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   Claude Cueni– Das Gold der Kelten– Roman– Lenos Verlag

Erstmals erschienen 1998 unter dem Titel Cäsars Druide.

Der Autor

Claude Cueni, geboren 1956 in Basel. Nach dem frühzeitigen Abbruch der Schule reiste er durch Europa, schlug sich mit zwei Dutzend Gelegenheitsjobs durch und schrieb Geschichten. Mittlerweile hat er über fünfzig Drehbücher für Film und Fernsehen sowie Theaterstücke, Hörspiele und Romane verfasst. Im Lenos Verlag erschienen Der Henker von Paris und Der Bankier Gottes.

www.cueni.ch.

www.lenos.ch

ISBN EPUB-E-Book 978 3 85787 567 0

Für Clovis

I.

März, 695 nach römischer Zeitrechnung.

Für einen kurzen Augenblick hatte ich geglaubt, am anderen Ende der Talsohle drei Reiter zu erkennen. Germanische Reiter. Aber ich mußte mich getäuscht haben. Jetzt war nichts mehr zu sehen.

Ich lag bäuchlings auf dem flachen Felsvorsprung, hoch über dem Tal, und blinzelte in die Frühlingssonne. Ich dankte den Göttern, daß sie mich als raurikischen Kelten wiedergeboren hatten. Zufrieden schloß ich die Augen und versuchte die dampfende Minze eines knusprig gebratenen Schweinerückens zu riechen, gerösteten Kümmel und Pinienkerne, in Honig eingelegte Mandeln und Thymian, frisch gemahlenen Pfeffer und Selleriesamen, und ich stellte mir vor, wie eine nubische Sklavin mir dazu Fisch und griechischen Harzwein servierte. In meinem Handelshaus in Massilia fehlte es mir an nichts, denn es existierte nur in meiner Phantasie.

Ich träumte oft in den Tag hinein. Der Druide Santonix hatte mir gesagt, daß ein Wunsch in Erfüllung geht, wenn man ihn sich nur oft genug in allen Einzelheiten vor Augen führt. Alle Sinne würden sich danach richten, und man würde mit der Zeit instinktiv das Richtige tun.

Aber heute wollte mir nichts gelingen. Meine nubische Sklavin erstarrte zu einem römischen Mosaik und zerfiel wie ein altes Gebiß. In meiner Nähe stank es fürchterlich nach verfaultem Fisch. Schuld daran war Lucia. Sie lag wie eine schwarze Sphinx neben mir, die weißen Vorderbeine nach vorne gestreckt, den edlen, schmalen Kopf hoch aufgerichtet, als habe sie irgend etwas gesehen oder gerochen. Sie hatte feines weißes Kurzhaar mit großen tiefschwarzen Platten und über den Augen und an den Wangen rote Feuerflecken. Dreifarbige Hunde wie Lucia galten bei den Römern als mißraten. Deshalb hatte Kretos, ein griechischer Weinhändler aus Massilia, der sich römischer als ein Römer benahm, Lucia auf unserem Hof zurückgelassen. Das hatte ihm die Mühe erspart, sie zu ersäufen. Kretos kam einmal im Jahr in den Norden. In sechzig Tagen brachte er seine Weinamphoren über den Rhodanus, Arar und Dubis hinauf und machte in Vesontio, der Hauptstadt der keltischen Sequaner, halt. Hier verkaufte er den Großteil seines Weins und kaufte mit dem Erlös roten Wollstoff, Eisenwerkzeuge und Goldschmuck. Auf dem Landweg zog er dann weiter den Rhenus entlang. Während die meisten Bediensteten und Sklaven mit der Ware auf dem Wasserweg wieder südwärts fuhren, füllte Kretos den restlichen Wein in keltische Fässer und verkaufte ihn flußauf, flußab. Ja, sogar ins sagenumwobene wilde Germanien, wie es die Römer nennen. Kretos war das alles egal. Für ihn gab es nur Käufer und Nichtkäufer. Und Ariovist, der germanische Suebenkönig, der sich kürzlich westlich des Rhenus niedergelassen hatte, war ein guter Käufer. Er verfügte über Unmengen Raubgold. Kretos’ Handelsreise endete jeweils im Oppidum der raurikischen Kelten am Knie des Rhenus. Von hier aus zog er wieder Richtung Westen, Richtung Arar. Dort warteten seine Sklaven mit ihren vollbeladenen Schiffen auf ihn. Und auf diesem Weg kam er an unserem Hof vorbei. Seine chronischen Zahnschmerzen trieben ihn dazu. Kretos war überzeugt, daß nur der beschränkt haltbare Kräutersud des Druiden Santonix ihm Linderung verschaffen konnte. Onkel Celtillus hatte stets einen Schlauch bereit und tauschte diesen jeweils gegen ein Faß unverdünnten Weins, meistens vierjährigen Sabiner. Wir alle mochten Kretos. Kretos, das bedeutete brandneue Nachrichten, die nicht älter als ein halbes Jahr waren. Vorletzten Sommer war Kretos bereits in den frühen Morgenstunden wieder abgereist, weil er einen Umweg über Genava hatte machen wollen. In der Nacht hatte seine Hündin einen dreifarbigen Welpen geworfen. Kretos hatte ihn in unserem Dorf zurückgelassen. Aber wer in unserem Dorf einen Welpen seinem Schicksal überläßt, überläßt ihn mir. Denn wo ich bin, das hat sich mittlerweile unter den zahlreichen Hunden unserer Siedlung herumgesprochen, gibt es meistens etwas zu futtern. Ich habe den Welpen also Lucia genannt und ihn mit Ziegenmilch hochgepäppelt. Seitdem ist Lucia nicht mehr von meiner Seite gewichen, und mittlerweile haben auch die anderen Hunde akzeptiert, daß Lucia stets den ersten Bissen kriegt. Ich weiß, kein Welpe überlebt ohne Mutter. Es sei denn, die Götter überlegen es sich anders.

Jetzt riß Lucia bereits zum zweiten Mal ihr kräftiges Scherengebiß gähnend auseinander, und der Fischgestank, der ihrem Maul entströmte, war ziemlich römisch. Ich vergrub den Kopf zwischen den Armen und versuchte erneut einzuschlafen. Ich wollte im Traum nach Massilia zurück. Doch Lucia ließ mir keine Ruhe. Sie drückte ihre nasse Nase unter meine Hände, leckte meine Stirn und knabberte an meinem Nacken. Es roch, als hätte ich in einer mit hispanischer Fischsauce gefüllten Amphore gebadet. So lösten sich auch die letzten nubischen Sklavinnen wie Rauchfäden im Wind auf.

»Die Druiden kommen!« Ich schreckte hoch und schaute von meinem Felsen ins Tal hinunter, zu unserem Gehöft, das am Ufer eines Baches lag. Es war kälter geworden. Der Nebel hatte sich gelichtet. Jetzt sah ich die drei Reiter, die in scharfem Galopp zum Bach hinunterritten. Lucia reckte stolz den Kopf und richtete ihre Nackenhaare auf. So sah sie fast wie ein Kelte aus, der seine Haare mit Kalkwasser dornenartig gestärkt hatte. Aber es waren nicht die Druiden, die sie beunruhigten. Sie roch irgend etwas. Und bei Epona, es war nicht Fisch. In der Ferne, dort wo der Rhenus das Land der Kelten vom Land der Germanen trennt, braute sich eine riesige schwarzgraue Wolke zusammen. Als ich die Augen zusammenkniff, sah ich, daß es Rauch war. Es kam aus Arialbinnum, dem Oppidum der Rauriker.

