazu aufgefordert, »aus diesem Land einen demokratischen Staat zu machen«. Diesem politischen Appell zur Rekonstitution der DDR folgte am 15. August 1988 die Ausschließung der Basisgruppen von Durchführung und Verkündigung der Friedensgebete durch Friedrich Magirius. Man wisse, »dass massiver äußerer Druck zur Absetzung des Friedensgebets der Gruppen geführt« habe, erklärte Läßig am 5. September in einer Mitteilung.57

Demonstrationen lagen nach dem mißlungenen Demo-Versuch vom 4. September in der Luft. In den fünf Etagen des Objektes Runde Ecke in Leipzig, des die Fleischergasse in ganzer Länge berührenden Stasi-Bezirkskomplexes, unter hoch aufragenden Antennen, sah man die Gefahr geradezu leibhaftig herannahen. Das vom Künstler verständlicherweise stilisierte große Ohrenornament, auf dem Münder von Ohren regelrecht bedrängt und eingeschlossen werden (es schmückt die hintere Fassade des Neubaus), steht durchaus für eine Realitätsnähe der damaligen Insassen. Hummitzsch, der Leipziger Stasi-Chef, Minister Mielke mündlich Bericht erstattend: »Was die Gesamtstimmung anbetrifft, so wie das hier bereits dargestellt wurde, ich kann das also hier genauso einschätzen: Die Stimmung ist mies. Es gibt umfangreiche Diskussionen über alle berechtigten und unberechtigten Probleme, die es gibt, und was uns hierbei besonders bewegt, es gibt solche miese Stimmungen auch innerhalb der Parteiorganisation. Wir haben zwar erreicht mit den Mitgliederversammlungen, die im August durchgeführt wurden, auf Beschluß des Sekretariats, Kommunist sein, heißt kämpfen und verändern. Das hat eine sehr gute Resonanz gezeigt. Es wurde mehr diskutiert, und die Versammlungen gingen länger als bisher. Es ist eine gewisse Bewegung entstanden. Aber so, wie wir die Partei uns vorstellen, daß sie in die Offensive geht und sich offensivwürdig mit den Dingen auseinandersetzt, das ist im Moment aus meiner Sicht jedenfalls nicht erreicht, und das Sekretariat sieht das genauso«. Besorgnisse mischten sich in die Beurteilung der politischen Gesamtlage, von deren Stabilität die Leipziger Bezirksbehörde des MfS zu diesem Zeitpunkt wohl noch ausgegangen ist. »Ansonsten, was die Frage der Macht betrifft, Genosse Minister, wir haben die Sache fest in der Hand, sie ist stabil. Wir haben auch nicht eine solche Situation, wie wir das aus der Vergangenheit kennen [gemeint ist der 17. Juni 195358], aber es ist außerordentlich hohe Wachsamkeit erforderlich und differenziert territorial sehr unterschiedlich und objektmäßig. Es ist tatsächlich so, daß aus einer zufällig entstandenen Situation hier und da auch ein Funke genügt, um etwas in Bewegung zu bringen.«

Innerhalb der »Aktivitäten des politischen Untergrundes und der reaktionären Kirchenkräfte« komme dem »bekannten Montagsgebet« die absolute Priorität zu. »Die ›Friedensgebete‹ verlaufen inhaltlich innerhalb der Kirche relativ harmlos, möchte ich sagen. Es gibt seitens der kirchlichen Amtsträger keine Aufwiegelei, wie wir das am Anfang hatten. Aber die Kirche schließt nach Ende der Veranstaltung die Türen, und was auf ihrem Vorplatz oder bei uns im konzentrierten Stadtzentrum geschieht, ist nicht in ihrer Verantwortung. Das ist ihr erklärter Standpunkt. Wir haben, Genosse Minister, gemeinsam mit der Volkspolizei und in Absprache mit Genossen Generaloberst Mittig vorige Woche alle Maßnahmen festgelegt. Es gibt Hinweise auf journalistische Aktivitäten aus dem Reuterbüro, daß man hingehen will, um zu sehen, was sich dort tut. Es gibt viele Erwartungshaltungen. Wir erwarten auch Neugierige, die dort hinziehen, um zu sehen, was tut sich in der Stadt. Die Lage wird kompliziert sein, aber ich denke, wir beherrschen sie. Ende.«59