Etwas umständlich ließ ich mich von der Felsplatte gleiten und humpelte zu unserem Hof hinunter. Lucia stolzierte mit gestrecktem Rücken neben mir her und schaute immer wieder prüfend zu mir hoch. Sie hatte sich längst an meinen langsamen Schritt gewöhnt und auch daran, daß selbst ein Räuspern von mir eine Bedeutung hatte.

Unser Gehöft bestand aus acht strohbedeckten Langhäusern. Eine einfache, aber stabile Pfostenkonstruktion stützte die Gebäude. Die Wände waren aus lehmbeworfenem Flechtwerk, die Dächer aus Stroh. Obwohl unsere Kornspeicher und Vorratsgruben zum Bersten voll waren, hatten wir weder einen schützenden Erdwall mit Graben noch Palisaden. Seit wir vor zwei Generationen hierhergezogen waren, lebten wir in Frieden mit unseren Nachbarn. Bei großer Gefahr hätten wir uns in das Oppidum der Rauriker am Knie des Rhenus begeben. Das Oppidum lag bloß einen halben Tagesritt von hier – und jetzt stand es in Flammen.

Vor dem ersten Langhaus wurden die Druiden mit frischem Wasser empfangen. Es waren würdevolle Männer in langärmeligen weißen Tuniken. Darüber trugen sie schwarze Wollumhänge mit Kapuze. Sie wurden wie Götter empfangen. Keltische Druiden waren nicht nur Priester, nein, keltische Druiden waren auch Lehrer, Richter, politische Berater, Astronomen, Erzähler, Mathematiker und Ärzte in einer Person, ja, sie waren das Tor zum Universum des Wissens. Sie waren die lebendigen Bücher der Kelten. Die Schrift war für uns etwas Unreines. Heiliges Wissen durfte nicht schriftlich festgehalten werden. Nur Kaufleute schrieben etwas auf, und zwar auf griechisch, weil die griechische Handelskolonie Massilia das Zentrum unserer Handelswelt war. Hier kaufte der Adel ein, oder Leute, die gerne dazugehört hätten. Ich muß wohl nicht erwähnen, daß ich nicht in Massilia einkaufte.

Ich war damals siebzehn und seit einigen Jahren in der Obhut des Druiden Santonix, der mich die Geschichte unseres Volkes lehrte. Ich hatte sie in Versform auswendig zu lernen. Aber selbst wenn ich eines Tages alles im Schlaf würde vortragen können, so konnte ich noch lange nicht sicher sein, einmal Druide zu werden. Das würde sich erst viel später entscheiden. Daß ich nicht adliger Abstammung war, erschwerte natürlich die Sache. Gut, es war kein grundsätzliches Hindernis. Behaupteten die Adligen. Aber ich kenne keinen Druiden, der nicht adliger Abstammung ist. Wie auch immer: Im schlimmsten Fall konnte ich immer noch Barde werden. Auch Barden waren Gelehrte und großartige Geschichtenerzähler, aber unsere Druiden waren natürlich mehr. Sie waren Mittler zwischen Himmel und Erde, zwischen Leben und Tod, zwischen Göttern und Menschen.

Die Druiden waren heute gekommen, um uns die letzten Anweisungen für unseren langen Marsch an die atlantische Küste zu geben. Es waren drei Druiden, denn die Zahl 3 ist uns Kelten heilig. Doch ich kannte nur meinen alten Lehrmeister, den Druiden Santonix. Seine beiden Begleiter hatte ich noch nie gesehen. Santonix war ein gütiger und weiser Mann. Er war schon fast vierzig und ein begnadeter Lehrer. Obwohl ich unser Gehöft nie verlassen hatte, glaubte ich mit ihm schon das ganze Universum bereist zu haben. Er fand immer die richtigen Worte, um mir unaufdringlich den Weg zu neuen Einsichten zu weisen. Und im nachhinein hatte ich stets den Eindruck, ich sei von selbst darauf gekommen. Dann war ich stolz auf mich und fühlte mich gut. So wünschte ich mir sehnlichst, daß er mir heute mitteilen würde, er würde mich im nächsten Jahr auf die Insel Mona mitnehmen. Dort befand sich das große Druidenzentrum der Kelten, die einzige Druidenschule überhaupt, verborgen in einem dunklen Wald. Nur auserwählte Schüler wurden dorthin mitgenommen.

Santonix hob stumm die Hand und suchte den Himmel nach Zeichen ab. Seine beiden Begleiter senkten den Kopf und murmelten heilige Verse. Ihre schweren Roben waren mit farbigen Kordeln geschnürt. Das bedeutete, daß sie noch in der Ausbildung waren. Die Art und Weise, wie sie jetzt den Kopf hoben und den Umstehenden furchtlos in die Augen schauten, entlarvte sie als Söhne von Adligen, die ihren Status ihrer Geburt und nicht ihrer Leistung oder ihrem Können verdankten. Möglicherweise stand mir heute ein massiver Rückschlag bevor. Die beiden stolzen Pfauen in ihren Roben würden mir allemal vorgezogen werden. Ich hätte Santonix gerne darauf angesprochen, aber das wäre sehr unhöflich gewesen. Etwas auf den Punkt zu bringen ist nicht Sache der Kelten. Wir brauchen die Sprache zur Verständigung nicht. Nur zum Streiten. Abgesehen davon hätte ich heute ziemlich Mühe gehabt, Santonix zu sprechen. Alle drängten nach vorn und bestürmten ihn mit Fragen. Ich wurde von allen Seiten angerempelt, gestoßen, gehalten, geschubst, und wenn ich mich nicht an der jungen Sklavin Wanda hätte festhalten können, wäre ich bestimmt gestürzt, denn ich hatte ein Problem mit meinen Beinen.

»Druide! Drängt Ariovist in den Süden?«

Heute wünschte man sich nicht Rechtsprechung in irgendeinem nachbarlichen Streit und auch keine Kräutermischung gegen blutigen Husten, nein, heute betrafen alle Fragen Ariovist, den germanischen Suebenführer, den die einen Fürst oder Herzog, die andern König nannten. Die Antwort sollten alle gemeinsam erhalten.

»Druide! Was bedeutet der Rauch über Arialbinnum?«

Die Leute auf unserem Hof waren sichtlich nervös. Jetzt, wo wir uns entschlossen hatten, den südwärts drängenden Germanen zu weichen und uns dem Zug der keltischen Helvetier an die atlantische Küste anzuschließen, wollten wir nicht noch in sinnlose Kämpfe verwickelt werden. Wir waren ja bereit, das Land zu räumen.

Santonix gab Postulus, unserem Dorfältesten, die Milchschale zurück und hob den Arm. Stille. Demütig senkten wir unsere Köpfe, als wollten wir vermeiden, den Druiden in die Augen zu sehen. Wenn sie eine Ansprache hielten, sprachen durch sie die Götter. Irgendwie war unser stürmischer Empfang eines Druiden unwürdig gewesen. Santonix stieg auf den erhöhten Fußboden des Getreidespeichers, der stets zum Schutz vor Ratten und Mäusen vier Fuß über der Erde eingezogen wurde, und begann mit lauter, sonorer Stimme eindringlich zu sprechen: »Rauriker! Im Konsulatsjahr des Marcus Messala und des Marcus Piso haben die keltischen Helvetier beschlossen, ihr Land zu verlassen und ins fruchtbare Land der Santonen an die atlantische Küste zu ziehen. Ihr, das Volk der Rauriker, habt euch entschlossen, es den Helvetiern gleichzutun und euch ihnen anzuschließen. So wie sich auch die Stämme der Tiguriner, der Latobriger und der Bojer den Helvetiern angeschlossen haben. Denn wir alle sind Kelten und opfern denselben Göttern. Unsere Vorratsgruben und Speicher sind voll. Jeder ausreisewillige Kelte hat genügend Mehl für drei Monate. Die Götter haben uns deshalb ein Zeichen gegeben, uns Ende März am Ufer des Rhodanus mit den anderen ausreisewilligen keltischen Stämmen zu vereinen. Von dort aus wird uns der große und ruhmreiche Fürst Divico an die atlantische Küste führen. Wir werden durch das Land der keltischen Allobroger ziehen, ohne Verwüstungen anzurichten. Das Stammesgebiet der Allobroger ist heute römische Provinz. Die Römer werden uns aber nicht daran hindern, ihre Provinz zu durchqueren, denn sie wissen, daß wir genügend Nahrungsmittel und den Atlanticus zum Ziel haben. Wir werden Gold und Geiseln stellen, um unsere friedlichen Absichten zu bekräftigen.«

Santonix hielt einen Augenblick inne und fuhr dann fort: »Heute früh hat Ariovist mit seinen Reitern das Oppidum der tapferen Rauriker in Brand gesteckt. Wartet deshalb nicht, bis er euren Hof erreicht hat. Brennt bereits morgen alles nieder, was ihr nicht mitnehmen könnt. Zieht gen Süden. Wartet am Ufer des Rhodanus auf die Ankunft der anderen Stämme. Wenn morgen früh die Sonne aufgeht, müßt ihr euren Hof verlassen haben. Hier können euch selbst die Götter nicht mehr beschützen. Im Norden naht bereits Verstärkung für Ariovist. Zehntausend hungrige germanische Reiter. Aus dem Osten nahen die Daker unter ihrem König Burebista, und von Süden her breitet sich Rom wie ein bösartiger Eiterherd aus. Wollen unsere Stämme überleben, müssen sie noch diesen Sommer den Atlanticus erreichen. Die Santonen werden uns wie Brüder empfangen, denn das fruchtbare Land, das sie uns abgetreten haben, ist bereits bezahlt. In Gold.«

Der Druide schaute in die Runde, als wolle er die Wirkung seiner Worte prüfen. Dann fuhr er fort: »Rauriker, heute nacht werden wir hier ein letztes Mal die Mistel schneiden und die Götter um Schutz bitten. Lug, beschütze uns.« – »Lug, beschütze uns«, wiederholten wir alle im Chor.

Ich hatte eigentlich erwartet, daß alle wieder wild durcheinanderreden würden. Doch niemand rührte sich von der Stelle oder erhob die Stimme. Wir hörten nur noch das Gackern der Hühner und das Grunzen der Schweine, die nach Abfällen suchten. Ihnen war es einerlei, wer ihnen den Bauch aufschlitzte. Die Bewohner unseres Gehöfts schwiegen betreten. Bedeutungsvolle Blicke wurden gewechselt. Ein paar suchten mit skeptischem Blick den Himmel ab. Aber es gab keine Amsel, deren Flug man in irgendeiner Weise hätte deuten können. Fast lautlos wichen wir zur Seite und bildeten eine Gasse, damit die Druiden zum Langhaus konnten, das Onkel Celtillus zusammen mit mir und den Familien seiner Geschwister und Kinder bewohnte. Als die Druiden im Langhaus waren, steckten die Leute die Köpfe zusammen und tauschten vage Andeutungen aus, nickten oder lächelten stumm, als hätten sie soeben eine Eingebung der Götter erhalten. Nüchterne Kelten sind eben schwer verständlich.

Die ersten Ochsenkarren wurden vor die Getreidegruben geschoben. Ein paar junge Reiter ritten hinaus, um die Weidetiere zu holen. Alles war seit langem bis ins kleinste vorbereitet worden. Jeder wußte, was er zu tun hatte, welche Werkzeuge auf welchen Karren kamen, welche Lasttiere womit beladen wurden, wer wofür die Verantwortung trug und in welcher Reihenfolge die Ochsenkarren unseren Hof zu verlassen hatten. Ich setzte mich nachdenklich unter die dicke Eiche, unter der ich fast meine ganze Kindheit verbracht hatte, und legte meinen Arm auf Lucia, die sich eng an mich schmiegte und seufzend die Schnauze auf ihre Vorderläufe gleiten ließ.

Onkel Celtillus trat aus der Hütte und veranlaßte, daß man den Druiden frisches Obst und Milch brachte. Druiden aßen kein Fleisch und tranken keinen Wein. Ersteres war durchaus akzeptabel, aber letzteres war eher ein Argument, das gegen den Druidenberuf sprach und mich ein bißchen trösten würde, falls mir wegen meiner niederen Abstammung die Türen der Druidenschule auf der Insel Mona verschlossen blieben. Ich war hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, in Massilia ein großer Händler zu werden, und der Vorstellung, als lebendiges Buch zwischen Himmel und Erde herumzustolzieren. Für Griechen und Römer wäre das kein Problem gewesen. Sie machen aus ihrem Wissen kein Geheimnis. Aber bei uns Kelten hüten die Druiden selbst den Kalender wie ihren Augapfel.

Onkel Celtillus befahl zwei erfahrenen Reitern vorauszureiten, um die Wege auszukundschaften. Vor zwei Tagen hatte es heftig geregnet. Möglicherweise waren Flüsse über die Ufer getreten und hatten einzelne Wege in schlammige Gruben verwandelt, in denen unsere schwerbeladenen Ochsenkarren steckenbleiben würden. Mein Onkel schien sich Sorgen zu machen.

»Celtillus?« rief ich zu ihm rüber. Er war es gar nicht mehr gewohnt, daß ich unter der alten Eiche lag. Ihre Äste waren so angeordnet, daß sie sich schützend und gleichmäßig wie ein Dach aus Flechtwerk nach allen Richtungen streckten. Ja, seit ich einigermaßen laufen konnte, war ich nur noch selten unter der Eiche.