Vorspiel: We shall overcome

Leipzig am 25. September 1989

Zur ersten in sich geschlossenen Leipziger Montagsdemonstration kam es dann am 25. September.60 Die Medien von ›drüben‹ verpaßten sie glatt. Noch am Tag darauf, während der Fürbitt-Andacht in der Ost-Berliner Gethsemane-Kirche, flossen die Informationen spärlich. Immerhin wußte man von einer Straßendemonstration durch die Stadt, von etwa acht- bis zehntausend Teilnehmern, dem Gesang der Internationale und dem Freiheitsruf.61 Die Andacht hatte um 17.00 Uhr begonnen, wie gewöhnlich; gegenüber den Vorwochen hatte die Teilnehmerzahl mit zweitausend in der Nikolaikirche und mindestens ebenso vielen vor ihr erheblich zugenommen. Pfarrer Führer verlas zu Beginn einen Protest des Kirchenvorstandes und der Superintendentur Leipzig-Ost gegen den Polizeieinsatz am 18. September. Die Kirche erwarte vom Rat der Stadt, Abteilung Inneres, künftig den Verzicht auf eine »derartige Machtdemonstration staatlicher Organe«. Außerdem werde erwartet, daß »seitens staatlicher Stellen die Entstehung öffentlicher Protestgruppen zum Anlaß genommen wird, Angebote eines öffentlichen Dialogs zur gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation zu entwickeln und zu ermöglichen«.62 Die Verständigungsformel Dialog war dabei, die Köpfe zu erobern; sie zerbrach, als sie zum Abwiegeln der Straßendemonstrationen benutzt wurde. Termine zu Fürbittandachten für Inhaftierte wurden bekanntgegeben, angekündigt, daß zur »Entlastung« des Montagsgebets in der Nikolaikirche und zur »Erweiterung der Basis« weitere Leipziger Kirchen sonnabends geöffnet würden.

Pfarrer Wonneberger, Leipzig, sprach das Montagsgebet zum Thema Gewalt: »Mit Gewalt ist der Mensch durchaus zu ändern. Mit Gewalt läßt sich aus einem ganzen Menschen ein kaputter machen, aus einem freien ein Gefangener, aus einem Lebendigen ein Toter … Wer anderen willkürlich die Freiheit raubt, hat bald selbst keine Fluchtwege mehr. Wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen. Das ist für mich keine grundsätzliche Infragestellung staatlicher Gewalt. Ich bejahe das staatliche Gewaltmonopol. Ich sehe keine sinnvolle Alternative. Aber: Staatliche Gewalt muß effektiv kontrolliert werden – gerichtlich, parlamentarisch und durch uneingeschränkte Mittel der öffentlichen Meinungsbildung. Staatliche Gewalt muß sinnvoll begrenzt sein: Unser Land ist nicht so reich, daß es sich einen so gigantischen Sicherheitsapparat leisten kann. ›Die Verfassung eines Landes sollte so sein, daß sie die Verfassung des Bürgers nicht ruiniert‹ – so schrieb der polnische Satiriker Stanislaw Jerzy Lec vor 20 Jahren. Da müssen wir die Verfassung eben ändern.«63

Die »Organe«, die vermutlich einen Tonbandmitschnitt anfertigten, wählten zwei Kernsätze für die Berichterstattung aus: Wer den Knüppel zieht, muß auch den Helm tragen und Wenn die Verfassung nicht dem Bürger nützt, muß die Verfassung geändert werden. Mitglieder des von Pfarrer Wonneberger geleiteten Arbeitskreises »Menschenrechte« entfalteten einzelne Gebetsinhalte zu Fürbitten, so für in der DDR und in der ČSSR Inhaftierte und für Polizisten, die »gegen ihren Willen die Staatsmacht verkörpern müssen«.