Celtillus kam eilig zu mir herüber und machte ein richtiges Ziegenmilchgesicht: »Korisios, der Wagen steht für dich bereit«, sagte er knapp. Und seine Augen schienen zu sagen: Mach dir bloß keine Sorgen, wir bringen dich schon zur Küste. Aber er sagte bloß, daß der Wagen bereitstünde, was ich unschwer selber erkennen konnte, da meine Nahsicht vorzüglich war. Aber Onkel Celtillus legte mit einer beinahe dramatischen Bewegung seine Hand auf die hintere Holzplanke des Wagens und wiederholte, daß der Wagen bereitstünde. Dabei machte ich mir überhaupt keine Sorgen. Ich war nämlich überzeugt, daß sich die Götter – ähnlich wie die Senatoren in Rom – zu einem Rudel zusammengeschlossen hatten, um mich, Korisios, am Leben zu erhalten. Ich weiß wirklich nicht, wieso ich das dachte. Aber ich dachte es nicht nur, ich war felsenfest davon überzeugt. Sorgen waren nicht meine Spezialität. Na ja, es bekümmerte mich ein bißchen, daß ich an meinem Waffengurt nur noch zwei freie Löcher hatte. Denn wenn ein Kelte so dick wurde, daß der Gurt zu kurz war, mußte er eine Geldstrafe zahlen. Und ich hatte kein einziges Stück Keltengold mehr im Beutel.

Onkel Celtillus machte sich aber richtige Sorgen. Jetzt kniete er vor dem eisenbeschlagenen Holzrad des Karrens, und befriedigt stellte er fest, daß das Rad rollen würde. Welch überwältigende Erkenntnis. Sich Sorgen machen, das ist einfach keine keltische Tugend. Als Alexander der Große während seines Donaufeldzugs einen keltischen Gesandten fragte, wovor er sich am meisten fürchtete, sagte dieser zu seiner Verärgerung nicht, vor ihm, dem großen Alexander, sondern davor, daß der Himmel einstürzen könnte. Seitdem geht das Gerücht um, wir seien Großmäuler und Trunkenbolde. Aber auch furchtlos. Onkel Celtillus machte sich natürlich nicht Sorgen um sich. Sondern um mich, Korisios.

Ich war anders als andere Menschen. Mein linkes Bein war etwas steif und schwer zu gebrauchen, der linke Fuß stark nach innen verdreht, und so hatte ich beim Gehen Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht. Irgendwie waren meine Muskeln auch stets zu weich oder zu hart, so daß ich Mühe hatte, die Bewegung des Laufens richtig zu koordinieren. Es war eine Behinderung, die mich weiter nicht störte, denn ich war damit geboren und aufgewachsen. Ich hatte nie etwas anderes gekannt. Und Santonix hatte mich gelehrt, zu ändern, was ich ändern konnte, und anzunehmen, was ich nicht ändern konnte. Das war der Schlüssel zum Glück. Denn wenn man etwas Unangenehmes akzeptiert hatte, war man frei, sich den schönen Dingen des Lebens zuzuwenden. Diese Erkenntnis scheint mir sogar bedeutender zu sein als die keltische Schmiedekunst, die zwar selbst die Römer nachahmen, aber immer noch nicht beherrschen und die deshalb in Bronzehelmen herumlaufen.

Ich war damals ein sehr glücklicher Mensch, neugierig und unternehmungslustig, und ich war noch nie jemandem begegnet, mit dem ich gerne getauscht hätte.

»Korisios«, begann mein Onkel Celtillus von neuem und beschrieb mir nochmals, wie er mich an die Küste bringen wollte. Er erklärte mir, daß heftige Regengüsse die Wege unpassierbar machen könnten und daß er für diesen Fall ein weiteres Pferd gekauft habe. Wanda würde mit mir reiten.

»Wanda!« schrie ich. »Was habe ich eigentlich den Göttern getan, daß sie mir diese germanische Sklavin aufgebürdet haben? Ich frage mich manchmal, wer hier eigentlich wessen Sklave ist!«

Celtillus schüttelte verärgert den Kopf: »Korisios, die Götter haben mich am Leben erhalten, damit ich dich an den Atlanticus bringe.«

»Aber Celtillus«, lachte ich laut auf, »ich frage mich in letzter Zeit öfter, ob du wirklich der Kerl bist, der zwanzig Jahre lang als Söldner in der römischen Armee gedient hat. Du hast in Hispanien gekämpft, in Africa, in Ägypten und auf Delos. Du hättest dir irgendwo eine Pilzvergiftung holen, mit einem Dreiruderer auf Grund laufen oder von einem parthischen Reiter geköpft werden können, aber du hast alle Widrigkeiten überlebt! Und du hast Angst?«

»Korisios, du hast deinen Vater leider nicht gekannt. Aber ich kann dir heute sagen: Dein Vater kannte keine Furcht, und dennoch hat er das Mittelmeer nie erreicht.«

Ich kannte die Geschichte in allen Einzelheiten, denn sie war in unserer Dorfgemeinschaft immer wieder erzählt worden. Mein Vater, der Schmied Korisios, war damals zusammen mit Onkel Celtillus über den Poeninus nach Rom gezogen, um als Söldner in Roms Armeen zu dienen. Keltische Schmiede waren als Söldner äußerst begehrt. Doch nach wenigen Tagen hatte sich mein Vater an einer Muschel einen Zahn ausgebissen, und obwohl der Legionsarzt den Zahn gezogen hatte, war die Wange angeschwollen wie eine Schweinsblase. Ein griechischer Arzt soll später gesagt haben, daß der Eiter ihm das Blut vergiftet habe. Meine Mutter habe ich auch nicht gekannt. Sie ist bei der Geburt gestorben. Das war ein Schicksal, das uns Kelten nicht schwer berührte, denn der Tod ist für uns lediglich ein Übergang ins nächste Leben. Deshalb ertragen wir auch die Scherze der Götter besser als andere Völker, denn wir wissen von der Wanderung der Seele, und somit ist ein schwieriges Leben nicht mehr als ein schwieriger Tag. Daher gibt es für uns auch keinen Grund, Behinderte zu ersäufen, und für Behinderte keinen Grund, sich selber zu ersäufen. In meinem Fall wäre das ohnehin aussichtslos gewesen, denn ich bin ein ausgezeichneter Schwimmer. Aber wie auch immer: Ich war damals siebzehn Jahre alt und sprühte nur so vor Lebensfreude und Energie. Daß ich ohne Eltern aufwuchs, habe ich nie als ungerecht empfunden, denn das kam häufig vor, und kein Kelte mußte deshalb einsam sein; durch Tod und Krankheit dezimierte Familien bildeten neue Großfamilien, und so lebte ich zusammen mit Onkel Celtillus und neunundzwanzig anderen Verwandten in einem einzigen Langhaus. War das Leben nicht wunderbar?

»Jaja«, murmelte Onkel Celtillus, »du bist jung, Korisios, aber was tust du, wenn dir Ariovist gegenübersteht?«

»Ich werde ihn zum Lachen bringen«, antwortete ich keck.

Celtillus schüttelte ungläubig den Kopf und fuhr sich ratlos über den buschigen Schnauzbart. Meiner war auch schon stattlich, aber er war leider noch nicht so borstig und buschig wie der von Celtillus. Aber vermutlich hatten die Druiden auch dafür irgendeine widerlich riechende Tinktur entwickelt. Es sollte mir recht sein, solange sie nicht mit Garum vermischt wurde.

»Korisios, ich spüre, daß die Kraft in meinen Armen nachläßt. Der Weg, der noch vor mir liegt, ist kurz. Ich werde den Atlanticus nicht mehr sehen. Und mein letzter Gedanke gilt dir, Korisios. Was soll aus dir werden?«

»Onkel«, sagte ich mit gespielter Empörung, »deine Mutlosigkeit grenzt an Götterlästerung. Entweder werde ich eines Tages im Carnuten-Wald zum Druiden erkoren, oder ich werde bis dahin in Massilia mein Handelshaus errichtet haben und alles, was die Römer herstellen, erfolgreich nachbauen und in ganz Gallien verkaufen. Ich werde die Römer ruinieren.«

Das mag übertrieben klingen, aber das mit dem Handelshaus war mir durchaus ernst. Es gab mittlerweile immer häufiger Tage, an denen ich die Laufbahn des Händlers dem Druidenberuf vorzog. Ich war wirklich unschlüssig. Ich wollte Ruhm und Ehre. Ob allerdings als Druide oder als Händler, das wußte ich noch nicht so genau.

Celtillus nickte. Er war alt geworden, mittlerweile war er der Älteste in unserer Gemeinschaft, schon weit über fünfzig. Seit er vor zehn Jahren wieder zu uns zurückgekehrt war, fühlte er sich für mich verantwortlich. Schließlich gehörten wir der gleichen Sippe an. Meinetwegen hatte er letztes Jahr die junge germanische Sklavin Wanda gekauft. Sie sollte ihn eines Tages ersetzen, wenn er ins nächste Leben überging. Aber ich brauchte keine Krücke aus Fleisch und Blut. Ich brauchte keine Sklavin. Und schon gar nicht Wanda. Sie war zwar für mich inzwischen wie eine Schwester, aber eben wie eine Schwester, die man am liebsten im Moor versenken möchte.

»Korisios«, murmelte Celtillus, »wenn ich nachts wach liege und über dies und jenes nachdenke, dann denke ich manchmal: Du magst recht haben, die Götter haben etwas Besonderes mit dir vor. Das alles muß seine Gründe haben.«

»Mindestens drei«, grinste ich.

Jetzt lachte auch Onkel Celtillus, so breit, daß man sogar die vier vom groben Korn abgeschliffenen Zähne sehen konnte, die ihm die Götter noch gelassen hatten. »Wer weiß, Korisios, dein Glaube an deinen Erfolg ist so unerschütterlich, daß ich mich langsam frage …«

»Was ist denn das Schlimmste, was mir passieren kann?« lachte ich.

Onkel Celtillus schaute mich überrascht an. »Was ist schlimmer, Onkel? Daß mir Ariovist das Herz rausschneidet oder daß mich die Römer ans Kreuz nageln? Was es auch sei, es ist schnell vorbei, dann fahre ich mit dem Fährmann in mein neues Leben.«

Celtillus schien erleichtert. Ich hatte ihm Mut gemacht, dabei war mir im Augenblick gar nicht mehr so zumute, denn daß einer wie Celtillus sich Sorgen machte, beunruhigte mich nun doch etwas. Andererseits trank Onkel Celtillus seit Jahren einfach zuviel. Das Trinken steigert zwar den Mut, doch wenn die Wirkung des Weines nachläßt, wird man schreckhaft und ängstlich wie ein aufgescheuchtes Reh. Ich erfaßte den Eisengriff, den mir Celtillus am Eichenstamm befestigt hatte, damit ich mich einfacher hochziehen konnte, und stand auf.

»Wanda«, schrie ich verärgert, so, als müßte sie ständig an meiner Seite sein.

»Ja, Herr.« Sie saß hinter mir und hatte mich offenbar die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen. Ihr »Ja, Herr« klang übrigens in keiner Weise demütig oder gar unterwürfig. Im Gegenteil. Sie sagte ihr »Ja, Herr« derart selbstbewußt, daß es beinahe ironisch klang. Sie war im Grunde genommen ein unverschämtes Ding. Und eine Klette dazu. Das hatte ihr natürlich Onkel Celtillus befohlen. Er drohte ihr oft mit der Peitsche, aber ich glaube, er liebte sie mittlerweile wie seine eigene Tochter. Es gab auf jeden Fall keine Stelle an ihrem Körper, die auf Erziehung hindeutete.

»Ich möchte noch mal zum Felsen rauf.«

Wanda nickte, packte entschlossen meinen linken Arm und ging mit mir langsam den Hügel hinauf. Sie hatte sich längst an meinen langsamen Schritt gewöhnt. Sie war der Ersatz für mein linkes Bein. Obwohl sie unsere Sprache inzwischen beherrschte, suchte sie nie von sich aus das Gespräch. Immerhin hatte ich sie dazu gebracht, daß sie mit mir nur noch germanisch sprach. Ich war nämlich genauso süchtig nach neuem Wissen wie Onkel Celtillus nach unverdünntem römischem Wein. Er hatte mir übrigens Latein beigebracht. Im Handumdrehen. Und Kretos, der stets von Zahnschmerzen geplagte Händler aus Massilia, hatte mir letztes Jahr bescheinigt, daß ich nun endlich die griechische Sprache in Wort und Schrift beherrschte. Diese Erfolge hatten mein Ansehen auf unserem Hof enorm gesteigert und mich angespornt, noch mehr zu lernen. Am liebsten hätte ich in Massilia eine Marmortafel anfertigen lassen, wo alles draufstand, was ich bereits wußte und beherrschte. Aber hier hätte es eh keiner lesen können …

Als wir den Felsen erreicht hatten, ließ Wanda meinen Arm los und zog sehr langsam ihre Hand zurück, so, als rechne sie jederzeit damit, daß ich das Gleichgewicht verlor und sie mich auffangen mußte. Das waren so die Augenblicke, in denen ich an das bereits erwähnte Moor dachte. Selbstverständlich würde ich nicht das Gleichgewicht verlieren! Ich stemmte mich mit beiden Händen auf die leicht erhöhte Felsplatte und zog mich hoch. Obwohl Wanda ganz genau wußte, daß ich es haßte, faßte sie sanft um meine Hüften und half nach. Ich haßte es wirklich. Mit einem kräftigen Sprung hatte auch Lucia die Felsplatte erreicht. Nun schaute sie zu Wanda hinunter und wimmerte leise. Aus unerfindlichen Gründen liebte Lucia Wanda über alles. Und da ich Lucia liebte, rief ich Wanda zu: »Komm hoch, hier scheint die Sonne.«

»Ja, Herr.« Gelenkig kletterte Wanda zu mir auf die Felsplatte. Sie hatte langes strohblondes Haar, das sie seitlich geflochten trug. Dieser Zopf war ein Vermögen wert. Von Kretos wußte ich, daß man in Ägypten dafür viel Gold bezahlte. Angeblich ließen sich aus blondem Germanenhaar die besten Torsionstaue für Katapulte herstellen. Ich weiß nicht, ob Wandas Haar wirklich so hell war. Ich habe schon beobachtet, wie sie unten am Bach ihr Haar mit Talg und Asche einrieb. Ich lächelte sie an und glättete schelmisch meinen Schnurrbart. Sie hatte den Kopf leicht geneigt, traurig, als habe sie sich ihrem Schicksal ergeben. Und doch strahlten ihre wunderschönen Augen Würde aus. Wanda hatte ein hübsches, schmales Gesicht mit vollen Lippen, die stets nach frischem Wasser rochen. Sie trug einen ärmellosen Rock aus rotem Wollstoff, unter dem sich straffe Brüste wie zwei Halbkugeln abzeichneten. Den Stoff hatte sie so drapiert, daß er über den Schultern mit zwei Fibeln zusammengehalten werden konnte. Um die Taille war der Rock gegürtet. Seit sie den roten Wollstoff trug, sah sie wirklich nicht mehr wie eine Sklavin aus. Und wenn man einer Sklavin zwei Fibeln schenkte, konnte man sie genausogut freilassen. Aber so war nun mal Onkel Celtillus. Ich meine, das kommt davon, wenn man römischen Wein nicht verdünnt. Da feiert man das ganze Jahr die Saturnalien. Das war so ein römisches Fest, an dem die Römer ihre Sklaven wie Herren behandelten. Aber eben nur während des Festes.