Nach Übernahme der im altvorstädtischen Leipziger Osten gelegenen Pfarrstelle in Volkmarsdorf, 1985, durch Christoph Wonneberger war St. Lukas, das etwas weiter von Innenstadt und Ring entfernt war, eher Kirche der sozial Schwachen und »schnell zum Zentrum oppositioneller Aktivitäten« geworden. Unvergessen bleibt der »Statt-Kirchentag« der Leipziger Oppositionsgruppen, an dem etwa 2.500 Personen teilgenommen hatten, als die Opposition Beschränkungen ihres Auftretens zum Kirchentag der sächsischen Landeskirche auf der Pferderennbahn Leipziger Scheibenholz (6. bis 9. Juli 1989) nicht hinnahm und den Protest in die Stadt hinaustrug.64

Nicht anders als auf jenem »Statt-Kirchentag« mischte sich am 25. September 1989 »eine komplexe, in vielem widersprüchliche Konfliktlage«: »die Gruppen«, »die Kirche«, »die Ausreisekreise«. Das Geschehen um die Friedensgebete setzte letztendlich ein Grundphänomen der Diktatur außer Kraft, das auf der »strikten Tabuisierung und Repression gesellschaftlicher Konflikte« beruhte. Als die politische Führung durch Polizeiaktionen, Einkesselungen, Verhaftungen etc. den Systemdruck massiv erhöhte, hat sie immer mehr Menschen mobilisiert, so dass ein »Kontaktsystem« der Bürgerbewegung entstand, das umso unverzichtbarer war, je öffentlicher es wurde. Gruppen und Einzelpersonen haben auf diese Weise »das Tabu der Konfliktrepression« von Furcht und Abschreckung durchbrochen.

Gegen 17.55 Uhr verließen die Friedensgebetsteilnehmer die Kirche, nachdem sie aufgefordert worden waren, ruhig, besonnen, gefaßt zu bleiben und sich bei einer Konfrontation mit den Sicherheitsorganen unterzuhaken und hinzusetzen. Rat und Zuspruch für den Fall einer möglichen Festnahme und Vernehmung waren dringend geboten. Betroffene sollten vom Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch machen. Alles Anzeichen eines drohenden Konflikts. Die Spannung hatte zugenommen, die Kulisse sich verändert. Thomas, 16 Jahre alt, berichtet: »Da standen unheimlich viele Schaulustige. Der eigentliche Kern war vor der Nikolaikirche«. Er sagt auch, was er fühlte: »Ich stand bei den Schaulustigen. Ich muß sagen, ich hab Angst gehabt und viele um mich herum auch«. Gefürchtet wurden vor allem die Überwacher. »Man wußte ja nicht, wer neben einem steht, ob das einer von der Staatssicherheit war oder wer? Und wie sich die Polizeiketten darum gebildet hatten und Zivilisten kleine Plakate herunterrissen.«65 Die Allgegenwart der Stasi war auch für den Sechzehnjährigen beklemmend. Vor der Kirche vereinten sich dann Kirchenbesucher und Wartende, eine Masse meist junger Leute, von denen sich manche im Laufen an den erhobenen Händen hielten, zur ersten großen Protestdemonstration, die seit 1953 wieder den Karl-Marx-Platz betrat, die zwischen Oper und Hauptpost auf den Ring einschwenkte und gegen 18.50 Uhr »in voller Straßenbreite« den Bahnhofsvorplatz erreichte, von wo sie weiter zum Friedrich-Engels-Platz zog. Von dort kehrte sie zum Hauptbahnhof zurück. Vereinzelt wurden Fahrräder geschoben, also hatte man sich spontan angeschlossen. Bemerkenswert ist der Richtungswechsel der Demonstranten in Höhe des »Konsument« am Brühl, wo ein Weitergehen auf dem Ring und ein Einschwenken nicht ratsam schienen, weil von dort die Bezirksbehörde Leipzig der Staatssicherheit aus dem Halbdunkel herüberdrohte. Die an der Spitze Gehenden nahmen offensichtlich Abstand weiterzugehen. Vorsicht wird erkennbar. Sie stand mit dem Thema des Friedensgebets in Einklang.