Wanda schien meine Gedanken nicht zu erraten. Sie saß da und wartete geduldig. Mir fiel auf, daß sie am Handgelenk einen neuen gläsernen Armreif trug.

»Von Celtillus?« fragte ich.

Wanda nickte. In Sachen Gesprächsfreudigkeit unterbot sie wohl jeden Kelten. Auch die stummen.

»Sag mal, Wanda, angenommen, ich wäre Druide, was möchtest du von mir wissen?«

Wanda hatte die Beine übereinandergeschlagen und spielte mit dem Blatt einer Rotbuche.

»Wir Germanen brauchen keine Druiden.«

»Jaja, ich weiß, ihr habt keine Priester, das besorgen eure Stammeshäuptlinge …«, entgegnete ich unwirsch, »aber angenommen …«

»Bei uns«, unterbrach mich Wanda, »haben nur die Frauen seherische Fähigkeiten. Niemand käme auf den Gedanken, einen Mann zu befragen.« Das war Wanda!

»Also«, versuchte ich es nochmals, »angenommen, ich wäre eine Druidin, was möchtest du von mir wissen?«

»Du bist aber nicht Druidin«, sagte sie obenhin.

»Das weiß ich«, sagte ich, allmählich unwillig, »aber ich möchte wissen, was du wissen möchtest, wenn ich Druidin wäre!«

Sie hob den Kopf und schaute mir direkt in die Augen. »Wieso kannst du nicht laufen, Herr?«

Für einen Augenblick war ich verwirrt. Das war wie ein Schluck Garum. Ich wollte eher vom rätselhaften Lauf der Gestirne oder von den sagenumwobenen Tiefen der Ozeane erzählen, und jetzt wollte sie etwas über mein linkes Bein hören. Was sollte ich dazu sagen? Ich war so geboren! Für mich war es das Selbstverständlichste auf der Welt, daß ich durch den Wald humpelte, ab und zu über eine Wurzel stolperte, der Länge nach hinfiel und bei steil abfallenden Böschungen regelmäßig das Gleichgewicht verlor und mit aufgescheuerten Knien durchs Ziel schoß. Na und? Jedem seinen persönlichen Auftritt.

»Ich möchte wissen, wieso du nicht laufen kannst«, wiederholte Wanda. Bei Epona! Wie ernst sie das sagen konnte! So sind die Germaninnen, sie grübeln und graben wie die Maulwürfe und versinken dann wie ein Stein im Moor, bis sie vor lauter Dunkelheit die Sonne nicht mehr sehen.

»Natürlich kann ich laufen! Was mach ich denn die ganze Zeit?« Ich lachte laut und fuhr dann fort, und zwar in germanischer Sprache: »Aber als ich im Leib meiner Mutter heranwuchs, verschwand plötzlich das Wasser, in dem werdende Kinder wie quirlige Fische im Fluß gedeihen. Darin lernt man alle Bewegungen. Ohne Wasser konnte ich mich aber nicht mehr bewegen. Sehr, sehr lange. Deshalb konnte ich nichts lernen. Als ich endlich auf die Welt kam, war ich wie eine griechische Statue. Hübsch und gut gebaut, aber unbeweglich.«

Zu meiner Verblüffung hörte Wanda aufmerksam zu. Es schien sie wirklich zu interessieren. Ich wurde einfach nicht schlau aus ihr.

Ich fuhr fort: »Bei euch Germanen hätte man mich ausgesetzt. Auch bei den Römern oder Griechen. Nur die Kelten und Ägypter ziehen behinderte Kinder groß, denn sie glauben, daß in ihnen Götter wohnen.« Ich grinste übers ganze Gesicht. Diese Deutung gefiel mir außerordentlich.

»Warum glauben eure Priester, daß in dir die Götter wohnen, Herr?«

»Warum?« fragte ich erstaunt. »Warum wohl! Das ist doch ganz einfach: Die Götter haben dir zwei Beine gegeben, damit du sie gebrauchen kannst, damit du laufen kannst. Mit mir haben die Götter offenbar etwas anderes vor. Sie wollen nicht, daß ich für andere laufe. Verstehst du? Sie brauchen meinen Körper als Wohnung.« Ich hob den Kopf, wie es die Söhne der Adligen tun, die ich nicht ausstehen konnte. Aber so konnte mich Wanda wenigstens einmal im Profil sehen.

»Herr, du meinst, die Götter wollen, daß du Druide wirst?«

»Ich möchte soviel wissen wie ein Druide, aber nicht unbedingt Druide sein. Einem Druiden ist es ja verboten, Wein zu trinken. Wie soll er da neue Rezepturen erfinden können? Ich möchte vielmehr der bedeutendste Händler des Mittelmeers werden. Aber mit dem Wissen eines Druiden. Du siehst, für mich müßte man eine neue Druidengattung erfinden. Einen handeltreibenden Druiden.«

Wanda verbesserte meine Satzstellung, die mir immer noch Mühe bereitete, und schaute lächelnd übers Tal. Nach einer Weile sagte sie: »Wenn die Germanen dich als Sklaven nehmen, wirst du unsere Sprache vollkommen beherrschen, Herr.«

»Meinst du? – Was werden die Germanen mit mir anstellen?«

»Sie werden dich in den Salzbergwerken einsetzen. Da mußt du ohnehin auf allen vieren arbeiten. Und irgendwann werden sie dich töten«, antwortete Wanda, als sei dies die selbstverständlichste Sache der Welt.

»Bist du sicher, daß sie keine Dolmetscher brauchen? Oder Menschen, die sie zum Lachen bringen? Ich bring jeden zum Lachen.« Wanda schaute mich mit unbewegter Miene an. »Fast jeden«, fügte ich hinzu.

Plötzlich wurde ich etwas unruhig. Angestrengt starrte ich in die Ferne und sah, wie die Rauchwolke, die drüben am Knie des Rhenus emporstieg, immer schwärzer und größer wurde. Mir schien auch, ich hätte irgend etwas erkannt, das sich auf uns zubewegte. Aber es war noch sehr weit entfernt, und ich konnte nichts Genaueres erkennen. Obwohl meine Augen vorzüglich waren. Nicht jeder hatte dieses Glück. Es gab in Massilia wohl mehr Augenärzte als Hebammen.

»Wanda, sind das Reiter?« fragte ich auf keltisch. Ich hatte diese germanischen Sprachübungen satt.

»Nein, Herr. Aber du hast gesagt, du seist bei deiner Geburt aus Stein gewesen. Erzähl mir, wieso du nicht mehr aus Stein bist.«

Ich musterte Wanda mißtrauisch. Ich war sicher, daß sie Reiter gesehen hatte und mich jetzt ablenken wollte. Als hätte sie meine Gedanken geahnt, sagte sie: »Ich habe keine Reiter gesehen, Herr. Erzähl weiter.«

»Da ich es sehr eilig hatte, in Massilia mein Handelshaus zu eröffnen, kam ich zwei Monate zu früh auf die Welt. Meine Mutter starb bei der Geburt, mein Vater, der Schmied Korisios, wollte mit Onkel Celtillus als Söldner in die Armee Roms eintreten und starb schon auf der Hinreise an einem eitrigen Zahn. Ich war alleine mit all meinen Verwandten und verbrachte meine Tage auf einem Stück Fell. Ich konnte mich kaum bewegen. Wenn die Sonne schien, trug man mich hinaus an die Sonne, und wenn es regnete, trug man mich wieder hinein. Später, als ich zur Überraschung aller zu sprechen begann, wurde mein Leben etwas abwechslungsreicher. Ich hatte Leute, mit denen ich mich unterhalten konnte. Und aus purer Langeweile begann ich zu lernen. Während die andern Jungen in meinem Alter auf Bäume kletterten oder um die Wette liefen, ließ ich mir erklären, wie man Erz oder Salz gewinnt, wie man Schwerter schmiedet und wo die Säulen des Herakles stehen. Lernen wurde zu meiner Lieblingsbeschäftigung. Später, als meine Freunde das Jagd- und Kriegshandwerk erlernten, äußerte ich den Wunsch, Druide zu werden. Doch der damalige Druide Fumix redete mir ein, ich sei krank. Die ganze Zeit versuchte er mich krank zu reden. Dabei fühlte ich mich kerngesund. Aber der Kerl wurde nicht müde, mir zu versichern, ich sei sogar ernsthaft krank und würde für ein schlimmes Unrecht büßen, das ich in einem früheren Leben begangen hatte. Obwohl ich nicht Druide bin, bin ich fast sicher, daß Fumix schon damals an einer Mistelvergiftung litt. Ich flehte also zu unserer Göttin Ellen, die für Krankheiten zuständig ist – nicht, daß ich gesund würde, das war ich ja, sondern daß dieser Fumix verenden solle wie Makrelen an der Sonne. Zu meiner Überraschung starb er wenige Tage darauf, und ich trank zum ersten Mal römischen Wein. Und gleich Falerner. Allerdings vornehm römisch, das heißt mit Wasser verdünnt. Verstehst du, wieso ich immer behaupte, die Götter hätten sich zu meinen Gunsten miteinander verbündet?«

Wanda schaute mich skeptisch an. »Du warst doch bei deiner Geburt aus Stein. Haben deine Götter dir geholfen?«

Wandas Hartnäckigkeit erstaunte mich. Das hätte ich nie von ihr erwartet. Mir schien sie immer so teilnahmslos, ohne Neugier, willig in ihr Schicksal ergeben. Ich lächelte sie an, aber ich glaube, sie bemerkte es gar nicht. So erzählte ich weiter: »Onkel Celtillus hat mir geholfen. Er kam aus der Legion zurück und stellte mich auf die Beine. Der arme Kerl nahm tatsächlich an, daß ich sieben Jahre auf dem Boden verbracht hatte, obwohl ich im Grunde genommen laufen konnte. Das war einfach so eine fixe Idee, wie man sie nur mit unverdünntem römischem Wein herbeisaufen kann. Onkel Celtillus hatte die Idee in Alexandria aufgeschnappt. Er hatte seinen Sold erhalten und die ganze Nacht durchgezecht. Dabei hatte ein Legionsarzt ägyptischer Abstammung erzählt, welche verheerenden Auswirkungen Kopfverletzungen auf die Bewegung von Armen und Beinen haben konnten. Er hatte erklärt, daß das Gehirn aus Millionen von Hieroglyphentafeln bestünde. Und wenn eine dieser Schrifttafeln zerbrach, müßte man das verlorene Wissen wieder von Grund auf neu erlernen. Er habe dabei auch von Kindern gesprochen, denen von Geburt an einzelne Schrifttafeln fehlten. Zum Beispiel die, die dem Kopf erklären, wie man die Beine in Bewegung setzt. Diese Kinder seien auch in Ägypten das Zuhause der Götter. Das könne man nicht ändern. Das sei auch gut so. Doch man könne nachträglich all jene Hieroglyphen einmeißeln, die bei der Geburt noch nicht vorhanden gewesen seien. Zum Beispiel das Geheimnis des Laufens. Das Gehirn könne das nachträglich lernen. Genauso wie der Mensch eine Sprache lerne, könne das Gehirn neue Fähigkeiten erlernen. Es käme ausschließlich auf die Dauer, Intensität und Häufigkeit der Bewegungen an. Wenn man jeden Tag stundenlang laufe, würde die Bewegung mit der Zeit gespeichert, in Stein gemeißelt und von da an richtig wiedergegeben. Wanda, du kannst dir gar nicht vorstellen, was Onkel Celtillus bei seiner Rückkehr mit mir anstellte. Es war grauenhaft! Ich lag friedlich unter meiner Eiche und aß die Beeren, die mir meine zahlreichen Freunde und Freundinnen aus dem Wald mit nach Hause brachten. Und da kam dieser Celtillus, den ich gar nicht kannte, behauptete, mein Onkel zu sein, kniete vor mir nieder, spreizte meine Beine und begann wie ein wild gewordener Galeerensträfling, meine Beine im Takt zu bewegen. Das löste auf unserem Hof große Heiterkeit aus, denn wozu sollte das gut sein, wenn ich mein linkes Bein nicht selber bewegen konnte? Wollte Celtillus mir in Zukunft auf allen vieren folgen und mein linkes Bein bewegen? Oder wollte er mir unter der linken Hüfte ein Holzrad einbauen? Doch zur allgemeinen Verblüffung schaffte ich es nach einem Jahr, das linke Bein ohne fremde Hilfe anzuziehen. Großartig, nicht? Aber Celtillus war damit nicht zufrieden. Stell dir das mal vor! Ich konnte selbständig mein linkes Bein anziehen, was meinen Alltag unheimlich abwechslungsreich machte, und dieser verhinderte Centurio und Menschenschinder war damit nicht zufrieden! Er stellte mich also auf die Beine und ließ mich los. Ich fiel wie ein steinerner Apfel vom Baum. Während andere Leute weich ineinanderfallen und der Kopf aus geringer Höhe aufschlägt, stürzte ich steif wie eine Marmorsäule. Ich nahm das blutverschmierte Gesicht in Kauf, denn ich war überzeugt, daß Onkel Celtillus jetzt aufhören würde. Aber nein, statt dessen brachte er mir bei, wie man richtig fällt … Und dann ging es weiter, wie in einer Gladiatorenschule in Capua. Ich wünschte mir sehnlichst, die Mixtur zu kennen, die unseren toten Druiden Fumix zum Fährmann geschickt hatte, damit ich sie Celtillus in den Wein schütten konnte. Ich haßte ihn und wünschte ihm den sofortigen Tod. Wo war da die Gerechtigkeit? Wieso haben wir so viele Götter, wenn sich kein einziger meiner erbarmen konnte? Wieso mußten mein Vater und meine Mutter sterben, und dieser verfluchte Schinder war am Leben? Es war eine ziemlich schlimme Zeit, und ich spielte ernsthaft mit dem Gedanken, meine Götter gegen andere auszutauschen. Celtillus band mir Fellstreifen um die Knie, setzte mir einen ledernen Helm auf und stellte mich wieder auf die Beine. Ich torkelte, als hätte ich einen Bronzekessel unverdünnten Weins mit Cervisia vermischt und in einem Zug ausgetrunken. Kam ich an einer Feuerstelle vorbei, brachten die Leute ihre Tongefäße in Sicherheit. Man hätte meinen können, die Tonbrennerei südlich vom Rhenusknie bezahle mich für meine Rundgänge. Wo ich auftauchte, gab es Scherben. Und jedesmal, wenn ich hinfiel, sagte dieser verhinderte Sklaventreiber: ›Korisios, man darf hinfallen, aber man darf nicht liegenbleiben.‹ Und so stand ich wieder auf und wurde allmählich zum Schrecken des Hofes. Ich kam mir vor wie ein Seeungeheuer aus dem sagenumwobenen Nordmeer. Ziemlich peinlich war die Begegnung mit den Mädchen in unserer Gemeinschaft, denn wenn ich hinfiel, versuchte ich mich stets irgendwo festzuhalten. Instinktiv. Und so war es nicht selten, daß ich mich an einem Leinenstoff festhielt und ihn mit zu Boden riß. Darum beneideten mich die anderen Jungen, denn keiner war so oft von hübschen, nackten Mädchen umgeben wie ich.«