Die Demonstrationsinitiative soll von etwa dreihundert Personen ausgegangen sein, die vorn als Gruppe marschierten, vermutlich die zuerst aus der Kirche Herausgetretenen. Die Internationale und We shall overcome wurden zu Massengesängen. Sie stehen für zwei verschiedene Traditionen bzw. Kulturen, die eine für eine stark kirchlich-international-friedensbewegte, die andere für eine eher nichtkirchliche, im Kern proletarische. Gesungen wurde, was der Situation entsprach und vertraut war. Selbst Ältere sangen dieses We shall overcome mit. »Als ich am 25.9. mit Bekannten und den Demonstranten das amerikanische Bürgerrechtslied sang«, berichtet ein Invalidenrentner, 56, »standen mir die Tränen in den Augen; ich fühlte mich nicht alleingelassen, wir lernten den aufrechten Gang. Es war wunderschön, als wir sahen, daß viele Leute aus den Straßenbahnen und Bussen ausstiegen und sich uns anschlossen. Der Bann, die Angst vor dem Stasi war gebrochen.«66 Ein junger Mann, den ein Greifkommando an den Beinen gepackt hatte und wegschleifen wollte, erhielt von, wie er schreibt, »Schaulustigen« Unterstützung.67 Fotos, die an diesem 25. September entstanden,68 zeigen eine locker ausschreitende Menschenmenge, die ihren Veränderungswillen noch ganz ohne Spruchbänder bekundet. Sie hatte nur ihre Stimme. Die Sprechchöre waren Freiheit und Neues Forum zulassen. In der Westhalle des Hauptbahnhofs versammelten sich nach Schätzung der »Organe« etwa 800 Demonstranten und riefen dort »wie bereits während des Marsches im Sprechchor Neu-es Forum zu-las-sen«.69

Diese »Personenkonzentration« wurde von der Polizei aufgelöst. Dabei sind sechs Personen »zugeführt« worden, von denen fünf freikamen; gegen einen Bürgerrechtler beabsichtigten die »Organe« ein Ermittlungsverfahren ohne Haft einzuleiten und tausend Mark Geldstrafe zu erheben. Weitere Beteiligte sollten identifiziert und belangt werden, Antragsteller »auf ständige Ausreise« aber kurzfristig die Ausreise erhalten. In diesem Sinne ist die Staatsmacht, wenn auch mit Zähneknirschen, verfahren. (Sie hatte das Protestpotential seit Jahren abfließen lassen, andererseits durch »sozialpolitische Maßnahmen« die Geburtenzahl stimuliert und zur Aufrechterhaltung der Produktion zunehmend ausländische Arbeitskräfte ins Land geholt.) Die Mielke-Zentrale der Staatssicherheit in der Berliner Normannenstraße verlangte vom Staatssekretär für Kirchenfragen, daß er Bischof Hempel, Dresden, nachdrücklich auffordere, »die als Organisatoren und Gestalter des montäglichen Friedensgebets wirkenden kirchlichen Amtsträger zu disziplinieren und derartigen Friedensgebeten einen ausschließlich religiösen Charakter zu verleihen«. Das Montagsgebet sollte als »ständiger Ausgangspunkt für fortgesetzte und sich eskalierende Provokationen gegen den sozialistischen Staat« usw usw. dargestellt werden.707172