Wanda lachte leise.

»Siehst du, Wanda, ich bringe jeden zum Lachen!« triumphierte ich. Ich hatte sie noch nie lachen sehen. Sie hatte ein frisches Lachen und ein schönes Gebiß mit kräftigen und regelmäßigen weißen Zähnen; während sie den Kopf lachend zurückwarf, öffnete sich ihr Mund wie eine Knospe, als erwarte sie einen leidenschaftlichen Kuß. Aber ich beherrschte mich, schließlich war sie eine Sklavin. Trotz ihrer beiden Fibeln.

»Den Rest der Geschichte kennst du. Dann kamst du, und dann Lucia.«

Lucia schnurrte fast wie eine Katze. Ich bin sicher, daß sie wußte, wenn wir von ihr sprachen. Hunde werden einfach unterschätzt. Wanda fuhr ihr zärtlich über den Kopf und befühlte ihre weichen, langen schwarzen Ohren.

»Weißt du, Wanda, das mit Lucia, das hat vermutlich auch mein Onkel Celtillus eingefädelt. Er versucht mein Leben wie einen Feldzug zu planen. Deshalb macht er sich jetzt auch solche Sorgen, weil er spürt, daß er als Feldherr aus meinem Leben scheiden muß. Aber in seinem nächsten Leben wird er bestimmt zu meinen Kunden gehören.«

Doch Wanda überhörte meine letzten Worte, setzte wieder die Miene der still erduldenden Sklavin auf und bohrte weiter: »Was meinst du, Herr, wer hat dir geholfen, Celtillus oder deine Götter? Oder haben deine Götter Celtillus dazu gebracht, dir zu helfen?«

»Wanda, wieso interessierst du dich so für unsere Götter? Bist du mit deinen nicht mehr zufrieden?«

Natürlich konnte eine germanische Sklavin mit ihren Schutzgöttern nicht zufrieden sein. Wanda wandte sich ab und schaute in die Ferne. Sie hatte irgend etwas gesehen. Aufmerksam suchte ich mit den Augen das Tal und die umliegenden Hügel ab. Nichts rührte sich. Und doch war ich sicher, daß da drüben irgend etwas war. Ich spürte wieder dieses seltsame Knistern in der Luft. Ich war ganz sicher, daß irgend etwas geschehen würde. Ich war so sicher wie damals, als ich Fumix den Tod wünschte und genau wußte, daß er sterben würde. Ich hatte so was wie Vorahnungen. Manchmal geschah etwas, irgend etwas Belangloses, und ich wußte, daß es später einmal von sehr großer Bedeutung sein würde.

»Laß uns zurückgehen«, sagte ich plötzlich.

Wanda nickte. Sie nickte so, als wolle sie sagen: Ja, ich habe es auch gesehen. Aber ich hatte leider gar nichts gesehen. Sie spürte, daß ich unruhig geworden war, ließ sich aber nichts anmerken. Sie glitt vom Felsen und zog mich dann an einem Bein zu sich hinunter. Ich mochte das überhaupt nicht, wenn man mich wie einen Ast hinunterzog, aber wie sollte ich ihr das wieder abgewöhnen? Vorsichtig ließ ich mich hinuntergleiten. Sie streckte ihre Arme in die Höhe und umfaßte meine Hüften. Als ich den Boden unter meinen Füßen spürte, drehte ich mich um. Ihr Gesicht war so nah, daß ich ihren Atem spürte.

»Du brauchst mich nicht immer festzuhalten«, sagte ich vorwurfsvoll. Ich meinte es nicht so, aber irgendwie muß man einer Sklavin immer wieder zu verstehen geben, daß sie die Sklavin ist. Sonst wächst sie einem über den Kopf. Ich kannte nämlich Geschichten von germanischen Sklavinnen, die ihrem Herrn vorschrieben, was er ihnen zu befehlen hatte. Ja, wirklich! Und es gibt auch germanische Sklavinnen, die tagelang mürrisch sind, bis ihr Herr dies oder jenes tun. Deshalb war ich manchmal etwas streng mit Wanda.

Sie nahm meinen Arm und sagte: »Celtillus will es so, Herr.« Eigentlich hätte ich jetzt noch mal eins draufsetzen sollen, denn schließlich hatte ich sie soeben getadelt, und jetzt tat sie gerade das, was ich eigentlich nicht wollte. Aber ein richtiger Herr muß manchmal auch Güte walten lassen. Doch nicht zu oft.

Gemeinsam gingen wir den Weg zum Ufer hinunter. Wir schwiegen beide. Die Geschichte, die ich Wanda erzählt hatte, hatte mich aufgewühlt. Nach einer Weile war ich jedoch froh, sie erzählt zu haben. Genauer gesagt: daß ich sie Wanda erzählt und sie zum Lachen gebracht hatte. Einmal mehr war mir bewußt geworden, wie weit und beschwerlich der Weg gewesen war, den ich bereits zurückgelegt hatte. Ich konnte zwar nach wie vor nicht auf einen Baum klettern, ein Schwert schmieden oder eine Lanze ins Ziel bringen, doch ich kannte jeden Baum, kannte die Wirkung der Kräuter, wußte, wie man Waffen, Schmuck und Tongefäße herstellt, wie man Metalle findet, gewinnt und verarbeitet, ich beherrschte die lateinische Sprache und die griechische Handelsschrift, ich kannte die Mythen, Götter und Sagen der verschiedenen Völker und den Lauf der Gestirne. Und wenn kein Druide im Dorf war, war ich bereits einer der wichtigsten Männer unserer Gemeinschaft. Wenn fremde Händler vorbeizogen, wurde ich stets gerufen. Seit kurzem – und darauf war ich besonders stolz